Der vorliegende Text über die Übergangsriten der Bulsa wird vermutlich stärker als Nachschlagewerk denn als zusammenhängende Lektüre Anwendung finden. Für Ersteres wäre unbedingt ein Gesamtindex notwendig. Die Anlage eines solchen wäre aber im Internet kaum realisierbar und auch das ausführliche Inhaltsverzeichnis kann diesen Nachteil nicht ausgleichen. Da der Suchbefehl nur für die vielen einzelnen Dateien applikabel ist, erscheint an dieser Stelle eine Edition des gesamten Textes. Bilder, Karten, Tabellen, Diagramme und Zeichnungen mussten hierbei ausgelassen werden, da die Dateigröße in dem benutzten Programm sehr begrenzt ist und ein Suchbefehl ohnehin nicht den Inhalt von Tabelle, Diagrammen usw. einschließt.
Die Gliederung der einzelnen Kapitel ist nicht ganz einheitlich. In den meisten Fällen habe ich die Formatierung der ersten Auflage (mit a), b), c)…) in starkem Maße beibehalten. Für die neu eingefügten Kapitel über den Tod und die Totenfeiern musste ich ein dezimales Schema anwenden, um der starken Aufgliederung gerecht zu werden.

Leider ließ sich der Gesamttext wegen einiger Programmbeschränkungen nicht in einer großen Datei hochladen.

Die Dateien auf der Website

Übergangsriten im Wandel, Titelei
Vorwort, Inhalt, Einleitung
Schwangerschaft und Geburt
Namensgebung und Namen
Skarifizierungen
Wen-Riten
Beschneidungen
Brautwerbung und Ehe
Tod und Bestattung (1. Teil)
Tod und Bestattung (2.Teil)
Totenfeiern mit Juka
Anhang zu den Totenfeiern
Schluss
Literaturverzeichnis
Verwendete Buli Bezeichnungen (Auswahl)
Genealogische Tafeln

Franz Kröger
Übergangsriten im Wandel
KOMMISIONSVERLAG KLAUS RENNER

Umschlagbild: Die Abbildung zeigt L. Amoak (mit Mütze), den Hauptinformanten dieser Arbeit [von 1978], mit seinem etwa zehnjährigen Neffen Ayomo Atiim, der im Hause L. Amoaks die Funktion des Opferers wahrnimmt, und einen Nachbarn. Man opfert einer Stelle im Boden, auf dem früher das Wohngehöft der Ahnin gestanden hat, deren Schrein hier neu entsteht. Die dieser Stelle entnommene Erde hat L. Amoak in einen runden Noppentopf (im Vordergrund des Bildes) gepresst. Das Gefäß mit Erde (ma-bage) repräsentiert die Ahnin, der L. Amoak jährlich Opfer darbringen wird.

D6© Copyright Franz Kröger 1978
All rights reserved
Printed in Germany
ISBN 3-87673-058-2

Kulturanthropologische Studien
Herausgegeben
von Rüdiger Schott und Günter Wiegelmann
Band 1

FRANZ KRÖGER
ÜBERGANGSRITEN IM WANDEL
Kindheit, Reife und Heirat
bei den Bulsa in Nord-Ghana
1978
KOMMISSIONSVERLAG KLAUS RENNER
Hohenschäftlarn bei München

 

VORWORT [1978]

Das Material der vorliegenden Dissertation konnte während meines zweijährigen Aufenthaltes in Ghana (Dezember 1972 – Dezember 1974) gewonnen werden. Die meiste Zeit verbrachte ich in Cape Coast, wo ich durch Vermittlung des DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) als Lehrbeauftragter (lecturer) im Fach Deutsch tätig war. Die Feldforschungsarbeiten bei den Bulsa in Nordghana wurden in den Semesterferien (12. – 22. April 1973; 19. Juni – 5. September 1973; 21. Dezember 1973 – 10. Januar 1974; 5. – 15. April 1974; 19. Juni – 7. September 1974) durchgeführt, aber auch in der Vorlesungszeit konnte ich bei den Bulsa von Cape Coast zahlreiche Informationen sammeln und das Forschungsmaterial aus Nordghana mit ihnen überarbeiten.
Es lag ursprünglich in meiner Absicht, bei den Bulsa Material über Generationskonflikte zu sammeln, besonders über solche Konflikte, die durch moderne Einstellungen der Jugendlichen, Schulbesuch, Annahme des Christentums usw. verursacht werden. Es zeigte sich jedoch bald, dass durch Schulbesuch in Internats- oder Ganztagsschulen und durch frühe Auswanderung der Schulabsolventen nach Südhang Konflikte zwischen Eltern und ihren schulerzogenen Kindern nicht voll ausgetragen werden.
Im traditionellen Bereich stellte sich heraus, dass häufig verschiedene Einstellungen zu den sogenannten Lebenskrisen und ihren Übergangsriten (Partnerwahl bei der Verheiratung, Befürwortung oder Ablehnung der Exzision, traditioneller Riten, Opfer usw.) Konflikte zwischen Eltern und ihren Kindern hervorrufen. Eine intensive Beschäftigung mit den Übergangsriten wurde notwendig, die zur Folge hatte, dass der Schwerpunkt der Arbeit stärker von den Konflikten auf die Riten selbst und auf ihre Funktionen in einer sich wandelnden Gesellschaft gelegt wurde.
Zu großem Dank bin ich dem DAAD verpflichtet, der die finanziellen Voraussetzungen für die Feldforschungstätigkeit geschaffen hat, Herrn Prof. R. Schott für seine zahlreichen Ratschläge, Anregungen und Informationen und nicht zuletzt den vielen alten und jungen, gebildeten und analphabetischen Bulsa Informanten.

 

VORWORT ZUR INTERNET AUSGABE (2021)

