KAPITEL VII

BRAUTWERBUNG UND EHE

 

1. HEIRATSVERBOTE

Heiratsverbote nehmen in der Sozialordnung der Bulsa eine außerordentlich wichtige Stelle ein, und es wurde mir öfters versichert, dass eine Übertretung eines eindeutigen Heiratsverbots zu den schändlichsten Dingen gehört, die sich ein Bulo vorstellen kann.
Oft wurde mir als eine Art Regel genannt, dass Personen, die zusammen einem Ahnen oder einer Ahnin opfern, nicht untereinander heiraten können. Diese Regel gilt allerdings nicht, wenn die Ahnen/Ahninnen vor sehr langer Zeit gelebt haben. So kann ein Mann aus Wiaga-Kubelinsa eine Frau aus dem Gehöft Abapik Yeri (Wiaga-Badomsa) heiraten, obwohl Kubelinsa in diesem Gehöft der Mutter Abadomings (des Sektionsgründers von Badomsa) opfert.

a) Heiratsverbote großer Gruppen
Hierunter verstehe ich Verbote, die ein einzelnes Individuum mit Segmenten seiner Lineage oder mit Gruppen, die sogar über eine Klansektion hinausgehen, gemeinsam hat. Auch Heiratsverbote eines einzelnen, bezogen auf eine größere geschlossene Gruppen, etwa eine andere Klansektion, sollen hierzu gerechnet werden. Die Abgrenzung zu den unten aufgeführten “individuellen Heiratsverboten” ist natürlich fließend und wurde hier eher aus arbeitstechnischen Gründen vorgenommen. Im folgenden seien die wichtigsten Heiratsverbote großer Gruppen aufgeführt:
1. Ein Bulo darf sich keine Frau aus der Klansektion seines Vaters, d.h. seiner eigenen Klansektion, nehmen. Der vieldeutige Begriff der “Sektion” (englisch section oder division, Buli dok oder yeri) bedarf einer näheren Klärung. Folgende soziale Einheiten können unter diesem Begriff verstanden werden {242}:
Exogame Klansektionen. Hier handelt es sich meistens um die patrilinearen Nachkommen eines Lineagegründers, der vor etwa 7-10 Generationen gelebt hat und nach dem diese Sektion gewöhnlich ihren Namen erhalten hat (z.B. Kalijiisa nach Akaljiik). Eingliederungen kleinerer fremder Lineages (assimilated oder attached lineages im Sinne von M. Fortes) [Endnote 1], die z.B. ihren Ursprung auf einen Sklaven zurückführen, sind in gewissen Grenzen möglich (vgl. S. {254}).
Örtliche Zusammenfassungen. Äußerlich sind diese “Sektionen” oft schon daran zu erkennen, dass ihr Name sich nicht von einem Gründer ableiten lässt, sondern eher beschreibenden Charakter hat, z.B. Yipaala (neue Häuser), Yisobsa (dunkle Häuser), Yimonsa (rote Häuser), Belezuk (am Fluss), Goluk (Tal) usw. Natürlich können solche örtlichen Einheiten auch Klansektionen sein.
Verwaltungseinheiten. Wahrscheinlich erst unter der britischen Kolonialverwaltung wurden innerhalb der einzelnen Ortschaften Verwaltungssektionen unter einem kambon-naab (Englisch sub-chief oder headman) geschaffen. In diesen wurden oft mehrere exogame Klansektionen zusammengeschlossen, besonders wenn diese recht klein waren. Folgende Verwaltungssektionen Sandemas bestehen zum Beispiel aus zwei oder mehr exogamen Einheiten (in einem solchen Fall meistens Subsektionen genannt), die zum großen Teil untereinander innerhalb der gleichen politischen Einheit (section) heiraten dürfen:

BALANSA. Subsektionen: Akuri-yeri, Anyabasi-yeri, Apaaba-yeri, Bagunsa, Banyinsa, Banyimonsa, Daborinsa, Sanwasa, Yiriwiensa.

BILINSA. Subsektionen: Bilinmonsa, Bilinsobsa, Farinsa, Pungsa, Tankunsa. – Bilinsa-Pungsa und die Sektion Sandema-Fiisa heiraten nicht untereinander. Ein Mann aus Fiisa heiratet nicht einmal die Tochter einer Pungsa-Frau.

KALIJIISA. Kalijiisa ist erst seit einigen Jahren in zwei exogame Einheiten aufgeteilt, nämlich in Choabisa, die Sektion der Schmiede, und in Kalijiisa im engeren Sinne.

KANDEM. Subsektionen: Kanwaasa und Tolensa.

KORI. Subsektionen: Apaisibasi, Belingmai, Kanaansa, Katuensa, Kori (im engeren Sinne).

Auch in Wiaga bestehen einige Verwaltungssektionen (z.B. Chiok, Sinyansa, Tandem und Yisobsa) aus mehreren exogamen Klansektionen (vgl. Tabelle ‟Heiratssystem Wiagas‟, Kap. VII,1a, S. 248).
Andererseits besteht (oder bestand) oft ein Heiratsverbot zwischen politisch voneinander unabhängigen Sektionen, weil das verwandtschaftliche Verhältnis dieser Gruppen untereinander noch als zu nah betrachtet wird. In Sandema war zum Beispiel bis vor etwa 1950 eine Heirat zwischen den Sektionen Kalijiisa, Kobdem und Longsa verboten, und auch heute noch zögern viele Männer, innerhalb dieser Dreiergruppe zu heiraten. In Wiaga hat es “zur Zeit der Großväter” ein Heiratsverbot zwischen Yisobsa und Farinmonsa gegeben, das in neuerer Zeit einseitig aufgehoben wurde. Während viele Farinmonsa-Männer sich keinen Skrupel daraus machen, eine unverheiratete Frau aus Yisobsa zu heiraten, hält sich Yisobsa noch weiter an das Heiratsverbot (Stand 1974).
In Wiaga-Sinyangsa bestand noch vor etwa 1950 ein Heiratsverbot zwischen ihren (Sub-) Sektionen, von denen sich das zwischen solchen mit einem gemeinsamen Ahnen (Badomsa, Kubelinsa und Mutuensa) am längsten gehalten hat. Heute heiraten fast alle Sektionen untereinander. Allein zwischen Kubelinsa und Mutuensa, das manchmal als Subsektion von Kubelinsa bezeichnet wird, besteht weiterhin ein Heiratsverbot.
In Sandema Kalijiisa bestand ein Heiratsverbot unter allen Subsektionen, auch mit der später eingewanderten Schmiede-Subsektion Choabisa. Auf der Totengedenkfeier eines alten Mannes, verkündete ein Elder, dass fortan auch Ehen zwischen Choabisa und den anderen Subsektionen Kalijiisas geschlossen werden dürften. Diese Ankündigung brauchte mehrere Jahre bis sie allgemein akzeptiert wurde. Als sich ein junger Mann aus Choabisa um ein Mädchen einer anderen Kalijiisa-Sektion bewarb, erregte es vor der Ablehnung allgemeine Heiterkeit, dass hier ‟jemand seine Schwester heiraten wollte‟.

2. Ein Bulo darf auch gewöhnlich keine Frau aus der Klansektion seiner Mutter heiraten. Falls eine Frau der mütterlichen Sektion jedoch außerhalb des Sektionslandes (z.B. im Süden Ghanas) aufgewachsen ist und auch dort mit ihrem Mann leben wird, so ist eine Heirat erlaubt, wenn die Ehefrau und die Mutter des Bräutigams nicht aus einem zu kleinen gemeinsamen Lineagesegment stammen. Heiraten aus den Sektionen der VaMu (Vatersmutter)[Endnote 2], der MuMu, der VaVaMu, der VaMuMu und MuMuMu werden oft auch als unerlaubt angegeben, in der Praxis beschränkt man sich jedoch häufig, besonders wenn es sich um große Sektionen handelt, auf ein mehr oder weniger großes Lineagesegment dieser Sektion.
Heiratseinschränkungen beziehen sich mitunter auch auf Gruppen, mit denen – auch nach europäischen Begriffen – keinerlei Blutsverwandtschaft besteht. So kann ein Bulo (A) nicht ohne weiteres ein Mädchen (B) aus dem Hause seines VaVaFrVa heiraten (vgl. genealogische Skizze!), da die Eltern des Mädchens nie ihre Einwilligung dazu gäben. Er (A) kann sie (B) gegen den Willen der Eltern entführen, muss aber in Kauf nehmen, dass bei einer späteren Trennung der Ehe die Frau (B) {244} mit ihren Kindern in ihre Elternhaus zurückkehrt und, falls sie einen anderen Mann (C) heiratet, wird der Gatte A noch größere Schwierigkeiten haben, seine Kinder zurückzubekommen, da er nicht auf die Hilfe seiner Schwiegereltern zählen kann.

Häufig ist man sich nicht darüber einig, ob ein Bräutigam noch mit seiner Braut in weiblicher Linie für eine Heirat zu nahe verwandt ist, und es entstehen lebhafte Diskussionen. Wer recht hatte, zeigt sich oft erst nach einigen Jahren Ehezeit, wenn etwa keine Kinder geboren werden oder die Ehe von anderen Unglücksfällen getroffen wird. Entdeckt man nachträglich, dass man mit einer nahen matrilinearen Verwandten, z.B. einer Enkeln der gleichen Großmutter, verheiratet ist, so wird die Ehe gewöhnlich aufgelöst, es sei denn, dass in dieser Ehe schon Kinder gezeugt wurden. Es darf hier jedoch nicht der Eindruck entstehen, als ob Heiraten in eine Matrilineage nur in Hinsicht auf den eventuell ausbleibenden Kindersegen gemieden würden. Es wurde mir mehrmals versichert, dass man solche Ehen auch als unmoralisch ansieht.
Keine Diskussion, ob eine Ehe mit einer Verwandten in weiblicher Linie möglich und erlaubt ist, kann entstehen, wenn das Haus des Bräutigams einen ma-bage aus dem Haus der Braut geholt hat. Die Brautleute, besonders wenn sie von der Erde dieses Schreines gegessen haben, würden sofort sterben und weitere Schicksalsschläge könnten die beiden Häuser treffen (vgl. S. 178).

3. Waren bisher als Gründe für Heiratsverbote zwischen größeren Gruppen nur zu nahe verwandtschaftliche Beziehungen angeführt worden, so soll nun die Feindschaft (dachachrini) zwischen zwei Gruppen als Hinderungsgrund, eine “Tochter” (daughter, Buli lie), d.h. eine Angehörige der anderen Sektion zu heiraten, zur Sprache kommen. Sind die sozialen Beziehungen {245} zwischen zwei Sektionen zum Beispiel durch einen Mordfall einmal gestört, so können sie auch durch weitere feindliche Handlungen, wie die Heirat einer Frau einer dritten Sektion, die bereits in der verfeindeten Sektion verheiratet war, nicht mehr verschlechtert werden, wenn auch solche Heiraten dazu beitragen, die schlechten Beziehungen zwischen den beiden Sektionen zu verewigen. Heute ist etwa in Wiaga der genaue Anfangsgrund für die schlechten Beziehungen zwischen zwei Sektionen oft vergessen, und man verweist nur auf Fehden vergangener Zeit. Die genaue Unterscheidung von Sektionen, aus denen man gar nicht heiraten darf, aus denen man “Töchter” (lieba, Sing. lie), schon verheiratete Frauen (pooba, Sing. pok) oder “Töchter” und (oder) “Ehefrauen” heiraten darf, hat in Wiaga zu einem komplizierten Heiratssystem geführt, das in einer Tabelle (unten) dargestellt werden soll. Wenn ein Heiratsbewerber feststellt, dass er aus einer bestimmten Sektion “Töchter” oder dort verheiratete Frauen heiraten kann, so schließt die Heirat einer “Ehefrau” nicht nur für ihn, sondern auch für sein Haus, mitunter für seine ganze Sektion die Heirat einer “Tochter” aus der anderen Sektion wenigstens für die Zeit seiner Ehe mit dieser Frau aus, denn die Beziehungen zwischen den beiden Lineages haben sich verschlechtert, nachdem ein Mitglied einer Sektion einer anderen Sektion eine Ehefrau geraubt hat und zur ehelichen Untreue verführt hat.
Mitunter müssen die Ältesten (kpaga, Sing. kpagi) einer Sektion eingreifen und einen Angehörigen ihrer eigenen Linie zum Nachgeben zwingen, wie das folgende Beispiel zeigt. Im Jahre 1966 heiratete ein Mann aus Wiaga-Yimonsa eine in Sinyansa (Bachinsa?) verheiratete Frau. Später führte ein junger Mann aus der gleichen Sinyansa Sektion eine “Tochter” Yimonsas, wahrscheinlich gegen den Willen der Sinyansa-Sektion, als Braut heim. Hieraufhin veranlassten die Ältesten Yimonsas, dass die “Ehefrau” an die Sinyansa Sektion zurückgegeben wurde.
Wenn andererseits jemand eine “Tochter” einer Sektion N. heiratet, so folgt daraus, dass kein anderer seiner Sektion in nächster Zeit eine “Ehefrau” aus der Sektion N. heiraten darf, wenn er die vorher geschlossene Ehe und die Möglichkeit weiterer Eheschließungen nicht gefährden will
{246}.
Wie die Beispiele gezeigt haben, sind die Heiratsmöglichkeiten zwischen den Sektionen einer Ortschaft (z.B. Wiaga) nicht starr festgelegt, sondern können zeitlichen Veränderungen unterliegen. Fortgesetztes Heiraten von “Ehefrauen” aus einer Sektion vereitelt für lange Zeit die Heirat von “Töchtern”. Haben sich zwei Sektionen mehrfach schon verheiratete Frauen (einer jeweils dritten Sektion) weggenommen, so kann für die folgende Zeit nur schwerlich eine Heirat zwischen echten Angehörigen der beiden Sektionen zustande kommen.
Obwohl für die nachfolgende Tabelle (in den Jahren 1973-74) ausschließlich ältere oder von Amts wegen kundige Männer (z.B. fast alle kambon-nalima Wiagas) jeweils über ihre eigene Sektion von Clement, dem inzwischen verstorbenen Sohn des Wiaga-Häuptlings Asiuk, nach meinen Anweisungen befragt worden sind, weist die Übersicht doch noch zahlreiche Widersprüche auf. Diese Widersprüche erklären sich neben einigen anderen Gründen daraus, dass in vielen politischen Sektionen die Zahl der “fremden Häuser”, d.h. Verwandtschaftsgruppen, die nicht zur Hauptlinie der Sektion gehören, sehr groß ist und immer wieder in den Interviews politische Sektion mit Klansektionen als Personenverband (Lineage) verwechselt worden ist. Mitunter wird auch ein Heiratsverbot mit einer Sektion konstatiert, weil der Informant persönlich mit dieser Sektion in weiblicher Linie verwandt ist (Die älteren Männer sollten allerdings durch meinen Helfer auf diesen Irrtum aufmerksam gemacht werden).
Wie das oben angeführte Beispiel Yisobsa-Farinmonsa (Kap. VII, 1a; S. 243) zeigt, kann auch nicht automatisch auf eine Fehlinformation geschlossen werden, wenn die Tabelle ergibt, dass die Sektion A zwar aus der Sektion B heiratet, nicht aber die Sektion B aus der Sektion A. {247}

Anmerkungen und Abkürzungen zu den folgenden Tabellen (Heiratssytem Wiagas):
Die direkten Aussagen der Informanten finden sich jeweils in den senkrechten Sektionsspalten.

D (für daughters): Aus dieser Sektion werden nur “Töchter” (yeri lieba, Töchter des Gehöfts oder der Lineage) geheiratet.
W (für wives): Aus dieser (verfeindeten) Sektion heiratet man nur verheiratete Frauen (die geburtsmäßig natürlich aus einer dritten Sektion stammen).
DW Aus dieser Sektion (z.B. aus verschiedenen Sublineages) werden “Töchter” und/oder “Ehefrauen” geheiratet.
D- Aus dieser Sektion werden “Töchter” nur mit Einschränkung, d.h. nicht aus allen Subsektionen oder Teilen geheiratet.
W- Nur aus bestimmten Teilen (Subsektionen) dieser Sektion werden verheiratete Frauen geheiratet.
– Aus dieser Sektion heiratet man weder “Töchter” noch “Ehefrauen” (aus Gründen einer zu nahen Verwandtschaft).

{249} In Sandema kennt man ein so komplexes System von Heiratsbeziehungen nicht. Sektionen, die nur “Ehefrauen” voneinander heiraten, scheinen sehr selten zu sein. Mir ist nur das Paar Kobdem-Kori bekannt. Sektionen, die gerade erst ihr gegenseitiges Heiratsverbot aufgegeben haben (z.B. Kalijiisa, Kobdem, Longsa), heiraten nur “Töchter” voneinander. Sonst scheint es die Regel zu sein, dass aus einer anderen Sektion “Ehefrauen” oder “Töchter” geheiratet werden können, je nachdem ob die Beziehungen zwischen den beiden Sektionen gerade feindlich oder freundlich sind.
Auch Mordfälle und Fehden haben auf die Dauer in Sandema nicht zu Heiratsverboten zwischen ganzen Sektionen geführt. In Kalijiisa hat vor längerer Zeit ein Angehöriger dieser Sektion einen Mann aus Chuchuliga getötet. Man sagte mir, dass in der ersten Zeit nach dem Totschlag die beiden betroffenen Sektionen als Ganzes nicht untereinander heirateten. Heute besteht dieses Verbot nur noch zwischen den Häusern des Totschlägers und des Getöteten.
Es wäre noch genauer zu untersuchen, ob es einen Zusammenhang zwischen Scherzbeziehungen und Heiratsverboten aus Feindschaft gibt. In Sandema besteht im Gegensatz zu Wiaga ein ausgeprägtes System von Scherzbeziehungen (gbieri v. oder – mit Beleidigungen – ale chaab leka v.n.) zwischen einzelnen Sektionen. Wie mir häufig versichert wurde, sind auch Scherzbeziehungen aus ehemaligen Feindschaften oder Fehden hervorgegangen. Für diese Behauptungen spricht auch das Scherzverhältnis zwischen Bulsa und Zabarima, der Ethnie des berüchtigten Sklavenjägers Babatu [Endnote 3]. In einem Fall von Scherzbeziehungen zwischen zwei Sandema Sektionen geht der Ursprung angeblich auf einen Mordfall zurück. Die Annahme, dass in Sandema sich ehemalige Feindschaften in Scherzbeziehungen ausdrücken, in Wiaga jedoch durch Heiratsverbote von “Töchtern” bzw. durch erlaubte Heiraten von “Ehefrauen”, kann im Augenblick noch nicht bewiesen werden [Endnote 4].
In den meisten kleineren Bulsa-Dörfern, wie z.B. Siniensi, Kadema, Gbedema und Kanjaga, ist es gar nicht erlaubt, aus dem gleichen Dorf die Frau eines anderen zu heiraten. Ein junger Mann aus dem Hause des Häuptlings von Siniensi erklärte mir, dass ein kleines Dorf mit nur wenigen Sektionen es sich nicht erlauben kann, Streit unter seinen Bewohnern aufkommen zu lassen. Falls ein Mann aus Siniensi eine in Siniensi {250} verheiratete Frau gegen die Vorschrift geheiratet hat, muss er sie entweder zurückgeben oder mit der Frau Siniensi verlassen. Auch Fremde des Dorfes dürfen aus keiner Sektion eine schon verheiratete Frau heiraten, wenn sie ihren Wohnsitz in Siniensi behalten wollen.
Da die Häuptlinge von Sandema und Wiaga sich mit allen Lineages ihres Dorfes gut verstehen wollen, besteht auch für sie das Verbot, Ehefrauen aus dem eigenen Dorfes zu heiraten.
In Uwasi dürfen von den angeblich älteren Sektionen nur “Ehefrauen” aus den Sektionen geheiratet werden, die sich später als Fremdlinge in Uwasi niedergelassen haben (Angmong-yeri, Wasik, Achang-yeri). Ähnlich ist es in Doninga, wo nur aus Yipaala-Kong, einer Sisala-Subsektion, “Töchter und Ehefrauen” von den übrigen Sektionen geheiratet werden.
Auch in Wiesi (Wiasi) und Fumbisi heiratet man aus den meisten anderen Sektionen nur “Töchter”, doch gibt es in beiden Ortschaften auch Sektionen, aus denen man sich nur verheiratete Frauen oder “Ehefrauen” und/oder “Töchter” nimmt, ohne dass diese Sektionen eindeutig als fremde Gruppen nachgewiesen werden konnten.
Zu den Heiratsverboten aus Feindschaft mussten in früheren Zeiten auch Heiraten aus verfeindeten ethnischen Gruppen gerechnet werden. Andere Stämme mussten als potentielle Feinde angesehen werden, und eine Heirat war riskant. Trotzdem war Heiraten mit Personen aus anderen Ethnien auch früher wohl keine große Seltenheit. M. Fortes4a erfuhr bei seinen Feldforschungen, dass sich der Tallensi Bangam Teroog vor 50-60 Jahren aus seiner Heirat nach Sandema begeben hat und auf dem Wege dorthin überall Verwandte traf, die ihn aufnahmen.
Die nördlichen Sektionen Sandemas (z.B. Kalijiisa) haben schon immer häufig Kasena-Frauen aus Chana geheiratet, und Männer aus Chana haben sich oft Frauen aus diesen Bulsa Sektionen genommen, wie auch aus der statischen Übersicht von Kalijiisa-Yongsa (S. 257) hervorgeht.

4. Auch aus Gründen, die man vielleicht als politisch-rituell bezeichnen kann, sind Heiraten zwischen bestimmten Gruppen verboten.
Vor einigen Jahren bewarb sich Robert Asekabta, ein Verwandter des Sandemnaab (Abilyeri), um ein junges Mädchen aus Suarinsa-Niima. Es war Robert bekannt, dass seine Familie mit Suarinsa weder verwandt noch verfeindet war. Trotzdem musste ihn sein Vater aufklären, dass er dieses Mädchen nicht heiraten könne, da Männer der Subsektion Suarinsa-Niima an der Einsetzung des Häuptlings beteiligt sind. Da das Häuptlingshaus schon von Suarinsa-Niima eine “Tochter” [Endnote 5], nämlich {251} das Häuptlingstum, erhalten habe, könne ein Mitglied des Häuptlingshauses nicht noch eine andere “Tochter” aus der gleichen Subsektion fordern.

b) Individuelle Heiratsverbote

Neben den Exogamievorschriften ganzer Gruppen hat der Einzelne noch Heiratshindernisse zu beachten, die sich aus seiner einzigartigen Stellung im Verwandtschaftssystem ergeben.
1. Ein Mann soll nicht zwei Töchter desselben Vaters und derselben Mutter heiraten, wenn diese in der Geburtenreihenfolge direkt hintereinander geboren wurden [Endnote 5a]. Ist dies trotzdem geschehen, so müssen die beiden Ehefrauen eine ganze Reihe von Vorschriften beachten. Sie dürfen z.B. nicht zur gleichen Zeit ihren Wohnraum ausfegen und müssen verschiedene Eingänge zum Gehöft benutzen. Hatte die Mutter dieser beiden Töchter eine Totgeburt zwischen den Geburten der beiden Mädchen, so bleibt das genannte Heiratsverbot bestehen. Falls ein Kind, das zeitlich zwischen zwei Töchtern geboren wurde, jedoch eine Zeitlang gelebt hat und dann als Baby starb, so tritt das oben beschriebene Heiratsverbot nicht in Kraft.
Auch zwei Vollschwestern, die andere lebende Geschwister in der Geburtenreihenfolge zwischen sich haben, sollen möglichst nicht den gleichen Gatten heiraten. G. Achaw glaubt den Grund darin zu sehen, dass sonst die Verpflichtung des Gatten dem schwiegerelterlichen Haus gegenüber zu groß wird. Eigentlich müsste er seinen Schwiegereltern zweimal im Jahr bei der Feldarbeit helfen (für jede Frau einen Tag); dies geschieht jedoch in einem solchen Fall nur sehr selten. Auch falls etwa die Totengedenkfeier des Vaters der beiden Schwestern abgehalten wird, gerät das Haus, aus dem die beiden Schwestern stammen, ins Hintertreffen, denn der Gatte der beiden Schwestern wird nur einmal seinen Beitrag zur Totengedenkfeier leisten. Aus diesem Grunde wird es nicht einmal gern gesehen, wenn zwei Männer aus der gleichen Sektion zwei Vollschwestern heiraten, denn bei einer Totengedenkfeier werden die beiden Gatten als Abordnung der gleichen Sektion unter dem gleichen Schattenbaum sitzen und ihren Beitrag nur einmal leisten. G. Achaw (Kalijiisa-Yongsa) hatte schon große Schwierigkeiten, die Zustimmung der Eltern seiner Braut zur Heirat zu bekommen, da ein Mann aus Kalijiisa {252}-Choabisa eine Schwester des Mädchens geheiratet hatte, obwohl Choabisa eine “fremde” Subsektion ist und heute sogar aus Yongsa heiraten kann.
2. Ein Mann und seine Schwester, die in der Geburtenreihenfolge ihm unmittelbar folgt, dürfen nicht eine Tochter und einen Sohn der gleichen Eltern heiraten (Inf.: G. Achaw).
3. Ein Mann darf nicht eine Tochter aus einer anderen Ehe einer Frau seines Vaters heiraten, wenn er zusammen mit diesr Tochter Mädchen aufgewachsen ist. Falls dieses Mädchen in der Familie ihres Vaters aufgewachsen ist, kommt eine Heirat gewöhnlich nicht zustande, da die beiden Familien verfeindet sind (vgl. Kap. VII, 1a; S. 244).
4. Nach der Durchführung eines ma-bage-Rituals besteht zwischen den Familien des gastgebenden Gehöft und denen der Gäste seitdem ein Heiratsverbot (Vgl. Kap. V,3d; S. {169-173}.

 

c) Übertretung eines Heiratsverbots: ein Beispiel

Die Nichteinhaltung eines eindeutigen Heiratsverbots ist keine Privatsache, kein Fehltritt, den man nach einigen Jahren vergessen könnte. Eine solche Übertretung ist nach L. Amoak “the only mortal sin we Bulsa know”. Das Leben der ganzen Gruppe ist im wörtlichen Sinne bedroht. Dies soll an einem Fall von kabong (Pl. kabonsa) in Wiaga-Sinyansa-Badomsa dargestellt werden, in dessen Geschichte mich L. Amoak eingeweiht hat. Kabong ist eine besonders schwere Variante des Ehebruchs.
Etwa um das Jahr 1950 heiratete ein gewisser Agaab (Name geändert) aus Badomsa die Ehefrau eines Apusik (Name geändert) aus Siniensi. Die Frau stammte aus Kubelinsa und hätte vor ihrer Heirat mit Apusik einen Badomsa-Mann heiraten können.
Das verwandtschaftliche Verhältnis zwischen Agaab und Apusik kann wie folgt dargestellt werden:

{253} Die Siniensi-Familie ist in weiblicher Linie mit den Nachkommen Ayariks verwandt, und schon die Kinder von Ayariks Tochter kamen nach Badomsa, um in der Sektion ihrer Mutter zu leben. Erst Apusiks Vater hat Badomsa wieder verlassen, um in die Sektion seiner Patrilinie zu ziehen. Die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Agaab und Apusik sind so, dass Agaab wohl ohne größere Schwierigkeiten eine Tochter Apuuks hätte heiraten können, aber eine Ehefrau aus einer Linie zu heiraten, mit der man durch eine Frau verwandt ist und die außerdem noch in einer Familie (z.B. Akanming) in der eigenen Sektion wohnt, gilt als kabong. Akanming meldet dieses Vorgehen daher auch zugleich Anmang, dem Ältesten der Ayarik-bisa, der dem wen Ayariks zu opfern hat. Anmang (er war damals angeblich schon über 100 Jahre alt) schickt seinen Sohn Adiak zu Abui  (Name geändert) mit der Forderung, sein Sohn Agaab solle sofort die Frau zurückgeben. Abui jedoch reagiert nicht, erlaubt seinem Sohn, die Frau zu behalten und macht sich dadurch mitschuldig. “This in fact became family adultery, and it is a dirty affair [Endnote 5b] within our ancestor[s]” (L. Amoak). Anmang stirbt bald (eines natürlichen Todes), und die bogluta Ayariks und Agbanas gehen an den nächstältesten der Linie Ayarik-bisa, und das ist Abui. Ohne das Vergehen bereinigt zu haben, opfert er Ayarik und Agbana. Als Folge ist er drei Tage später gelähmt und stirbt nach einer Woche. Die wena werden an den nächstältesten der Linie (Ayarik-bisa) weitergegeben, es ist Atiim (Leanders Bruder). Als die Brüder Abuis Atiim die bogluta Ayariks und Agbanas bringen, informieren sie ihn nicht, was in ihrer Familie geschehen ist. Atiim opfert den wena und stirbt nach einigen Tagen. L. Amoak tritt nun an die Stelle seines Bruders Atiim. Er sucht einen Wahrsager auf und erfährt erst von ihm, in welch einer gefährlichen Lage er ist. Er stellt alle Opferhandlungen an Ayarik und Agbana ein, versammelt die Ältesten aus Ayariks Linie, die Familie Asandioks gesteht die Schuld ein, und sie versprechen, die Frau zurückzuschicken. Nachdem dies geschehen ist, opfert L. Amoak (durch seinen Neffen Ayomo Atiim) Hühner und Hirsewasser – alles wird von Asandioks Nachkommen gestellt – als Sühneopfer. Die Ahnen Ayarik und Agbana lehnen jedoch dieses Opfer ab. Der Wahrsager findet heraus, dass Hühner und Hirsewasser für ein so schweres Vergehen nicht genügen. Die Ahnen verlangen ein größeres Tier (dung, Pl. dungsa), d.h. eine Ziege, ein Schaf oder ein Rind. Die {254} Nachkommen Asandioks erklären sich bereit, ein dung für das Sühneopfer zu stellen. Nach L. Amaoks letzten Information (1980?) wird die Angelegenheit bald vollkommen bereinigt sein.

d) Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Heiratsverbote aus folgenden vier Gründen bestehen können:

1) verwandtschaftliche Nähe,
2) Feindschaft,
3) politische Verflechtung,
4) lokale und emotionale Nähe.