Vierundvierzig Jahre sind seit dem Druck der 1. Auflage dieses Bandes über die Übergangsriten der Bulsa vergangen, und die Feldforschungen zu dieser (1.) Ausgabe lagen noch einmal fünf Jahre zurück. In der Zeit danach (1978-2020) habe ich neben anderen großen Forschungsarbeiten (s.u.) versucht, meine Daten über die Übergangsriten zu verifizieren bzw. zu falsifizieren und vor allem neues ergänzendes Material zu sammeln. Der Schwerpunkt meiner Arbeiten hat sich in lokaler Hinsicht seit den 1970er Jahren von Sandema-Kalijiisa-Yongsa nach Wiaga-Sinyansa-Badomsa verschoben. Zuerst hatten sich die Pforten des Badomsa-Gehöftes Adeween Yeri oder Asik Yeri durch meinen langjährigen Freund Mr Leander Amoak, dem Gehöftherrn dieses Gehöfts geöffnet. Nach Leanders Tod hatte Anamogsi vom Gehöft Anyenangdu Yeri (Badomsa) mir einen mehr als guten Ersatz geschaffen. Bei meinen 15 Bulsa-Aufenthalten (1972-74, 1978, 1981, 1984, 1986, 1988-89, 1991, 1994, 1997, 2001-02, 2002-03, 2005, 2006, 2008, 2011) habe ich stets Kontakte zum Gehöft Anyenangdu Yeri (Wiaga-Badomsa) gehabt, und dort völlig freizügig forschen und beobachten können.
Seit 1984 habe ich in diesem Gehöft einen eigenen Innenhof bezogen und eine Frau des Gehöftherrn Anamogsi hat meine warmen (traditionellen) Mahlzeiten für mich zubereitet.
Auch wenn der Schwerpunkt meiner Arbeit nach 1974 auf anderen Themen lag (z.B. Erdkult, Divination, materielle Kultur, Sprachstudien für ein Wörterbuch u.a.), so war ich als Bewohner des Gehöfts doch nicht nur in das alltägliche, sondern auch in das rituelle Leben von Anyenangdu Yeri und seiner mehr oder weniger verwandten Nachbargehöfte (Atinang Yeri, Atuiri Yeri, Angoong Yeri, Abasitemi Yeri und Akanming Yeri) eingebunden.
Bei der Aufarbeitung meiner dort gesammelten Daten für eine Neuauflage der “Übergangsriten” ergab sich das Problem, wie die neuen Ergebnisse mit der Erstauflage verknüpft werden sollten. Es war mein Entschluss (und auch meine verbliebene Zeit und meine Gesundheit ließen es nicht anders zu) nicht etwa ein ganz neues Buch zur schreiben, indem die Daten aller Aufenthalte zu einem homogenen Werk verschmelzt werden, sondern meine Dissertation aus dem Jahre 1978 sollte durch neue Daten und Erkenntnisse ergänzt werden. Dieser Plan ist auch deswegen zu vertreten, weil sich die Ergebnisse meiner ersten Feldforschung fast vollständig durch spätere Erhebungen bestätigt haben.
Bei der Themensuche für meine Dissertation und einer Festlegung der Grundstruktur (nach 1973) ergab sich ein Problem. Eigentlich waren als Schwerpunkte der Arbeit die Übergangsriten Geburt, Reife, Heirat und Tod vorgesehen. Zum letztgenannten Unterthema konnte ich zwar schon damals umfangreiche Materialien sammeln, aber es fehlten noch wichtige Daten zum vollständigen Verständnis ihrer Funktion und Bedeutung aller Riten in ihrem zeitlichen Ablauf. Auch hätte die sich sehr umfangreich ausgefallene Darstellung und Analyse des vorhandenen Materials den Rahmen einer Dissertation gesprengt. Daher entschloss ich mich, mit Zustimmung meines Doktorvaters Prof. R. Schott, die mit dem Tod eines Menschen verbundenen Übergangsriten hier auszulassen, um sie einer späteren Monographie in der Form von Goodys Death, Property and the Ancestors (1962) vorzubehalten. Als auch dieser Plan wegen einer Beschäftigung mit anderen Themen und deren Veröffentlichung fehlschlug, blieb nur eine Einfügung in die zweite Auflage (hier eine Internet-Edition) vorzunehmen. Ein voll ausformuliertes Kapitel war hier allerdings aus Gründen meines Alters (85) und meiner Gesundheit nicht mehr möglich. Die Unterkapitel über die Totenfeiern wirken daher vielleicht eher wie eine gegliederte Stoffsammlung, wenn auch dieser Mangel durch einige Aufsätze am Ende des Kapitels etwas kompensiert werden konnte.
Ein weiteres Problem entstand mit der Erstellung der zweiten Auflage. Wie weit sollte die Identität der handelnden Personen und meiner Informanten aus Gründen des Datenschutzes bewahrt bleiben? Sollte ihr Name ausgelassen, verkürzt oder durch ein Pseudonym ersetzt werden?
Beim Verfassen des ersten Textes (vor 1978) bin ich diesem Problem vielleicht etwas zu unbekümmert entgegengetreten. Die Zusammenfassung und Analyse meiner Feldforschungsdaten sollten vor allem den Ansprüchen einer Examensarbeit genügen. Ich wusste nicht, ob meine Dissertation veröffentlicht werden sollte, ob irgendwelche Bulsa jemals in den Besitz dieses deutschsprachigen Buches gelangen würden, um dann seinen Text näher zu studieren.
Heute ist die Situation ganz anders. Bulsa Männer und Frauen haben in Deutschland studiert, sind an der traditionellen Kultur ihrer Ethnie interessiert und können einen digitalisierten Text leicht mit Hilfe eines Internet-Übersetzungsprogrammes (zum Beispiel von Deeple oder Google) leicht ins Englische übersetzen.
Daher habe ich in der neuen Auflage viele Namen verkürzt oder verändert, oder ich habe von den vielen Namen der betroffenen Personen einen in ihrem sozialen Umfeld weniger bekannten Namen ausgesucht. Fotos zu Riten der Beschneidung oder nach einem Ehebruch (kabong) usw. habe ich ausgelassen.
Andere Namen und auch beschriebene Handlungen blieben unverändert bestehen, wenn ich eine ausdrückliche Erlaubnis oder die Zustimmung zu einer Veröffentlichung als sehr wahrscheinlich galt. So erteilte mir Anamogsi, der Gehöftherr von Anyenangdu Yeri (dem lokalen Schwerpunkt meiner Forschungen) ausdrücklich die Erlaubnis, alle Namen und Ereignisse in seinem Gehöft und in den unter seiner Oberaufsicht als kpagi stehenden Nachbargehöfte unverändert zu veröffentlichen.
Inhaltlich möchte ich hier zwei alte Aussagen korrigieren. In der Schilderung der Riten zur weiblichen Ahnenverehrung, erweckte meine Darstellung (Kapitel V, 3b) über das Heimholen des ma-bage Schreins den Anschein, als ob es eine Verbindung zwischen der Verehrung von Ahninnen und dem Erdkult gebe. Wenn die Erde als Inhalt des ma-bage Topfes von dem Erdheiligtum (tanggbain) Pung Muning geholt wurde, so geschah dieses nicht, weil die Stelle zum Erdheiligtum gehörte, sondern weil hier früher einmal das Wohngehöft der Ahnin gestanden hatte.
Bei der Aussage, dass das tanggbain von Kanjaga irgendwelche Verbindung zum juik (Mungo) Kult hat oder dass juik sogar dessen Eigenname ist, habe ich leider eine diesbezügliche Information ohne Nachprüfung übernommen.
Schwieriger ist eine Korrektur formaler Elemente, z.B. in der Buli-Rechtschreibung. Diese lag bei meiner ersten Feldforschung (1972-74) noch nicht fest, und auch heute noch sind für einen einzigen Begriff oft noch mehrere Schreibungen im Umlauf. In der Neuauflage habe ich oft dann die alte Rechtschreibung beibehalten, wenn diese auch heute noch (neben anderen) praktiziert wird, obwohl ich bei den Arbeiten an dem Buli-English Wörter einer anderen Schreibung den Vorzug gegeben habe. Wörter, die sich in einer abweichenden Schreibung offiziell durchgesetzt haben oder in der ersten Ausgabe schlichtweg falsch waren (z.B. Siniensi für Sinyensi) habe ich ersetzt.
Folgende formale Änderungen wurden in der Zweitausgabe durchgeführt:
1) Rechtschreibfehler (z.B. Tippfehler) und Fehler in der Grammatik, Syntax in deutschen Ausdrücken wurden ohne blaue Markierung berichtigt.
2) Schreibweisen der alten deutschen Orthografie (bis 2001) wurden durch die neuen ohne blaue Markierung ersetzt (z.B. dass > dass).

Die Anwendung des Präsens für zum Beispiel soziale und politische Gegebenheiten ist für die Internet-Ausgabe von 2021 oft nicht mehr geeignet, da sich gerade in diesen Bereichen in den letzten Jahren große Veränderungen eingestellt haben.
Es ist dem Autor bewusst, dass durch die vielen eingesetzten neueren Daten mitunter ein Flickenteppich entsteht, der ein flüssiges Lesen erschwert. Es sei jedoch daran erinnert, dass der Autor nicht ein gestalterisch-stilistisches Kunstwerk erstellen, sondern vor allem seine zahlreichen Daten und Erkenntnisse den nachfolgenden Erforschern der Bulsa Kultur zur Verfügung stellen wollte.

Anmerkung zu den Abkürzungen der Internet-Ausgabe: Seitenzahlen der Originalausgabe von 1978 wurden in geschweifte Klammern {…} gesetzt.  Ergänzungen zur ersten Auflage von 1978 erscheinen in blauer Textfarbe.

 

INHALT (1. Auflage)

VORWORT [1978]
VORWORT ZUR INTERNET-AUSGABE (2021)
VERZEICHNIS DER KARTEN, TABELLEN UND GANZSEITIGENABBILDUNGEN IM TEXT

EINLEITUNG
1. LANDESKUNDE

a) Geographische Lage und Klima
b) Bodenbeschaffenheit und Landschaftsbild
c) Siedlungen

2. SOZIALSTRUKTUR
3. ETHNOGRAPHISCHE LITERATUR

a) Bulsa
b) Benachbarte ethnische Gruppen

4. ABGRENZUNG UND DISKUSSION DER THEMENSTELLUNG
5. METHODE UND ARBEITSTECHNIK
6. DARSTELLUNGSWEISE

KAPITEL I: SCHWANGERSCHAFT
1. ZEUGUNG UND UNFRUCHTBARKEIT
2. SCHWANGERSCHAFT UNVERHEIRATETER FRAUEN
3. ERKENNUNG UND VERKÜNDIGUNG DER SCHWANGERSCHAFT
4. TABUS UND VERHALTENSVORSCHRIFTEN

a) Speiseverbote
b) Sichtverbote
c) Verhaltensvorschriften der Schwangeren
d) Vorschriften für den Gatten

5 . SCHWANGERSCHAFTSZEREMONIEN NACH HÄUFIGEN FEHLGEBURTEN
KAPITEL II:  GEBURT
1. GEBURTSVORGANG
2. HÜFTSCHNÜRE UND AMULETTE
3. GEBOTE, VERBOTE UND EMPFEHLUNGEN

a) Nahrung der Mutter
b) Verhalten der Mutter
c) Verbote und Gebote für das Kind

4. ASCHEBLASEN (POBSlKA)
5. AUSSERGEWÖHNLlCHE ERSCHEINUNGEN BEI DER GEBURT

a) Zwillingsgeburten
b) Missbildungen und körperliche Besonderheiten
c) Harmlosere Erscheinungen
d) Kinder, die am selben Tag geboren wurden
e) Bei Neumond geborene Kinder

6. TOD UND BESTATTUNG
7. WIEDERGEBURT
8. EINSTELLUNGEN UND VERHALTEN DER SCHÜLER-GENERATION

KAPITEL III : NAMENSGEBUNG UND NAMEN
A) NAMENSGEBUNG
1. BESCHREIBUNG EINER NAMENSGEBUNG (SEGRIKA) IN WIAGA-BADOMSA
2. EINE NAMENSGEBUNG IN SANDEMA-KALIJIISA
3. WEITERE INFORMATIONEN ÜBER NAMENSGEBUNGEN

a) Der Anlass
b) Das Alter des Kindes
c) Die Namensgeber
d) Der Schutzgeist (segi)
e) Bericht über eine tanggbain-segrika
f) Tiim-segrika
g) Jadok-segrika
h) Ngmaruk-segrika
i) Kayak-segrika

B) NAMEN
1. METHODISCHE VORBEMERKUNGEN
2. FORMALE UND STRUKTURELLE BETRACHTUNG DER BULI-NAMEN

a) Präfixe und Suffixe
b) Übersetzungshilfen
c) Syntaktische Struktur der Namen

3. GLIEDERUNGSMÖGLICHKEITEN UND GRUPPENBILDUNGEN

a) Konkreta
b) Ortsnamen
c) Begebenheiten zu r Zeit der Geburt
d) Klagen des Vaters
e) Konflikte
f) Lebensweisheit und Verhaltensempfehlung
g) Theophore Namen
h) Adoptionsnamen
i) Sklavennamen
k) Englische Namen in Buli-Form

4. AUSBLICK AUF WEITERE FORSCHUNGSAUFGABEN
5. FREMDE NAMEN

a) Haussa- und islamische Namen
b) Akan-Namen
c) Christliche bzw. englische Namen

6. NAMENSTRÄGER UND NAMEN KAPITEL IV: SKARIFIZIERUNGEN
1. SKARIFIZIERUNGEN UND ÜBERGANGSRITEN
2 . STAMMESNARBEN

a) Formen und ihre örtliche Verbreitung
b) Ausführung der Narbenbeschneidung

3. NARBENSCHMUCK AUS ÄSTHETISCHEN UND SPIELERISCHEN MOTIVEN
4. NABELBESCHNEIDUNG (SIUK-MOBKA)
5. SKARIFIZIERUNGEN NACH FEHLGEBURTEN
6. AKAN-NARBEN
7. EXKURS: TATAUIERUNG
8. EXKURS: KÖRPERBEMALUNG
9. EINSTELLUNGEN DER SCHÜLER UND SCHÜLERINNEN ZU SKARIFIZIERUNGEN UND TATAUIERUNGEN

KAPITEL V: WEN-RITEN
1. NYING – CHIlK – WEN – PAGREM
2. WEN-RITEN MÄNNLICHER PERSONEN

a) Eine wen-piirika Feier
b) Ergänzungen durch andere Informanten
c) Standorte der wen-bogluta
d) Opfer, Umformung und Schmuck
e) Standort eines männlichen wen-bogluk nach dem Tode des Inhabers
f) Wen-bogluta der Bulsa in Südghana
3. WEN-RITEN WEIBLICHER PERSONEN
a) Weibliche wen-bogluta
b) Umformung und Schmuck eines weiblichen wen-bogluk
c) Errichtung eines weiblichen wen-bogluk vor dem Haus
d) Überführung eines ma-bage

4. KONFLIKTE DER CHRISTLICHEN SCHÜlERGENERATION MIT IHREN VÄTERN
5. WEN-VEREHRUNG UND SONNENKULT

KAPITEL VI: BESCHNEIDUNG
1. METHODISCHE SCHWIERIGKEITEN BEI DER MATERIAL-SAMMLUNG
2. EXZISION IM BULSA-LAND
3. AUSFÜHRUNG DER BESCHNEIDUNG
4. DAS MÄDCHEN IM ELTERLICHEN UND SCHWIEGERELTERLICHEN GEHÖFT

a) Pobsika und Speisetabus
b) Behandlung der Wunde
c) Gaasika und ponika

5. EXZISION UND GEBURT
6. EINSTELLUNG DER BESCHNITTENEN MÄDCHEN ZUR EXZISION

a) Positive Einstellung zur Exzision
b) Indifferente Haltung
c) Ablehnende Einstellung zur Exzision

7. EXZISION UND SCHULE
8. JUNGENBESCHNEIDUNG

KAPITEL VII: WERBUNG UND HEIRAT
1. HEIRATSVERBOTE

a) Heiratsverbote großer Gruppen
b) Individuelle Heiratsverbote
c) Übertretung eines Heiratsverbots: ein Beispiel
d) Zusammenfassung

2. WERBUNG UND EHESCHLIESSUNG

a) Eheschließung ohne Werbung
b) Kennenlernen und Werbung
c) Hausbesuche
d) Gewaltsame Entführungen
e) Entführung mit Einwilligung der Frau
f) Ältere Formen der Eheschließung
g) Ehelicher Sexualverkehr
h) Das Schließen des Tores (nansiung ligka)
i) Besuch der Brüder
k) Besuch der Brautmutter
l) Arbeiten des Gatten für die Schwiegereltern

3. DIE POLYGYNE EHE
4. EHEBRUCH
5. AUFLÖSUNG DER EHEGEMEINSCHAFT
6. WIEDERVERHEIRATUNG DER FRAU NACH DEM TODE DES MANNES
7. MODERNE TENDENZEN IN DER JÜNGEREN GENERATION

a) Beachtung der Heiratsverbote und vorgeschriebenen Feindschaften
b) Werbung, Heirat und Schule
c) Christentum und Ehe

SCHLUSS
1. DIE ETHNOGRAPHISCHEN DATEN IN EINEM WEITEREN RAHMEN
2. VERGLEICH MIT ANDEREN ETHNISCHEN GRUPPEN NORDGHANAS
3. FUNKTION DER ÜBERGANGSRITEN
4. TRADITIONELLE RITEN IN DER MODERNEN GESELLSCHAFT