Zu 1) Nur aus dem ersten Faktor hat sich ein echtes Tabu entwickelt, das bei Nichtbeachtung automatische Sanktionen (Missgeburten, Streit, Unglück usw.) und Sanktionen der Sektion (Ausschluss) nach sich zieht.
Zu 2) Heiraten zwischen verfeindeten Familien sind für die Bulsa schlecht denkbar, denn ein Heiratsvertrag soll bei ihnen Freundschaften zwischen Familien und Sektionen verstärken oder neue freundschaftliche Beziehungen schaffen. Von einem heiratswilligen Sohn erwartet man, dass er nicht nur Freundschaften, sondern auch Feindschaften seines Vaters oder seiner Gruppe respektiert.
Zu 3) Heiratsverbote aus Gründen politischer Verflechtung sind mir nur durch den oben beschriebenen Fall (Abilyeri – Suarinsa-Niima) bekannt. Weitere Nachforschungen über ähnliche Vorstellungen in anderen Häuptlingshäusern wären gewiss lohnenswert.
Zu 4) Der vierte Faktor hat mitunter nur eine modifizierende Wirkung, etwa wenn ein Mann eine entfernte Verwandte aus der Sektion der Mutter im Süden Ghanas heiraten darf, nicht aber in der Sektion seines Vaters, in der seine Mutter lebt oder gelebt hat.
Eine eigenständige Bedeutung bekommt dieser Faktor, wenn Fremdlinge auf dem Territorium einer Sektion siedeln. In Kalijiisa-Yongsa gibt es zwei Häuser, deren Vorfahren vor langer Zeit (Ende des 19. Jahrhunderts?) aus dem Süden des Bulsa-Landes kamen und in der Zeit kriegerischer Auseinandersetzungen hier angesiedelt wurden. Sie {255} respektieren auch heute noch andere Totemtiere (fiok-Affe statt waaung-Affe) [Endnote 6] . Trotzdem darf keiner aus Yongsa in diese oder aus diesen Häusern heiraten.
Dieses Heiratsverbot bei einer Neuansiedlung tritt nicht unmittelbar nach dem Umzug in Kraft. Man sagte mir, dass etwa nach dem Tod des letzten Hausbewohners, der die Neuansiedlung noch leiblich miterlebt hat, die Zeit für ein Heiratsverbot mit der Gastsektion gekommen sei. Ohne Zweifel spielt jedoch die emotionale und auch wohl politische Bindung der Hausbewohner eine Rolle. Die zwei Häuser in Yongsa hatten nach ihrer Neuansiedlung jeden Kontakt mit ihrer Heimatsektion verloren, und sie wissen heute (angeblich) nicht mehr, aus welcher Sektion sie kamen. Heute betrachten sie es jedenfalls als eine Beleidigung, wenn man ihnen gegenüber behauptet, sie seien keine Ayong-bisa. Die drei Absplitterungen vom Häuptlingshaus (Sandema-Abilyeri), die in Suarinsa eine neue Wohnsektion gefunden haben, betrachten sich jedoch noch ganz als Angehörige von Abilyeri, und man hält es hier für sehr unwahrscheinlich, dass es je zu einer Heiratserlaubnis mit der Wohnsektion Suarinsa kommen wird.
Das Prinzip der lokalen und emotionalen Nähe als Hinderungsgrund für eine Heirat wird nicht immer eingehalten. Wenn auch die Heirat einer geschiedenen Frau des Vaters durch den Sohn zu Lebzeiten des Vaters ganz undenkbar wäre, so dürfen doch die Söhne nach dem Tod und der Totengedenkfeier des Vaters dessen Frauen heiraten, soweit es sich nicht um die eigene leibliche Mutter handelt oder um eine Frau aus der Sektion der eigenen Mutter. Die lokale und auch emotionale Nähe zwischen dem Sohn und den Frauen des Vaters zeigt sich nicht nur im Zusammenleben, sondern auch darin, dass der Sohn diese Frauen nicht nur Mutter (ma) genannt hat, diese Frauen haben oft auch mütterliche Funktionen ihm gegenüber ausgeübt.
Für den seltener eintretenden (und in der Lineage auch sehr umstrittenen) Fall, dass ein Vater die Frau des verstorbenen Sohnes heiratet, ist mir ein Beispiel in Sandema-Kalijiisa bekannt geworden.
Auch wenn ein kleines Mädchen als doglie in ein Haus geholt wird [Endnote 7] und fast wie Geschwister mit den gleichaltrigen Kindern des Hauses aufwächst, um später einem dieser Kinder zur Frau gegeben zu werden, wird eine Ehe geschlossen, obwohl vorher schon emotionale Beziehungen {256} nichtsexueller Art bestanden, die mit echten verwandtschaftlichen Bindungen zu vergleichen sind.
Bei den Bulsa gibt es keine vorgeschriebenen oder besonders empfohlenen Heiratsverbindungen, wie z.B. die Kreuzbasenheirat (cross-cousin-marriage) bei vielen Akan-Völkern. Dennoch zeigen genealogische Untersuchungen folgende beiden Tendenzen bei der Partnerwahl:
1. Es besteht in polygamen Ehen eine Tendenz, mehr als eine Frau aus der gleichen Sektion zu nehmen. In vielen der untersuchten Fälle mag es wohl so sein, dass sich eine ältere Ehefrau ein jüngeres Mädchen aus ihrer Familie oder Verwandtschaft als Hausgehilfin (doglie) geholt hat, um sie dann später ihrem Mann als Ehefrau anzubieten. Gegen diesen Brauch sprechen die oben (Kap. VII, 1a; S. 251) angeführten Gründe, besonders wenn die Frauen aus dem gleichen Haus kommen. Von den 69 in Yongsa eingeheirateten Frauen[Endnote 8] kommen zum Beispiel 5 aus Abil-yeri, die vor einigen Jahren noch alle im gleichen Hause Abiako-yeri wohnten. Von einer dieser Frauen ist mir bekannt, dass sie als doglie kam. Im Hause Akumkadoas stammen von den vier Frauen des Hausherrn drei aus der gleichen Sektion in Siniensi. Ist es ein Zufall, dass die drei aus Wiaga nach Yongsa eingeheirateten Frauen alle aus der Sektion Chiok stammen?
2. M. Fortes hat für die Tallensi nachgewiesen [Endnote 9], dass Frauen vorzugsweise aus geographisch nahen Gebieten geheiratet werden und dabei auch Stammesgrenzen übersprungen werden [Endnote 9a]. Diese These soll am Beispiel Yongsa für eine Bulsa-Subsektion überprüft werden. Wie ich zu spät bemerkt habe, eignet sich Yongsa nicht besonders gut für eine repräsentative Untersuchung und zwar aus folgenden Gründen:
a) Mehr als die anderen Sektionen Sandemas haben sich die Männer Kalijiisas, und hier wohl besonders Yongsas, dem Kola-Handel gewidmet und kommen so häufiger als die jungen Männer anderer Sektionen in weit entfernte Gebiete.
b) Eine Untersuchung, ob Yongsa-Männer vorzugsweise Frauen aus angrenzenden Sektionen heiraten, lässt sich schlecht durchführen, da Yongsa im Süden und Südwesten an Sektionen (Kobdem und Longsa) grenzt, aus denen Kalijiisa noch vor einigen Jahrzehnten keine Frauen heiraten durfte, und auch heute noch scheuen sich die meisten Männer vor {257} eine solche Ehe einzugehen. Im Nordwesten, Norden und Nordosten grenzt Yongsa an andere Subsektionen der großen Sektion Kalijiisa, die im Norden durch einen etwa 8 km breiten Buschstreifen von Chana getrennt ist. Im Westen schließen sich an Yongsa einige wenige Häuser der Subsektion Kalijiisa-Chariba an, an die sich weiter im Westen eins der größten unbewohnten Savannengebiete des Bulsa-Landes anreiht. Nur im Südosten grenzt Yongsa an Bilinsa-Tankunsa, aus dem Yongsa-Männer heiraten dürfen. Die folgende Übersicht gibt Aufschluss darüber, aus welchen Ortschaften und Sektionen sich die Yongsa-Männer ihre 69 Frauen genommen haben (Stichtag: 1. Juli 1974).

A) Bulsa: 56 (Frauen)
1. Sandema: 36
a) Bilinsa: 14

Tankunsa: 7
Pungsa: 4
Bilinmonsa: 2
Bilinsobsa: 1

b) Balansa: 6
c) Abil-yeri: 5
d) Nyansa: 4
e) Suarinsa: 3
f) Fiisa: 2
g) Kandem: 1
h) Kalibisa: 1
2. Siniensi: 9
3. Chuchuliga: 4
4. Wiaga (-Chiok): 3
5. Fumbisi: 1
6. Gbedema: 1
7. Uwasi: 1
8. Kadema: 1

B) Kasena:
Chana: 13

Trotz der oben dargelegten Bedenken hat die Untersuchung Yongsas folgende Ergebnisse erbracht:
1. Über 60 % aller in Yongsa eingeheirateten Frauen kommen aus der gleichen Ortschaft Sandema {258}
2. Die ethnische Grenze (Bulsa-Kasena) hat sich augenscheinlich als geringeres Hindernis erwiesen als die großen Entfernungen zu anderen Bulsa-Ortschaften: Kunkwa, Kanjaga, Doninga und Wiesi sind gar nicht vertreten, Fumbisi, Uwasi, Gbedema und Kadema nur durch je eine Frau.
3. Die einzige an Yongsa angrenzende Sektion, aus der ohne Einschränkungen auch in der Vergangenheit Frauen geheiratet werden konnten (Bilinsa), rangiert an der Spitze aller Sandema-Sektionen. Innerhalb Bilinsas ist es Tankunsa, die unmittelbar an Yongsa angrenzende Subsektion, aus der anteilmäßig die meisten Frauen Bilinsas von Yongsa-Männern geheiratet wurden. Aber auch innerhalb Yongsas hat das Haus, das direkt an der Grenze zu Tankunsa liegt (Amoanung-yeri), am stärksten aus dieser Subsektion geheiratet (3 Frauen).

 

2. BRAUTWERBUNG UND EHESCHLIESSUNG

a) Eheschließung ohne Werbung [Endnote 9b]

Eine Ehe kann fast ganz ohne Werbung zustande kommen, so z.B. wenn eine verheiratete Frau ein junges Mädchen aus ihrer Verwandtschaft als Hausgehilfin (doglie) in ihr Haus holt und sie später ihrem Gatten oder eventuell einem anderen Mann des Hauses zur Frau gibt. Wie bereits geschildert wurde (Kap. 1,3: S. 41), kann eine solche Vollmacht der verheirateten Frau über eine jüngere Verwandte rituell begründet sein, etwa wenn die Zeremonien des Hüftschnuranlegens bei einer Schwangeren ausgeführt wurden. Aber auch allein die Tatsache, dass der Ehefrau eine junge Verwandte hilft, verschafft ihr Vollmachten über das Mädchen.
Voraussetzung für die Gründung einer neuen Eheverbindung ist natürlich die Zustimmung des Gatten, aber hier wird selten ein ‟Nein” kommen, wenn der Mann bereit ist, polygam zu leben. Auch das Mädchen selbst kann den Wunsch äußern, lieber einen anderen Mann des Hauses zu heiraten. Respektiert man diesen Wunsch nicht, so muss man damit rechnen, dass das Mädchen in sein Elternhaus zurückläuft {259}, was auch geschieht, wenn es einen Mann aus einer anderen Sektion heiraten will. In einem mir bekannten Fall wurde von den Eltern des zurückgekehrten Mädchens kein weiterer Druck ausgeübt, den Kandidaten der Vatersschwester zu heiraten.
In Yongsa-Abiako-yeri hat die Frau eines über 70jährigen Hausherrn eine etwa 3-4jährige Verwandte aus ihrer Sektion ins Haus geholt. Man denkt zwar nicht an eine spätere Heirat mit dem Hausherrn, aber die Ehe mit einem seiner erwachsenen Söhne, die sich heute wenig um das Kind kümmern, wird nicht ausgeschlossen.

b) Kennenlernen und Werbung (lie-yaaka oder dueni deka)

In der traditionellen Gesellschaft der Bulsa gibt es vor allem zwei Begebenheiten, bei denen man selbst nach einem Heiratspartner eigener Wahl Ausschau halten kann:

1. große Feste, zu denen auch Vertreter anderer Lineages und Sektionen erscheinen,
2. Märkte.

Unter großen Festen sind hier z.B. Erntefeste [Endnote 10], Totengedenkfeiern großer Persönlichkeiten und Hochzeiten zu verstehen. Die ältere Generation hat gegen den Nebenzweck dieser Veranstaltungen als Heiratsmarkt gewöhnlich nichts einzuwenden. Auf der Totengedenkfeier eines großen Kriegers in Sandema-Choabisa sprach ein alter Mann in einer Rede den Wunsch aus, es mögen alle anwesenden Junggesellen bei dieser Feier eine Ehepartnerin finden. Dass bei Hochzeiten und den sich anschließenden Besuchen leicht weitere eheliche Verbindungen zwischen den beiden Klansektionen geknüpft werden, soll unten noch gezeigt werden.
Als eigentlicher Treffpunkt der heiratslustigen jungen Leute gilt jedoch der in den meisten Bulsa-Ortschaften alle drei Tage stattfindende Markt. Hier mag es vorkommen, dass ein junger Mann häufiger schon voller Bewunderung ein Mädchen beobachtet hat, das er noch nicht näher kennt.
Folgende Eigenschaften unbekannter Mädchen, die Bewunderung, Zuneigung und Heiratswünsche erwecken, wurden häufig von männlichen Informanten genannt {260}:

1. Schönheit,
2. körperliche Stärke und Arbeitsfähigkeit,
3. Gesundheit,
4. Tauglichkeit zur Geburt und Kinderaufzucht (breite Hüften und nicht zu kleine Brüste).

Allgemein lässt sich sagen, dass ein gesund aussehendes, starkes und nicht zu dünnes Mädchen mit ausgeprägten weiblichen Merkmalen auch als schön empfunden wird. Als besondere Schönheitsmerkmale gelten eine hellbraune (moanung) Haut und eine kleine Lücke zwischen den oberen Schneidezähnen.
Es kommt durchaus vor, dass sich ein junger Mann spontan in ein Mädchen verliebt, ohne dass er seine Beweggründe genau beschreiben kann. Als Beispiel hierfür soll ein Teil aus der Lebensgeschichte eines 20jährigen Mannes aus Wiaga-Yisobsa-Guuta zitiert werden:

Now the last and most interesting is Agnes … from Kanjaga . . I got to know this girl at a native dance in Accra, the capital city of Ghana. They were dancing in the name of a new chief who was selected to look after the Bulsas in Accra. As the marvellous drums were in action, this girl jumped in and started dancing. All the around people were so surprised that every Tom, Dick and Harry was clapping hands und placing money on her forehead. I was compelled to pull out a Cedi and place it on the girl’s forehead as it is done according to our traditional activities. So on that very evening I started to bring love matters with the girl. She also became interested in me, and we started corresponding each other through letters … Although I am not yet married, I cherish my hope that sooner or later I shall marry. My mind is telling me that my future wife will be Agnes.

Einige junge Bulsa betonen, dass es eine Überwindung kostet, ein unbekanntes Mädchen anzusprechen, und manchmal fühlen sie sich zu schüchtern, sich dem verehrten Mädchen zu nähern. Auch ein Anknüpfungspunkt für ein Gespräch bietet sich nicht immer an. G. Achaw glaubt, dass es ein guter Trick ist, dem Mädchen einen Fehler nachzuweisen {261}, etwa dass sie den Bewerber angerempelt hat, dass sie nicht gegrüßt hat oder etwas Ähnliches. Falls der Bewerber zu schüchtern ist, kann er auch seine Freunde bitten, ihm zu helfen. G. Achaw schreibt:

I went and told my companions and showed them the girl, and they called her and spoke to her, because it is not my companions who are after her and as such they don’t fear her. When my companions spoke with her, they found out that she was a girl who was shy to speak. She could not stand before many people to speak.

Augustine Akanbe beschreibt ein erstes Gespräch, wie es ein Bewerber auf dem Markt führen kann. Obwohl es in der Darstellung fast als Norm hingestellt wird, mag es doch starke autobiographische Züge tragen.

He will have to ask the girl: “Are you a daughter of the house where you come from? Or are you a wife to that house?” The girl will not answer him at first, but put a return question to him: “What do you mean by that? Do you want me to be a daughter of that house or do you want me to be a wife of that house?” The man will then say to her:”My reason of asking you these questions is that I love you as I saw your face.” The girl will then say: ” I see. What do you mean by love? Do you love me to be your girl friend or do you love me to be your main friend?” The man will say to her: “I love you to be my future wife, but if you have a husband and as I saw your face, I shall still love you to be my main friend.”

Anmerkung: Unter main friend (Buli: pok nong) versteht Augustine die Freundschaft zwischen einer verheirateten Frau und ihrem Verehrer, von der der Gatte der Frau weiß und zu der er seine Zustimmung gegeben hat. Als Entgelt für die gewöhnlich “platonische” Liebe verrichtet der Verehrer einige Feldarbeiten für die verheiratete Frau und ihren Gatten. Wie aus dem zitierten Zwiegespräch hervorgeht, ist der Anlass für ein pok nong-Verhältnis mitunter ein Heiratsverbot. Wenn wegen einer zu nahen Verwandtschaft eine von einem Mann begehrte Frau den Bewerber nicht heiraten darf, so kann er sie vielleicht doch als sein pok-nong gewinnen.
{262}.
Die Bemerkungen G. Achaws und das von Augustine zitierte Zwiegespräch zeigen deutlich, dass das Mädchen keineswegs sofort auf die Werbungen des Mannes eingehen darf. Es ist – je nach Temperament – zurückhaltend oder versucht, dem Partner immer mehr Zugeständnisse zu entlocken, ohne selbst auch nur die geringsten Konzessionen zu machen. Das zitierte Zwiegespräch führt auch schon auf die entscheidendsten Fragen hin, nämlich ob das Mädchen schon verheiratet ist und ob irgendwelche Heiratsverbote gegen eine eheliche Verbindung sprechen. Der zweite Hinderungsgrund ist meistens viel schwerwiegender als der erste. Nicht immer fragt der Bewerber das Mädchen so direkt wie es oben geschieht. Oft wird er diese Erkundigungen von anderer Seite einholen, wobei ihm seine Freunde helfen können.
An mehreren Markttagen können Gespräche zwischen dem Bewerber und seinen Freunden einerseits und dem Mädchen andererseits geführt werden, bis die entscheidende Frage kommt, ob der Bewerber die Eltern des Mädchens aufsuchen kann. Die Umworbene hat kein Recht, diese Frage zu verneinen, und eine positive Antwort bedeutet daher keineswegs ein Eingehen auf die Werbung des Mannes. In Augustines Bericht kommt die Anregung zu diesem Besuch sogar vom Mädchen als Ausweichantwort auf die Frage, ob es den Bewerber heiraten wolle:

Then the man will ask her: “Will you marry me or don’t you like me?” She will answer: “Why don’t I like you? Are you not a man? You are a man and I am a woman. So I have to like you, but you have to come and visit my parents and tell them that you have met me at this place and you begin to love me.”

Der Bewerber kann hier schon dem Mädchen ein kleines Geschenk machen oder ihr Geld geben, dass sie für die Eltern etwas kaufen kann, um sie günstig zu stimmen.

c) Hausbesuche

Schon auf dem Weg zur Sektion des Mädchens unterliegen der Bewerber und seine Freunde bestimmten Einschränkungen. Läuft ihnen ein jagdbares Tier (z.B. ein Hase) über den Weg, so dürfen sie es nicht {263} töten, und dieses Verbot gilt auch für weitere Besuche im Elternhaus der Umworbenen [Endnote 11].
Bevor die Bewerbergruppe das Elternhaus des Mädchens betritt, nimmt sie Kontakte mit einem Nachbarhaus auf. Der Nachbar erkundigt sich im Haus der Umworbenen nach folgenden Dingen (soweit er nicht selbst Auskunft geben kann):

1. Wird gerade eine Matte (tiak) geflochten?
2. Wird gerade Schibutter (kpaam) bereitet?
3. Wird gerade Pito (daam) gebraut [Endnote 12]?
4. Wird gerade eine Totengedenkfeier abgehalten?
5. Ist jemand im Hause gestorben, der noch nicht beerdigt ist?

Wird eine der fünf Fragen mit “ja” beantwortet, so muss die Bewerbergruppe sofort wieder abziehen. Würde sie trotzdem das Haus der Frau aufsuchen, so würde diese und/oder der werbende Mann in der ersten Zeit ihrer Ehe sterben, nach anderer Information (Augustine) würde die Ehe unfruchtbar bleiben oder die Frau würde keine lebenden Kinder gebären können.
Nach Angaben von A. Akowan (Sandema-Longsa) kann die Werbung unter Umständen auch dann weitergeführt werden, wenn der Bewerber versehentlich in ein Haus gerät, in dem eine Matte geflochten wird oder Schibutter bereitet wird, dann nämlich, wenn die Brauteltern dem Bewerber die Matte oder einen Teil der Schibutter schenken. Dies wird gleichzeitig als ein Zeichen großen Wohlwollens dem Bewerber gegenüber gewertet. Unterbleibt die Schenkung, so muss auch nach A. Akowan der junge Mann jede Werbung aufgeben.
Gibt es für die Brautwerber keine Hinderungsgründe, so zieht die Gruppe zum Haus des Mädchens und wird (eventuell nach einer kurzen Begrüßung des Gehöftsherrn im kusung) im oder vor dem dok der Mutter des Mädchens empfangen. Das Mädchen selbst bewirtet sie, d.h. es holt ihnen Schemel oder Stühle, es bietet ihnen Wasser und manchmal auch Nahrung an. Die Freunde des Bewerbers können Wasser annehmen, der Bewerber selbst weist jedoch das Wasser zurück, “weil das Mädchen später als Ehefrau für ihn immer Wasser holen muss” (G. Achaw). Das Gleiche trifft auch auf die angebotene Nahrung zu.
Wenn schließlich die Mutter die Szene betritt, fragt sie die Gäste noch einmal, ob sie Wasser trinken wollen, obwohl sie genau weiß, dass {264} ihre Tochter diese Frage schon gestellt hat. Der Aufforderung nach Austausch der Begrüßungsformeln kommt die Mutter erst nach Zögern und Ausflüchten nach. Wenn es an der Zeit ist, den Grund des Besuches zu erklären, kann ein junger Mann etwa sagen, dass sie die Tochter im Busch (wuuta) gesehen haben, und da man annimmt, dass sie nicht im Busch wohnt, möchte man gerne ihr Elternhaus kennenlernen. Die Mutter sagt, dass es so gut sei, und ein allgemeines Gespräch kann beginnen, an dem sich aber der eigentliche Bewerber nicht beteiligt. Die direkte Frage, ob die Mutter etwas gegen eine Heirat ihrer Tochter einzuwenden hat, wird mitunter schon an die Mutter gestellt, aber sie beantwortet diese Frage nicht, sondern verspricht eine Antwort für den nächsten Besuch.
Schließlich bitten die Bewerber, die anderen Frauen des Hauses begrüßen zu dürfen, und die Gruppe geht im Haus umher. Oft werden der Vater und die anderen Männer des Hauses erst ganz zum Schluss begrüßt.
Beim ersten Besuch braucht der Bewerber noch keine offiziellen Geschenke zu geben, aber man kann etwas Pito oder ein anderes alkoholisches Getränk für die Brüder des Mädchens kaufen oder dem Vater und den anderen älteren Männern einige Kola-Nüsse geben.
Nach dem Hausbesuch, aber nicht unbedingt am gleichen Tag, werden die wena der wichtigsten Ahnen der beiden betroffenen Häuser vom Hausherrn über eine sich anbahnende Heirat informiert. Hierzu wird entweder klares Wasser aus einer Kalebasse über die wen-Steine gegossen, oder der Hausherr legt seine Hand auf die Steine, wenn er mit [Endnote 13] den Ahnen spricht. Auch später können diese über den Fortgang der Dinge in Kenntnis gesetzt werden, eventuell auch durch ein Opfer um Beistand gebeten werden [Endnote 14].
Zwischen dem ersten und zweiten Hausbesuch versucht der Bewerber, das Mädchen und dessen Familie in jeder Weise zu hofieren. Dem Mädchen und den Frauen ihrer Brüder gibt man Geld, wenn man sie auf dem Markt trifft, den Brüdern spendiert man Pito, und auch der hilfreiche Nachbar wird eingeladen. Das Mädchen selbst wird von der Bewerbergruppe nach Marktschluss nach Hause begleitet, und bei dieser Gelegenheit kann man auch den Zeitpunkt für weitere Besuche festlegen.
Beim zweiten Besuch kann die Bewerbergruppe sofort in das Elternhaus {265} des Mädchens ziehen. Wieder geht man zum dok der Mutter, wieder lehnt der Bewerber Wasser ab, und wieder macht die Mutter Einwände gegen eine Begrüßung. Diesmal jedoch gibt man der Mutter einen Geldbetrag, der früher bei 0,20 – 0,30 Cedis lag, heute (1974) etwa bei 2 Cedis liegt. Manche Bewerber sagen beim Überreichen, dass man für dieses Geld Salz kaufen könne. In Chuchuliga – ebenso wie in Navrongo und Chana – gibt der Bewerber der Mutter auch ein Perlhuhn und Salz. Das umworbene Mädchen selbst erhält ein Geldgeschenk beliebiger Höhe.
Es steht dem Bewerber frei, den Kindern des Hauses kleine Geldmünzen zu geben, um sich so bei ihnen beliebt zu machen. Auch anderen älteren Frauen kann man nach Belieben etwas Geld geben. In Sandema erhalten aber die Männer des Hauses gewöhnlich kein Geld. Dem Vater des Mädchens und allen Männern des Hauses, die älter als dieser Vater sind, muss der Bewerber Kola-Nüsse (goora) geben, die jüngeren kann er beschenken. Der Bewerber sagt dem Vater etwa, dass er sich gerade einige Kolanüsse gekauft habe, und da er noch einige übrig habe, möchte er sie dem Vater schenken. Der Vater wird eine Nuss kauen und die anderen in den Wassertopf der Hühner (kpachari, Pl. kpachaa) legen. Auch andere Männer dürfen sich später bei Bedarf Nüsse aus diesem Topf holen.
Die Frauen des Hauses sollen ihre Geldgeschenke nicht vor der Hochzeit ausgeben, da einige Bewerber sie zurückfordern, falls die Ehe nicht zustande kommt. Auch einige Männer kaufen in diesem Fall neue Kola-Nüsse, um sie dem Bewerber zurückzugeben. Eine solche Rückforderung ist nicht gut für den Ruf des jungen Mannes, und es mag Schwierigkeiten geben, wenn er sich später um ein anderes Mädchen bewirbt, zumal die Eltern der zuerst Umworbenen oft die Eltern des zweiten Mädchens über die Rückforderung informieren.
Es kommt gelegentlich vor, dass ein Mädchen alle ihre Bewerber am gleichen Tag in ihr Haus bestellt. Sie werden dann in verschiedene Räume (diina) geführt, und Mutter und Tochter gehen von Raum (dok) zu Raum, um ihre Gäste zu begrüßen. Man sagt, dass das Mädchen den Bewerber am meisten liebt, bei dem sie sich am längsten aufhält.
Beim dritten Hausbesuch, der sich ähnlich wie der zweite Besuch, aber in manchen Teilen des Bulsa-Landes ohne Pflichtgeschenke abspielt, fragt der Bewerber die Mutter, ob er ihre Tochter als Braut heimführen {266} darf. Die Mutter antwortet, dass sie nichts dagegen habe, aber die Entscheidung liege allein bei ihrer Tochter. Sobald der Bewerber das Mädchen allein sprechen kann, wird er sie auch fragen, wann er sie entführen kann, und sie wird wieder Ausflüchte machen, zum Beispiel er habe sie noch nicht oft genug besucht. Nun ist es an der Zeit, sich bei befreundeten Hausbewohnern zu erkundigen, welchem Bewerber das Mädchen wirklich den Vorzug gibt. Stehen die eigenen Chancen nicht sehr gut, so kann eine gewaltsame Entführung (yigrika) geplant werden. Aber auch wenn man den Eindruck gewinnt, dass man “gut im Rennen liegt”, kann eine gewaltsame Entführung das einzige Mittel sein, um eine Entführung durch einen anderen Bewerber zu verhindern.

d) Gewaltsame Entführungen [Endnote 14a]

Gewaltsame Entführungen finden oft am Ende eines Markttages statt. Die Bewerbergruppe kann das Mädchen in ein Haus locken, das nahe beim Markt liegt und Verwandten oder Freunden gehört. Dort wird die Umworbene festgehalten, bis es Nacht geworden ist und sie für die männliche Gruppe gefahrlos zum Haus des Bewerbers gebracht werden kann. Falls andere Bewerber, die gewöhnlich das Mädchen nicht aus den Augen lassen, die Pläne ihres Nebenbuhlers erkannt haben, wird es einen Streit geben, und oft kommen dann Verwandte des Mädchens und führen es ins Elternhaus. In neuerer Zeit kommt es häufiger vor, dass man dem Mädchen anbietet, es auf dem Fahrrad oder besser noch auf dem Motorrad nach Hause zu bringen. Wird das Angebot angenommen, fährt man mit großer Geschwindigkeit zur eigenen Sektion.
Folgender Fall ist mir aus Kalijiisa-Yongsa bekannt: Ein Mädchen aus Bilinsa-Tankunsa wurde von der Yongsa-Bewerbergruppe auf dem Motorrad in das Haus des Bewerbers entführt. Der Vater des Mädchens war über diese Entführung sehr zornig, da seine Tochter noch die ungefärbte Hüftschnur trug (vgl. Kap. I,5; S. 44f.). Die jungen Männer des Hauses in Tankunsa sollten sie zurückholen, ohne dass sie genau wussten, in welchem Hause sie nun war. Als sie zu dem Yongsa-Haus kamen, stellte man ihnen frei, das Haus zu durchsuchen. Dem Mädchen, das mit allem {267} einverstanden war, zog man lange Hosen und einen Männerkittel (garuk, Pl. gata) an und setzte ihm einen Strohhut auf. Mein Informant G. Achaw führte die Braut so an ihren eigenen Brüdern vorbei und brachte sie in ein Nachbarhaus.
M. Arnheim berichtet aus Gbedema: Eine in Gbedema verheiratete Frau wurde von Männern aus Kanjaga entführt, danach von Männern aus Fumbisi, danach von Freunden ihres ersten Gatten aus Gbedema. Alle drei Entführungen spielten sich ein einem Zeitraum von drei Monaten ab.

e) Entführung mit Einwilligung der Frau

Falls keine gewaltsame Entführung geplant ist oder sich keine Gelegenheit ergibt, wird der Bewerber das Mädchen drängen, ihm einen Zeitpunkt für die Heimführung als Braut zu nennen. Sie wird ihm schließlich einen Ort angeben, wo man sich zur nächtlichen Stunde treffen kann. Dieser Treffpunkt ist mitunter ein Platz, der von bösen Geistern (kokta) heimgesucht wird oder eine andere Gefahr birgt. Die Braut kommt zuweilen auch gar nicht zu diesem Ort, sondern will nur den Mut des Bewerbers prüfen. Als Entschuldigung mag sie etwa sagen, dass sie von ihren Eltern beobachtet wurde.
Der Bewerber kann sie fragen, ob sie ihm ein Kleidungsstück als Zeichen ihrer Zuneigung gibt. Sollte sie dies wirklich tun, so kann der Bewerber ihrer ehrlichen Absichten sicher sein. Falls er sich nämlich hintergangen fühlt, so kann er aus Enttäuschung das Kleidungsstück, genauer gesagt den im Stoff enthaltenen Körperschmutz (daung), für einen Schadenzauber gegen sie verwenden.
Mitunter bestellt das Mädchen zwei oder mehr Bewerbergruppen zur gleichen Zeit zu verschiedenen Treffpunkten, und erst am nächsten Morgen merkt die eine oder andere Gruppe, dass sie das Spiel verloren hat, wenn das Mädchen es nicht vorgezogen hat, alle Gruppen noch einmal hinzuhalten.
In der Nacht der Entführung schläft die Braut auf einem Hausdach (wie es auch sonst in warmen, trockenen Nächten üblich ist), um sich von dem erwählten Bewerber entführen zu lassen. Oft wissen die Eltern des Mädchens von der geplanten Entführung, oder der Tag wird sogar im Gespräch mit den Eltern des Mädchens festgesetzt. Trotzdem wird die Braut gewöhnlich nachts abgeholt, und man hat mir berichtet, dass ihre Mutter mitunter die Entführergruppe begleitet und die folgende Nacht reich beschenkt im Hause des Bräutigams verbringt. Ich habe jedoch keinen konkreten Fall dieser Art kennen gelernt {268}.
Auch kommt es häufig vor, dass Bewerber schon am Nachmittag in das Haus der Braut kommen und bis in die späten Abendstunden, wenn alle anderen Hausbewohner zu Bett gegangen sind, auf dem Dach bleiben und sich mit dem Mädchen unterhalten. Den Hausbewohnern ist dann meistens die Absicht der jungen Männer bekannt, aber falls sie keine Einwände gegen diese eheliche Verbindung haben, werden sie so tun, als ahnten sie nichts. Zu später Stunde werden dann Bewerber und Braut über die Mauer klettern und zum Hause des Bräutigams ziehen.
Die Braut wird von der Männergruppe in die Mitte genommen, und man versucht, möglichst ohne viel Lärm und Aufsehen zur eigenen Sektion zu gelangen. Falls man etwa schon in einer Nachbarsektion die traditionellen Hochzeitslieder anstimmt, muss man damit rechnen, dass die Anwohner versuchen, der Gruppe die Braut wegzunehmen.
Sobald die Gruppe die Grenze zur eigenen Sektion überschritten hat, stimmen alle Männer der Gruppe Lieder an. Vor allem das folgende Lied wird in verschiedenen Variationen immer wieder gesungen:

A ku waali ba, a ku waali ba nong-liewa ku waali ba
A ku waali ba, a ku waali ba nong-liewa ku waali ba
D(u)erobai loa cheng chirika la – ooo –
Abiako biik laa cheng chirik la – ooo -.

Sie (die anderen Bewerbergruppen) sind bestraft (gepeinigt, beleidigt) worden (2x), die Geliebte, sie sind bestraft worden. (wiederholt)
Die Männer, die im Mondschein gehen – ooo –
Abiakos (Name des Hausgründers) Sohn ist es, der im Mondschein geht. – ooo –

Eine andere Variation des Hochzeitsliedes stammt ebenso wie das oben zitierte Lied aus Sandema:

Akatooknueri biik ga lie po ga tom we d(u)eroba.
D(u)erobai le cheng la.
Zula, zula.

Der Sohn des Akatooknueri geht zu einem Mädchen und geht den anderen Freunden (des Mädchens) zu melden, dass sie (die erfolgreiche Gruppe) gehen (d.h. dass sie das Mädchen entführt haben).
Zula, zula (Beleidigungswort für die anderen Bewerber) {269}.

Von anderen Liedern, die von der Altersgruppe des jungen Bräutigams gesungen werden können, betonen einige recht stark das Wir-Gefühl der jüngeren Generation, die noch nicht in die Position der Hauseigentümer aufgerückt ist. Einige Lieder lassen in auffallend starkem Maße Höflichkeit und Ehrfurcht vor älteren Leuten vermissen, die jüngere Menschen trotz vieler Meinungsverschiedenheiten der älteren Generation gewöhnlich entgegenbringen. Dies zeigt sich etwa in den beiden folgenden Liedern, die nach Auskunft von Ayarik (Wiaga-Tandem-Zuedem) fast nur bei der Heimführung einer Braut gesungen werden:

Dandem jog yam, dandem jog yamoa, jog le po yiila.
Ba nyiam ya da yuak, ba yaa yiti ka baanoa cheng, ate baanoa ga lerige lerige.
Ti sebla da ming te ba zag baandoari nag baanoa.

Alte Leute haben keinen Verstand, alte Leute haben keinen Verstand und keine Vernunft (yam und yiila sind fast Synonyme; yiila: dark Buli).
Wenn sie krank sind, stehen sie auf und gehen zum Wahrsager, und der Wahrsager belügt sie, belügt sie.
Wenn wir (sie?) gewusst hätten, würden sie den Wahrsagerstock aufheben und den Wahrsager schlagen.

Yeri-nyama ni ngaanga
Mi yaa la te ni ngaangka le ka ni kan siag ya.
Mi yaa la te ngaang ge ni siaga.

Gehöftsherren, seid gegrüßt [Endnote 15].
Ich grüße euch, und ihr antwortet nicht. Ich grüße euch, und ihr antwortet nicht.

Kurz vor dem Eintreffen der Hochzeitsgruppe im Elternhaus des Bräutigams informiert der Hausherr die Ahnen (wena) des Hauses, dass ein Fremdling (die Braut) in diesem Haus wohnen wird. Ayarik (Wiaga-Tandem-Zuedema) berichtet, dass bei seiner Hochzeit sein Vater, der auch yeri-nyono war, der Braut vor dem Betreten des Hauses eine Kalebasse Wasser über den Kopf goss (Vgl. einen ähnlichen Brauch in Kap. VII,4). Dieser Brauch besteht jedoch nur in {270} seinem Haus, nicht einmal in den anderen Häusern von Zuedema.
Bei der Heimführung einer Braut, an der ich selbst teilnehmen konnte, wurde die Braut aus Bilinsa nach Kalijiisa gebracht. Außer der Frau bestand die Gruppe aus sieben fast gleichaltrigen jungen Männern. Die meisten von ihnen kamen aus Kalijiisa und zum Teil waren es Verwandte des Bräutigams, aber auch einen jungen Mann aus Longsa konnte ich erkennen. Der Bräutigam hielt die Braut am Handgelenk fest und zog sie hinter sich her. Manchmal wurde er von einem anderen Mann der Gruppe abgelöst. Schon von weitem konnte man aus dem Haus des Bräutigams wuliing-Schreie hören. Etwa 100 m vor dem Haus kam uns die Mutter des Bräutigams entgegen, um die Gruppe auf dem letzten Stück ihres Weges zu begleiten. Vor dem Haus machte man eine Pause, dann stieg man in die Abteilung des Vaters des Bräutigams. Dieser konnte seine Glücksgefühle nur schlecht verbergen, schließlich war dies die erste Frau, die seine beiden erwachsenen Söhne ins Haus brachten. Er saß vor einem dok, an dem seine Waffen (Bogen, Pfeile und Felle erbeuteter Tiere) aushingen, und begrüßte nacheinander die Ankommenden mit Handschlag, aber ohne Grußformeln. Die Altersgruppe des Bräutigams stieg auf ein Dach, um dort weiterzusingen. Die Braut setzte man auf eine Matte in der Mitte des Innenhofes. Sie sprach am ganzen Abend fast kein Wort. Bis etwa 3 Uhr nachts wurde gesungen, getanzt, gegessen und getrunken [Endnote 15a].
In Badomsa konnte ich einen Teil der Hochzeitsfeierlichkeiten [Endnote 15b] im Hause Abasitemi Yeri beobachten und dokumentieren.
Der junge Sohn des Hausherrn hat seine Braut bereits in sein väterliches Gehöft geholt, obwohl die Eltern der Braut hiermit nicht einverstanden waren. Sie werfen ihm vor, er habe nicht genügend viele Besuche gemacht.
Die Braut sitzt während der Feier im Raum (dok) eines Bruders des Bräutigams, der wohl auf sie aufpassen soll. Später kommen noch mehrere Freunde des Bräutigams hinzu. Die Braut ist nicht so verschlossen und schweigsam, wie ich es bei zwei anderen Hochzeiten erlebt hatte. Sie nimmt an allen Opfern teil und bringt das Hirsebier in einem großen Gefäß zu den Gästen und Hausbewohnern.
Auffallend für mich war die Art des Musizierens.

Der Bräutigam schlägt eine Kalebassenschale (Trommelersatz)

Der Bräutigam sitzt auf dem Boden des Innenhofes und eine mittelgroße Kalebasse liegt auf seinen Unterschenkeln. Er schlägt sie mit leicht gebogenen Schlagstöcken. Ein Freund hat eine Kalebassenschale auf ein Kissen gelegt und schlägt sie mit den bloßen Händen. Meine Vermutung, dass man im Augenblick keine echten Trommeln zu Hand hat, war falsch, denn es befanden sich Membrantrommeln im Haus. Diese Kalebassenidiophone sind vielmehr vorgeschrieben. Außer diesen schlägt ein Nachbarjunge zwei Kalebassenrasseln (sin-yaala), ein anderer eine Gefäßrassel in Form einer geschlossenen Kalebasse. Es tanzen vor allem Kinder, aber auch die Mutter des Gehöftherren tanzt mit einem kleinen Mädchen. Die Braut sitzt ruhig in einer Ecke.Als ich einige Fotos mache, legt sie wert darauf, dass sie mit auf ein Foto kommt.

Links (in rot) der Bräutigam, in der Mitte die Braut und rechts ein Freund des Bräutigams

 

Die Braut und ein klassifiktorischer Bruder des Gatten

 

Tanzende Kinder

E. Atuick erwähnt in seinem Aufsatz (2015: 95-96) noch Aktivitäten des Gehöftherrn, die hier als Zitat wiedergegeben werden sollen:

After the singing has gone on for some time, the landlord would come in with one or two fowls, a guinea fowl and some refreshment. He would ask the singers to stop singing and listen to him. He would then express his joy at having a new addition to his compound in the form of a wife and also for having the musicians with them to entertain and make merry with them; he would then pray to his fore-fathers for a fruitful and blissful marriage and also for the protection of all who have come to the compound to join them to welcome the new bride. After saying this, he will just hit the fowl on the ground and throw it onto the roof top for the yi-yiilisa (‘musicians’) while the guinea fowl is given to them to prepare something for the new bride to eat following her long and tiresome journey to the compound. He is also expected to give another fowl to friends of his son who helped in bringing the new bride to the compound but this is not obligatory. The singers must also be given some ‘water’- (da-monung (‘pito’) or zom-nyiam (‘millet/sorghum flour water’), when foreign drinks are not available, and nowadays, akpeteshi (alcoholic drink) – to motivate and strengthen them to be able to perform well. After taking the refreshment, the singers would descend from the gbong and prepare their musical instruments (usually calabashes stocked with racks, metal buckets etc) to begin the jong-naka (making of entertaining and danceable calabash music). Meanwhile, the fowl for the singers would be de-feathered and the feathers scattered all over the floor for the new bride to clean it the next day as a sign of her readiness to take care of the house. Thereafter, there is drumming, singing and dancing throughout the night until the morning when the landlord shall come again to kill another fowl for them and bid the singers farewell.

Solche Feierlichkeiten erstrecken sich gewöhnlich über drei Tage oder, besser gesagt, über drei Nächte, denn tagsüber geht ein jeder seiner Arbeit auf seinem Gehöft nach, um abends wieder zu neuen Feiern im Hochzeitshaus zu erscheinen.
Die (klassifikatorischen) Brüder unterhalten die Braut nicht nur dadurch, dass sie ihr Leckerbissen verschaffen (z.B. Hühnerfleisch). Oft nimmt ihr Benehmen auch eine sehr anzügliche Art und Weise an (Inf. Sebastian Adanur, Sandema-Kalijiisa, 1979). Sie drücken ihre Brüste, beklopfen ihr Gesäß und früher legten sie sie auch schon einmal auf den Boden und schauten nach ob sie schon reif war. Man will durch dieses Verhalten auch prüfen, ob sie bei all dem ruhig bleibt oder ob sie die ‟Brüder‟ beschimpft. Der Gatte ist nicht eifersüchtig und zieht sich bei solchen Handlungen zurück. Von gebildeten Bulsa werden die geschilderte Tätigkeiten abgelehnt.
Im Gegensatz zu vielen südlichen Völkern Ghanas ist bei den Bulsa für die Hochzeit kein bestimmter Wochentag oder eine bestimmte Jahreszeit vorgeschrieben, jedoch soll ein Mann nicht mehr als einmal im Jahr eine Braut in sein Gehöft heimführen.
Bei den Bulsa gibt es für eine jungverheiratete Frau (nipok-liak) kein grundsätzliches Ausgehverbot. Sie kann schon gleich nach der Heimführung den Markt wieder besuchen, jedoch wird sie gewöhnlich von mehreren Personen aus dem Haus ihres Gatten begleitet, da man nie sicher sein kann, ob eine abgewiesene Bewerbergruppe nicht nachträglich noch eine gewaltsame Entführung geplant hat. Bei ihrem ersten Marktbesuch trugen {271} die Braut und alle ihre Begleiterinnen früher nicht die traditionelle Blätterkleidung (vaata), sondern vorne und hinten je ein lila gefärbtes Fasernbüschel (auch vaata genannt, vgl. Abb. 15).

f) Ältere Formen der Eheschließung

Während heute die Entführung der Braut ohne Wissen und Teilnahme der Eltern und manchmal auch gegen den Willen der umworbenen Frau die gängige Form des Brauterwerbs ist, waren früher geregeltere Formen üblich.
Nachdem mehrere Freier ihre Hausbesuche abgestattet hatten, stellten die Eltern dem Mädchen die Frage, wen es heiraten wolle. Obwohl viele Eltern versuchten, die Entscheidung zu beeinflussen, lag doch das letzte Wort bei der Tochter selbst. Die Eltern des Mädchens benachrichtigten dann die Eltern des erfolgreichen Bewerbers, die am Morgen eines festgelegten Tages zum Hause der Braut kamen. Die Brauteltern füllten nun einen großen Korb mit Nahrungsmitteln, die ihrer Tochter mitgegeben werden sollten: zum Beispiel gemahlene und ungemahlene Hirse, Salz, Dawa-dawa und einige geschlachtete Perlhühner. Auch eine neue Schlafmatte stellte man bereit. Die Eltern des Bräutigams, begleitet von einigen Verwandten, trugen diese Mitgift noch am gleichen Morgen zu ihrem Haus, in dem die Braut später wohnen sollte. All diese Dinge galten als persönliches Eigentum der Frau. Falls sie jedoch später einen anderen Mann heiratete, konnte sie die Strohmatte und den Korb nicht mitnehmen.
Noch bevor es Abend wurde, nahm die Braut Abschied von allen Hausbewohnern, die ihr kleine Geschenke (getrocknetes Fleisch, getrockneter Fisch usw.) mit auf den Weg gaben. Von ihren Eltern nahm die Braut weinend Abschied, um dadurch zu zeigen, dass sie ihre Eltern nur ungerne verließ. Am Abend des gleichen Tages zog das Mädchen, begleitet von einer Gruppe junger Verwandter, in Richtung auf das Haus des Bräutigams. Auf halbem Weg trafen sie den Bräutigam, der auch von einer Freundesgruppe begleitet wurde, und zusammen legte man den letzten Teil des Weges zurück. Sobald man die Klansektion des Bräutigams erreicht hatte, stimmten die Freunde des Bräutigams Hochzeitslieder {272} an.
Dem evolutionistisch eingestellten Leser mag es seltsam erscheinen, dass hier der “Brautraub” zeitlich gesehen nach dem “Brauterwerb durch Vertrag” liegt. Der Brautraub gilt den Bulsa als moderne Entartungserscheinung und wurde z.B. vom Sandemnaab (Häuptling von Sandema, Oberhäuptling der Bulsa) unter Strafe gestellt, zumal wenn alle Hausbesuche ausgelassen und gewaltsame Mittel angewandt werden.
Es darf hier nicht der Eindruck entstehen, als ob heute in allen Fällen die Eltern ganz ausgeschaltet würden. Es sind mir mehrere Eheschließungen aus jüngster Zeit bekannt, bei denen die Initiative von den Eltern des Bräutigams und denen der Braut ausging. Mütter und Väter suchen sogar mitunter für ihren in Südghana lebenden Sohn eine Frau aus und schicken sie diesem in seine südliche Wohnstadt. Auch Besuche des Vaters des Bräutigams im Hause des umworbenen Mädchens kommen heute noch vor (Information durch R. Schott). Trotzdem scheinen sich nach meinen Beobachtungen und nach Aussagen mehrerer Informanten immer mehr junge Leute gegen eine Einmischung ihrer Eltern bei der Brautwerbung zu wehren. Eine Untersuchung, ob durch den Individualisierungsprozess der Ehe diese an Stabilität verloren hat, wäre sicher lohnenswert.
In neuerer Zeit sind Ehen, die durch Kontaktaufnahmen der Eltern mit den Schwiegereltern zustande kommen selten und man scheint dann auf sie zurückzugreifen, wenn alle anderen Mittel der Werbung erfolglos geblieben sind. Eine solche Situation erlebte ich bei meinem Assistenten Danlardy 1988. Nach mehreren vergeblichen Bemühungen um eine Frau, schrieb er mir, dass er eine Tochter des Kadema-chiefs heiraten werde. Diese starb jedoch im Krankenhaus von Sandema. Danlardy selbst konnte an ihrer Überführung und Bestattung aus emotionalen Gründen nicht teilnehmen. Nachdem auch der Versuch, eine doglie seiner elterlichen Familie zu heiraten gescheitert war, übergab er die Angelegenheit seinen Müttern. Eine jüngere Frau seines Vaters fand schließlich in ihrer Geburtssektion Guuta ein passendes Mädchen, das allerdings noch zur Schule (Klasse F3 der Sandema Continuation School) ging und etwa 18 Jahre alt war. Am Morgen des 22.12.1988 gingen zwei Stiefmütter Danlardys zum Gehöft des Mädchens und brachten sie zuerst nach Wiaga-Goansa, wo Danlardy damals wohnte und dann zum traditionellen Stammgehöft in Badomsa (Siehe Kapitel VII, 2n: Kosten).

g) Ehelicher Sexualverkehr
Die ersten drei Nächte nach der Heimführung verbringt der Bräutigam mit seiner Braut noch nicht auf der gleichen Schlafmatte, d.h. er hat noch keinen Geschlechtsverkehr mit ihr. Sie schläft bei den klassifikatorischen Brüdern des Bräutigams, und obwohl zwischen diesen und der Braut ein sehr freizügiges Verhältnis besteht (s.o.), kommt es auch hier zu keinem Sexualverkehr (Inf. durch R. Schott). Am Abend des dritten Tages baden Braut und Bräutigam zusammen in einem Winkel des Gehöfts ohne Zuschauer. Sie benutzen einen Bade-Tontopf, der nicht von Europäern oder industriell angefertigt sein darf, oder eine Bade-Kalebasse. Dieses Bad hat nicht nur einen hygienischen, sondern auch einen rituellen Zweck. Mit dem Bad werden alle schlechten Taten des vergangenen Lebens, vor allem {273} im sexuellen Bereich (z.B. vorehelicher Geschlechtsverkehr der Frau) abgewaschen, und es wäre undenkbar, dass der Mann später nach dem Bad seiner Frau Vorhaltungen macht, weil sie nicht mehr unberührt ist. Auch frühere Ehebindungen der Frau sollen durch dieses Bad gelöst werden.
Nach Sebastian Adanur (Sandema-Kalijiisa) findet dieses Bad nur dann statt, wenn die Frau vorher Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann (zum Beispiel ihrem früheren Ehemann) hatte. Das Badewasser soll die Macht des früheren Mannes, vor allem auch seinen Einfluss durch die song-Schadensmedizin, beseitigen [Endnote 15c].
Meine Informantin aus Gbedema schränkt die Notwendigkeit des gemeinsamen Bads noch weiter ein: Es findet in Gbedema nur statt, wenn die Frau schon früher mit ihrem neuen Bräutigam verheiratet war, ihn verlassen hat, um mit einem anderen Mann zu leben, und dann zu ihren ersten Ehemann zurückgekehrt ist. Bei vorehelichem Geschlechtsverkehr der Frau wird das gemeinsame Bad in Gbedema nicht ausgeführt.

Nipok-tiim

Besitzt das Haus einen nipok-tiim, so opfert der Gehöftherr (yeri-nyono) diesem ein Huhn und Hirsebrei (saab). Das oben beschriebene Bad wird dann mit Wasser aus den nipok-tiim-Töpfen vorgenommen. Später essen Braut und Bräutigam eine Medizin, die aus verkohlten Wurzeln des nipok-tiim und Schibutter hergestellt wird. Besondere Riten, die dem Geschlechtsverkehr mit einem unberührten Mädchen vorausgehen, scheint es nicht zu geben. Der Hymen wird nach Auskunft einiger Informanten (z.B. Ayarik aus Tandem) durch den Penis des Mannes zerstört, andere behaupten, dass dies vom Gatten vorsichtig mit einem Finger getan wird (L. Amoak).
Der Geschlechtsverkehr wurde wenigstens früher so ausgeführt, dass die Frau auf einer Seite (meistens der rechten) liegt und der Mann ihr von hinten beiwohnt. Als Begründung für diese Stellung wurde mir von G. Achaw gesagt, dies sei die gewöhnliche Schlafstellung, nach der die Frau in der Mitte der Matte auf der rechten Seite liegt, der Mann hinter ihr und eventuell noch ein bis zweijüngere Kinder vor der Frau auf der Matte liegen. In der oben beschriebenen Sexualstellung würden auch die Eltern am wenigsten die Aufmerksamkeit der anwesenden Kinder erregen, obwohl man gewöhnlich wartet, bis die Kinder eingeschlafen sind. Vorreizungen, zum Beispiel Reiben der Brustwarzen der Frau, sind bekannt und werden auch angewandt, wenn – wie G. Achaw sagt – der Mann “romantische Gefühle hat” (feels like romance). Die Frau kann jedoch nicht verlangen, dass der Verkehr erst beginnt, wenn auch sie sexuell erregt ist.
Die Bereitschaft des männlichen Partners wird gewöhnlich durch Berührungen und andere Manipulationen erreicht, nicht durch visuelle Mittel. Der Anblick einer nackten Frau bewirkt gewöhnlich keine Erektion, manche Männer sollen sogar zum Geschlechtsakt unfähig sein, wenn sie vorher eine Vagina gesehen haben (Inf. Gbedema).
Coitus interruptus war nach meinen Erkundigungen vor dem Eintreffen der Europäer bekannt, wurde jedoch wenig praktiziert, da nach Aussagen eines alten Mannes das Lustgefühl darunter leide und außerdem Empfängnis im Normalfall angestrebt wird. Mehr als ein Orgasmus an einem Tag wird selten gewünscht, da der Mann durch Sexualverkehr einen Teil seiner nying-yogsa-pagrem (Gesundheits-Kraft) verliert (vgl. Kap. V,1 S. 145). Beim Geschlechtsverkehr befinden sich die Beteiligten in einem Zustand starker Gefährdung. Unbedeutende Vorkommnisse können hier {274} eine starke Wirkung haben. G. Achaw gab folgende Information an R. Schott [Endnote 16]:

There is a belief that when you are sleeping with your wife and she happens to pass urine on the bed or whatever you are sleeping on, and a white ant bites any of you, the one who is bitten by the ant dies. When you are having sexual intercourse with your wife and you cough, you shall get T.B. if you fail to say it out so that they may bring the medicine and perform the custom. The custom is performed in the room where you were sleeping; they close you, your wife, the owner of the medicine inside the room. While the medicine is burning in the fire you are to go on having sexual intercourse with your wife.

h) Akaayaali

Für die Gültigkeit einer Ehe sind vor allem die akayaali und das später stattfindende nansiung-lika Ritual notwendig. Die Langform des erstgenannten Rituals lautet ‟Akaayaali ale wa boro‟ (Suchet sie [die Braut] nicht, sie ist [hier bei uns].
Im Regelfall einige Tage nach der Entführung (mitunter vergehen jedoch einige Jahre) schickt der Bräutigam einen Vermittler (san-yigma oder sinyigmo) zum Hause der Braut, um offiziell den Schwiegereltern mitzuteilen, dass er ihre Tochter als Braut in sein Haus geführt hat. Der Vermittler stammt gewöhnlich aus der Sektion des Bräutigams und ist durch matrilineare Abstammung oder durch Heiraten mit der Linie der Braut verwandt und befreundet. Für Verhandlungen um eine doglie wird immer der gleiche san-yigma eingeschaltet, der seine Hilfe bereits während der Hochzeit und zur Verfügung gestellt hat.
Das akaayaali-Ritual wird vor allem im Kapitel über die Zahlungen (n) meines Assistenten Danlardy für die Hochzeit beschrieben. Das kayiita-Ritual (Besuch der Brüder, Kapitel VII,2i; S. 276) kann als Teil von akaayaali angesehen.
E. Atuick hat dieses Ritual folgendermaßen beschrieben:

A day or two after the akuwaaliba [taking the bride to the husband’s house], the young man (groom), in the company of a friend or two, must return to the compound of the bride to formally inform her father that they should stop looking for her because she is with them and that they are willing and ready to formalize their union. The father of the young woman would then tell them everything they needed to know as to what to do to formalize the marriage. Having officially informed the landlord and heard what is demanded from them, the young man and his friend(s) would bid him farewell and depart for home. Following their return to their compound, the brothers of the bride will follow up to the compound of their sister’s husband for the poi-deka (‘eating of the womb’) whereby there is the symbolic killing of an animal (either a dog, sheep or goat) for the brothers who must eat everything with the exception of the waist, which must be handed over to the head of the girl’s family upon their return home. This actually confirms that their sister or daughter is actually married and that her brothers have been treated well by her husband and his family.
After the poi-deka, the family must recruit a san-yigma (‘the link-man’), usually a man whose mother or grandmother hails from the community of the bride or a nearby community, who performs the actual marriage rites on behalf of the groom. Once a san-yigma is found, they provide him with all the necessary items for the “akaayaali-ali-wa-boro” for him to proceed to the compound of the lady to initiate the rites. The items for this rite vary from place to place; in some areas they collect goora, tabi (‘tobacco’) and money – kuboata pisinu (‘50 pesewas’) while in other places they collect only goora and money – kuboata-pisinu. The san-yigma on getting to the area where the woman hails from, would usually find the san-yigdiak (a man who has relations with the place of origin of the groom, especially one whose mother hails from that area or an area closer to that area) to assist him to perform the rites. The two of them then proceed to the bride’s paternal compound and hand over the items required after going through the necessary customary greetings and formalities. The acceptance of these items virtually signifies that the family of the woman have accepted and formally given her hand in marriage to the man on whose behalf the san-yigma and san-yigdiak have come to greet and offer the items. It also means that another man cannot come to seek the lady’s hand in marriage since the family is now aware of her marriage to that particular man. Once the items have been accepted, the san-yigma must return to tell the groom and his family what transpired over there and what else is expected of them.

i) Besuch der Brüder [Endnote 17]