ANMERKUNGEN
BENUTZTE LITERATUR
VERZEICHNIS EINIGER BULI-BEGRIFFE
BESCHREIBUNG DER ABBILDUNGEN
ABBILDUNGEN

VERZEICHNIS DER KARTEN, TABELLEN UND GANZSEITIGEN ABBILDUNGEN IM TEXT
GEOGRAPHISCHE ÜBERSICHTSKARTE: SANDEMA DISTRICT
TÄTIGKEIT DER BULSA IM JAHRESZYKLUS
KLIMA WERTE DER STATION NAVRONGO
ÜBERSICHT ÜBER DIE SYNTAKTISCHE STRUKTUR DER BULI-NAMEN TEILNEHMER AN DEN MA-BAGE RITEN IM HAUSE ADEWEEN-YERI
1. Genealogische Übersicht
2. Namen
WENA IM HAUSE ADEWEEN-YERI: GENEALOGISCHE ÜBERSICHT
BOGLUTA UND ANDERE SAKRALE ORTE UND GEGENSTÄNDE IM HAUSE ADEWEEN-YERI
1. Namen
2. Lageplan
WEN-BOGLUTA lN AMOANUNG-YERI (SANDEMA-KALIJIISA)
1. Genealogische Übersicht
2. Namen
3. Bogluta lebender Personen im Innenhof des Yeri-Nyono (Lageplan)
ZEICHNUNG EINES MÄDCHENS IN BESCHNElDUNGSTRACHT
HEIRATSSYSTEM WIAGAS
VERGLEICHENDE ÜBERSICHT EINIGER RELIGIÖSER BEGRIFFE
VERGLEICH RITUELLER TEILSTRUKTUREN

 

EINLEITUNG

1. LANDESKUNDE

Abb.: Karte der ersten Auflage, 1978
Abb.: Karte 2021

a) Geographische Lage und Nachbarethnien
Das Stammesgebiet der Bulsa liegt im äußersten Norden Ghanas von der nördlichen Staatsgrenze (11° nördlicher Breite) nur durch einen etwa 20-25 km breiten Streifen des Nachbarstammes der Kasena getrennt. Die Karte von 1978 gibt Auskunft über zentrale Orte, Verkehrswege, Grenzen und Nachbarstämme der Bulsa. Auf der Karte von 2021 sind außerdem die Grenzen der beiden neuen Distrikte, Bulsa North und Bulsa South verzeichnet. Im Südosten decken sich ethnischen und Verwaltungsgrenzen nicht, denn in den Orten Kunkwa, Jaadem (Giadema), Kategra und nach Aussagen der Bulsa auch in Kpasinkpe, Dibisi, Bulibia, Isiasi spricht man zwar Buli, die Dörfer gehören aber nicht zum Sandema-District der Upper (East) Region, sondern sind der Northern Region zugesprochen worden.
Besuche in Isiasi (Yisesi, 1984 u.a.) und Jaadem (Giadema, 2011) ergaben, dass dieses Mamprusi Dörfer sind, in denen es entweder einige Bulsa Sektionen gibt oder zumindest viele Bewohner Buli sprechen können. Das Dorf Bulibia ist angeblich ausgestorben. Kunkwa und Kategra sind Bulsa-Dörfer, die heute auch gerne wieder verwaltungsmäßig zu einem Bulsa Distrikt zurückkehren möchten. Ein ethnisch ziemlich reines Bulsa Dorf mit einigen später zugewanderten Kasena ist auch Biuk (südlich von Navrongo). Dörfer wie Yikpabongo, Nangruma u.a. konnten als reine Koma Dörfer nachgewiesen werden, deren Sprache zwar mit Buli sehr verwandt ist, deren Kultur sich aber von der der Bulsa deutlich unterscheidet (vgl. Naden 1983/84 and 1986; Kröger 2010 und 2020).

b) Klima und der landwirtschaftliche und rituelle Jahreszyklus [Endnote 1]
Das Gebiet der Bulsa gehört klimatisch gesehen zu den Tropen mit ungegabelter Regenzeit, d.h. das Jahr zerfällt in zwei große Jahreszeiten, in die Trockenzeit (Buli [Endnote 1a]: wenkarik, Pl. wenkarisa) und in die Regenzeit (yue, Pl. yua). Die kürzere Regenzeit (April – Oktober) ist die Zeit des Ackerbaus und eine Zeit, in der das Vieh von Hirten gehütet werden muss, um die zaunlosen Äcker zu schützen. Die heißere Trockenzeit (November – März) ist die Zeit der Feste, rituellen Handlungen, Hauserweiterungen, Hausneugründungen und der Jagd. Der Bauer, seine Söhne oder seine Frau findet aber auch mitunter Zeit für die Anlage eines Trockengartens mit künstlicher Bewässerung, oder der Mann nutzt die Zeit für handwerkliche Tätigkeiten wie Korbflechten, Herstellung von Trittleitern (tiila), usw., während die Frau durch Kalebassenherstellung, Töpferei oder der Produktion von Sheabutter sich einen willkommenen Nebenverdienst schaffen kann.

Abb.: Kayagsa-Stabrassel

In der Regenzeit ruht das rituelle Leben keineswegs vollkommen. Häufig kann man die Böllerschüsse einer Totengedenkfeier oder die Lieder einer heimziehenden Hochzeitsschar hören. Viele Bräuche, Riten und Tätigkeiten {6} sind jedoch streng an bestimmte Jahreszeiten gebunden. So dürfen etwa junge Mädchen ihre kayagsa-Stabrasseln (durchlöcherte Kalebassenscherben, die auf einem Stock aufgereiht sind) nur in der Zeit von der Saat bis zur ersten Ernte der Frühhirse schlagen, und Mädchenbeschneidungen finden fast nur in der frühen Trockenzeit statt.
Für den Europäer wäre die Regenzeit wohl die klimatisch angenehmere Zeit, wenn nicht die starken Regengüsse die Fortbewegung mit einem Fahrzeug erschwerten, da oft kurze Zeit nach einem einsetzenden Regenschauer weite Gebiete unter Wasser stehen. Wie die Klimawerte der Tabelle (Klimawerte…) [Endnote 1b] eindeutig zeigen, ist der März der heißeste Monat, der auch von den Einheimischen als sehr unangenehm empfunden wird, der August der kühlste Monat, in dem viele Bulsa über die kalten Nächte klagen.

c) Bodenbeschaffenheit und Landschaftsbild
Geologisch gesehen liegt das Bulsa-Gebiet am Rande des großen paläozoischen Volta-Beckens, dessen Grenze hier ungefähr mit der Grenze der Northern Region zusammenfällt. Im Bulsa-Land selbst stehen noch ältere Schichten an, wie z.B. metamorphe Laven des Oberen Birrimian im Süden (um Kadema), vor allem aber präkambrische Granitgesteine, die teilweise zu braunen sandigen und steinigen Lehmböden oder stark eisenhaltigen, lateritischen Böden verwittert sind, zum Teil aber in Geröllfeldern, Blockformen oder Felsplatten an die Oberfläche kommen. Diese geben dem zum großen Teil nur schwach bewegten Relief des Landes Abwechslung, bedeuten aber für die Bewohner Landflächen, die in keiner Weise genutzt werden können.
Die Böden selbst sind für die landwirtschaftliche Bearbeitung von unterschiedlicher Qualität, wie die Bodengütekarte im Anhang zu dem Werk von S.V. Adu über die Böden des Navrongo-Bawku-Gebietes [Endnote 2] zeigt. Stark vereinfacht weist der Norden des Sandema-District gute bis mäßig gute Böden auf. Durch die Mitte des Gebietes (um Kanjaga, nördlich von Fumbisi, südlich von Gbedema, um Kadema) zieht sich jedoch ein Streifen recht schlechter Böden, während der Süden (nördlich von Wiesi, südlich von Fumbisi und südlich von Uwasi) die für die Landwirtschaft {7} besten Böden aufzuweisen hat, was auch den meisten Bulsa selbst bekannt ist.
Die Landnutzungskarte bei S.V. Adu [Endnote 3] zeigt, dass die sehr extensiv genutzten Gebiete der Baum-Savanne im Nordwesten und Südosten des Bulsa-Gebietes liegen, während sich von Wiesi bis Chana (Kasena) ein breiter Streifen durch compound farming und Buschfarmen intensiver genutzten Landes zieht.