In Buli gibt es mehrere Bezeichnungen für dieses Ritual: kayiita, kayiita-deka (deka = das Essen, die Ausführung), biak-ngobika (Essen des Hundes) oder (seltener?) taa-ngang-sangka (= der Schwester nachgehen, sangi = to fix); E. Atuick gebraucht den Begriff poi-deka (eating the stomach) womit symbolisch das ganze Tier gemeint ist.
Das kayiita-Ritual kann wohl gleich nach dem akaayaali-Ritual (E. Atuick) oder auch längere Zeit vor diesem stattfinden, wie ich es im Hause Danlardys erlebte.
Nachdem die Eltern der Braut informiert worden sind, dass ihre Tochter von einem bestimmten Bewerber entführt worden ist, ist es an der Zeit für die Brüder der Braut, zum Hause des Bräutigams zu kommen. Sie bleiben vor dem Hause stehen und fragen, ob ihre vermisste Schwester vielleicht in diesem Hause sei. Sie werden vom Hausherrn ins {277} Haus gebeten, aber sie lehnen zunächst ab, da sie angeblich keine Zeit hätten. Falls ihre Schwester nicht in diesem Hause sei, müssten sie sie noch in anderen Häusern suchen. Nun können Hausbewohner den Brüdern etwa ein gebratenes Huhn herausbringen, um sie aufzuhalten.
Inzwischen berät man sich drinnen, ob man einen Hund für die Brüder töten kann, wie es eigentlich der Tradition entspricht oder ob man ersatzweise eine Ziege oder ein Schaf schlachten soll. Die Brüder werden hereingeholt, um das lebende Tier zu begutachten. Einer von ihnen wird nun seine Hand in die Seite des Tieres halten und sagen, dass dort noch ein Loch sei, das ausgestopft werden müsse. Man wird den Brüdern ein lebendes Huhn geben, um damit “das Loch zu stopfen”. Die Brüder mögen für andere “Löcher” im Tier weitere Hühner fordern, bis der Hausherr (zum Schein) zornig wird. Alle geschenkten Hühner können von den Brüdern lebend mit nach Hause genommen werden.
Nun schlachtet man den Hund, und nach seiner Zubereitung bewirtet man die Brüder mit seinem Fleisch und T.Z. Nach einiger Zeit mögen die Brüder sagen, dass man ihnen nicht alles Fleisch geschickt habe. Wie G. Achaw berichtet, ist diese Beschwerde jedoch nur eine Falle, denn wenn der Hausherr ihnen auch den gebratenen Kopf des Hundes schickte, so würden die Brüder sofort sagen, sie seien von dem “Zähnebesitzer” (nyina nyono; eine Umschreibung für Hund) gebissen worden, und der Hausherr müsste ihnen als Sühne einen Geldbetrag geben.
Auch der Hirsebrei (T.Z., Buli saab), der von Frauen des Hauses in einer Kalebasse gebracht wird, findet die Kritik der Brüder. Man bemängelt, dass die Kalebasse wackelt. Hierauf legt der Gatte oder der Hausherr eine Münze unter die Kalebasse, aber nun wackelt sie zur anderen Seite hin. Oft sind die Brüder erst zufrieden, wenn die Kalebasse an allen Seiten von Münzen gestützt wird. Der Hausherr konnte früher dem Übel der wackelnden Kalebasse auch abhelfen, indem er ein kleines Mädchen schickte, das die Kalebasse in ihren Händen halten musste, während die Brüder daraus aßen. Dieses Mädchen wurde, wenn es heiratsfähig war, einem der Brüder zur Frau gegeben. Die Eltern der Brüder stellten sofort nach ihrer Rückkehr ins Elternhaus fest, welcher der Brüder das Mädchen bekommen sollte.
Heute fordern manche junge Männer, die zum Hause ihres Schwagers gehen, den Hund (bzw. die Ziege oder das Schaf) lebend, um ihn {278} dann auf dem Markt zu verkaufen. Eine solche Forderung wird jedoch von vielen Bulsa als eine moderne Entartung angesehen.
Die Brüder gehen gewöhnlich erst am nächsten Morgen mit ihren Geschenken nach Hause, nachdem sie eine ganze Nacht lang bewirtet worden sind.
Als Ayarik (Wiaga-Tandem-Zuedema) nach seiner Heirat den Besuch der vier Brüder seiner Frau erhielt, gab er ihnen außer den oben angeführten Geschenken noch 2 Flaschen akpeteshi [Endnote 18] und zusammen 2.10 Cedis. Dieser Geldbetrag, der den Wert eines Guinea (21 alte Schillinge) hat, hätte sich auch nicht verändert, wenn mehr Brüder der Frau gekommen wären. Da kein Hund im Hause zur Verfügung stand, schlachtete man eine Ziege, von der allerdings auch ein Teil des Fleisches an Ayariks Frau gegeben wurde. Ayariks Vater bekam den Hals, den Kopf nahmen die Brüder mit nach Hause.
In moderner Zeit scheint sich der kayiita-Brauch leicht verändert zu haben. Nach M. Arnheim führen ihn nur noch ‟gierige‟ (greedy) Brüder der Braut aus. Auch kommen die jungen Männer nicht nur aus dem Haus der Braut, sondern auch aus anderen Gehöften ihrer Lineage. Mitunter sind es sogar Besucher, die die Braut selbst hätten heiraten können.
R. Schott machte mich darauf aufmerksam, dass zwischen dem freizügigen Verhalten der Brüder der Braut und dem späteren, ebenso freizügigen Verhalten des Sohnes aus dieser neuen Eheverbindung den Brüdern der Mutter gegenüber möglicherweise eine Reziprozität besteht. Das Forderungsrecht der Brüder der Braut und später des Kindes den Brüdern der Mutter gegenüber ist in beiden Fällen institutionalisiert. Ein ‟Neffe‟ kann sich zum Beispiel ein Huhn in dem Hause seines ‟Onkels‟ (MuBr) ungestraft einfangen und mit nach Hause nehmen. Oft ist mit diesem freizügigen Verhalten auch ein Scherzverhältnis (gbiera) verbunden.
In Gbedema erfuhr ich, dass sich dort der ‟Neffe‟ nicht nur in dem Gehöft seines leiblichen ‟Onkels‟ Freiheiten herausnehmen kann, sondern in der ganzen Sektion seiner Mutter, dort aber nicht in gleichem Maße. Die Mitnahme eines Schafes in einem weit-verwandten Haus würde wahrscheinlich zu Ärger führen.

k) Besuch der Brautmutter

Einige Monate können vergehen, bis der Bräutigam mit dem Vermittler (san-yigma) [Endnote 19] einen Besuch bei den Schwiegereltern macht, um die Schwiegermutter (nganub) zum Haus des Gatten einzuladen. Dieser Besuch wird jo dok (den Raum betreten) genannt. Bevor der junge Ehemann und der Vermittler das Elternhaus der Braut betreten, beraten sie sich, wie viel Geld der Gatte der Schwiegermutter bei diesem Besuch geben soll. Die Höhe dieses Geldbetrages liegt heute (1974) bei etwa 5-20 Cedis. Die Mutter der Braut muss jeden Betrag annehmen, den ihr der san-yigma gibt. Falls es eine Unstimmigkeit gibt, wird der san-yigma gerügt, nicht der Gatte. Wenn die leibliche Mutter der Braut schon gestorben ist, erhält eine andere Frau des Brautvaters das Geld.
Nach diesem Besuch (jo dok) und diesen Zahlungen kann die Schwiegermutter {279} den neuvermählten Gatten in dessen Haus besuchen. Sie kann ihrer Tochter hierbei einige Geschenke (z.B. Hirsemehl) mitbringen. Falls diese zur Zeit des Besuches noch kein Kind geboren hat, wird die Mutter mit einem oder zwei Perlhühnern und T.Z. bewirtet. Ein Schaf oder eine Ziege für sie zu schlachten ist nur erlaubt, wenn die Tochter schon geboren hat. Die Brautmutter kann mehrere Tage und Nächte im Haus ihres Schwiegersohns bleiben, und jeden Tag bewirtet man sie wieder mit Perlhühnern und T.Z. Abends singen, musizieren und tanzen Gehöftbewohner und Gäste, als ob die Hochzeit gerade erst stattgefunden hätte.
Wenn die Brautmutter zu verstehen gibt, dass sie zurückgehen möchte, beraten die Männer des Hauses, welche Geschenke man ihr mitgeben soll. Man wird einen großen busik-Korb [Endnote 20] holen und ihn eventuell durch eingesteckte Stöcke noch vergrößern. Alle männlichen Hausbewohner bringen zuerst ihre Geschenke: Rispen- und Kolbenhirse (gemahlen und ungemahlen), Reis, geschlachtete Perlhühner, Dawa-dawa, Salz, Geld usw. Die Frauen des Hauses geben Geschenke für den oberen Teil des Korbes: getrocknetes Fleisch (Geflügel oder Wild), Dawa-dawa, Salz usw. Der Hausherr wird eine Ziege oder ein Schaf schlachten und ihr einen Teil des Fleisches gebraten, einen anderen roh im Fell des Tieres mitgeben. Oft müssen weitere Körbe herbeigeschafft werden, um all die Gaben aufzunehmen.
Einige junge verheiratete oder unverheiratete Frauen des Hauses – auch die Tochter der Besucherin kann darunter sein – begleiten die Brautmutter heim und tragen die Geschenke. Sobald die Gruppe im Elternhaus der Braut angekommen ist, werden alle wieder festlich bewirtet, und zwar erhält jede Begleiterin ein zubereitetes Perlhuhn und T.Z. Dann wird man wieder, oft bis in die frühen Morgenstunden hinein singen, tanzen und trinken. Die Begleiterinnen schlafen im Haus der Gastgeber und werden ihrerseits von einer entsprechenden Gruppe Männer nach Hause begleitet, die sich schon bei den Festlichkeiten des Vorabends um sie bemüht haben. Zwischen diesen jungen Frauen und ihren Partnern bleibt oft ein Austauschverhältnis von Dienstleistungen und Gegenleistungen erhalten. Der männliche Partner kann der verheirateten Frau auf ihrer eigenen Farm helfen, während sie ihm eine Braut aus ihrer Wohnsektion oder ihrer Geburtssektion verschaffen kann. Der Liebhaber der verheirateten Frau, der diese mit Wissen und Zustimmung {280} des Ehemannes hofiert, aber zu keinerlei sexuellen Praktiken berechtigt ist, wird als pok-nong (Freund einer Ehefrau) bezeichnet (vgl. S. 261). Ist die Frau unverheiratet, so ist eine spätere Heirat mit ihrem Partner möglich.
Einige Tage nachdem die Brautmutter das Haus des Gatten verlassen hat, wird der Gatte mit seinen Freunden dem Haus der Schwiegereltern einen kurzen Besuch abstatten, um sich zu erkundigen, ob seine Schwiegermutter wieder sicher zu Hause angekommen ist. Solch ein kurzer Gegenbesuch mit dem Zweck, sich nach der Heimkehr eines wichtigen Gastes zu erkundigen, ist bei den Bulsa allgemein Sitte (vgl. Kap. V, 3d; S. 172) und wird jianta (Müdigkeit) genannt, da man sich auch nach der Müdigkeit (Erschöpfung) des Heimkehrenden nach einem langen Fußmarsch erkundigt.
Es muss hier darauf hingewiesen werden, dass die Besuche der Brüder und der Brautmutter sowie die Zahlungen des nansiung-lika nicht unbedingt in der hier beschriebenen Reihenfolge stattfinden müssen. Das “Tor” (nansiung) wird erst oft lange Zeit nach den offiziellen Besuchen “geschlossen”. Da im Gegensatz zur Bewirtung der Brüder der Besuch der Brautmutter auch stattfinden kann, wenn der Bräutigam nicht zu Hause ist, kommt es gerade in neuerer Zeit häufiger vor, dass der Besuch der Brautmutter zeitlich vor dem Besuch der Brüder stattfindet, zumal wenn sich der Bräutigam im Süden aufhält.
Es ist mir auch ein Fall bekannt, dass eine Mutter ihre verheiratete Tochter ohne Anmeldung besucht hat und nur wie ein gewöhnlicher Gast bewirtet wurde. Der offizielle Besuch dieser Mutter steht noch aus und ist für einen späteren Zeitpunkt geplant.

l) Nansiung-lika

Dieses ist das letzte Ritual im Prozess der Eheschließung und findet immer nach dem statt. Mitunter werden jedoch alle Zahlungen an das Haus der Braut unter dem Begriff nansiung-lika zusammengefasst und sogar der nicht bei den Bulsa bestehende Brautpreis als nanisung lika bezeichnet.
Der Ausdruck ‟das Tor schließen‟ (lig nansiung) könnte möglicherweise andeuten, dass das Tor zum Elternhaus für die Ehefrau geschlossen ist, d.h. dass sie nun der Hausgemeinschaft ihres Mannes angehört (wenn auch Besuche in ihrem Elternhaus häufig abgestattet werden) [Endnote 21].
Margaret Arnheim (Gbedema) vermutet, dass der Ausdruck besagt, dass durch das Ritual der Eingang des Elternhauses der Frau für andere Bewerber geschlossen wird.
G. Achaw (Sandema-Kalijiisa) erklärt den Ausdruck nansiung-lika und die damit verbundenen Zahlungen folgendermaßen: Wenn der erfolgreiche Bewerber nachts die Braut aus dem Haus holt, hat er meistens keine Zeit {275}, den Haupteingang mit Knüppeln zu verschließen, sodass das Tor eine ganze Nacht offen steht und Haustiere entlaufen oder Diebe und wilde Tiere ins Haus eindringen können. Darum muss der Bräutigam das Tor mit Geschenken wieder schließen. Diese Geschenke müssen allerdings auch gegeben werden, wenn – wie es durchaus üblich ist – das Paar über eine Außenmauer entflohen ist.
Falls die neue Gattin in der Ehe noch kein Kind geboren hat, wird das Tor mit 1 Huhn, 1 Hackenblatt, Tabak und 4 Pesewas (es mussten früher einzelne Münzen sein [Endnote 22]) geschlossen. Wenn die Frau schon in der Ehe ein Kind geboren hat, muss das Tor mit einer Ziege oder einem Schaf geschlossen werden [Endnote 23]. Ein reicher Gatte kann auch eine Kuh schicken, aber dies ist nur ratsam, wenn der Vater des Gatten schon eine Kuh bei einer solchen Gelegenheit gegeben hat, denn sonst sieht es so aus, als wolle der Sohn den Vater übertreffen. Ein Zuwiderhandeln könnte den Tod des zu freigebigen Sohnes zur Folge haben [Endnote 23a].
Nähert sich der Vermittler (san-yigma) dem Hause der Braut, so läuft ihm ein Junge entgegen, um die Geschenke ins Haus zu bringen. Dort beraten die Männer, ob man die Geschenke annehmen soll, jedoch kommt es fast nie vor, dass die Geschenke in dieser Sitzung abgelehnt werden. Eine ablehnende Haltung der Hausbewohner hätte den san-yigma schon vorher veranlasst, dem Bräutigam von Zahlungen zu diesem Zeitpunkt abzuraten. Der Vermittler führt ein Gespräch mit dem yeri-nyono, der auch die Geschenke erhält. Der san-yigma kann eine Nacht in dem Haus der Braut bleiben oder auch am gleichen Tag zurückkehren. Er erhält für seinen Botengang keine offizielle Bezahlung, jedoch kann der jungvermählte Gatte ihm bei Gelegenheit auf dem Markt ein alkoholisches Getränk ausgeben.

Tabak und das Hackenblatt unter dem Dach von Akanmings kusung-dok

1988 wurden dem Gehöft Akanming Yeri (Badomsa) im nansiung-lika Ritual für eine in Farinsa verheiratete Tochter des Gehöftherrn folgende Gaben überbracht: 1 Hackenblatt, 2 Ring Tabak, 1 Huhn und eine Ziege (die Tochter hatte schon ein Kinder geboren). Daraufhin opferte Akanming dem Schrein seines Vaters Awasiboa 1. Hirsewasser (von Farinsa gebracht?), 2. das Huhn, 3. die Ziege nachdem er deren Halsband auf den Schrein gelegt hatte, 4. zum Schluss noch einmal Hirsewasser. Nachdem ein Teil des Fleisches geröstet worden war legte Akanming kleine Fleischstückchen von kuusiri, bogi und pangi (Leber) auf Awasiboas Schrein.

Die Ziege wird dem Ahnenschrein Awasiboas geopfert

Die Aufteilung des geopferten Fleisches erfolgte sofort im Innenhof von Akanmings ersten Frau:
die beiden Hinterbeine (nangsa): für Akanmings Frauen im Gehöft
die beiden Vorderbeine (boga): ebenso, aber wenn Kinder von Akanmings in Farinsa verheirateten Tochter anwesend gewesen wären, hätten sie ein Vorderbein bekommen.
Kopf (zuk): an die Kinder des Hauses
Hals (ngiri): an Akanming als dem Opferer
chaarik (5 Rippen zwischen chaarik und ta-liirik): an Akanmings Sohn Akangir
kuusiri (Vorderteil der Brust): je eine Hälfte Akanmings zwei Frauen
chiak (Hüfte mi Rippen): an die Töchter Akanmings, die noch in seinem Hause wohnen
ta-liirik (?): an denjenigen, der jeden Abend das Gehöft verriegelt (hier der jüngste Sohn)
Magen (puuk) und Därme (nyueta): an alle Frauen des Hauses, die Därme wurden vorher in gleichgroße Stücke zerschnitten; aus den nyue-goatik (bestimmter Teil der Gedärme) bereitet Akanmings erste Frau eine Suppe für ihn.
Anus (bita-fiik): an die Kinder des Hauses
Fell (gbang): für Akanming (praktische Verwendung)
Folgende Körperteile der Ziege wurden in den Viehhof geworfen: yaam (Galle), Eierstöcke (?), ja-chelim (angebliche ein fester runder Klumpen, der in verschieden Körperteilen anzufinden ist.

Zerteilen der Därme (nyueta)

Wie bereits erwähnt, dürfen keine Zahlungen während der Schwangerschaft der Frau ausgeführt werden. Eine junge Frau aus Siniensi (Häuptlingshaus) berichtet, dass sie schon vor den Hausbesuchen ihres Gatten schwanger war. Der Bewerber durfte daher auch bei den ersten Hausbesuchen keinerlei Geschenke geben, da auch alle Zahlungen und Geschenke an das Haus der Schwiegereltern zusammen als nansiung-lika bezeichnet werden.

Nach E. Atuick (2015: 97-98) ist nansiuk-lika ‟the last and most important phase of the marriage process‟. Nach Atuick warten einige Männer, bis sie sicher sind, dass die Frau gebärfähig ist. Die Gaben werden auch Nach Atuick von dem san-yigma in das Elternhaus der neuen Gattin gebracht und dort den im kusung versammelten Männern überreicht.

m) Arbeiten des Gatten für die Schwiegereltern (chichambiri)

Wenn die Eltern der Ehefrau Arbeitshilfe auf dem Feld brauchen, können sie den Gatten ihrer Tochter bitten, ihnen zu helfen. Für den Gatten besteht dann eine Verpflichtung zu kommen. Er bittet nicht nur seine Altersgruppe, die ihn bereits bei der Werbung unterstützt hat, sondern auch andere Freunde und Verwandte, mit ihm zu kommen und seinen Schwiegereltern zu helfen. Das Ansehen des Gatten im Hause seiner Schwiegereltern wird um so größer sein, je mehr Helfer er mitbringen kann. Auf dem Felde arbeitet die Freundesgruppe zusammen. Man {281} singt Arbeitslieder und Preislieder [Endnote 24] auf den Ehemann, die weitgehend den bei der Hochzeit gesungenen Liedern entsprechen. So wird auch hier der Ehemann nur mit seinem Ehrennamen (busein) bezeichnet. Im Gegensatz zu den Hochzeitsliedern scheint es jedoch bei den Arbeitsliedern häufiger zotige Texte zu geben, wofür das folgende Lied (Inf. Ayarik) ein Beispiel ist:

Ma cheng Yiwasa wom yaa baano.
A ga pai te liewa jue kali gbongoa piak za. Wa tan-piiring ka ziiga [zuisa?].
Mi da kuli man ngman cheng du.

Ich ging nach Yiwasa (Wiesi), um einen Wahrsager zu besuchen (wörtlich: zu hören).
Als ich dort ankam, kletterte die Tochter (des Wahrsagers?) auf das Flachdach, saß (dort) und entkörnte Hirsekolben [durch Abstreifen].
Ihre Schamteile hatten keine Haare.
Wenn ich nach Hause zurückkehre, werde ich nicht wieder dorthin (Wiesi) gehen.

Während in den Hochzeitsliedern mitunter das Wir-Gefühl einer jüngeren Generation herausgestellt wird, können in den Liedern der Arbeitsgruppe auch Wünsche, Meinungen und Gefühle von Männern, die sich von weiblichen Personen abgrenzen wollen, zum Ausdruck kommen, wie etwa das folgende Beispiel zeigt:

Nipoba dan bo yeri po, kan bisa la, ba jaab ja kan de.
Ka zulenga te ti ta yai, ti kan yaali ba jaaboa.
Ka zulenga …

Wenn die Frauen im Haus sind, und sie sprechen und lachen nicht, kann keiner etwas zu essen bekommen.
Wir wünschen Respekt, wir wünschen nichts anderes.

Nach der Feldarbeit wird die Männergruppe von den Schwiegereltern des Ehemannes mit Speise und Trank bewirtet, die Arbeiter bekommen jedoch keine anderen Geschenke.
Am Ende des Tages kann das Ereignis der Gruppenarbeit auf verschiedene Art und Weise sichtbar gemacht werden. In Wiaga formen die Arbeiter mitunter aus Erde eine überlebensgroße Darstellung eines Krokodils (pi-nyung) und daneben stellen sie einen Stock mit Schädelknochen des vom Gastgeber gespendeten Tieres. Mir war es nicht möglich, mehr über diesen Brauch zu erfahren. Eine religiöse Komponente scheint in ihm nicht enthalten zu sein [Endnote 24a].
Die Schwiegereltern können die Hilfe ihres Schwiegersohnes beanspruchen, so lange dieser mit ihrer Tochter verheiratet ist, jedoch nicht mehr als einmal im Jahr und möglichst auch nicht in zwei aufeinander folgenden Jahren {282}. Mein Informant Danlardy Leander sagte mir, dass diese chichambiri-Arbeiten in letzter Zeit in ihrer Häufigkeit stark zurückgegangen sind, da sie durch die aufwändige Bewirtung der Arbeitsgruppe für den ‟Schwiegervater‟ finanziell teurer geworden sind, als wenn er sich eine Gruppe Lohnarbeiter bestellt. Viele junge Arbeiter ziehen ein Bezahlung in Gelder einer aufwändigen Bewirtung vor.

n) Kosten einer Heirat

Wie gesagt, kennen die Bulsa keinen Brautpreis, wie er durch die Zahlung von Rindern bei einigen Nachbarethnien, zum Beispiel bei den Frafra und Nankana, besteht. Dieses Nichtvorhandensein ist allen Bulsa bewusst. Falls eine Bulsa-Frau einen Mann aus einer der Nachbarethnien heiratet, so darf ihre Familie auch bei großer Willigkeit des Freiers keine höhere Zahlungen annehmen. Es hätte Todesfälle in der eigenen Familie oder sogar innerhalb der ganzen Sektion zur Folge.
Jack Goody, einer der angesehenstem Anthropologen der Gegenwart, veröffentlichte in seinem Werk Bridewealth and Dowry (1973: 9) eine Tabelle aus dem Population Census 1960, aus der hervorgeht, dass in akephalen Gesellschaften hohe Zahlungen geleistet werden, in zentralisierten Gesellschaften dagegen nur geringe (das Wort ‘brideprice/bridewealth’ wird hier nicht erwähnt). In der Tabelle erscheinen die Bulsa richtig in der Gruppe der (früher) akephalen Gesellschaften. Die Feststellung, dass ihre Heiratszahlungen hoch sind, kann jedoch nicht aufrecht gehalten werden.
Auch ohne Zahlungen eines festgelegten Brautpreises kommen auf den Bewerber und späteren Gatten einer Bulsa-Frau zahlreiche Kosten und Verpflichtungen zu. Neben den festgesetzten Ausgaben für akaayaali und nansiung lika gibt es noch zahlreiche andere Forderungen an den zukünftigen Gatten, die je nach seinem Vermögen in ihrer Höhe schwanken. Eine Verweigerung würde zwar sein Ansehen bei den Schwiegereltern schmälern und auch eventuell Einfluss auf die Stabilität der Ehe haben, hat aber für die Gültigkeit der Ehe keine Bedeutung.
Ayarik (Wiaga-Tandem-Zuedema) erinnert sich noch genau an alle Zahlungen, die er an seine Schwiegereltern in Wiaga-Bandem 1971 entrichtet hat {276}:
1. Hausbesuch: Kola-Nüsse für die Mutter, Tabak für den Vater (freiwillige Zahlung), 50 Pesewas für die Großmutter der Braut, 10 Pesewas für jeden der fünf jüngeren Brüder der Braut.
2. Hausbesuch: Kola-Nüsse (20p.) für die Großmutter, 30p. für die Mutter, 40p. für den Vater, 5 p. für jedes der kleinen Kinder.
3. Hausbesuch: 60 p. für die Mutter, 30 p. für die Großmutter, 40 p. für den Vater (freiwillige Zahlung), 10 p. für jeden der jüngeren Brüder der Braut.
Zahlungen nach der Heimführung der Braut. Da die Braut zur Zeit dieser Hauptzahlung (nansiung lika im engeren Sinne) bereits einen Sohn geboren hatte, zahlte Ayarik eine männliche Ziege, 1 Perlhuhn und Tabak. Die Teile wurden dem yeri-nyono gegeben, der die Tiere den Ahnen opferte. Wäre dem jungen Paar noch kein Kind geboren worden, hätte Ayarik nur ein Huhn bezahlen müssen.
Weitere Geschenke (zu nansiung-lika?): Als Ayariks Mutter den Schwiegereltern ihres Sohnes einen Besuch abstattete, gab sie folgende Geschenke: Kola-Nüsse für die Mutter und Tabak für den Vater der Braut.
Alle Zahlungen sind in dieser Höhe in der Sektion Wiaga-Bandem, der Sektion von Ayariks Frau, üblich, und Ayarik erkundigte sich vorher bei seiner Braut nach der Art und Höhe der Zahlungen in dieser Sektion, da diese in jeder Sektion verschieden sind. Die Geschenke an den Vater der Braut können ausgelassen werden, da dieser kein Mitentscheidungsrecht bei der Verheiratung seiner Tochter hat.
Die geforderten Zahlungen und Geschenke stellen in ihrer Häufigkeit eine recht hohe Belastung für den neuen Gatten dar. Mein Assistent, der Grundschullehrer Danlardy, der den Betrag all dieser Kosten aufgezeichnet und mir zur Verfügung gestellt hat, bemerkte einmal ‟If I had known [all these costs], I would not have married at this time‟.

Entstandene Kosten von der Heimführung Darnlardys Braut (20.12.88) bis zum 7.1.89 (kayiita)

(Preise: 1 Flasche akpeteshi, Palmbranntwein: 310 Cedis, 1 Huhn: 300-320 Cedis, 1 Perlhuhn: um 500 Cedis). Im Jahre 1988 entsprachen 100 Cedis ungefähr 0,70 DM (0,35 Euro).

20.12.88: Schon vor dem ersten offiziellen Kontakt von Danlardys Familie mit der Familie seiner zukünftigen Frau Kenkenni in Wiaga-Guuta suchte Dans Stiefmutter Afulanpok, gebürtig aus Guuta, Kenkenni als künftige Frau ihres Stiefsohnes aus. Am 20. Dezember gehen Michael (yeri nyono von Asik Yeri sowie Krankenhaus-Assistent) und Atongka (aus Danlardys Familie mit verwandtschaftlichen Beziehungen zu Guuta) zum Haus der Braut.
Geschenke (von Dan): 2 Flaschen akpeteshi und Kolanüsse (100 Cedis)

22.12.88 (fn 161a): Maami, die erste Frau von Dans verstorbenem Vater, Afulanpok und eine Freundin gehen zum Haus der Braut, um diese von dort nach Asik-Yeri, dem traditionellen Gehöft von Danlardys Familie in Wiaga-Badomsa zu führen. Dort warten oder erscheinen viele Verwandte, Nachbarn und Freunde. Eine Trommlergruppe sorgt für Unterhaltung. Die Festlichkeiten erstrecken sich, wie üblich, über drei Tage. Viele der Gäste erscheinen jedoch jeweils nur in den Abendstunden und gehen tagsüber ihrer geregelten Arbeit nach.
Es werden zahlreiche Geschenke gegeben (in der folgenden Liste nach Spendern geordnet).

Dan: 500 Cedis + 2 Flaschen akpeteshi an Guuta Familie und 5 Flaschen akpeteshi an alle Gäste in Asik Yeri; 1 Flasche akpeteshi an Freunde; Zigaretten für 200 Cedis für alle Männer (?); ein geröstetes Huhn (320 Cedis) für die Trommler; in gewissen zeitlichen Abständen gibt Dan weitere 250 Cedis an Trommler und 100 Cedis an die Frauengruppe, die wohl vor allem für die Zubereitung von Speisen und Getränken, aber auch für kleinere organisatorische Belange verantwortlich ist.
Maami: 200 Cedis an Guuta Familie; in Asik Yeri: 2 Flaschen akpeteshi an alle; 200 Cedis an Kenkenni; 5 Zigaretten für Trommler
Afulanpok: 100 Cedis an Guuta Familie; in Asik Yeri: 50 Cedis an Kenkenni, 50 Cedis an Trommler, 40 Cedis an Frauen
Freundin von Maami: 100 Cedis an Guuta Familie
Bibiana (Schwester Dans): 100 Cedis an Frauengruppe, 50 Cedis und 1 cloth [Endnote 24b] an Kenkenni, 40 Cedis an Trommler
Mary (Schwester Dans) und Freundin: ‟new sweater‟ für Kenkenni, 1/2 Flasche akpeteshi an Frauen, 1/2 Flasche akpeteshi an Trommler
Atongka: 1 Huhn für 300 Cedis an Trommler; später noch einmal 200 Cedis an Trommler
Atongkas Frau: 50 Cedis für Kenkenni
Ayomo (amtierender Gehöftherr von Asik Yeri): Perlhuhn für 500 Cedis an Frauengruppe,
Ayomos Frau: 50 Cedis an Kenkenni
Kofi (Nachbar): 50 Cedis an Trommler
Agaadula (Nachbar): 1 Perlhuhn und 100 Cedis für Kenkenni, 50 Cedis an Trommler, 50 Cedis. an Frauengruppe
Agberuks Sohn (aus Kadema, lebt in Asik Yeri): 1 Flasche akpeteshi und 300 Cedis an Kenkenni, 100 Cedis an Frauen
Frau aus Chiok (lebt in Asik Yeri): 500 Cedis an Kenkenni, 20 Cedis an Trommler

23.12.88: Die Feierlichkeiten in Asik Yeri wurden fortgesetzt; Geschenke und Spenden:
Danlardy: 1 Flasche akpeteshi für alle; 100 Cedis für Frauen;
Atongka: 1 gerösteter Hahn für die Trommler; 100 Cedis an Kenkenni, 50 Cedis an Frauen
Agaadula: 100 Cedis an Kenkenni, 50 Cedis an Frauen, 50 Cedis an Trommler
Ateng (Frau eines Nachbarn): 50 Cedis an Kenkenni, 40 Cedis an Trommler
Kofi (Nachbar): 50 Cedis an Kenkenni, 40 Cedis an Trommler
Agberuks Sohn: 100 Cedis an Kenkenni, 100 Cedis für Trommler; für 40 Cedis Kolanüsse an Frauen

24.12.88: Die Feierlichkeiten in Asik Yeri wurden fortgesetzt. Kenkenni ist in ständiger Begleitung von Danlardys jüngerem Bruder Lucky, der sie wohl bewachen soll.
Geschenkegeber (Empfänger fehlen zum Teil in Danlardys Angaben):
Danlardy: 2 Flaschen akpeteshi (für alle)
Michael: 2 akpeteshi (für alle),
Atongka: 1 Flasche akpeteshi und 100 Cedis
Ayomo: 100 Cedis an Kenkenni
Lamisi (Anyiok Yeri): für 100 Cedis Kolanüsse (für alle), 200 Cedis an Kenkenni, 50 Cedis. an Trommler,
Ayigmilie (doglie in Goansa): 50 Cedis für Kenkenni
Dinah: 20 Cedis für Kenkenni,
F. Kröger: 1 Flasche akpeteshi (ich gebe sie an Ayomo); für 100 Cedis Kolanüsse (für alle?) 1 Lux-Seife für Kenkenni

25.12.88: Nach Mitternacht führt eine gemischte Gruppe Kenkenni von Asik Yeri zum Haus in Goansa. Danlardy kauft für die Begleiter 2 Flaschen akpeteshi und sein Freund aus Sandema fügt noch 2 Flaschen Bier und 1 Fanta hinzu. In Danlardys Haus (Goansa) schläft Kenkenni zum ersten Mal als seine Ehefrau. Sie kann hiernach nicht mehr von anderen Bewerbern entführt werden (wenn nicht das Vergehen von kabong für Sinyangsa Kidnapper und/oder die Entstehung von Feindschaften für fremde Sektionen in Kauf genommen werden).
Noch am gleichen Morgen geht Kenkenni zusammen mit Lucky und Afulanpok nach Guuta, um sich Sonntagskleidung für das Weihnachtsfest zu holen (Sie ist katholische Taufkandidatin). Später melden Kenkennis Eltern, dass ihre Tochter nicht zurückkommt, wenn sie nicht von Dans Eltern abgeholt wird. Ayomo wollte sie abholen, aber die Eltern hatten ihn abgelehnt. Daraufhin geht Maami mit 2 Flaschen akpeteshi und 500 Cedis von Danlardy und 200 Cedis aus eigener Tasche nach Guuta. Kenkennis Eltern weigern sich aber weiter, ihre Tochter herauszurücken. Daraufhin ging Danlardy selbst mit Geschenken nach Guuta. Er gab 200 Cedis an Kenkennis Mutter, 100 Cedis an ihre Stiefmutter, 50 Cedis an ihre jüngeren Geschwister. Die Eltern weigern sich weiter, ihre Tochter ziehen zu lassen. Man solle sie nachts holen. Abends kaufen Atongka und Ayomo zusammen 1/2 Flasche akpeteshi, Danlardy eine Flasche. Diesmal konnte Kenkenni zurück nach Goansa ziehen. Sie hatte aber ihren jüngeren Bruder mitgebracht, der in der Nacht im Goansa-Haus schlief und auch dort mit Nahrung versorgt wurde.

26.12.88: Danlardy gibt dem jüngeren Bruder 200 Cedis, und Dans leibliche Mutter Adaaminyini gibt dem Jungen 100 Cedis. Außerdem schlachtet man ein Huhn für ihn.

27.12.88: Nachts zieht Kenkenni wieder in Begleitung zum traditionellen Gehöft Asik Yeri. Dort findet das gemeinsame Bad der Eheleute mit verdünntem Medizinwasser aus dem nipok tiim Schrein (s.o.).

28.12.88: Es finden wieder Tänze und Musik im Goansa-Haus statt. Die Gäste bringen meistens Getränke für den allgemeinen Gebrauch mit (Geldgeschenke meistens für Kenkenni):
Danlardy: 1/2 Flasche akpeteshi für die Trommler und andere
Maami: 1/2 Flasche akpeteshi
Michael: 1 Flasche akpeteshi
Atongka: 1 Flasche akpeteshi
Kwame (aus Wiaga-Chief’s house, contestant for new chieftaincy): 1/2 Flasche akpeteshi + 100 Cedis
Adaaminyinis Freundin: 1/4 Flasche akpeteshi + 100 Cedis
Afulanpok: 1/2 Flasche akpeteshi
Ansula (Nachbarin): 1/2 Flasche akpeteshi, 100 Cedis für Kenkenni
Sinyansa ex-serviceman: 1 Flasche akpeteshi; 200 Cedis für Kenkenni, 100 Cedis für die Trommler
Danlardys Freunde geben je 50 Cedis oder 100 Cedis an Kenkenni
Abi (?) und Freunde: 100 Cedis an Kenkenni, 1/2 Flasche akpeteshi an Trommler
Ein Gast (Name unbekannt) gibt ein Perlhuhn für die sofortige Zubereitung an Maami

29.12.88: Danlardy holt sein Gehalt in Navrongo ab. In seiner Abwesenheit werden weitere Geschenke gegeben:
Ein Gast gibt Kenkenni 2 gekaufte Perlhühner und 2 Stück Seife,
Eine Marktverkäuferin: 10 Bonbons
Eine andere Marktverkäuferin: 2 Stück Seife (für Kenkenni)
Jatena Awie (Mädchen aus dem Häuptlingshaus): 2 Lux, 1 Sunlicht (Seife), 2 Stück rote Guardian Soap
Thomas (Lehrer): 2 große Päckchen Omo für Kenkenni
Anmerkung: Das Kenkenni geschenkte Geld nehmen die Frauen des Hauses (Dans Mütter) in Empfang. Wenn zum Beispiel jemand 500 Cedis gibt, geben sie nur 300 an Kenkenni weiter. Auch muss Kenkenni einen Teil der geschenkten Seife an Danlardys Mutter abgeben.

29.12.88 abends bis zum frühen Morgen des 30.12.: Kayiita
Abends kommen die (klassifikatorischen) Brüder Kenkennis in das Goansa-Haus und fordern ihren Hund (siehe Kap. VII,2i). Bei ihrem Eintreffen spendet Danlardy eine Flasche akpeteshi (später eine weitere) und gibt ihnen ein geröstetes Huhn.
Ayomo und Danlardy fahren nach Asik Yeri zur Information und um einen Hund zu kaufen. Der Nachbar Kofi verkauft seinen Hund für 1800 Cedis, von dessen jüngerem Bruder kauft Danlardy ein Huhn (300 Cedis).
Nach Dans Rückkehr wird das Hundefleisch gekocht. Obwohl der Hund außergewöhnlich groß ist, sagen die Brüder, dass er zu klein ist. Danlardy gibt ihnen seinen eigenen Hahn (Wert: 700 Cedis). Als die Brüder bemerken, dass das nicht genug ist, gibt Dan ihnen ein drittes Huhn. Nun sagen die Brüder, dass sie sich kalt fühlen und Dan gibt ihnen 3 Flaschen akpeteshi. Außerdem gibt er 1 Flasche akpeteshi an die Frauen (seine Mütter und die doglie), die die Hühner kochten, und eine Flasche für andere Verwandte (Ayomo, Atongka u.a.). Michael kauft und verschenkt eine Flasche akpeteshi und Danlardy spendiert seine 6. Flasche vor dem Essen.
Aus seiner engeren Familie unterstützen ihn folgende Verwandte mit Geschenken von akpeteshi an die Brüder und andere Gäste: Michael: 1/2 Flasche, Maami: 1/2 Flasche, Atoalinpok (Stiefmutter Dans): 1/2 Flasche, Dans Schwestern: 1/2 Flasche für alle Gäste
An nichtalkoholischen Geschenken werden verteilt: Mami: für 50 Cedis Kolanüsse, Adaaminyini (Dans leibliche Mutter): für 20 Cedis Tabak, Ayomo: 100 Zigaretten; Michael: 10 Zigaretten. Die Brüder verlassen gegen 7.30 Uhr (30.12.88) das Haus in Goansa. Das nicht verzehrte Fleisch nehmen sie mit.
Mittags kocht Kenkenni zum ersten Mal für ihren Gatten, für sich und für einige Freundinnen, abends bereitet sie Essen für das ganze Haus (auch für die Familien der anderen Mütter Danlardys). Ab dem nächsten Tag kocht sie nur noch für die Familie von Dans leiblicher Mutter Adaaminyini, die von diesem Tage an die eigenen Kocharbeiten aufgibt, aber weiterhin ihrer ersten Schwiegertochter hilft und ihr Ratschläge gibt. Kenkenni wird jeden Tag ein Gericht, eventuell auch mit einem Huhn, für Danlardys verstorbenen Vater Leander Amoak zubereiten und die Schüssel für eine Stunde in Leanders Zimmer stellen. Danach können alle anderen Familienmitglieder von diesem Gerecht essen, nur nicht Leanders erste Frau Maami. Dieser Brauch wird nach einiger Zeit durch die Entscheidung Maamis eingestellt und nur noch einmal an Festtagen (Neujahr, Ostern, Weihnachten) vollzogen. Bisher hatte Leanders jüngste Frau Afulanpok an Festtagen für Leander gekocht.

1.1.89: Im Goansa-Haus wird wieder gefeiert und getanzt. Ich werde zum Kauf einer Flasche akpeteshi aufgefordert. Asaaluk (der san-yigma aus einem Nachbarhaus in Badomsa) und Atongka statten Kenkennis Familie in Goansa einen Besuch ab, der 5 Stunden dauert. Geschenke:
Danlardy: 2 Flaschen akpeteshi, 500 Cedis bar, 100 Cedis für Tabak, 100 Cedis für Kolanüsse
Maami: 200 Cedis
Adaaminyini: 100 Cedis
Bibiana und Mary zusammen 1/2 Flasche akpeteshi

2.1.89: Danlardy geht mit Kenkenni zu deren Elternhaus und grüßt ihre Mutter mit 200 Cedis, zwei Männern des Hauses gibt er freiwillig je 50 Cedis.
Anmerkung: Die Höhe der vorgeschriebenen und freiwilligen Beträge bestimmt Danlardy nach eigenem Ermessen. Er muss allerdings Maami berichten, wie viel er gegeben hat. Seine eigenen Mutter Adaaminyini kann er nach Belieben informieren.
Nachmittags schickt Danlardy seinem Bruder Oldman mit Kenkenni nach Sandema, um Tuch für 2700 Cedis zu kaufen. Er gibt ihnen auch 300 Cedis für die Busfahrt, Essen, Suppenzutaten usw.

3.1.89: Kenkennis Mutter besucht offiziell als Schwiegermutter (nga-nubi) das Haus in Goansa. Danlardy ist gar nicht zu Hause (Er arbeitet mit mir an ethnologischen Themen).
Danlardy gibt 500 Cedis (über Maami) an sie. Alle Mütter Danlardys geben Geschenke an Kenkennis Mutter (Preise nicht registriert, da Dan nicht zu Hause ist). Die Schwiegermutter kehrt abends nach Guuta zurück.

4.1.89: Kenkenni geht zu ihrem Elternhaus, um hier einige Tage zu verbringen. Aus dem gekauften Stoff hat sie sich ein neues Kleid nähen lassen.
Danlardy, der sie dorthin wegbringt, kauft vorher in Wiaga zwei Perlhühner (zusammen 850 Cedis), ein großes Paket OMO (250 Cedis), Hirsemehl und Suppenzutaten (Preis?), Salz für 100 Cedis, jong (Dawadawa-Bällchen) und kleine Fische (biila) für 100 Cedis. Kenkenni bereitet aus den Lebensmitteln in ihrem Elternhaus eine Mahlzeit, nachdem Danlardy dieses verlassen hat.

7.1.89: Danlardy und ich (F.K.) besuchen Kenkenni in Guuta. Sie begrüßt uns nicht, sondern verzieht sich sofort (Gibt es eine Verstimmung?). Geschenke dieses Besuchs wurden nicht dokumentiert.
Mit diesem Tag waren die Feierlichkeiten und festgelegten Aktivitäten der ‟Heimführung der Braut‟ zunächst einmal abgeschlossen. Danlardy plant die akaayaali Riten für Ostern und würde sie gerne am gleichen Tag mit dem ‟nansiung-lika‟ Ritual verbinden, wie es in Badomsa möglich ist, aber nicht in den meisten anderen Sektionen Wiagas. Entscheidend sind die Traditionen in Guuta. Es stellt sich später heraus, dass akaayaali noch nicht durchgeführt werden kann, weil Michael, Atongka und Ayomo dieses Ritual vorher durchführen müssen, das heißt also, es wird auf eine unbestimmte Zeit verschoben.
Über Dans Wunsch bezüglich des Ostertermins für das akaayaali kommt es mit Kenkenni, die das Ritual erst nach ihrer Schulentlassung wünscht, zu einer Auseinandersetzung, Danlardy und seine Mütter bestehen jedoch darauf. Es kommt zu einer Versöhnung, nachdem Danlardy ihr aus Bolgatanga mehrere Plastiktaschen voller Geschenke mitgebracht hat.

5.4.89 Akaayaali: Am Abende geht Atongka, der mit Guuta matrilinear verwandt ist, zum Elternhaus Kenkennis. um das akaayaali Ritual vorzubereiten (Geschenk: 200 Cedis und Kolanüsse). Am folgenden Tag schenkt Danlardy noch einmal für 200 Cedis Kolanüsse (Kenkenni ist in Danlardys Haus).

7.4.89: Asaaluk, der san-yigma, und Atongka gehen mit 2 Flaschen akpeteshi und 500 Cedis (als freiwillige Geschenke) zu Kenkennis Eltern. Nach festgelegter Vorschrift gibt er dem yeri nyono 50 Cedis und für 100 Cedis Tabak.

8.4.89: Danlardy hat ein weiteres Gespräch mit seinen Schwiegereltern. Sie sind der Meinung, dass akaayaali zu früh stattgefunden hat, weil Kenkenni noch nicht schwanger ist und noch zur Schule geht. Danlardy muss deswegen noch einmal 5000 Cedis und 2 Flaschen akpeteshi geben. Vorher erlauben sie nicht, dass Kenkenni in das Haus Danlardys zurückkehrt.
Atongka gibt Kenkennis leiblicher Mutter 1000 Cedis für die Zeit, in der Kenkenni im Elternhaus gewohnt hat, aber eigentlich Danlardy für ihren Unterhalt aufkommen musste (Zahlung ist nicht Teil des akaayaali!). Solche Zahlungen, die nur für Jungverheiratete üblich sind, verrichtet Danlardy jeden relevanten Monat.
Ein Wahrsager ordnet (aus einem anderen Grund) an, dass Maami ihrem eigenen wen, dem ihres Mannes, dem wen des Bruders ihres Mannes und dem wen ihres Vaters (im Gehöft des Wiaga-Häuptlings) Hirsewasser opfern muss. Maami wünscht für das Opfer im Häuptlingshaus die Anwesenheit ihrer Schwiegertochter Kenkenni (Ist es eine Art Vorstellung?).
Kenkenni wohnte während des akaayaali Rituals und noch zwei Wochen danach im Goansa-Haus Danlardys. Danach fordern ihre Eltern sie wieder an. Danlardy schickt sie mit folgenden obligatorischen Geschenken zurück: 3 Kalebassen Hirse (3 x 300 Cedis + 100 Cedis für das Mahlen), geräucherten Fisch (300 Cedis), Salz und Dawadawa (zusammen 100 Cedis). Diese obligatorischen Geschenke wurden vor akaayaali angefordert.

Anmerkung zu den Kosten einer Heirat

Die obige Aufstellung demonstriert ein verwirrendes Geben und Nehmen von Geschenken und obligatorischen Zahlungen. Der Hauptstrom aller Transaktionen von materiellen Gütern fließt zwar vom Bräutigam an die Familie der Braut, aber es gibt viele weiteren Geber und Empfänger. Mitunter sind dieselben Personen sowohl Geber als auch Empfänger, zum Beispiel die Mütter des Bräutigams, die sich zum Teil an den Transaktionen an das Elternhaus der Braut beteiligen, zum Teil für ihre Dienste (hier wäre vor allem die Zubereitung der Speisen zu nennen) von den Gästen auch durch Gaben belohnt werden. Die Geschenke an die Braut Kenkenni können nicht ausschließlich als Transaktionen an ihre elterliche Lineage aufgefasst werden, zumal sie einen Teil von diesen (bei Geldgeschenken etwa ein Drittel) an die Mütter des Bräutigams abgeben muss.
Um den Sinn und die Funktion der Geben in ihrer Gesamtheit zu erschließen, stellt sich die Frage der Reziprozität zwischen Gebern und Empfängern. Zum Teil ist wohl auch den Akteuren in irgendeiner Form bekannt, dass die Gaben an das Elternhaus der Frau die verlustig gehende Gebärfähigkeit und die Arbeitsleistungen der Frau kompensieren. Durch die Heirat gehen der Lineage der Frau nicht nur eine weibliche Person, sondern auch deren Nachkommen verloren.
Über diese wichtigste und umfassendste reziproke Beziehung hinaus gibt es noch eine auf Einzelhandlungen bezogene Reziprozität, die mitunter den Charakter einer Bezahlung annimmt (so zum Beispiel die Geschenke an die Begleiter der Braut bei ihrem Gang von einem zu einem anderen Gehöft oder die Vergütung der Trommler für ihr Spiel). Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass das freizügige Verhalten der klassifikatorischen Brüder der Braut nach ihrem Einzug in das Haus des Bräutigams (kayiita) in einem reziproken Verhältnis zu dem späteren Verhalten der Sohne aus der neu geschlossenen Ehe zum Vater der Braut stehen.
Die Art der Gaben ist vielfältig, wie die folgende Übersicht zeigt:

Art Häufigkeit Summe und Geldwert
Geld 69 mal 15.810 Cedis
Akpeteshi 46 mal 50,25 Flaschen à 310 Cedis = 15 577 Cedis
(Perl-) Huhn / Hahn 12 mal 10 Tiere
Kola-Nüsse 9 mal im Schnitt für je 100 Cedis
Seife 6 mal zusammen 10 Stück
Omo 3 mal  3 x 250 = 750 Cedis
Zigaretten 4 mal ca 200 Stück
Tabak 3 mal  im Schnitt je 100 Cedis
Hund 1 mal 1.800 Cedis
Bonbons 1 mal 10 Stück
Fanta und Bier  1 mal zusammen 3 Flaschen
Tuch  Cedis 3 mal 2 cloths + Tuch für 2.700
Sweater 1 mal

Zutaten für 1 Mahlzeit gekauft von Dan

 

Fisch für 300 Cedis, 3 Kalebassen Hirse (3 x 300 Cedis = 900 Cedis), Suppenzutaten (biila-Fische, Dawadawa, Salz) Summe ca. 1.800 Cedis.

In ihrer Häufigkeit nehmen Geldgeschenke den ersten Rang ein. Ihr Gesamtwert liegt aber unter dem des akpeteshi. Dies mag unter anderem daran liegen, dass Geld geeignet ist, jeden gewünschten Wert zur Verfügung zu haben und dass vor allem sehr kleine Geschenke am besten durch Geld gegeben werden können. Geldgeschenke bei rituellen Anlässen sind keineswegs eine Angelegenheit der neusten Zeit. Schon vor der Einführung der britischen und der Cedi-Währung wurden auch rituelle Transaktionen durch Kaurischnecken ausgeführt, wobei die Anzahl oft einen symbolischen Wert hatte (4 = weiblich, 3 = männlich). In allerneuester Zeit scheinen Geldgeschenke wichtiger zu werden, wie auch die Darstellung von E. Atuick zeigt (2015: 92-103, und Kapitel VII,7c). Reiche Werber um ein Bulsa-Mädchen geben oft den entsprechenden Wert für einen Ziege oder ein Schaf, für den dann andere das Tier kaufen.
Das stark alkoholische Getränk akpeteshi nimmt in der Häufigkeit den zweiten Rang ein, wertmäßig sogar den ersten. Das traditionelle, schwach alkoholische Hirsebier (Buli daam) spielt als echte Gabe kaum eine Rolle und ist höchstens ein Getränk für die Bewirtung von Gästen, wird aber von Danlardy und Ayarik nicht erwähnt. Aus der Auflistung wurde errechnet, dass über 50 Flaschen akpeteshi verschenkt, und wohl fast ausschließlich während der Festlichkeiten konsumiert wurden. In neuerer Zeit wird der oft unmäßige Genuss von stark alkoholischen Getränken bei häuslichen Festlichkeiten (vor allem bei Totengedenkfeiern und Hochzeiten) stark kritisiert, da er zu einem Ansteigen des Alkoholismus im Bulsagebiet und anderswo beigetragen hat (Endnote 24c).
Nichtalkoholische Getränke und Bier erscheinen in den Aufzeichnungen Danlardys nur einmal.
Kolanüsse sind das eigentliche, traditionelle Gastgeschenk, treten aber hier stärker in den Hintergrund.
Etwas überraschend ist der relative große Anteil an Reinigungsmitteln (Seife und Waschpulver), die als Geschenke an die Braut wohl keine lange Tradition bei den Bulsa haben.
Tabak (aber nicht Zigaretten!) gehört bei rituellen Ereignissen oft zu den Pflichtabgaben an Männer des elterlichen Hauses der Braut, so zum Beispiel auch beim nansiung-lika Ritual.

 

3. DIE POLYGYNE EHE

Ein Jahr nach der ersten Ehe kann sich der Ehemann eine zweite Frau nehmen. Bis er die dritte oder vierte Frau heiraten kann, braucht er nicht ganz so lange zu warten, jedoch soll er in einem Jahr nicht mehr als zwei Frauen heiraten. Die Hochzeitszeremonien, Zahlungen, Geschenke usw. entsprechen völlig denen der ersten Hochzeit, nur können sich Männer bei wachsendem Wohlstand Feste größerer Üppigkeit leisten. Eine Minimalvoraussetzung für eine weitere Heirat ist, dass der Gatte seiner neuen Ehefrau wenigstens einen eigenen dok [Endnote 24d] im Gehöft anbieten kann, eine eigene Wohnabteilung um einen Innenhof wird sie gewöhnlich erst bekommen, wenn sie einige Kinder geboren hat.
Die erste Frau (pok-kpagi oder nipok-kpagi)[Endnote 24e] braucht für eine weitere Heirat ihres Mannes nicht ihre Zustimmung zu geben. Es ist mir jedoch ein Fall bekannt, in dem die kinderlose einzige Frau des Hausherrn bisher erfolgreich alle weiteren Heiratsabsichten ihres nichtchristlien Mannes verhindert hat. Sobald sie von Heiratsplänen ihres Gatten hörte, rührte sie den Hirsebrei (T.Z.) mit dem verkehrten Ende des Rührstockes an. Falls der Mann nach dem Genuss eines so zubereiteten Hirsebreis eine zweite Frau heiratete, würde sein Verhältnis zur zweiten Frau sehr schlecht sein, und Streit und Zank kämen ins Haus.
Häufig drängt jedoch die erste Frau ihren Mann, eine weitere Frau zu heiraten oder sie verschafft ihm selbst eine zweite Frau, da sie dann eine Hilfe im Haushalt erhält und im Status aufrückt, denn der ersten Frau (dok-nyono [Endnote 25]) kommt eine gewisse Oberleitung im Haushalt zu. Sie teilt der jüngeren Frau, bzw. den jüngeren Frauen, das Getreide aus dem Speicher zu und kann gewöhnlich in der Erziehung der Kinder der anderen Frauen ein Wort mitsprechen.
Im dok der ersten Frau (pok-kpagi) bewahrt der Mann rituelle Dinge auf, während er im dok der jüngsten Frau Wertgegenstände und Dinge des täglichen Lebens unterbringen kann. Die Nächte verbringt der Gatte in einem regelmäßigem Wechsel nacheinander bei seinen Frauen, wobei er jede Nacht oder etwa an jedem Markttag seinen Schlafraum wechselt. Frauen, mit denen er keinen Geschlechtsverkehr haben kann, etwa wenn {283} sie vor kurzer Zeit ein Kind geboren haben, werden von diesem turnusmäßigen Wechsel nicht ausgeschlossen. Auch ältere, nicht mehr zeugungsfähige Frauen sollten einbezogen werden. In der Praxis werden sie jedoch häufig ausgelassen.
Das Zusammenleben mehrerer Frauen eines Mannes im gleichen Gehöft erweist sich häufig als konfliktträchtig. Neid über die Kinderzahl der anderen Frau, besondere Gunstbezeigungen seitens des Ehemannes, gegenseitige Anschuldigungen der Hexerei, Fragen der Nahrungs- und Arbeitsverteilung usw. geben genug Zündstoff für Streitereien und ernste Konflikte ab. Der folgende Auszug aus der Lebensgeschichte eines etwa 30jährigen Mannes aus Sandema-Balansa soll nicht nur ein Beispiel für einen solchen Konflikt abgeben, sondern auch die Rolle, die hierin die Ama [Endnote 26], die älteste Frau des Hauses, spielt, exemplarisch aufzeichnen.
Der Informant erzählt, dass er in seiner frühen Kindheit lebensgefährlich krank wurde und fährt dann fort:

At last my grandfather called my father and told him that it was his first wife who is (was) trying to kill me, that he had gone to a fortuneteller, and he was told this: Because my father’s first wife didn’t want my father to have a boy with any of his wives or to have more children (from another wife) than (from) her; because any time she gave birth to a child, by three or four years the child died. So by that time she was having one boy and (my) mother having two (children): one boy and a girl.
After they had gathered fact of her behaviour, my grandfather gathered all the house people and called this my stepmother. They called my great-grandfather’s wife, who was still living, but (who was) very old, more than hundred years, and blind. She was then called mother of the house (Ama) that if any matter comes to the house just like disputes she settles it. So this old lady was presiding over the matter…
These were the words to her (the accused woman) [Endnote 27]: “Please, my daughter, I am the founder of this house in which you are living now. You came to meet more women and men in the house. I like you just the same [as] I like the others. For a couple of months now there is something happening in the house. I am proving this to you. I am not dead yet. So from this hour going, if this my great-grandson dies, you are going to be {284} hanged on that big baobab tree in front of the house for vultures to eat you up. I will surrender myself to the police, if there is any case.”
There she ended the case, and they all disappeared to their various places. Four days later I could sit upright myself, but not for long. Gradually I could walk out myself to watch my mates playing outside.

In der Anzahl der Frauen sind dem Ehemann nur durch wirtschaftliche Überlegungen Grenzen gesetzt. Er muss seine Frauen und deren Kinder ernähren können. Kleidersorgen gab es nicht, solange die Frauen nur “Blätter” (vaata) trugen. Heute besitzen jedoch die meisten Frauen, wenigstens für den Marktbesuch, auch Stoffkleidung, deren Anschaffung den Haushalt des Ehemannes stark belasten kann. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Anzahl der Ehefrauen in Verbindung mit der Anzahl der Kühe, die ein Mann besitzt, als Maßstab für seinen Reichtum gelten. So liegt auch die Durchschnittsanzahl der Ehefrauen bei Häuptlingen, Sektionsvorstehern (kambon-naab, Pl. kambon-nalima) und anderen einflussreichen und wohlhabenden Männern meistens beträchtlich über der einfacher Bauern.
Die folgende Tabelle gibt Auskunft über die Zahl der Ehefrauen, mit denen die 47 Ehemänner der Subsektion Sandema-Kalijiisa-Yongsa im Juni 1974 verheiratet waren [Endnote 27a].

a) Ehefrauen b) Ehen

 

c) Gesamtzahl Frauen

a x b

d) Frauen pro Ehe in %
1 35 35 74,5
2 9 18 19,1
3 2 6 4,3
4 1 4 2,1
Summe 47 63

Im Schnitt waren die erfassten Bulsa Männer (47) mit 1.34 Frauen verheiratet. Diese Zahl stimmt fast genau mit der durch ein größeres Sample erfassten Zahl (1,4) des 1960 Population Census überein (siehe Fußnote 27a).