Abb.: Savannenlandschaft bei Sandema mit grasenden Kühen

Auch bei den Bulsa schwindet die Naturlandschaft immer mehr, denn der Mensch greift stark in das Landschaftsbild ein. Bei der täglichen Brennholzsuche und bei der Aneignung von Bauholz im “Busch” wird rücksichtslos die Axt an junge und alte Bäume gelegt, nur Fruchtbäume (z.B. Adansonia digitata, Anona senegalensis, Butyrospermum karii, Diospyros mespiliformis u.a.) werden stärker geschont, sodass hier eine Selektion durch den Menschen getroffen wird, auf die bereits G. Benneh [Endnote 4] bei den Kusasi hingewiesen hat.
In den letzten Jahren scheint jedoch das Umweltbewusstsein stärker geworden zu sein. Der Sandemnaab und Paramount Chief Azagsuk Azantilow II (ab 2013) fordert in seinen Reden häufig eine Mäßigung in der Rodung von Buschland, vor allem Schibutterbäume sollten gar nicht geschlagen werden, da ihre Früchte und ihre Bearbeitung zu Schibutter Grundlage für einen sich weiter entwickelnden Wirtschaftszweig sein könnte (s. auch Chalfin 2003).
Findet man im Busch oder zwischen den Siedlungen kleine, dichtbewaldete Landflecken, so kann man fast sicher sein, dass es sich hier um ein Heiligtum (tanggbain) handelt, aus dem kein Holz entnommen werden darf. So kann es fraglich werden, ob dieses Stück Land wegen seines dichten Waldbestandes zu einem tanggbain wurde oder ob hier ein dichter Hain entstand, weil dieses Grundstück als Sitz einer Gottheit angesehen wurde.

d) Siedlungen
Die vorherrschende Siedlungsweise ist die Einzelhof-Streusiedlung (dispersed settlement) [Endnote 5]. Nahezu kreisrunde Gehöfte, die von K.B. Dickson [Endnote 6] als Sudanic compound house(s) bezeichnet werden, sind umgeben von intensiv genutzten Feldern (Hirse, Erdnuss, Neri, verschiedene Bohnenarten, Reis usw.) und verteilen sich unregelmäßig über das bebaute Land.
Der Abstand der Gehöfte untereinander ist gewöhnlich so groß, dass man sich vom Flachdach eines Rundhauses mit den Bewohnern der Nachbargehöfte noch durch Rufe verständigen kann. Wichtige Nachrichten, Befehle, Verbote und Einladungen des Häuptlings werden gewöhnlich durch einen Boten zum Haus des Unterhäuptlings (kambon-naab, Pl. kambon-nalima) gebracht. Von dessen Haus wird die Nachricht {8} durch Rufverbindungen (wiika) den anderen Häusern der Sektion übermittelt.
Da sich heute (2021) in fast jeder Familie wenigstens ein Smartphone mit Zugang zu sozialen Netzwerken usw. befindet, haben die “wiika- Netzwerke” stark an Bedeutung verloren und werden in Zukunft vielleicht nur noch für rituelle Veranstaltungen (z.B. Totengedenkfeiern) Anwendung finden.
Die Felder eines Gehöfts reichen nicht immer bis an die Felder des Nachbargehöfts heran. Dazwischen liegen oft kleinere Grasflächen oder Streifen von Buschland, die als Weiden für Schafe und Ziegen oder als Rindertriften benutzt werden.

Abb.: Ein kleines Bulsa Gehöft

Das Bulsa-Gehöft (yeri, Pl. yie) gehört zum Typ des von L. Prussin [Endnote 7] beschriebenen Tallensi Compound und unterscheidet sich stark von den im Westen angrenzenden Sisala-Gehöften [Endnote 8]. Jedes Bulsa-Gehöft hat wenigstens einige Flachdach-Rundhäuser, die von den englisch sprechenden Bulsa als rooms (Buli: dok, Pl. diina) bezeichnet werden [Endnote 9]. In einigen Sektionen (z.B. Sandema-Kalijiisa-Anuryeri) sind Strohdächer ganz verboten, im südlichen Bulsa-Land kann man jedoch strohbedeckte Kegeldachhäuser in größerer Zahl antreffen.
Die Aufteilung eines Bulsa-Gehöftes in einen Viehhof (nankpeeng, Pl. nankpensa) und einen Wohnteil mit verschiedenen Wirtschafts- und Wohngebäuden ist bereits von R. Schott in seinem Buch Aus Leben und Dichtung eines westafrikanischen Bauernvolkes [Endnote 10] beschrieben worden. Dort befindet sich auch ein Grundrissschema mit den Namen der verschiedenen Gebäudeteile [Endnote 11].
Die bauliche und personelle Struktur des sehr großen Gehöfts Anyenangdu Yeri sowie seine Grundrissveränderungen von 1984 bis 1997 (Fig. 14.2 bis 14.6) wurden bereits ausführlich dargestellt (Kröger 2001: 786-863).

Abb.: Grundriss des sehr großen Gehöfts Anyenangdu Yeri in Wiaga-Badomsa (aus Kröger 2001: 823)

In der Nähe eines Marktplatzes wird die Besiedlung gewöhnlich dichter. Hier sieht man auch häufiger Giebeldachhäuser mit rechteckigem Grundriss (z.B. in Sandema,Wiaga, Fumbisi u.a.), die in ihrer Anlage wohl auf europäischen Einfluss zurückgehen. Es wohnen hier nicht nur Bulsa-Händler und -Handwerker, sondern mitunter (z.B. in Sandema) auch Nigerianer (“Lagosians”), Mossi und Kantussi. Europäische Siedlungsformen sind noch sehr selten.
Die Zahl der modernen Bungalows hat sich seit 1974 stark vergrößert. Man findet sie besonders an den Ausfahrtstraßen größerer Orte (z.B. Sandema, Wiaga, Fumbisi). Während mir zu Beginn meiner Forschungstätigkeit (1973) in Wiaga nur ein einziges modernes Mehrstockwohnhaus bekannt war, wurden später mehrere Verwaltungsgebäude und Schulen in allen Teilen des Bulsalandes erbaut. In Kanjaga entstand 2017 das dreistöckige Gebäude einer Senior High School.
In Wiaga befindet sich (seit 1927) das Zentrum der katholischen Mission mit einer großen Rundkirche und mehreren Wohn- und Wirtschaftsgebäuden. Katholische Außenstationen mit Kirchen (chapels) wurden von Wiaga aus in Sandema, Fumbisi, und Chuchuliga gegründet[Endnote 11a]. Von Sandema nahm die presbyterianische Mission (1952) ihren Ausgang. Im östlichen Teil Sandemas steht ihre Kirche mit einigen Nebengebäuden.
An profanen Gebäuden solider Bauart können die Rasthäuser (resthouses) und Stationen von Tierärzten und Landwirtschaftsexperten, die Gebäude der Distriktsverwaltung in Sandema und die Schulen genannt werden {9}.