Anmerkung zur Tabelle: Wie in der Tabelle (Kap. 7,1d; S. 257) wurden auch hier die im Süden Ghanas wohnenden Familien und 5 fremde Häuser des Yongsa-Territoriums in die Untersuchung eingeschlossen. Im Gegensatz zur Tabelle auf S. 257 blieben hier jedoch alle Witwen, die mit einem Mann aus Yongsa verheiratet waren und nun bei ihren Söhnen in Yongsa wohnen, ohne wieder geheiratet zu haben, unberücksichtigt {285}.

 

4. EHEBRUCH

Als Ehebruch im engeren Sinne (kabong, Pl. kabonsa) wird nur der unerlaubte Geschlechtsverkehr einer verheirateten Frau mit einem anderen verheirateten oder unverheirateten Mann aus der Lineage des Ehemannes angesehen.
Der Beischlaf einer verheirateten Frau mit einem Mann aus einer fremden Lineage wird auch als moralisches Vergehen betrachtete, das aber andere rituelle Nachspiele hat. Nach Sebastian Adanur (Sandema-Kalijiisa) zieht die Frau sich nach dem Bekanntwerden (aus Scham) in ihr Elternhaus zurück. Wenn sie in das Haus des Gatten zurückkommt, versteckt sich eine Tochter des Hauses (yeri lie) zum Beispiel hinter einem Hirsespeicher und schüttet aus einer Kalebasse Wasser über den Kopf und die Genitalien der zurückkehrenden Ehefrau. Ihr Partner der anderen Lineage wird seitdem als Feind (dachiak) betrachtet. Diese Tätigkeiten erinnern sehr stark an ein Ritual, das ich 1988 in Anyenangdu beobachten und dokumentieren konnte. Nur wurde mir damals nicht gesagt, dass der Anlass hierfür nicht ein verwerflicher Sexualverkehr war, sondern vielmehr die mehrjährige Abwesenheit der Frau (die angeblich in dieser Zeit ihre kranke Mutter gepflegt hatte). Ich hatte die Frau zusammen mit ihrer jungen Verwandten, einer neuen doglie, auf Bitte meines Hausherrn (yeri nyono) vom Fumbisi Markt in meinem Wagen zu unserem Gehöft gebracht, während er selbst noch in Fumbisi blieb. Als die neue/alte Gattin den Gehöfteingang durchschritt, schüttete ihr eine unverheiratete Tochter des Gehöftherrn unter allgemeinem Gelächter Wasser aus einer Kalebassenschale ins Gesicht. Das Wasser hatte ein Sohn des Gehöftsheerrn dem nipok-tiim des Hauses entnommen worden und mit klarem Wasser vermischt. Die Frau mit ihrer neuen doglie wurde sofort in ihren Wohnraum geführt und begann noch am gleichen Tag mit Arbeiten, in diesem Falle mit der Zubereitung von Blättern für die Suppen mehrere Haushalte.

Geschlechtsverkehr einer verheirateten Frau mit anderen fremden Männern ist zu bestimmten Gelegenheiten erlaubt, z.B. bei der Totengedenkfeier eines bedeutenden Mannes, beim Erntefest Fiok (November – Dezember) und bei den Feierlichkeiten, die mit bedeutenden Opfern des Erdherrn (teng-nyono) an die Erde (teng) verbunden sind. Bei diesen großen Festen sind auch andere Tabus aufgehoben, so z.B. Eheschließungen zwischen Sektionen, die sonst nicht untereinander heiraten (in Sandema früher: Longsa, Kalijiisa, Kobdem). Die Heirat aus der eigenen Sektion ist jedoch nie erlaubt. Nach einer nicht-bestätigten Information soll es in Doninga ein Gehöft geben (Name des Gehöfts und der Sektion sind dem Autor bekannt), in dem Brüder, Väter und Söhne ihre Frauen gemeinsam haben. In diesem Gehöft sollen angeblich Leute des Sklavenjägers Babatu sesshaft geworden sein.
Hatte eine verheiratete Frau unerlaubten Sexualverkehr (kabong) mit einem anderen Mann der Lineage ihres Gatten, so soll sie möglichst schnell ihren Gatten informieren, der sofort den yeri-nyono in Kenntnis setzt. Ist der Gatte selbst yeri-nyono, so muss er den Vorfall auch anderen Hausbewohnern erzählen. Schweigt die ehebrecherische Frau, so wird der Fall verschärft und endet meistens in einer Trennung, aber auch dann muss das im folgenden beschriebene Reinigungsritual (fobka kabonsa) ausgeführt werden [Endnote 27b].
Hierzu lässt der yeri-nyono des Gehöfts der Frau den Ehebrecher in sein Haus kommen, um sich bestätigen zu lassen, was er schon durch die Frau oder andere erfahren hat und um gleichzeitig einen Termin für die Reinigungszeremonien festzulegen. Die Reinigungszeremonien selbst sind bereits von R. Schott [Endnote 28] beschrieben worden. Wie ich von einem Informanten aus Kanjaga erfahren habe, wird in manchen Bulsa-Orten, z.B. in Kanjaga, der Kopf eines schwarzen Huhnes, Hahnes oder Hundes gegen die Genitalien der beiden Ehebrecher geschlagen.
Ein Informant aus Wiaga, der in Fumbisi wohnt, berichtet verallgemeinernd, dass man sich nach einem Ehebruch abends in möglichst kleinem Kreise trifft. Die unbekleideten Ehebrecher schlagen (fobi) sich gegenseitig einen schwarzen Hund oder ein schwarzes Huhn gegen den Kopf und streichen das Tier dann über die Brust hinunter bis zu den Genitalien {286} Nach R. Schott [Endnote 29] wird das Tier getötet, indem man es gegen den Boden schlägt.
Ein Informant aus Sandema sagte mir, dass das schwarze Tier niemals verspeist wird, sondern in einen Baum geworfen wird und dort hängen bleibt. Diese letzte Aussage spricht für die von R. Schott [Endnote 30] angedeutete Möglichkeit, dass das Tier eventuell eine ‘Stellvertreterrolle nach Art eines “scapegoat” spielt’, denn durch den Verzehr dieses Tieres könnten sich die am Mahl teilnehmenden Personen die abgewälzte Schuld wieder aneignen. Auch der Glaube [Endnote 31], dass ein Kind stirbt, wenn ein Ehebrecher oder eine Ehebrecherin es auf den Arm nehmen und dabei bekennen, dass sie Ehebruch begangen haben, spricht für die Annahme, dass die Schuld auf das Lebewesen übergeht, das man beim Bekenntnis in den Händen hält.
Meistens muss der männliche Ehebrecher auch ein Bußgeld an das Haus des betrogenen Gatten entrichten, das zum Beispiel in Kanjaga aus einer Kuh, einem Huhn und Tabak bestehen kann. Die Beziehungen zwischen den beiden betroffenen Häusern haben sich trotz dieser Bußzahlungen verschlechtert.
Die Ehebrecher empfinden bei der Reinigungszeremonie gewöhnlich eine tiefe Scham, aber sie können sich ihr nicht entziehen, wenn sie weiterhin ihre Rolle im sozialen Leben des Dorfes spielen wollen. Die einzige Möglichkeit, dieser Zeremonie zu entgehen, ist die Flucht nach “Kumasi”, d.h. zum Süden Ghanas.

Kabong in Wiaga
Schon 1979 hatte es nach einem ersten Ehebruch zwischen den beiden Schuldigen ein kabong-fobka Ritual gegeben. Der betrogene Ehemann hatte die Verfehlung durch einen Besuch beim Wahrsager herausgefunden und sie danach durch eine Wahrsagerin bestätigen lassen (Es muss gesagt werden, dass beide Wahrsager nicht nur aus der Sektion sondern aus der Nachbarschaft des Ereignisses stammten und sicher schon von dieser Verfehlung gehört hatten). Danach rief der Ehemann alle Hausbesitzer (yeri-nyam) seiner lineage zusammen und informierte sie über den Vorfall. Ein alter Hausbesitzer der Sektion, der als Neffe galt, führte das Ritual mit zwei weißen Hühnchen aus. Der schuldige Mann erschien nicht. Kinder des Ehegatten rösteten sich die beiden Hühnchen, Erwachsenen wäre der Verzehr verboten gewesen.
Am 3. August 1981 konnte ich selbst ein fobka-kabong Ritual in einem Gehöft Wiagas beobachten und in allen Einzelheiten durch Notizen und Fotos dokumentieren. In der folgenden Beschreibung habe ich jedoch eine starke Anonymisierung vorgenommen und auf weitere Personenfotos verzichtet.
Es handelte sich in diesem Fall um das gleiche schuldig gewordene Paar wie 1979, nämlich einer älteren Frau und einem mit dem Gatten verwandten Nachbarn aus der gleichen Lineage. Das Ritual sollte ein Neffe des Nachbarn ausführen. Als er Schwierigkeiten machte, trat für ihn ein zwölfjähriger Junge aus einer Nachbarsektion ein (des Gatten BrToSo). Nachdem Opfer mit Informationen an einige Ahnen des Gehöft des Gatten dargebracht worden waren, stellten sich der Gatte, der Sohn der schuldigen Frau (stellvertretend für seine sich weigernde Mutter) und der Junge aus der Nachbarsektion mit einem kleinen weißen Huhn vor den Eingang (nansiung) des Gehöfts.

Die drei Personen stehen am Gehöfteingang und der Gatte hat gerade das Hühnchen durch Schleudern auf den Boden getötet. Der gesprochene Text wurde auf mein Tonbandgerät aufgezeichnet (links).

Der Gatte nahm das Hühnchen und warf es mit Gewalt auf den Boden, sodass es starb. Der Junge schleuderte es in einem hohen Bogen in ein Feld.

Der Junge wirft das Hühnchen in ein Feld.

Der Verzehr ist eigentlich keinem erwachsenen Menschen erlaubt, denn dieser würde sich dadurch die ganze Schuld wieder einverleiben (Kleine Kinder braten sich solche Hühnchen allerdings mitunter). Ein Schlagen oder Abreiben von Körperteilen hat in dem von mir beobachteten Ritual nicht stattgefunden. Der betrogene Gatte soll nach diesem Ritual keinen offenen Groll mehr gegenüber den beiden Schuldigen zeigen, in Gesprächen mit mir offenbarte sich jedoch eine starke Verärgerung.
Aus Sandema-Kalijiisa ist mir ein Fall von kabong bekannt, in dem sich der männliche Schuldige weigerte, das Ritual auszuführen. Statt dessen ging er in den Süden Ghanas. Er kann erst nach der Totengedenkfeier des (betrogenen) Gatten wieder in seine Sektion zurückkehren und nach Ausführung des kabong-fobka Rituals auch wieder in dieser wohnen.
In manchen Gegendes des Bulsalandes, vor allem aber in den großen Häuptlingsgehöften, in denen der Häuptling die eheliche Treue seiner vielen Frauen nur schlecht kontrollieren kann, gibt es eine einfachere Reinigungszeremonie: Vor den männlichen und weiblichen Ehebrechern wird nur ein Ei zerbrochen. Manche Häuptlinge sollen in gewissen Zeitabständen vor allen ihren Ehefrauen ein Ei zerbrechen, um dadurch alle Frauen, die ihnen seit der letzten Reinigungszeremonie untreu waren, von ihrer Schuld zu befreien [Endnote 32].
Kinder aus einer ehebrecherischen Verbindung genießen die gleichen Rechte wie die Kinder des rechtmäßigen Gatten, jedoch werden sie mitunter schon in jungem Alter von ihren Halbgeschwistern geneckt, und später herrscht häufig Zwietracht zwischen ihnen und den Kindern des Ehemannes {287}.
Wie bereits beschrieben (Kap. 1,1; S. 36) kann ein Gatte, der krank, impotent oder zu alt ist, um noch Kinder zu zeugen, seinen Frauen die Erlaubnis geben, mit anderen Männern (z.B. seinen Brüdern) Sexualverkehr zu haben, um so sein Haus noch durch weitere Kinder zu vergrößern. Auch dieses Verhältnis wird als kabong angesehen, und das Reinigungsritual muss regelmäßig ausgeführt werden.

 

5. AUFLÖSUNG DER EHEGEMEINSCHAFT

Für eine Ehescheidung [Endnote 32a] gibt es nach G. Achaw nur einen echten Grund, nämlich Hexentätigkeit der Frau. In diesem Fall verlässt die verdächtigte Gattin mit all ihren Kindern das Gehöft ihres Mannes, denn Hexerei wird in weiblicher Linie übertragen, und alle Kinder einer Frau haben die Anlage zur Hexerei. Bevor die Ehefrau mit ihren Kindern in ihr Elternhaus zurückgeschickt wird, informiert man die Eltern über die Gründe für die Auflösung der Ehe.
Bei anderen Scheidungsgründen bleiben die Kinder stets im Hause des Ehegatten. Anlässe, eine Frau zu entlassen, sind z.B.:

1. Die Frau kann keine Geheimnisse bewahren.
2. Die Frau stiehlt.
3. Sie hat häufig Fremdverkehr mit anderen Männern.
4. Sie vernachlässigt die Pflichten einer Ehe- und Hausfrau in grober Weise.

Unfruchtbarkeit allein wird nicht als Scheidungsgrund angesehen, führt jedoch oft zur Auflösung einer Ehe. In den zuletzt angeführten Fällen (1-4) wird keine Scheidung mit offizieller Information des Elternhauses der Frau vorgenommen. Häufig bringt der Gatte seine Frau in das Elternhaus unter dem Vorwand, dass sie krank aussehe und eine Ortsveränderung brauche, dass sie wieder einmal die Umgebung ihrer Eltern benötige usw. Solche oft mehrwöchigen Besuche einer verheirateten Frau in ihrem Elternhaus sind auch in einer glücklichen Ehe keine Seltenheit. Erst wenn die Frau nach einem Monat immer noch nicht von ihrem Gatten abgeholt wird und auch keine Besuche aus dem Haus ihres Gatten erhalten hat, kann sie sicher sein, dass ihre Ehe getrennt ist {288}.
Entlässt der Ehemann seine Ehefrau ohne deren Wunsch, wird sich das Verhältnis zwischen den beiden bisher verschwägerten Häusern stets verschlechtern. Für längere Zeit wird eine andere Heirat zwischen den beiden betroffenen Häusern unmöglich sein. Falls jedoch eine Ehe im gegenseitigen Einvernehmen der beiden Gatten getrennt wird, etwa weil die Ehe kinderlos geblieben ist, so braucht das freundschaftliche Verhältnis der beiden Häuser nicht darunter zu leiden. L. Amoak, der sich von seiner ersten Frau trennte, da beide Partner annahmen, dass sie vielleicht in einer anderen Ehe Kinder bekommen könnten, heiratete einige Jahre nach der Trennung eine andere Frau aus dem Haus seiner ersten Gattin.
Nicht immer geht eine Ehetrennung vom Gatten aus. Eine Frau kann auch ohne einen wichtigen Grund für immer in ihr Elternhaus zurückkehren. Mir ist ein Fall bekannt, dass sich eine Frau nach einem Streit mit ihrem betrunkenen Ehemann zusammen mit ihren Kindern von Sandema auf den Weg zu ihrem Elternhaus in Fumbisi machte. Als der Ehemann dies erfuhr, lief er ihr nach und überredete sie zurückzukehren.
Ein anderer älterer Ehemann schickte seine erste Frau von seinem Wohnsitz Kumasi mit deren Einverständnis zu seinem älteren Bruder nach Sandema und blieb selbst mit seiner zweiten Frau und den Kindern der ersten Frau in Kumasi. Als seine erste Frau weniger Geldsendungen als erwartet aus Kumasi erhielt, lief sie in ihr Elternhaus zurück und heiratete bald einen anderen Mann. Als sich etwa ein halbes Jahr später ihr erster Gatte entschloss, für immer nach Sandema zurückzukommen, kehrte sie sofort wieder zu ihrem ersten Gatten und ihren eigenen Kindern zurück.
Recht viele Fälle sind mir bekannt, dass ein Mädchen nach einigen Tagen im Hause ihres Gatten in ihr Elternhaus zurückkehrt, und es scheint so, dass auch bei den Bulsa [Endnote 33] relativ viele Ehen in ihrer Anfangszeit vor der Geburt des ersten Kindes gelöst werden, während die Geburt eines Kindes zur Stabilität einer Ehe beiträgt.
Ein Schulmädchen aus Wiaga wurde beim Wasserholen von einer männlichen Gruppe einer anderen Sektion mit Gewalt entführt. Als sie nach einigen Tagen Aufenthalt noch kein Gefallen am Leben im Haus ihres Gatten fand und sie auch ihre schulischen Pläne als Ehefrau nicht verwirklichen konnte, ließ sie beim Wasserholen für ihren Gatten alle {289} die Tongefäße am Brunnen stehen und lief in ihr Elternhaus zurück.
Während meines Aufenthalts in einem Bauerngehöft kehrte ein etwa zwölfjähriges Mädchen vom Marktbesuch nicht zurück, und man erfuhr, dass sie von einer Bewerbergruppe entführt worden war. In der sich anschließenden Diskussion zwischen der Mutter des Mädchens und dem yeri-nyono des Hauses (er ist der Bruder des Gatten der Mutter) stellte sich heraus, dass keiner dieser Ehe zustimmte. Die Mutter hatte geglaubt, dass der yeri-nyono für diese Ehe war, und der yeri-nyono hatte gemeint, die Mutter hätte diese Ehe arrangiert. Das noch sehr junge Mädchen schien noch keine starke eigene Meinung zu haben. Daraufhin, es waren vier Tage nach der Entführung verstrichen, ging die Mutter in das Haus des Gatten ihrer Tochter und holte diese in ihr Haus zurück, wo sie wieder Hirtenmädchen wurde. Obwohl diese ‟Ehe‟ nur sehr kurzfristig war und wahrscheinlich nicht vollzogen wurde, hat die Episode doch weitreichende Folgen. Das Mädchen kann nie wieder in die Sektion ihres ‟Ehemannes‟ heiraten. Für einen neuen Mann aus dieser Lineage wäre die Ehe kabong. Ihr späterer Gatte (aus einer anderen Lineage) wäre der Feind (dachiak) der ganzen Lineage ihres ersten Gatten.
Gegen den Willen einer Frau, mit einem bestimmten Mann zu leben, scheinen auch mitunter Gerichtsurteile zwecklos zu sein. Eine junge Frau war als doglie im Hause eines Kasena-Mannes aus Paga aufgewachsen, der sie später als seine Ehefrau betrachtete. Ob von ihm alle Zahlungen an die Schwiegereltern geleistet worden sind, konnte nachträglich nicht geklärt werden. Von einem Aufenthalt in ihrem Elternhaus kehrte die junge Frau nicht zu ihrem “Gatten” zurück, sondern heiratete einen Mann aus Sandema. Der Kasena-Gatte verklagte daraufhin den Sandema-Mann, dass er seine Ehefrau entführt habe. Er bekam recht und nahm die Frau wieder mit zu seinem Gehöft in Paga, doch schon am nächsten Tag lief die Frau wieder zu ihrem Gatten aus Sandema. Nach einigen Jahren verklagte der Kasena-Mann wieder seinen Rivalen. Diesmal wollte er auch den Sohn der Frau haben, da diese bei der “Entführung” schwanger gewesen sei. Der Sandema-Mann fürchtete für seinen Sohn, nicht aber für seine Frau, die ihm sofort versprach, am nächsten Tag zurückzukommen, falls sie wieder nach Paga ziehen müsse. Das Gericht wies jedoch diesmal die Klage des Kasena-Mannes ab.
In einem Gehöft in Kalijiisa entdeckte ich den wen-bogluk einer jungen Frau aus diesem Hause, die ein knappes Jahr vorher geheiratet hatte. Da bei einer Heirat der bogluk eines Mädchens vom Boden abgelöst und zerstört wird und ein ähnlicher bogluk im Hause des Gatten neu errichtet wird, äußerte ich mein Erstaunen dem Hausherrn gegenüber. Durch diesen erfuhr ich daraufhin folgendes: Dies ist die erste Ehe seiner Tochter, und daher {290} weiß man noch nicht, ob sie bei ihrem Gatten bleiben will. Sobald sie sicher ist, dass sie den richtigen Mann geheiratet hat, wird man den bogluk ablösen. Ist ein bogluk jedoch einmal im Hause des Gatten errichtet worden, so kann das wen nie wieder ins Elternhaus zurückkehren, wohl aber in das Haus eines anderen Gatten [Endnote 34].
Eine eigentliche Scheidungszeremonie oder eine symbolische Handlung, durch die eine bestehende Ehe aufgelöst wird, gibt es nach meinen Erkundigungen bei den Bulsa nicht, obwohl bei anderen ethnischen Gruppen Nordghanas, z.B. bei den Tallensi [Endnote 35], eine Ehescheidung dadurch ihren symbolischen Ausdruck finden kann, dass der Mann Asche in Richtung auf seine Frau bläst.
Bei einer Trennung bleiben die (meistens nicht sehr wertvollen) Haushaltsgegenstände (Töpfe, Hausrat, Topferinnenwerkzeuge) im Haus des Gatten, Kleidungsstücke gehören weiterhin der Frau. Probleme können sehr teure materielle Güter bereiten. Besitzt die Frau zum Beispiel eine Nähmaschine, so wird sie diese vor ihrem Auszug in ihrem Elternhaus in Sicherheit bringen.
Trennen sich Ehegatten, die gemeinsame Kinder haben, so gehören die Kinder zur Linie des Vaters. Wenn sie jedoch noch sehr klein sind, kann die Mutter sie mit in ihr Elternhaus oder sogar zeitweise in das Haus ihres neuen Gatten nehmen. Erben können diese Kinder jedoch nur im Hause ihres leiblichen Vaters. Wird eine Frau, die in der vorhergehenden Ehe geschwängert wurde, von einem anderen Mann geheiratet, so wird letzterer versuchen, das Kind nach der Geburt zu behalten, es zu verstecken oder dessen Anwesenheit abzuleugnen, während der erste Gatte mitunter versucht, das Kind heimlich oder mit Gewalt aus dem Hause des zweiten Gatten zu holen. Groß ist die Zahl der Konflikte, die wegen solcher Tatbestände vor Gericht ausgetragen werden. Häufig ist es für den Richter fast unmöglich, Recht zu sprechen, da Aussage gegen Aussage steht und bis vor kurzem weder Eheschließungen noch Geburten amtlich registriert wurden. Kann der neue Gatte das Kind bei sich behalten, so hat dieses Kind die volle Erbberechtigung im Hause des zweiten Gatten, auch wenn dieser genau weiß, dass er es nicht gezeugt hat [Endnote 36].
Ältere Kinder geraten mitunter in einen Gefühlskonflikt, wenn ihre Mutter das Haus des Vaters verlassen hat. Ein junger Mann aus Wiaga traf seine “geschiedene” Mutter an jedem Markttag auf dem Markt und diese versuchte jedesmal, ihren Sohn zu überreden, in das Haus des zweiten Gatten zu ziehen. Als sie keinen Erfolg hatte, kehrte sie selbst in das Haus ihres ersten Gatten zurück {291}.
Wie manche der angeführten Beispiele zeigen, hat der Ehemann nur unzulängliche rechtliche Mittel, seine unzufriedene Ehefrau davon abzuhalten, in ihr Elternhaus zurückzukehren und einen anderen Mann zu heiraten. So ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Männer aus Gebieten außerhalb des Bulsa-Landes (z.B. von den Kasena) einen nipok-tiim (Pl. nipok-tiita) besorgen oder ihn schon von ihren Vätern übernehmen. Dieser bogluk besteht gewöhnlich aus zwei großen Tontöpfen mit Medizin, einem Stein in einer Dreifachastgabel (chagsa) und einem gegabelten Stock, an dem verschiedene Gegenstände (Kalebassen, Hörner usw.) hängen (vgl. Abb. 44). Falls eine Ehefrau das Haus ihres Gatten verlassen hat, um einen anderen Mann zu heiraten, opfert der Hausherr dem nipok-tiim z.B. ein Huhn [Endnote 36a]. Der ungetreuen Ehefrau werden sich hieraufhin die Hände in einem Krampf schließen, ihr Körper wird steif werden und zittern. Sie könnte von einem Haus springen, ohne sich zu verletzen. Falls ihr neuer Gatte auch einen nipok-tiim besitzt, wird er ihm Opfer darbringen, um seine neue Gattin aus ihrem Zustand zu befreien. Es findet nun ein Kräftevergleich der beiden nipok-tiita statt. Erweist sich der nipok-tiim des neuen Gatten nicht stark genug, so bleibt der Frau nichts anderes übrig, als in das Haus ihres ersten Gatten zurückzukehren, wo ihr durch den nipok-tiim geholfen werden kann.
U. Wanitzek (1998) hat mehrere Gerichtsverhandlungen des Sandemnaab, in denen vorzugsweise ‟Frauenfragen‟ (Ansprüche verschiedener Gatten an einer Frau) behandelt wurden, und auch selbst Material durch Interviews über solche ‟cases‟ gesammelt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass einige Frauen häufig ihren Gatten verlassen, um einen anderen Mann zu heiraten, wieder zu ihrem ersten oder einem dritten Gatten ziehen, ohne dass eine vorhergehende Ehe förmlich aufgelöst wurde (ibd. S. 140). Auch spielen die oft als ‟legal steps‟ genannten Rituale akayaali und nansiung-lika nicht eine so große Rolle wie oft behauptet. Andere Gründe sind oft maßgeblicher.
U. Wanitzek (S. 142) berichtet:

The woman’s cohabitant seems to acquire the status of a husband through the birth of children and (to a lesser extent) the passage of time while cohabiting with the woman. In contrast, the first husband loses his marital status gradually throught his wife’s departure and her prolonged desertion.

 

6. WIEDERVERHEIRATUNG DER FRAU NACH DEM TODE DES MANNES

Ist ein verheirateter Mann gestorben, so versammeln sich einen Tag nach den letzten Zeremonien der Totengedenkfeier die Männer des Hauses im kusung (Schattendach vor dem Gehöft), die Witwen und andere Frauen des Hauses, eventuell auch einige Nachbarinnen, im Schlafraum des verstorbenen Mannes. Die Männer schicken einen Boten zu den Frauen mit der Frage, wen die Witwen (oder die Witwe, Buli pokogi) heiraten wollen. Gewöhnlich wird der Bote ohne Antwort zurückgeschickt, und erst wenn die Frauen sich entschieden haben, senden sie eine Botin mit der Antwort an die Männer {292}.
Die nicht selbst betroffenen Frauen im dok haben nur beratende Funktionen, die Entscheidung liegt bei den Witwen selbst. Die Männer schicken nach der Wahl einer Witwe einen männlichen Boten zurück, der ihr Einverständnis ausspricht oder die Frauen auffordert, einen anderen Mann (oder andere Männer) zu wählen. Die Frauen können sich erneut beraten, sie können andere Kandidaten nennen oder bei ihrer ersten Wahl bleiben. Dreimal können die Männer die Wahl der Frauen zurückweisen, dann müssen sie sie akzeptieren.
Trifft man sich zu einer solchen Gattenwahl, so wird von der Witwe erwartet, dass sie wieder ins gleiche Haus heiratet oder doch wenigstens in die expanded family [Endnote 37] (Häuser, die sich vor nicht sehr langer Zeit getrennt haben und noch unter einem Oberhaupt – kpagi oder yeri-nyono – stehen). Wenn die Witwe sich einen anderen Mann der gleichen Sektion erwählt hat, wird sie schon vor dem “Wahltag” das Haus ihres ehemaligen Gatten verlassen und sich in das Haus ihres neuen Gatten begeben. Die beiden Häuser der gleichen Sektion werden durch diese Begebenheit nicht zu Feinden.
Bleibt die Frau in der gleichen Sektion, so braucht der neue Gatte keine Zahlungen an das Haus des verstorbenen Mannes zu entrichten, sondern informiert gegebenenfalls nur den Hausherrn, sowie das Elternhaus der Witwe. Es finden auch keine Hochzeitszeremonien oder Feierlichkeiten statt. Falls der Verstorbene allerdings noch nicht alle Zahlungen (z.B. nansiung-lika) an das Elternhaus der Frau entrichtet hat, so ist der neue Ehemann der Verpflichtungen nicht enthoben, diese Zahlungen nachzuholen, das heißt, der neue Gatte tritt in alle Rechte und Pflichten des Verstorbenen ein.
Falls die Witwe keinen Mann aus der Sektion ihres verstorbenen Gatten heiraten will, kehrt sie gewöhnlich in ihr Elternhaus zurück. Will sie eine Ehe mit einem Mann einer anderen Sektion eingehen, so wird die neue Ehe mit allen Hochzeitszeremonien und Verpflichtungen geschlossen, wie sie oben beschrieben wurden. Der neue Gatte gilt nun als Feind der Verwandten des verstorbenen Gatten, dessen Haus auch nicht offiziell informiert wird. Die Gattenwahl entscheidet letzthin allein die Witwe {293}.
Will eine meistens ältere Frau keine echte neue Ehe eingehen, aber doch im Gehöft ihres verstorbenen Mannes bleiben, so hat sie mehrere Möglichkeiten, dieses auszudrücken und auszuführen:
1. Sie meldet den Männern im kusung, dass sie das Grab ihres verstorbenen Mannes heiraten will und kann es etwa so ausdrücken: ‟N kali n chorowa boosuk zuk‟ (Ich sitze auf dem Grab meines Mannes).
2. Sie kann einen kleinen Jungen des Gehöfts als ihren neuen Gatten wählen und danach ein eher mütterliches Verhältnis zu diesem Kind zeigen. Auch wenn der Junge älter ist, wird es zu keinen sexuellen Handlungen kommen. Der Junge kann jedoch, wie zuvor ihr Gatte, ihrem persönlichen wen-Schrein (tintueta-wen) opfern.
3. Wenn die Frau zusammen mit ihrem (erwachsenen) Sohn im Gehöft bleiben will, so lässt sie den Männern im kusung ausrichten: ‟N kali n biika ngaang.‟ (Ich sitze hinter meinem Sohn). Dieser Sohn wird dann auch für ihren Unterhalt aufkommen.
Alle diese Antworten werden gewöhnlich von den Männern im kusung respektiert, jedoch war der Gehöftsherr von Anyenangdu Yeri etwas verärgert, als nach dem Tod seines polygyn verheirateten Sohnes einige der noch gebärfähige Frauen keine echte neue Ehe eingehen wollten.
Größere Konflikte über die Wiederverheiratung darf es in der eigenen Lineage nicht geben, jedoch bleiben mitunter einige Verärgerungen oder Spannungen. Nach dem Tode eines alten Mannes (Ad) heiratete eine Frau dessen Bruder (Ak) in einem Nachbargehöft. Nach einiger Zeit kehrte sie jedoch in das Gehöft ihres verstorbenen Gatten (Ak) zu ihren Kindern zurück. Als sie starb, wurde ihre Totengedenkfeier nicht von ihrem Gatten Ak sondern im Gehöft ihres ersten Mannes (Ad) von dessen Sohn (As) abgehalten. Hierüber hat es Diskussionen und Verärgerungen gegeben, die unter anderem sogar dazu führten, dass der neue Gehöftherr As, ein Sohn von Ad, sein Gehöft verließ und in einer Nachbarsektion in der Nähe eines (nichtverwandten) Freundes ein neues Gehöft baute, aber nach einiger Zeit wieder in seine alte Sektion zurückkehrte. Seit diesem Konflikt werden zwischen den betroffenen Gehöften (von Ad/As und Ak) zwei neue Tabus (kisita) beachtet: Wenn im Gehöft von Ad/As ein Mann stirbt, dürfen seine Frauen sich in der Totengedenkfeier keinen neuen Gatten aus dem Gehöft Ak oder den (neuen) Gehöften seiner Söhne wählen. Dieses wäre nur möglich, wenn sie nach dem Tode in ihr Elternhaus zurückkehren und von dort aus eine ganz neue Ehe beginnen, wonach ihr neuer Gatte als dachiak (Feind) betrachtet würde.
Außerdem darf im Gehöft von Ak und denen seiner Söhne keine Totengedenkfeier von einer Frau abgehalten werden, die außerhalb dieser Gehöfte verstorben ist.
Im folgenden sollen einige Beispiele für Wiederverheiratungen, wie sie mir durch genealogische Erhebungen zugänglich wurden, exemplarisch dargestellt werden. Vor allem wenn die Frau einen Gatten aus einer anderen Generation nimmt, kann das Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihren Kindern aus verschiedenen Ehen unklar werden.

1. Apapa-yeri (Wiaga-Yisobsa), so auch in vielen anderen Fällen:

B heiratete nach dem Tode seines Vaters eine von dessen Frauen, die nicht seine leibliche Mutter war. Nach L. Amoak haben die Kinder eines verstorbenen Mannes ein Vorrecht auf ihre Stiefmutter, da sie dem Verstorbenen später opfern. Erst nach ihnen haben die Brüder des Toten einen solchen Anspruch.

2. Amoanung-yeri (Sandema-Kalijiisa-Yongsa):
Die Ziffern beziehen sich auf die genealogische Übersicht und Tabelle in Kap. V,4; S. {183-84}

Als 18 starb, heiratete 16 seine beiden Frauen 15 und 17. Nach dem Tode von 16 wurde 15 die Frau von 33 {294}.

3. Awaanka-yeri (Yongsa):

Der hier dargestellte Fall, dass der Vater A eine Frau seines verstorbenen Sohnes B heiratet, die hiernach Gattin ihres ehemaligen “Schwiegervaters” ist, ist mir nur einmal begegnet und wird auch von Informanten als recht ungewöhnlich hingestellt, da ja im Normalfall eher ein Sohn seinen Vater überlebt und der Altersunterschied zwischen Schwiegervater und Schwiegertochter meistens recht beträchtlich ist. Später (nach 1978) drängten die Hausbewohner den alten Mann, diese Frau an einen seiner Brüder oder Söhne zu geben. Die aus der neuen Ehebindung von A geborenen Kinder (nicht in der Genealogie) nennen die Kinder von B ‟Söhne‟, obwohl sie viel älter sind.

 

7. MODERNE TENDENZEN IN DER JÜNGEREN GENERATION

a) Beachtung der Heiratsverbote und vorgeschriebenen Feindschaften

Die Frage, ob sich gebildete und/oder christliche Bulsa noch an die grundlegenden Heiratsverbote halten, muss ohne jede Einschränkung bejaht werden, nicht so sehr weil sie das Sinnvolle dieser Einrichtungen eingesehen haben, sondern weil sie die starken Sanktionen der traditionellen Gesellschaft fürchten. Ein Bulo, der sich eine Frau aus der exogamen Einheit seines Vaters oder seiner Mutter nimmt, hat nur die Wahl, entweder in den Süden zu ziehen, um nie mehr zurückzukommen, oder die Frau zurückzugeben. Obwohl die jüngere gebildete Generation einen starken Drang zum Süden zeigt, denkt sie nicht im geringsten daran, alle Brücken zum Bulsa-Land abzureißen, wie es durch eine verbotene Heirat geschähe {295}.
Zweifelsfälle in der Beachtung von Heiratsverboten werden jedoch von der jüngeren Generation, zumal von den Schulabsolventen, oft großzügiger ausgelegt. Robert Asekabta wollte eine Tochter aus dem Hause seiner Urgroßmutter mütterlicher Linie heiraten. Aus diesem Hause war bisher kein ma-bage in das Vaterhaus Roberts überführt worden. Seine Eltern rieten ihm trotzdem von dieser Eheverbindung ab. Robert setzte sich jedoch diesmal über den Rat seiner Eltern hinweg, nachdem er vorher schon eine andere Braut aufgegeben hatte, als seine Eltern einen Hinderungsgrund fanden (vgl. Kap. VII,1a, S. 250).
Ein anderer Mittelschulabsolvent heiratete ein Mädchen, dessen Mutter eine “Tochter” des Nachbarhauses ist. Da das Nachbarhaus jedoch zu einer anderen Subsektion der Sektion Kalijiisa gehört, ist eine Heirat nicht direkt verboten, jedoch hatten viele ältere Leute von dieser Heirat abgeraten.
Schwer zu beantworten ist die Frage, inwieweit die jüngere Generation mit Schulbildung Feindschaften ihrer Familien respektiert, die durch Heirat einer schon mit einem anderen Mann verheirateten Frau entstanden sind. Nicht selten sind Söhne oder Töchter von zwei so verfeindeten Häusern in der gleichen Schulklasse. Man versicherte mir, dass solche Kinder gewöhnlich miteinander sprechen und spielen, was ohne Schulbesuch nicht der Fall wäre. Eine echte Freundschaft zwischen solchen Schülern kommt jedoch in der Regel nicht auf.
Ein junger Mann aus Kalijiisa-Choabisa wollte vor einigen Jahren eine Schülerin (Sandema-Kori) einer Middle-School heiraten. Sie lehnte jedoch entschieden ab, da vorher ein Mann aus Kalijiisa-Yongsa eine Frau ihres Vaters geheiratet hatte. Es muss bemerkt werden, dass die Zugehörigkeit Choabisas zu Kalijiisa nur sehr lose ist und heute sogar Heiraten zwischen Choabisa und Kalijiisa-Yongsa erlaubt sind. Der junge Bewerber aus Choabisa und seine Freunde (zum Teil aus Yongsa) lehnten ihrerseits bei den Besuchen im Elternhaus des Mädchens das ihnen angebotene Wasser ab, da sie befürchteten, sie könnten vergiftet werden.
Vorgeschriebene Feindschaften zwischen Familien scheinen von jungen Leuten weniger respektiert zu werden, wenn diese sich in Südghana befinden. Hier ist der Druck der fremden Umwelt so groß und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bulsa so ausgeprägt, dass Feindschaften {296} zwischen anderen im Norden lebenden Verwandten stark zurücktreten. Für Cape Coast ist mir sogar ein Fall bekannt, dass zwischen zwei jungen Männern, deren Familien im Norden verfeindet sind, Freundschaft besteht. Falls beide Männer in den Norden gehen, kann diese Freundschaft, so versicherte man mir, jedoch schwerlich weiterbestehen.
Ein Mann aus Gbedema war mit einem entfernten Verwandten aus Fumbisi befreundet, dem er sogar eine Frau aus Wiaga beschaffte. Später verließ diese Frau ihren Mann und heiratete einen anderen Verwandten des Gbedema-Mannes. Erst später wurden die verwandtschaftlichen Verhältnisse klar erkannt und die zweite Ehe als unerlaubt (kisuk) identifiziert. Der Gbedema-Mann will jedoch seine Freundschaft zu dem Mann aus Fumbisi nicht aufgeben. Er schläft in seinem Haus und leiht sich sein Motorrad aus. Außenstehende (hier aus Sandema) tadeln ihn dafür und fragen, ob er die kisita der Bulsa nicht kenne.

b) Werbung, Heirat und Schule [Endnote 38]
Die Einführung von Schulen im Bulsa-Gebiet hat im Zusammenleben der Geschlechter, in den Werbungsformen, Hochzeitsbräuchen, in der Partnerwahl usw. grundlegende Veränderungen mit sich gebracht. Hatte in der traditionellen Gesellschaft die Werbung die Tendenz, möglichst rasch zu einer Heirat zu führen, so ist die Zeit der Werbungen und Freundschaften zwischen den Geschlechtern in der Schule künstlich verlängert worden, denn sie umfasst, vor allem bei den Mädchen, wenigstens die vier Jahre Mittelschulausbildung.
Heiraten in der Schulzeit kommen zwar vor, werden aber von Lehrern nicht gerne gesehen, und auch die Schüler(innen) befürchten, dass sie durch eine vorzeitige Heirat ihr Schulziel nicht erreichen werden.
Von den 16 Mädchen, die 1974 in der St. Martin’s Middle School (Wiaga) ihr Examen machten, waren zur Zeit des Examens 5 verheiratet, 1 geschieden, 9 unverheiratet (Der Familienstand einer Schülerin ist mir nicht bekannt). Ein Mädchen heiratete kurz nach dem Examen, eine andere Schülerin lebte als doglie schon seit einiger Zeit in einem Haushalt, hatte sich aber zur Zeit des Examens noch nicht für einen bestimmten Hausbewohner entschieden (hier unter “unverheiratet” aufgeführt). Zwei verheiratete Mädchen hatten schon je ein Kind, nur in einem der beiden Fälle war der Ehemann der Vater des Kindes.
Von den 8 Schülerinnen, die zur gleichen Zeit an der Sandema Continuation Boarding School (vorher: Middle School) ihr Examen machten, war nach meiner Kenntnis keine verheiratet, wenn auch ein Mädchen oft als “verheiratet” angesehen wurde, weil sie bei ihrer verheirateten Schwester, einer Lehrerin der Schule, wohnte und dieser auch im Haushalt half. Sie wurde als doglie des Lehrerhaushalts angesehen, obwohl auch der Gatte ihrer Schwester, ein katholischer Lehrer, ebenso wenig an eine Heirat dachte wie die Schülerin {297} selbst.
Eine Mittelschülerin hat gewöhnlich in jahrelangen Freundschaften, Tändeleien und echten Liebschaften eine Auswahlmöglichkeit, die früher nie ein Bulsa-Mädchen hatte, denn es steht der Schülerin nicht nur eine längere Werbungszeit zur Verfügung, die Zahl der Bewerber und Interessenten ist auch um ein Vielfaches gestiegen. Keineswegs lehnen Schülerinnen traditionelle Werbungsformen ab: an Markttagen legen sie oft weite Fußmärsche zu Nachbardörfern zurück, um sich dort mit ihrer gemischten Altersgruppe zu treffen. Auch werden analphabetische Bewerber nicht grundsätzlich abgewiesen [Endnote 39], aber der Kreis der Bewerber umfasst auch Schüler, Mittelschulabsolventen, die für kurze Zeit aus dem Süden zurückgekommen sind, um sich eine Frau zu suchen, so wie fremde Beamte und Lehrer, die aus anderen Teilen Ghanas im Sandema District eine Anstellung bekommen haben.
Ort der Begegnung ist nicht nur der Markt, sondern auch die Schule selbst, wo man die Freundin in den Pausen aufsucht, wo zu Schulfesten, Sportveranstaltungen und Entlassungsfeiern auch junge mehr oder weniger “beschulte” Dorfbewohner erscheinen.
Ein junger Mann aus Wiaga-Yisobsa-Guuta (vgl. Kap. VII,2b, S. 260) berichtet, dass ihm nach einem Fußballspiel, an dem er als Mittelschüler aktiv teilgenommen hatte, eine ihm unbekannte Schülerin einen Brief ihrer Freundin überreichte und sofort verschwand. Es war ein anonymer Liebesbrief. Er stellte selbst Nachforschungen an, und bei der Vorbereitung eines zentralen Sportwettkampfes in Sandema konnte er die Briefschreiberin zum erstenmal sprechen, um sich später häufiger mit ihr zu treffen.
Azuma aus Chiok (vgl. Kap. VI,1; S. 198 f.) berichtet in ihrer Lebensgeschichte, wie sie von ihrem jetzigen Mann umworben wurde (Text leicht eingebessert):

My first time of a friendship with a boy was on my first day in the Middle School. When he wrote a letter to me, I replied him with gladness and joy. lt happened that he invited me to their house, and that was my first visit to their house. When we went there together, all his parents were happy with me, and they went and bought drinks and we all enjoyed ourselves {298} there. At the time I wanted to go home, I was drunk, and I could not even go home, and they took me to our house. Then we wrote letters to each other, and if anybody asked me for love, I would tell that person that I was not ready to have friendship with him. The time came that we promised to be with each other in future. So all our hearts lie on each other. Immediately after I finished my school I married him, and that was on 4th August, 1974, when all lorries were moving on the right, and I hope I will not forget that day.

Die geschilderten Erlebnisse zeigen deutliche Unterschiede zu traditionellen Werbungsformen. Kontakte werden in der Schule geschlossen, der Liebesbrief spielt eine große Rolle, und geheiratet wird erst nach bestandenem Examen. In der ersten Schilderung geht die Werbung vom Mädchen aus, in Azumas Bericht macht sogar das Mädchen Hausbesuche beim Mann, ohne dass Hausbesuche des Bewerbers im Elternhaus der Schülerin erwähnt werden. Interessant ist auch, dass Azuma gedanklich ihren Hochzeitstag mit einem überregionalen Ereignis verknüpft, nämlich der Umstellung Ghanas von Links- auf Rechtsverkehr.
Haben schon analphabetische Mädchen keine großen Schwierigkeiten, einen Gatten zu finden, so kann sich eine Schülerin aus einer noch größeren Anzahl von Bewerbern ihren zukünftigen Gatten aussuchen. Analphabetische, wenig wohlhabende Männer wagen oft gar nicht, sich in die Schar der reicheren, gebildeten, europäisch gekleideten Bewerber einzureihen, und falls es einem ärmeren Analphabeten doch einmal gelingt, eine Schülerin zu heiraten, so redet man mitunter von Zauberei, wie ich es in Kalijiisa erleben konnte.
Die große Attraktivität der Schülerin erklärt sich wohl unter anderem aus folgenden Gründen:

1. große Sauberkeit (viele Schülerinnen nehmen dreimal am Tag ein Vollbad),
2. attraktive, moderne Kleidung (auch lange Hosen, Shorts, Miniröcke usw.),
3. Schönheit (Schülerinnen leisten viel weniger harte, körperliche Arbeit als ihre analphabetischen Altersgenossinnen. Außerdem kennen {299} sie viele kosmetische Tricks, ihr Aussehen attraktiver zu machen),
4. Bildung und Aufgeschlossenheit. Schulbesuch allein macht eine Frau schon begehrlicher und verleiht dem erfolgreichen Bewerber ein hohes Prestige. Auch die oft große Sprachgewandtheit, Unterhaltungskunst und ihre größere Aufgeschlossenheit für moderne Dinge erhöhen für viele Bewerber die Attraktivität einer Schülerin.

Die oben aufgeführten Punkte 1-3 sind mit erhöhten finanziellen Ausgaben (Seife, Kleidung, Kosmetika usw.) verbunden. Wie kann die Schülerin diese Sonderkosten bestreiten? Obwohl mir auffiel, dass gerade an der Sandema Continuation Boarding School recht viele Schülerinnen aus Häuptlingshäusern oder anders begüterten Familien kommen, kann hier nicht der einzige Grund dafür liegen, dass Schülerinnen über viel mehr Taschengeld verfügen und auffallend besser gekleidet sind als gleichaltrige Schüler. Die Erklärung für diese finanziellen Unterschiede kam von Schülern und – etwas zaghafter – von Schülerinnen selbst. Die Schülerin lässt sich ihre Attraktivität durch Geschenke bezahlen. Zwar lehnen es einige Schülerinnen angeblich ab, von Freunden Geld anzunehmen, und sie sprechen verächtlich von den money girls, die für sexuelle Dienste Geld nehmen, während es andere ganz natürlich finden, sich auch Geld schenken zu lassen. Alle halten es jedoch für selbstverständlich, dass ihre Freunde auf dem Markt Pito und andere Getränke bezahlen, zur Mittagszeit etwas für sie zu essen kaufen und auch Sonderwünsche (Seife, Zucker, Ölsardinen usw.) nach Möglichkeit begleichen. Bei reicheren Verehrern stellt ein Mädchen auch ohne Hemmungen die Bitte nach Kleidungsstoff, Tüchern, Schmuck usw.
Wie oben (Kap. VII,2c, S. 262 ff.) bereits dargestellt wurde, musste auch der Brautwerber in der traditionellen Gesellschaft freigebig mit Geschenken sein, und die Schülerinnen stellen gleiche Anforderungen. Jedoch ist eine große Verschiebung eingetreten. Hatten im ersten Fall die Geschenke die Funktion, möglichst schnell eine Heirat herbeizuführen, gelten sie im zweiten Fall als Bedingung für eine prestigeträchtige Freundschaft mit einer Schülerin und eventuell als Gratifikation für sexuelle Dienste. Das Elternhaus des Mädchens wird gewöhnlich ganz ausgeschaltet, wenn keine festen Heiratsabsichten des Bewerbers bestehen.
Die älteren (männlichen) Schüler einer Mittelschule sind oft durch Kameradschaft, Lerngemeinschaft oder auch durch ein Liebesverhältnis {300} mit Schülerinnen der eigenen oder anderen Schulen liiert. Wie es auch bei Nichtschülerinnen üblich ist, wollen sich die Schülerinnen nicht auf einen Partner festlegen lassen. Die Schüler selbst scheinen die Umwerbungen ihrer Freundinnen durch fremde Bewerber gelassen hinzunehmen, zumal bei den meisten nicht die Absicht besteht, gleich nach der Schulentlassung zu heiraten. Durch Weiterbildung oder durch Ausübung einer profitablen Arbeit im Süden wollen sich die Schüler zuerst eine Karriere aufbauen. Hat man Erfolg, so ist es später ohnehin nicht schwer, eine attraktive jüngere Schülerin als Ehepartnerin zu finden, besonders dann, wenn für dieses Mädchen die Aussicht besteht, durch eine Heirat in den Süden zu kommen.
Diese geschilderten Verhaltensmuster (die sich inzwischen geändert haben könnten) haben zur Folge, dass Ehemänner oft viel älter sind als ihre Frauen. Nach dem Population Census of Ghana (1960, S. 230) sind von 8,930 erfassten (männlichen) Bulsa Haushaltsvorständen (heads of households) 2,227 zwanzig und mehr Jahre älter als ihre Frau.

Weitere moderne Tendenzen in der jüngeren, gebildeten Generation werden unten (Kap. VII,7), vor allem auch aus der Sichtweise von Evans Atuick (Zitate aus Atuick 2015: 92-103) geschildert.

c) Christentum und Ehe

Einstellungen der Kirchen. Während die christlichen Kirchen zu den bisher behandelten Übergangsriten eine Haltung einnehmen, die zwischen wohlwollender Duldung und Ablehnung schwankt, sehen die meisten Kirchen die traditionellen Heiratsbräuche als Bestandteile und Voraussetzungen für eine christliche Eheschließung an. Als Regel kann gelten, dass die Kirchen erst dann einer kirchlichen Einsegnung zustimmen, wenn die christlichen Ehepartner die traditionellen Heiratsbräuche vollzogen haben. Aber auch eine Ehe, die nur durch traditionelle Heiratsriten zustande gekommen ist, wird als gültige Ehe angesehen, das heißt etwa, dass ein Christ keineswegs die Frau eines Mannes heiraten kann, wenn diese erste Ehe nur auf traditioneller Ebene geschlossen wurde [Endnote 40].
Hier stellt sich jedoch ein neues Problem. Durch welche Zeremonien und Riten wird eine traditionelle Ehe geschlossen? Wie oben dargelegt wurde, gibt es eine ganze Reihe von Ritualen und Handlungen, die – zeitlich mitunter durch mehrere Jahre voneinander getrennt – eine traditionelle Ehe begründen. In der 2. Nummer des der katholischen Mission von Wiaga nahestehenden Builsa Herald (Oktober 1973: 3-4) unterscheidet der Verfasser, der Mitglied des Parish Research Committee ist, drei ‘stages at which our traditional marriage is sealed and legalized’:

1. “Akayaali ale wa boka de” (Don’t look for her for she is here), s. Kap. VII,2h
2. “Lig nansiung” (Closing the gate) s. Kap. VII,2l
3. “Nyiem soka” (Common bath) {301} s. Kap. VII,2g; [Endnote 41]

Wohl alle christlichen Kirchen betrachten es als eine Aufgabe der nahen Zukunft, die hochgeschätzten traditionellen Riten in irgendeiner Form in das christliche Ritual einzubauen. Als praktischer Vorschlag wird von einem anonymen Autor in Nr. 3 des Builsa Herald [Endnote 42] zum Beispiel angeregt, dass bei der kirchlichen Trauung die Braut die Kalebasse mitbringt, die sie von ihren Eltern als Zeichen der Zustimmung vor ihrer Entführung erhalten hat [Endnote 43] und dass sie ihrem Bräutigam in dieser Kalebasse Wasser anbietet, wie es sonst mit Wasser oder T.Z. im Hause des Bräutigams geschieht. Eine Einbeziehung der oben aufgeführten entscheidenden drei Schritte in das christliche Zeremoniell dürfte mit größeren Schwierigkeiten verbunden sein.
Eine Vernachlässigung traditioneller Formen durch stark akkulturierte, christliche Jugendliche kann weitreichende Folgen haben. Als der Krankenpfleger G. Achaw einmal eine Kollegin mit in sein Elternhaus nahm, wurde dies von allen Hausbewohnern und Nachbarn als Heirat (Entführung mit Einwilligung der Braut) interpretiert, obwohl zu dem Zeitpunkt keine ernste Heiratsabsicht zwischen den Partnern bestand.

Fallbeispiele und Konflikte. Scheint es nach der oben dargelegten großzügigen Handhabung der Kirchen, nach der die kirchliche Einsegnung nur Schlusspunkt einer Reihe von Hochzeitsbräuchen zu sein scheint, unwahrscheinlich, dass es zu inneren religiös motivierten Konflikten in der Haltung junger christlicher Bulsa kommt, so ist es erstaunlich zu hören, dass viele junge Eheleute sich weigern, die kirchliche Einsegnung schon gleich mit den Heiratszeremonien zu verbinden. Gelten sie in der Bulsa-Gesellschaft und vor dem Gesetz als rechtmäßig verheiratet, so kann ihnen die kirchliche Einsegnung nur Schwierigkeiten bringen, wie wohl schon manche christliche Bulsa erfahren haben. Die Bulsa-Ehe scheint, wie dargelegt, in den ersten Ehejahren nicht sehr stabil zu sein. Besonders wenn sich keine Schwangerschaft einstellt, ziehen es manche junge Frauen vor, in ihr Elternhaus zurückzukehren. So wurde mir von christlichen Bulsa häufig versichert, dass sie eine kirchliche Trauung erst nach der Geburt ihres ersten Kindes beabsichtigen. Es ist daher auch keine Seltenheit, dass bei kirchlichen Trauungen die Braut ihr jüngstes Kind auf dem Rücken trägt {302}.
Die Hochzeit meines Assistenten Yaw, eines begeisterten Mitglieds und auch Predigers (später Pastor) der Restoration Power Chapel, hat sich völlig problemlos abgewickelt. Er kannte seine spätere Frau schon mehrere Jahre vor der Heirat (2015). Nach einem Gottesdienst nahm er sie ohne einen Zwang mit in sein väterliches Gehöft. Sie wurde dort von den Bewohnern drei Tage lang festgehalten und unterhalten (entertained) bis Yaw sie mit in sein eigenes Haus nahm. Beide galten nun als verheiratet. Yaw hatte vorher schon mehrere Besuche mit Geschenken im Gehöft des Mädchens gemacht, ohne dass diese wohl direkt als Werbungsbesuche angesehen wurden. Die Eltern sagten, dass die Heirat allein eine Angelegenheit der jungen Leute wäre. Trotzdem hatte sich Yaw einen san-yigma (Heiratsvermittler) aus seiner Sektion mit verwandtschaftlichen Bindungen zur Sektion der Braut besorgt. Das Hunde-Ritual wurde nicht ausgeführt, angeblich, weil Yaw gerade keinen passenden Hund auftreiben konnte.
Kirchliche Einsegnungen werden auch von Bulsa, die sich in Südghana aufhalten, am liebsten im Bulsa-Land vollzogen, da die finanziellen Kosten hier niedriger liegen, d.h. wohl vor allem, dass hier der Vater einen Teil der Kosten übernimmt.
Ayarik, zur Zeit in Cape Coast wohnhaft, will sich in Wiaga kirchlich trauen lassen. Er und seine Frau werden bei den Weißen Vätern Brautunterricht erhalten. Ayarik möchte seiner Frau ein Geschenk machen und eine Anzeige in die Zeitung setzen lassen, obwohl es im Bulsa-Land keine Möglichkeit gibt, eine Zeitung zu kaufen. Sein nichtchristlicher Vater wird ein Fest geben, eine Musikkapelle kommen lassen und alle Gäste mit Pito bewirten. Eine vom Staat geforderte Registrierung neu-geschlossener Ehen gab es 1974 in Nordghana noch nicht (Siehe Exkurs in Kap. VII,7c).
Als nächstes stellt sich für christliche Ehepartner die Frage des Wohnsitzes. Die ersten katholischen Missionare in Wiaga vertraten die Ansicht, dass es für junge Christen fast unmöglich ist, ihren Glauben in einer heidnischen Umgebung ohne andauernde Konflikte auszuüben. Sie empfahlen daher besonders Jungverheirateten, ihr eigenes Lehmhaus in der Nähe der Missionsstation zu errichten. Augustine Akanbe, ein presbyterianischer Katechist, hält auch heute noch eine solche Maßnahme für eine Ideallösung, wenn sie auch in der Praxis mit Schwierigkeiten verbunden ist. Nur so könne ein Getaufter ein echt christliches Leben führen. Andernfalls kann es in Fragen der Kindererziehung, in der Einhaltung von Tabus oder in der Befolgung “heidnischer” ritueller Handlungen zu ständigen Auseinandersetzungen mit den Eltern oder dem yeri-nyono kommen. Als presbyterianischer Christ, der bei seiner Eheschließung das “heidnische Ritual” auf ein Minimum reduzieren wollte, weigerte sich Augustine auch, Feldarbeiten für seine Schwiegereltern auszuführen, was ihm wieder eine starke Isolierung – auch in wirtschaftlicher Hinsicht – vonseiten seiner Verwandten einbrachte.
Die Konflikte werden noch verstärkt, wenn zwischen den beiden Ehepartnern ein starkes Bildungsgefälle besteht, das oft gleichlaufend mit dem Christianisierungsgrad ist. Gemeinhin wird gesagt, dass vor allem christliche Frauen aus Ängstlichkeit oft eine genaue Einhaltung aller “heidnischen” Vorschriften beachten. Diese Aussage muss noch bewiesen oder widerlegt werden. In Yongsa werden jedenfalls die drei {303} ersten analphabetischen Christen Frauen sein, die alle in einer polygamen Ehe leben und die trotzdem nach Auskunft des presbyterianischen Pfarrers versuchen werden, dort ein christliches Leben zu führen.