2. DIE SOZIALE UND POLITISCHE STRUKTUR

Die Bulsa leben in einer segmentären, patrilinearen Gesellschaft mit virilokaler Heiratsordnung. Das System der Lineage und Lineage-Segmente hat große Ähnlichkeit mit dem von M. Fortes [Endnote 12], für die Tallensi beschriebenen. Das genealogische Wissen scheint jedoch bei den Bulsa größer zu sein, denn fast alle lebenden Nachkommen des vor Jahrhunderten aus dem Mamprusi-Lande eingewanderten Urahnen Atuga können (eventuell mit Hilfe eines kundigen Verwandten) ihre Ahnenreihe auf diesen Mann zurückführen. Die nicht-exogame maximal lineage der Nachkommen Atugas zerfällt in größere und kleinere Lineage-Segmente mit verschiedenen Funktionen und Bedeutungen. Die Nachkommen der vier Söhne Atugas leben in vier zentralen Bulsa Ortschaften (tengsa, Sing. teng) [Endnote 13], die wiederum in zusammen etwa 75 auf bestimmte Gebiete lokalisierbare Klansektionen (Buli: diina, Sing. dok, englisch village, section, division) zerfallen, deren Begründer, soweit es sich nicht um “Fremdlinge” oder “Ureinwohner” handelt, Söhne, Enkel oder Urenkel der vier Atugasöhne sein können. In meinem Aufsatz “Who was this Atuga?” (Kröger 2013: 69-88) äußere ich die Vermutung, dass Atuga und seine Familie wohl unter dem Mamprusi König Na Atabia (1760-1775?) Nalerigu verlassen hat, um im Bulsaland zu siedeln (Ibd. S. 77).
Die Klansektionen sind häufig exogame Einheiten (vgl. Kap. VII,1; {S. 241 f.}) und stehen heute politisch unter einem Unterhäuptling (kanbon-naab, englisch headman oder sub-chief), der seine Anweisungen von einem der zwölf Bulsa-Häuptlinge oder direkt vom Oberhäuptling, dem Sandemnaab, erhält13a.
Innerhalb einer Klansektion treten verschieden große Lineage-Segmente, je nach der gemeinsam zu vollziehenden Handlung, in Aktion [Endnote 14]. Übergangsriten sind in erster Linie eine Angelegenheit der Hausgemeinschaft (Buli: yeri oder yeni dema; M. Fortes [Endnote 15] und J. Goody: domestic family; B. Grindal [Endnote 15a]: domestic household). Daher soll diese soziale Gruppe (es handelt sich nicht immer um ein Lineagesegment) hier näher beleuchtet werden, zumal wesentliche Unterschiede zu den Tallensi, LoWiili u.a. zu bestehen scheinen.
M.Fortes [Endnote 16] untersuchte bei den Tallensi ein Sample von 61 domestic families und gliederte sie dann in folgende Untergruppen {10}:

Typ A [Endnote 17]: elementary families (Mann, seine Frau oder Frauen, seine Kinder und eventuell noch seine Mutter),
Typ B: Familien, in denen das Oberhaupt der Vater der anderen männlichen Erwachsenen ist,
Typ C: Familien, in denen das Oberhaupt der ältere Bruder von einem oder mehreren der männlichen Erwachsenen ist,
Typ D: Familien, in denen das Oberhaupt der Großvater der anderen männlichen Erwachsenen ist.

J. Goody [Endnote 18] wendet das gleiche Einteilungsschema auf ein Sample von 31 domestic families in Tʃaa an. Das Ergebnis soll hier mit den Zahlen von M. Fortes und mit den Daten einer von mir untersuchten Einheit (Sandema-Kalijiisa-Yongsa) von 20 domestic families tabellarisch verglichen werden [Endnote 19].

{11} Geht man davon aus, dass M. Fortes und J. Goody in ihren Definitionen der Wohnfamilientypen unter fathers, brothers usw. nicht klassifikatorische Väter und Brüder verstehen, so lässt sich feststellen, dass 50 % der Bulsa domestic families sich nicht in das Schema von Fortes und Goody einordnen lassen, weil sie viel komplexere Strukturen aufweisen. M. Fortes sagt von den Tallensi [Endnote 20]:

All the men of a joint family [Endnote 21] are therefore related to one another through a common father or grandfather or, infrequently, great grandfather.

Dies trifft, wie oben schon angedeutet, für die Bulsa nicht zu. Einige Darstellungen von genealogischen Strukturen für die in der Tabelle unter “andere Struktur” aufgeführten domestic families sollen dies zeigen:

Abb.: AMOANUNG-YERI (KALIJIISA-YONGSA) [Endnote 22]
(ausgefüllte Symbole: lebende Mitglieder der domestic family, YN: yeri-nyono, Hausherr, Familienoberhaupt)
Namen zur genealogischen Übersicht und zu den Lageplänen
(Gleiche Nummern wie Kap. V,3d; {S.184}
7. Amobana, 8. Ajiak, 9. Asiadi, 10. Anyaribe, 11. Ayomo, 12. Amoanung (Erbauer des Gehöfts Amaonung Yeri), 13. Ateng, 14. Akajoluk, 15. Akonlie, 16. Awarikaro, 17. Akamaboro, 18. Awaabil, 19. ? 20. Anyalape, 21. Achimalie, 22. Angang, 23. Asinieng, 24. Abalansa, 25. Afankunlie, 26. Adocta, 27. Azonglie, 28. Apatanyin, 29. Abamagsimi, 30. Abenab, 31. Asagi, 32. Abankunlie, 33. Akankpewen, 34. Apogma, 35. Afenab, 36. (aus Siniensi), 37. Asiensalie, 38. Kofi, 39. Afua, 40. Talata, 41. Kind noch ohne Namen, 42. Baba, 43. Comfort, 44. Alice, 45. Timothy, 46. Mary, 47. Azangbiok, 48. Awatie, 49. Martin Assibi, 50. Kwabena, 51. Angawomi, 52. Assibilie, 53. Kwabena, 54. Lariba, 55. Aguare, 56. Talata, 57. Achipagrik, 58. Aghana, 59. Anamoanung (Anamuning), 60. Akuruma, 61.? 62.? 63. Adocta (in Siniensi)

{12} Wie das Beispiel zeigt, liegt der gemeinsame Ahnherr der älteren männlichen Erwachsenen des Hauses vier Generationen zurück. Ein noch komplexeres Bild ergibt sich bei den Hausgemeinschaften von Anagba-yeri (A; Symbole umrandet) und Agbedem-yeri (B; Symbole ausgefüllt):

Die Person a lebt in der Wohngemeinschaft B, obwohl sie zur Familie A in einem viel näheren verwandtschaftlichen Verhältnis steht. Der yeri-nyono (Hausherr) von B müsste a “Vater” (ko) nennen, da a zu einer älteren Generation gehört; a kann jedoch nie in B yeri-nyono werden, sondern nur in A; a opfert jedoch seinem Vater b im Hause der Familie B, bei deren Ahnenschreinen (wen-bogluta, Sing. wen-bogluk) sich auch der wen-bogluk von b befindet.
Außerhalb der hier gewählten Untersuchungseinheit Yongsa ließen sich genealogisch noch komplexere Hausgemeinschaften aufzeichnen. In manchen Fällen ist den Hausbewohnern angeblich nicht mehr bekannt, wie sie miteinander verwandt sind. Mitunter mag es sich um Nachkommen von Fremdlingen oder Sklaven handeln, die ganz in die Hausgemeinschaft aufgenommen wurden. Haben diese Gruppen sich auch im Laufe der Zeit eine große Selbständigkeit auf wirtschaftlichem Gebiete angeeignet (sie dürfen mitunter eigene Rinder besitzen), so ist der Hausherr doch in ritueller Hinsicht allein für das Wohl des Hauses verantwortlich. Wie die folgenden Darstellungen der Bulsa Übergangsriten zeigen, spielt er bei diesen Riten gewöhnlich eine größere Rolle als etwa der Vater (genitor) der Person, an der die Riten vollzogen werden {13}.
Die politische Struktur des Bulsalandes hat sich seit 1974 stark verändert. Während dieses zur Zeit meines ersten Forschungsaufenthaltes (1973-74) noch aus einem Distrikt mit der Verwaltungshauptstadt Sandema und zwölf Häuptlingstümer unter dem Paramount Chief Azantilow, dem Sandemnaab, bestand, wurde das Gebiet am 29.6.2012 in zwei Distrikte geteilt: dem Bulsa North mit Sandema und dem Bulsa South District mit Fumbisi als Hauptstadt (siehe oben Karte 2021). Die Stellung des Paramount Chiefs wurde hiervon nicht betroffen, bis 2018 mehrere “paramountcies” geschaffen wurden: Fumbisi, Kanjaga, Wiaga, Siniensi und Gbedema.

3. ETHNOGRAPHISCHE LITERATUR

a) Bulsa
Ethnographische Angaben über die Bulsa finden sich in älteren Werken, die auf Feldforschungen beruhen, nur vereinzelt. Gewöhnlich erscheinen nur einige spärliche Bemerkungen in Büchern, die ethnische Gruppen einer viel größeren Untersuchungseinheit beschreiben [Endnote 23]. Sehr gering ist auch die Ausbeute, wenn man diese Literaturstellen auf Darstellungen von Übergangsriten hin untersucht.
Schon Binger [Endnote 24] machte 1892 eine kurze Bemerkung über die Bulsa Stammesnarben, auf die später noch einmal eingegangen werden soll.
In einem Kapitel über die Bouras, die auch nach R. Schott [Endnote 25] und K. Dittmer [Endnote 26] wohl mit den Bulsa gleichgesetzt werden können, bringt L. Tauxier [Endnote 27] einige Angaben über die sozialen Verhältnisse und die Religion der “Bouras”, lehnt sich aber in seiner Darstellung stark an die vorausgehende Beschreibung der Nankanas an.
L.Tauxier behauptet, dass es bei den “Bouras” die Einrichtung des Brautpreises gibt, während A.W. Cardinall [Endnote 28] einige Jahre später feststellt, dass die Kasena und Bulsa keinen Brautpreis kennen. Die Aussage Cardinalls stimmt mit den von mir gemachten Beobachtungen überein, wenn man nicht die kleinen Geschenke an die Eltern der Braut als Brautpreis bezeichnen will. An diese Geschenke denkt Tauxier jedoch nicht, denn er macht konkrete Angaben über den Brautpreis, zu dem noch die Geschenke an die Eltern hinzugeschlagen werden müssen (S. 281f.):

Chez les Bouras la dot est de 10.000 cauris payés au moment du mariage, plus une prime à la famille, au fur et à mesure des enfants que celle ci vous donne. Ainsi pour un premier enfant on donne deux bœufs, pour un second on ajoute un bœuf, pour un troisieme on ajoute encore un bœuf, mais on ne va jamais {14}au delà de quatre bœufs – C’est le maximum. Du moins est-ce ainsi que cela se pratique à Sinésé. A Bationsé, la dot est fixe et non variable: on donne 10.000 cauris et deux vaches [Endnote 29]…

Bei einer Ehescheidung wird nach Tauxier (S. 284) der Brautpreis [Endnote 30] niemals zurückgefordert, selbst dann nicht, wenn die Frau ihrem Mann keine Kinder geboren hat. Folgende Begründung wird gegeben (S. 285):

Du reste, les maris ne se risquent pas à la réclamer, car, s’ils le faisaient, me dit un de mes interlocuteurs, ils ne pourraient jamais trouver dans le village une autre femme.

Die Begründung scheint mir nicht ganz stichhaltig zu sein, besonders wenn man unter village eine Klansektion (englisch village) versteht, denn welcher Ehemann würde nicht auf die Heiratsmöglichkeit in einer einzigen von über hundert Bulsa-Sektionen verzichten, wenn er dadurch einen stattlichen Brautpreis zurückbekäme? Eine ähnliche wie die oben abgegebene Erklärung haben mir jedoch einige junge Bulsa für die Situation der Werbung gegeben. Es sei oft vorteilhafter, nach einer erfolglosen Werbung die kleinen Werbegeschenke (Münzen, Salz, Kolanüsse usw.) nicht zurückzufordern, da man sonst aus der Sektion nur schwerlich ein anderes Mädchen heiraten könne.
Andere Aussagen Tauxiers, die für die Themenstellung dieser Arbeit relevant wären, wie z.B. der “Haushalt zu dritt” oder die Einstellung der “Bouras” zum Ehebruch und zum vorehelichen Sexualverkehr, sollen hier nicht diskutiert werden, da sich Tauxier auf den Ort Savélou beruft und dieser Ort wohl nicht zum Bulsa-Gebiet gehört, nach R. Schott [Endnote 31] möglicherweise mit der Dagomba-Stadt Savelugu identisch ist.
Im Jahre 1932 erschien die erste Auflage von R.S. Rattrays zweibändigem Werk The Tribes of the Ashanti Hinterland, in dem der Verfasser auf gut fünf Seiten (S. 398 – 403) die “Geschichte, Stammes- und Klanorganisation” (History, Tribal and Clan Organization) der Bulsa behandelt. Auf S. 400 bringt er auch einige Bemerkungen und eine Zeichnung über die Bulsa Stammesnarben (tribal marks). Leider ist ihm dabei wohl der Fehler unterlaufen, die kleineren Narben, die einem Kind nach vorausgegangenen Fehlgeburten (vgl. Kap. IV,5 {S. 128ff.} der vorliegenden Arbeit) {15} gegeben werden, als Teil der Stammesnarben aufzufassen. Vor allem in Kanjaga, dem Heimatort von Rattrays Informanten, werden die kleinen biakasung (Fehlgeburts)-Narben und die Stammesnarben in sich kreuzender Form geschnitten, wie sie in Rattrays Skizze dargestellt ist. Es war dem Verfasser jedoch schon aufgefallen, dass die langen Schnitte (long cuts) auch ohne die kleineren Querschnitte vorkommen und umgekehrt. Dass diese Narben die Funktion der Stammesidentifizierung haben sollen, scheint ihm (mit Recht) zweifelhaft. Es ist mir nicht bekannt, ob Rattray das 1924 erschienene Werk von C.H. Armitage über The Tribal Markings and Marks of Adornment of the Natives of the Northern Territories of the Gold Coast kannte, in dem der Autor schon Angaben über Bulsa-Narben nach Fehlgeburten macht.
Auf S. 403 seines Werkes erwähnt Rattray die weibliche Beschneidung, die er incision nennt, und auch das heute fast ausgestorbene Anfeilen der Schneidezähne, das nach meinen Erkundigungen in früherer Zeit besonders in Kanjaga üblich war. Im Schlusssatz (S. 430) stellt Rattray über die Bulsa fest:

Their other customs, like themselves, appear to be a mixture of Nankanse and Kasena-Isala practices. The former have been fully dealt with elsewhere and I will leave an investigation of the latter until I come to examine these rites in their purer state practised by these Kasen- or Isal-speaking tribes themselves.