Christentum und Polygynie

Exkurs: E. Hillmans Studie ‟Polygamy Reconsidered‟ (1975)
Der katholische Ordenspriester (C.S.SP.) bemüht sich in seiner Studie um eine vertretbare Haltung der Kirchen gegenüber polygam verheiratete Eheleute, die zum Christentum übertreten wollen.
Zuvor zeichnet er von verschiedenen christlichen Kirchen in verschiedenen Teilen der Welt vertretene Kompromisse auf. Diese reichen von einer Zerstörung der polygamen Familie bis hin zu Taufangeboten an alle Glieder einer solchen Familie. Zwischen diesen extremen Einstellungen liegen viele andere Kompromissversuche.
In der anglikanischen Kirche wurde zum Beispiel der Vorschlag diskutiert, nur die Ehefrauen einer polygamen Familie zu taufen, da sie ‟involuntary victims of the custom‟ sind (S. 32). Zu einer allgemeinen Annahme dieses Vorschlags kam es nicht, obwohl ‟Angliccans … in West Africa allow the wives of polygamists to be baptized‟ (S. 33).
Die ‟Lutheran Church in Liberia‟ entschied, ‟that polygamous husbands as well as their wives may be admitted to baptism and communion, although normally they may not hold official positions of leadership in the ecclesiastical organisation‟.
Einige der unabhängigen afrikanischen Kirchen ‟have positively accepted polygamy as part of their conscious indigenization of Christianity in Africa‟ (S. 33).
Im letzten Teil seiner Studie (S. 205-208) legt Hillman seine eigene Einstellung zur polygamen Ehe und ihrer Verträglichkeit mit dem christilichen Glauben dar.
… the traditional ecclesiastical discipline regarding African polygamy is not as well founded, biblically and theologically, as has been supposed heretofore… it should be possible to adopt at least a new policy of toleration, along the lines already tested by the Lutheran Church in Liberia. Persons who have previously entered polygamous marriages, in good faith and according to the socially accepted practice of their time and place in history, should not be prevented from participating in the sacramental life of the Church (S. 206).
… it should be made clear to them that no additional polygamous marriages are permissible once they have entered the Christian community through baptism… (S. 206)

Bei den Bulsa kommt es gewöhnlich zu einem Bruch mit der christlichen Kirche, wenn ein christlicher, monogam verheirateter Ehemann sich eine zweite Frau nimmt, denn kaum eine der Missionskirchen ist bereit, einem Christen eine neu eingegangene polygyne Ehe zu erlauben. Wohl gestattet etwa die presbyterianische Kirche in polygynen Familien lebenden Frauen die Taufe, und auch polygyn verheiratete Männer können getauft werden, jedoch kein Amt in der Kirche bekleiden.
Über die von beiden Kirchen besonders für ältere Konvertiten vorgeschlagene Lösung, dass der polygam verheiratete Konvertit zwar mit allen Frauen in Wohngemeinschaft und, wirtschaftlich gesehen, in einem Haushalt verbunden bleibt, aber nur noch mit einer Frau seiner Wahl geschlechtlich verkehrt, konnte ich keine Erkundigungen einziehen, da mir bei den Bulsa kein Fall einer solchen Ehe bekannt wurde.

Der Entschluss eines Christen, eine zweite Frau zu heiraten, bringt gewöhnlich auch eine Aufgabe vieler christlicher Lebensgewohnheiten (z.B. Kirchgang, Gebet usw.) und eine Neuadaption an traditionelle Religionsformen mit sich.
Als L. Amoak als junger Mann Katholik wurde, zerstörte er seinen wen-bogluk, stellte jede Opferhandlung ein, ging regelmäßig zur Kirche und ließ sich sofort mit seiner Braut kirchlich trauen. Die Ehe blieb kinderlos, die Frau kehrte in ihre Elternhaus zurück, und L. Amoak heiratete nacheinander zwei weitere Frauen, die ebenfalls keine Kinder gebaren und auch in ihr Elternhaus zurückkehrten. Da ließ sich Amoak seinen wen-bogluk wieder herstellen, heiratete eine Verwandte seiner ersten Frau und war nach einem Jahr Vater einer Tochter. Heute ist er mit vier Frauen verheiratet, die ihm alle Kinder schenkten, geht höchstens noch zu Weihnachten und Ostern zur Kirche, verrichtet alle Opfer, Wahrsagerbefragungen usw. eines Hausherrn und lässt seine Kinder im traditionellen Glauben erziehen, wenn er es auch nicht versäumt hat, fast alle Kinder taufen zu lassen {304}.

Exkurs: Vom Staat geforderte Registrierung der Ehen
Im Jahre 1985 wurde vom Staat das ‟Customary Marriage and Divorce Law‟ erlassen, das die Registrierung einer traditionell oder christlich geschlossenen Ehe oder einer Scheidung zur Pflicht macht. U. Wanitzek (1998: 160) bemerkt hierzu: ‟…failure to register such a marriage does not affect its validity, as has been confirmed by an Amendment of 1991‟.
Heute (2021) ist nach Lawyer Frederick Asamoah für eine staatlich geschlossene Ehe (marriage under ordinance) nur die monogame Form erlaubt und ein Verstoß kann mit einer Haftstrafe von einem halben Jahr bestraft werden. Nach dem ‟customary law‟ können jedoch beliebig viele Ehen (gleichzeitig) geschlossen werden (Ghanaweb 6.10.21).

Moderne Eheschließungen nach Evans A. Atuick (BULUK 8, 2015: 92-103)
Der Autor berichtet im ersten Teil seines Aufsatzes ausführlich über traditionelle Hochzeitsriten und widmet dann mehrere Seiten den ‟Changes and Developments‟ (pp. 98-103). Als san-yigma von drei Eheschließungen einer Bulsa Frau mit einem Nicht-Bulsa Bräutigam hat er vor allem folgende Veränderungen beobachtet:

1. The marriage process has been truncated to the extent that some people are now allowed to carry out all three phases in one day‟ (p. 99).

Ein zweiter Besuch des Gehöfts der Braut wird vorgetäuscht, indem die Bewerbergruppe vom Gehöft zum parkenden Wagen zieht und von dort wieder zum Gehöft, um das akaayaa-ali-wa-boro‟ Ritual auszuführen. Alle Begrüßungen im Gehöft werden hierzu erneut ausgeführt.
2. The san-yigma of the wedding negotiation was – in contrast to the traditional customs – somebody (here: Evans Atuick), who was neither related to the bride’s nor the bridegroom’s lineage.
3. Die Höhe und der Umfang der Geschenke und Zahlungen an die Familie der Braut sind immens gestiegen und werden vorzugsweise durch Geldzahlungen beglichen.
On getting there, he [Evans] asked to see what they had brought and was shown three marked envelopes (labelled elders, brothers and mother) with money, a fowl, sheep, hoe, tobacco, cola and bottles of dry gin. Straight away, he told the mother of the young woman that once she had not delivered, the big ram was not necessary but she insisted we took it along, otherwise the suitor would think he got her daughter cheap!! (p. 100)
4. Another change in the process is the disregard for most of the taboos and values that came with the marriage process. Young men now “eat” the “forbidden fruit” several times and sometimes even impregnate or have a child or two with the young women before starting the process… Quite clearly then, the good morals and chastity that have to be strictly adhered to during courtship have long been thrown to the dogs and forgotten.
It is also worthy of note that the taboo that forbid young suitors from marrying a young woman once they visit her paternal compound and see someone in the process of making Bulsa-kpaam (sheabutter) or tiak (mat of elephant grass) no longer means anything to young men and women of today. Thus, the majority of young men, especially the so-called educated ones, no longer believe in that and would still go ahead with the marriage rites even when they encounter such so called bad luck related activities at the house of a would-be-bride on countless occasions (p. 101).
Wenn die Hochzeitsriten in den großen Städten Südghanas ausgeführt werden, sind die Abweichungen von der traditionellen Norm noch größer.

It is also not uncommon for a young woman or man getting into marriage in the city to just arrange for any elderly Bulsa, who may not even be a relative, to sit in as his or her parent and receive or give whatever is required for the marriage. On rare occasions, some of the items (sometimes just a bottle of schnapps, a cloth and some money) given for the lady’s hand in marriage are packaged and given to somebody travelling home to give it to the family of the lady and explain everything to them. Finished!! In most cases, the man who is seeking such a lady’s hand in marriage eventually does not even know where she hails from nor do the actual family members know the man personally. Some Bulsa men are also guilty of this as many have married women from other tribes and have never bothered to bring such women home to know where they actually come from. Such men eventually die wherever they are and their children are lost to the family and tribe of the woman. This is quite dangerous because in the event of any problem occurring in the marriage, family members would not be there for such a person since they are not aware of such a union. There is also this unhealthy practice whereby young women are always eager to jump at an opportunity to marry men who are either in the city or abroad as a way of ensuring financial and social security for themselves and their families. Some parents, especially mothers, push their daughters into marrying rich and influential men because of the financial, social security and prestige benefits accruing from such unions regardless of whether the young girl would be happy in the union or not. Some young girls have even agreed to marry men merely by seeing their pictures which are posted to relatives at home. Eventually, the marriage rites are concluded by the relations without the family of the girl knowing the man and then the girl is ‘posted’ to her new husband whom she barely has known before. In the majority of cases, such marriages run into problems and collapse with resultant dire consequences on the unprepared young woman.

Die äußere Form einer christlichen Eheschließung wird von den Bulsa und anderen Afrikanern gerne akzeptiert, wie Evans A. Atuick es im folgenden berichtet:

Over the years, it has become the vogue and the norm for a young girl or man to have his or her marriage blessed in the church with pump and pageantry as well as lavished banquets with every kind of food or drink available for patrons. The young woman being wedded, usually immaculately dressed in a white wedding gown that is either bought, sewn or borrowed, became the envy of all other single ladies who would do anything to be in the bride’s position!! Oh yes! Almost every single woman is now crazy to do a western style wedding in the church and wants it to be bigger than that of her colleagues’ even if the man is not ready… Even those who do not have cars, would often borrow or hire them for only the wedding ceremony and continue walking, riding or using the ‘trotro’ (public transport) afterwards. …Indeed, the upsurge in church weddings and craving for them by most young women or men have not only scared a lot of young men, who are not on sound financial footing, from contemplating marriage but has also led to the disregard for our traditional customary marriage practices and protocols among so-called Christian Bulsa. Indeed, some have even refused to engage in the customary marriage practices, regarding them as idol worship related practices, which are unchristian and should be avoided by so-called Christians… The fact, however, remains that such foreign-style forms of marriage inevitably have a detrimental effect on Bulsa customary marriage practices since they are bound to erode such customary values and norms (p. 102).

 

ENDNOTEN (Brautwerbung und Heirat)

1 Fortes 1945: 40 uns 52 (The Dynamics of Clanship)

2 In dieser Arbeit wurden für Verwandtschaftsverhältnisse die von C.A. Schmitz (Grundformen der Verwandtschaft, 1964: 17) vorgeschlagenen Abkürzungen übernommen (Va = Vater, Mu = Mutter, Sw = Schwester, Fr = Ehefrau usw.).
{368}

3 Heiraten zwischen Bulsa und Zabarima sind nicht grundsätzlich verboten, sind jedoch in der traditionellen Gesellschaft mit großen Schwierigkeiten verbunden, da die Riten der anderen Gruppe nicht ernst genommen werden. Werbegeschenke können zum Beispiel verweigert werden.
Vgl. J.J. Holden, ‘The Zabarima Conquest of North-West Ghana, Part I, Transactions of the Historical Society of Ghana, Bd. VIII, Legon, 1965:60 – 86.

4 Heiraten (von “Töchtern”) aus Sektionen, mit denen man “scherzt”, sind auch bei anderen ethnischen Gruppen Nordghanas erlaubt. Vgl.: M. Fortes, 1945: 91 Fußnote (The Dynamics of Clanship)
R.S. Rattray, The Tribes of the Ashanti Hinterland, 1969: 390: We, Kusase, also “play together” (deem taba) with the Mampruse and the Gurense, because these tribes intermarry with us…

4a Fortes 1967: 293 (The Web of Kinship)
Vgl. auch den Population and Housing Census of Ghana 1960: 239: Heirat der Bulsa aus anderen Ethnien.

5 Auch der Ahnen-bogluk am Eingang des Häuptlingsgehöfts wird mitunter als “Tochter Suarinsas” bezeichnet (Inf.: R. Asekabta).

5a Vgl. I. Heermann 1981: 41: ‟Affinität spielt, zumindest in Heiratsbeziehungen, kaum eine Rolle. Es gilt als positiv, eine zweite Frau aus dem Haus der ersten zu heiraten. Verboten ist lediglich die Heirat nacheinander geborene[r] Töchter‟. Mein Mitarbeiter Godfrey Achaw bemerkte allerdings, dass die Heirat von zwei Frauen aus dem gleichen Gehöft materielle Nachteile mit sich bringen kann. Bei einer Totenfeier sitzen die Verwandten der beiden Frauen unter einem Schattenbaum und geben die notwendigen Geschenke nur einmal.

5b In Buli wird hier das Wort daung (pl. dangta) gebraucht, das nicht nur den äußerlichen Schmutz und die für magische Zwecke zu gebrauchenden Körperausscheidungen bezeichnet, sondern auch ein Vergehen (eine ‟Sünde‟) im rituellen Sinne (z.B. kabong).

6 Fiok (oft als black monkey bezeichnet): große, dunkle Affenarten (z.B. Pavian, Schimpanse u.a.); waaung (oft als red monkey bezeichnet): mehrere kleinere Affenarten, aber nicht alle Halbaffen und Meerkatzen (baluk, Pl. baluta). Wie R. Schott nachgewiesen hat, werden allein durch die gemeinsame Respektierung derselben Tierart als Totemtier keine Inzestverbote oder Exogamiegebote begründet. Vgl. R. Schott 1973: 456 (‘Kisuk-Tiere der Bulsa’).

7 Vgl. Kap. 1,3; S. {41}

8 Stichtag: 1. Juli 1974. Ähnlich wie in der Aufstellung (Einleitung 2, S. {10} wurden auch die fremden Häuser Yongsas (assimilated lineages) und die am Stichtag im Süden Ghanas lebenden Familien mitgezählt. “Geschiedene” Frauen, die am Stichtag nicht mehr in Yongsa lebten, wurden nicht berücksichtigt.

9 The Web of Kinship, S. 287 ff.

9a Vgl. Vermot-Mangold 1977: 73f: Die Autorin berichtet über Untersuchungen bei den Kabre (Nordtogo). Von 51 Frauen des Viertels Akaide in Kare stammen nur 19 aus einem anderen Dorf, 21 aus Akaide selbst und der Rest aus einem anderen Viertel von Kare.
Die Aussagen von Fortes, Vermot-Mangold und von mir selbst werden wahrscheinlich in neuester Zeit, dank der gestiegenen Mobilität nicht mehr ganz zutreffen.

9b Das Wort “Brautwerbung” kann in Buli auf verschiedene Arten wiedergegeben werden: lie-yaa(li)ka oder cheng-yaa(li)ka. Yaalika ist Verbalnomen zu yaali = lieben, wünschen, suchen, heiraten. “Eheschließung” kann mit nipok-yaa(li)ka, chaab-yaa(li)ka (sich gegenseitig heiraten) oder faarika übersetzt werden. Faari (heiraten) kann nur für den männlichen Partner des Hochzeitspaares gebraucht werden (deutsch: “sich eine Frau nehmen”).

10 Während die Ernte-Opferfeiern (fanoi) in den einzelnen Gehöften ohne Zweifel fest in der traditionellen Ordnung verwurzelt sind, wurde das Fiok-Fest Sandemas mit seinen öffentlichen Durbars und nur wenigen rituellen Elementen im Jahre 1974 vom Sandemnaab Azantilow unter Mitwirkung der Bulsa Youth Association gegründet (siehe BULUK 8, 2015: 107-112). {369}

11 Inf.: Alfred Akowan, Sandema-Longsa.

12 Information (3. Frage) durch R. Schott, Unveröffentlichte Feldnotizen 1966/ 67.

13 Eine ähnliche Information, dass ein “Fremdling” bald in das Haus kommen werde, gab Apatanyin (Amoanung Yeri, Kalijiisa-Yongsa) den wena seiner Ahnen, als ich für 2 Wochen meinen Wohnsitz in sein Haus verlegte.

14 Vgl. auch: ‘Builsa Traditional Marriage’, Builsa Herald, 3 (1974), S. 8.

14a A.R. Radcliffe-Brown (1951: 20) schreibt über gewaltsame Entführungen:
…Every anthropologist is familiar with the custom by which it is represented that the bride is captured or taken by force from her kinsfolk. A first collection of instances of this custom was made by McLennan, who interpreted them historically as being survivals from the earliest condition of human society in which the only way to obtain a wife was to steal or capture a woman from another tribe…
Viewed in relation to social structure the meaning or symbolic reference of these customs ought to be obvious. The solidarity of the group requires that the loss of one of its members shall be recognized as an injury to the group. The taking of a woman in marriage is represented as in some sense an act of hostility against her kin…
Eine ganz andere historische Interpretation der Raubehen findet man bei Thurnwald (in Adam/Trimborn 1958: 170): Die früher verbreitete Annahme, dass Heiraten früher auf dem Wege des Mädchenraubes geschlossen wurden, ist romantischen Vorstellungen über die Wildheit ‟primitiven‟ Menschentums entsprungen. Auf dem Wege des Raubes werden Heiraten mitunter dann geschlossen, wenn alte Heiratsordnungen zusammenbrechen…

15 “Ngaanga ” (die wörtliche Übersetzung bereitet Schwierigkeiten) ruft man bei einem Besuch vor einem Gehöft, ehe man jemand sieht, den man anreden kann.

15a Die Hochzeitslieder, die auf dem Flachdach gesungen werden, heißen nangbiena (Robert Asekabta: naamgbiena) Die mit Instrumenten im Innenhof gespielten Lieder und Rhythmen heißen dabiak-yiila. Auch wenn sich im Haushalt Membran-Trommeln befinden, werden hier nur umgestülpte Kalebassenschalen oder flachgelegte Eimer (Evans Atuick 2015: 95) mit zwei Stöcken oder mit den Händen geschlagen.

15b E. Atuick nennt die Festlichkeiten im Haus (zusammen mit den Liedern beim vor Erreichen des Hauses?) akuwaaliba. Danach gilt die Braut als verheiratet. Vgl. auch das in Kapitel VII, 2e, S. {268} zitierte Lied A ku waali ba. ‟Sie sind beleidigt worden‟).

15c Der Gatte einer früheren Ehebeziehung kann bei einer neu-verheirateten Frau durch die song-Medizin eine Krankheit verursachen, die sich durch starke Anfälle (fits) äußert. Sie tritt plötzlich auf, ist sehr schmerzhaft und dauert etwa einen Tag. Die Frau stößt laute Schreie aus, läuft herum und keiner kann sie halten. Man bringt die Frau zum Hause ihres Vaters und beschmiert ihren Körper mit Asche vom Abfallhaufen (tampoi) ihres Gatten.

16 Unveröffentliche Feldnotizen 1966/67, S. 75.

17 Hauptinformant für diesen Abschnitt war G. Achaw (Sandema Kalijiisa). S. 164

18 Alkoholisches Getränk Südghanas, aus Palmwein destilliert. S. 165

19 Zur Rolle des san-yigmo bei einer Fehlgeburt vgl. Kap. II,6; S. {60}. S. 166

20 Busik, Pl. busisa oder busa. Eine Abbildung befindet sich bei R. Schott (1970), Aus Leben und Dichtung, Bilderanhang. Abb. 28, eine ausführliche Beschreibung seiner Herstellung, Funktion und Bedeutung in Kröger 2001: 319-325.

21Für das Verschließen des Eingangs eines dok mit einer Matte (tiak, Pl. toata) gebrauchen die Bulsa den Ausdruck tiak-lika, der auch mitunter für das Verrammeln des Gehöfteingangs mit Knüppeln Verwendung findet. Für die Zahlungen an die Eltern der Braut gebraucht man nur den Ausdruck nansiung-lika.
Vgl. auch K. Dittmer, Die sakralen Häuptlinge, S. 19 “…Verschließen” imaginärer “Pforten”…), die Ausführungen von van Gennep 1981: 27-30 und R. Schott 1978: 630.

22 Die Zahl Vier muss wieder als symbolisch für das weibliche Geschlecht (Zahlungen für eine Frau) gedeutet werden. Vgl. auch Wanitzek 1998: 134-135: The amount of money used to be 4 pesewas and increased later to amounts such as 4 cedis, 40 cedis, 400 cedis, 4,000 cedis etc.

23 Das Schaf kann nur für Opferzwecke verwendet werden. Nach einer Information aus Kanjaga (Peter Anab) wird es gewöhnlich dem tintueta-wen des leiblichen Vaters der Braut geopfert.
Eine ausführliche Beschreibung der Opferhandlungen nach Erhalt der nansiung-lika Gaben sowie die Aufteilung der Opfertiere befindet sich in Kap. VII,2l.
Bei den Südbulsa soll es angeblich keine Rolle spielen, ob die Frau schon ein Kind geboren hat, es wird in jedem Fall ein Ziege geschenkt. S. 168

23a Eine Abhandlung über die Orientierung der Bulsa an vergangenen Ritualen und Ereignissen sowie die Etablierung von rituellen Abweichungen findet sich bei Kröger (2012).

24 Einige Preislieder in Buli mit deutscher Übersetzung wurden veröffentlicht in: R. Schott, Aus Leben und Dichtung 1970: 32 -33 {370}. S. 169
Die negativen und zum Teil aggressiven Aussagen in diesen Liedern über das andere Geschlecht finden ihr Gegenstück in den nanzuk-yiila (Lieder beim Hirsemahlen) der Frauen. Eine jungverheiratete Frau beklagte sich zum Beispiel so: ‟Ich habe nur geheiratet wegen der vielen Geschenke [zu Beginn der Ehezeit]. Wenn es hier im Hause keine Perlhühner mehr gibt, laufe ich nach Hause zurück‟. S. 170

24a Heermann (1981: 132) schreibt in einer Fußnote: ‟Prof. Schott beobachtete 1974/75 mehrmals das Aufstellen von Köpfen geschlachteter Ziegen zum Zeichen, dass der Schwiegersohn und seine Freunde zur Arbeit gekommen und bewirtet worden waren‟. Aber auch aufgestellte Krokodilplastiken mit Schädelknochen [der zubereiteten Tiere] konnte R. Schott [in Sandema?] und F. Kröger in Wiaga beobachten. S. 170

24b Ein ‟cloth‟ (ga-tiak) entspricht einer Breite von etwa 1,10 m und einer Länge von 1,70 m und reicht aus für die Herstellung von einer Bluse, einem engen, langen Rock oder einem losen Hüfttuch. Für die Anfertigung eines vollständigen traditionellen Frauenkostüms benötigt man 3 cloths (siehe Kröger 2001: 589).

24c Endnote: Der Sandemnab hat den Verkauf von akpeteshi in Gehöften wohl ohne durchgreifende Folgen ganz verboten und plant wohl ein allumfassendes Verbot (vgl. BULUK 10, 2016: 23).

24c Hier: einzelnes Rundhaus mit Flach- oder Kegeldach. Auch die Wohnabteilung um einen Innenhof kann als dok bezeichnet werden; siehe auch Endnote 25.

24d Als erste Frau (pok-kpagi), die gelegentlich auch als älteste Frau (englisch senior wife) bezeichnet wird, gilt die zuerst geheiratete Frau eines Mannes, nicht die an Jahren älteste. Sie hat nicht nur eine führende Stellung mit eingeschränkter Weisungsberechtigung unter den Frauen ihres Gatten, sondern auch gegenüber den Frauen der jüngeren Brüder des Gatten. Wenn man einer der ‟jüngeren‟ Frauen eines Gatten ein Geschenk machen will, so gibt man es der pok-kpagi. Die erste Frau eines Gehöftherren hat dem Titel Ama.

25 Wörtlich: Besitzerin (Herrin) eines dok. Hier hat dok die Bedeutung: Wohnabteilung um einen Innenhof.

26 Das Präfix A- verleiht dem Begriff den Charakter eines Namens, und wirklich verdrängt dieser “Titel” oft den Eigennamen der Frau; ma = Mutter.

27 Der Informant kann sich natürlich nicht mehr an den Wortlaut der Rede erinnern. Der Text der Rede wurde hier von ihm nach Informationen durch seine Eltern frei nachgestaltet.

27a Nach dem Population Census of Ghana (1960, S. 221) waren zur Zeit der Zählung von den 12,800 erfassten männlichen, verheirateten Bulsa (urban and rural) 67,4% mit einer Frau, 25,2% mit zwei, 5.4 % mit drei, 0.8% mit vier und 1,2% mit fünf und mehr Frauen verheiratet. Durchschnittlich war ein Mann mit 1.4% Frauen verheiratet.

27b 27b In neuerer Zeit hat Rev. Stephen Azundem das ‟Jewish concept of ritual cleaning‟ mit den Reinigungsriten und der Funktion  des kabong verglichen. Er ist auch zu dem Ergebnis gekommen, dass das weiße Hühnchen (scape-chicken) und der Sündenbock (scapegoat) des Alten Testaments ein ähnliche Funktion haben, nämlich die Schuld von Menschen auf sich zu nehmen, die das Tier anschließend auf unblutige Art töten (Azundem 2020: 41-48).

28 R. Schott (1973/1974: 90 (Haus und Wildtiere)

29 Ibd.

30 Ibd.

31 Frei zitiert nach R. Schott 1973/1974: 290

31a Weitere Fotos zum kabong-Ritual in Wiaga sollen hier aus Gründen des Datenschutzes nicht veröffentlicht werden.

32 R.S. Rattray 1969: 86 (Religion and Art in Ashanti) berichtet von einem Ordal, dem sich eine Braut vor der Hochzeit an einer Wegkreuzung früher unterziehen musste, um ihre sexuelle Unversehrtheit unter Beweis zu stellen:
Here the girl would take an egg in her right hand and cast it upon the ground, taking at the same time the following oath: ‘lf any one has eaten me may my obosum (god) kill me.’

32a Ehescheidung heißt in Buli yierika. Das Verb yieri hat auch die Bedeutung ‟to remove, to discharge‟ und kann auch für eine Trennung gebraucht werden, die auf einer zu späten Feststellung einer zu nahen Verwandtschaft zwischen Mann und Frau beruht. Der Ausdruck   (wörtlich ‟eine Ehefrau verweigern‟) bezeichnet eine Scheidung, die vom Manne ausgeht.
Nach dem Population Census of Ghana 1960, vol. VI, p. 210 waren von 1,980 verheirateten Bulsa 1,600 Männer und 380 Frauen geschieden.

33 Vgl. auch M. Fortes 1967: 84 (The Web of Kinship)

34 Über den Verbleib weiblicher wen-bogluta, vgl. auch Kap. V,3a; S. {165}.

35 Vgl. M. Fortes, The Web of Kinship, S. 108.

36 Über spezielle Eigennamen (des Kindes) bei einem solchen Fall von “Adoption” vgl. Kap. III B, 3h; S. {105}

36a Inf. durch L. Amoak, der selbst einen nipok-tiim in seinem Hause hat.

37 Vgl. M. Fortes, The Web of Kinship, S. 69.

38 Dieser Themenkomplex wurde von mir an der Sandema Continuation Boarding School eingehend erforscht. In der vorliegenden Arbeit kann jedoch nur von einigen Ergebnissen berichtet werden. Einen Einblick in die Probleme der Schüler und Schülerinnen konnte ich vor allem während meiner Lehrtätigkeit an der Sandema Boarding School (Middle School, später Continuation School) in den Jahren 1973 und 1974 erhalten. Alle Schüler und Schülerinnen zeigten sich mir gegenüber in Gesprächen über Liebe und Heirat sehr offen.

39 In einem Fragebogen, dessen Gesamtauswertung zur Zeit noch aussteht, stellte ich 148 Schülern und 76 Schülerinnen der Klassen 3 und 4 in den 6 Bulsa “Mittelschulen” (Middle Schools) die folgende Frage: lf you are going to marry, must your wife/husband have attended a school? Die Frage wurde folgendermaßen beantwortet:
yes: 74 Schülerinnen, 108 Schüler,
no: 2 Schülerinnen, 37 Schüler,
1 don’t know: 1 Schüler,
1 don’t want to marry: 2 Schüler.
Dass Schüler eher bereit sind, einen analphabetischen Partner zu heiraten, ist in einer überwiegend polygamen Gesellschaft (mit Frauenknappheit) nicht verwunderlich. Eine so starke Ablehnung analphabetischer Heiratspartner durch die Schülerinnen, wie sie das Ergebnis zeigt, entsprach jedoch nicht ganz meinen Beobachtungen. Mir sind auch recht viele Ehen zwischen ehemaligen Schülerinnen und (oft wohlhabenden) Analphabeten bekannt.

40 Nach dem Population Census of Ghana 1960, vol. VI, p. 214 waren von 2160 verheirateten Bulsa Männern in städtischen Wohnbereichen (urban) 2,140 nur traditionell (customarily) verheiratet, in ländlichen Bezirken waren es von 14,020 Männern 13,860. Von den 1,560 verheirateten Bulsa Frauen waren in städtischen Wohnbereichen (urban) 1,540 nur traditionell verheiratet, in ländlichen Bezirken waren es von 20,200 Frauen 13,860. Weitere Angaben (z.B. über nur kirchlich verheiratete Bulsa), sowie Daten in späteren Ausgaben des Population Census waren für mich nicht auffindbar.

41 In Gerichtsverhandlungen, an denen ich in Navrongo teilnehmen konnte, galt bei Prozessen zwischen zwei Bulsa-Kontrahenten eine Ehe nur dann als rechtmäßig, wenn der “Brautpreis” bezahlt wurde. Als “Brautpreis” wird von den Bulsa oft ein Vielfaches der wirklich entrichteten nansiung-lika-Zahlungen angegeben, weil kleine Geschenke häufig von den Gerichten nicht als “Brautpreis” akzeptiert werden.

42 Februar 1974, S. 8 – 10.

43 Dieser Brauch scheint besonders häufig in Wiaga vorzukommen. Für andere Teile des Bulsa-Landes konnte er nicht immer belegt werden. In Südghana besteht er nur, wenn die Eltern ihre Zustimmung gegeben haben {372}.

44Vergleiche hierzu die von dem katholischen Ordensgeistlichen E. Hillman (1975) aufgestellten Vorschläge für Christen, in einer polygynen Familie zu leben.

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