Meines Erachtens kann selbst heute noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, welche Ethnie Nordghanas einer anderen Ethnie Riten und Bräuche übermittelt hat oder welches Erscheinungsbild als “rein” oder als “Mischung” zu betrachten ist. Solange nicht ein kulturhistorischer Einfluss der Nankanse und Kasena-Isala auf die Bulsa nachgewiesen ist, wäre es genauso gut denkbar, dass die Bulsa ihre Nachbarstämme beeinflusst haben oder, was mir wahrscheinlicher vorkommt, dass alle erwähnten Ethnien sich von einem gemeinsamen Fundament aus kulturell und rituell weiterentwickelt haben {16}.
Nach Rattrays Werk folgen Jahrzehnte, in denen nichts Wesentliches über die Bulsa erscheint, so dass K. Dittmer [Endnote 32] 1959 die Bulsa in eine Liste von Stämmen einreiht, die bisher nur unzureichend erforscht wurden.
1970 erscheint das erste Werk, das sich ausschließlich mit den Bulsa befasst: R. Schott: Aus Leben und Dichtung eines westafrikanischen Bauernvolkes [Endnote 33], und in den darauffolgenden Jahren erscheinen vom gleichen Verfasser weitere Aufsätze über die Bulsa (s. Bibliografie). Für meine Arbeit war das oben genannte Werk von größerer Bedeutung. Auch wenn es nur wenig Material über Übergansriten enthält, liefern doch besonders die Kapitel III (Teng: Die Erde im Leben der Bulsa) und IV (Wen: Himmel und Ahnen im Leben der Bulsa) eine gute Einführung in das religiöse Leben der Bulsa, die dieser Arbeit zunutze kam. Wichtiger aber noch für die Vorbereitung und Durchführung meiner Arbeit war es, dass mir unveröffentlichtes Feldforschungsmaterial R. Schotts aus den Jahren 1966/67 und 1974/75, soweit es für meine Arbeit relevant war, dankenswerterweise vom Verfasser zur Verfügung gestellt wurde und zusammen mit meinen eigenen Feldnotizen ausgewertet werden konnte.
Nach 1974 hat sich die Lage in Bezug auf primäre Literatur über die Bulsa grundlegend verändert. Es waren vor allem Mitglieder des Instituts für Ethnologie der Universität Münster (R. Schott, B. Meier, D. Blank, U. Blanc. S. Dinslage und F. Kröger), von denen in der Zeit bis 2021 etwa 170 Publikationen über die Bulsa erschienen.
Während R. Schott sich der Erzählforschung, der traditionellen Religion, rechtsethnologischen Fragen und vielen anderen Themen widmete, untersuchte Doris Blank (1981) die traditionellen Organisationsformen der Bulsa. Barbara Meier schrieb ihre Doktorarbeit über das doglientiri-Verhältnis und publizierte danach weitere Publikationen über dieses Thema. Später widmete sie sich in besonderem Maße der Migrationsforschung. Ulrike Blank schrieb ihre Magister- und Doktorarbeit über musikethnologische Themen. Franz Kröger veröffentlichte Bücher und Zeitschriften über folgende Themen: Religionsethnologie, Geschichte, materielle Kultur und afrikanische Linguistik (1992 erschien das erste Buli-English Dictionary).
Als Forscher des Afrikanischen Studienzentrum verfasste Konings mehrere Artikel über…
Mehrere Linguisten aus verschiedenen Ländern befassten sich ausgiebig mit der Buli Sprache. Britische Linguisten (z.B. Ian und Claire Gray, Todd Poulter, Robert und Nancy Schaefer, Paul Dancy) stellten die Ergebnisse ihrer Forschungen zum Buli dem GILLBT (Ghana Institute of Linguistics, Literacy and Bible Translation) zur Verfügung. Hier sollte auch erwähnt werden, dass durch die zahlreichen, meistens anonymen Veröffentlichungen durch GILLBT ein reichlicher Corpus von Schriften in der Buli Sprache entstanden ist, der nicht nur Bibelübersetzungen sondern auch Themen aus fast allen Lebensbereichen erfasste (s. Buluk 2, 2001: 34).
Zahlreiche linguistische Publikationen entstanden auch als Arbeiten von Anne Schwarz (Berlin) und George Akanlig-Paare (Legon).
In neuerer Zeit hat die Zahl der Bulsa, die über ihre eigene Kultur schreiben, zugenommen. Häufig, aber nicht immer, sind ihre Schriften unveröffentlichte Examensarbeiten, z.B. von J. Agalic, R. Apeintiik, F.A. Azognab, St. Azundem, J. Aduedem. Auszüge aus ihren Arbeiten wurden zum Teil in der Buluk Zeitschrift veröffentlicht (siehe Bibliografie).
Ein großes Eigeninteresse an der Bulsa Kultur fand auch Ausdruck in den Schriften und Materialsammlungen von James Agalic, John A. Agandin und Joseph Aduedem (siehe Bibliografie).

b) Benachbarte ethnische Gruppen
Befragt man Bulsa über die Riten benachbarter Stämme, so erhält man oft die verallgemeinernde Antwort, dass es bei “denen” so ähnlich gemacht werde wie bei den Bulsa, es gebe nur kleine Unterschiede. Dies ist nicht weiter verwunderlich, wurden doch alle Nachbarstämme mit vielen anderen schon früh einem gemeinsamen Kulturkreis zugeordnet, der allgemein der Volta-Kulturkreis genannt wird. Ein kritischer Vergleich der Bulsa-Riten mit denen benachbarter Stämme, soweit diese durch die Literatur bekannt sind, würde aber den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Hier soll vor allem auf einige wichtige ethnographische Darstellungen über ethnische Gruppen Nordghanas verwiesen werden [Endnote 35]. Wiederum führt kein Weg an den Werken von Tauxier [Endnote 36], Cardinall [Endnote 37] und Rattray [Endnote 38] vorbei. Letzterer behandelt z.B. ausführlich die wichtigsten Übergangsriten bei den Nankanse (Bd. 1, S. 130 – 214), die aber {17} auch paradigmatisch für die anderen Stämme des Aschanti Hinterlandes gelten sollen. Das Aschanti Hinterland wird also auch von Rattray in starkem Maße als kulturelle Einheit betrachtet.
Herausragend unter den Ethnographien über Ethnien Nordghanas sind die Darstellungen von M. Fortes über die Tallensi, vor allem die beiden Hauptwerke The Dynamics of Clanship among the Tallensi (1945) und The Web of Kinship among the Tallensi (1949). Da Fortes vor allem Beziehungen zwischen verschiedenen Lineage-Segmenten, aber auch zwischen exogamen Klanen behandelt, ist es nicht verwunderlich, dass von den für meine Arbeit relevanten Themen vor allem Heiratsmöglichkeiten und -verbote, Werbung, Ehescheidung, Wiederheirat usw. einen breiten Raum einnehmen, aber auch Themen wie “Zeugungstheorie” (Theory of Conception), Schwangerschaft, Geburt, Gesichtsnarben und Exzision kommen zur Sprache.
Über das persönliche Yin (Buli: wen) schreibt Fortes [Endnote 39], dass dieses auch bei den Tallensi einen schicksalsbestimmenden Einfluss auf den Menschen ausübt. Generationskonflikte lassen sich aus dem Antagonismus zwischen dem Yin des Vaters und Sohnes erklären. Während diese Aussagen auch für den wen-Begriff der Bulsa zutreffen, stellt Fortes jedoch für die Tallensi fest, dass das Yin schon vor der Geburt den menschlichen Schicksalsweg festlegen kann [Endnote 40] und dass bestimmte Ahnen sich einem jungen Mann nach einem Unglücksfall oder einer Krankheit als sein Yin offenbaren können (… his ancestors so and so, and so and so, are thus revealing themselves as his Yin [Endnote 41]). Der junge Mann baut hiernach einen Schrein für die betreffenden Ahnen, denen er seitdem Opfer darbringt. Eine solche Verbindung zwischen Ahnen und persönlichem wen gibt es beiden Bulsa nicht.
Für die ethnischen Gruppen im Nordwesten des heutigen Ghana erschienen in neuerer Zeit einige Werke von J. Goody [Endnote 42], auf die an anderer Stelle dieser Arbeit noch näher eingegangen wird [Endnote 43].
In K. Dittmers Monographie Die sakralen Häuptlinge der Gurunsi im Obervolta-Gebiet (Westafrika) [Endnote 44] interessieren in unserem Zusammenhang vor allem seine Ausführungen über das kwara der Kasena und Nuna, das er so definiert (S. 139): {18}

Ein kwara ist ein Fetisch, der seinen Besitzer zu einem bestimmten Amt bzw. Beruf befähigt und seiner Tätigkeit Erfolg und Schutz gewährt.

Neben Haus-kwara und Ackerbau-kwara besitzt fast jedes Haus auch Kinder-kwara. Über ihre Errichtung schreibt er (S.138):

Am dritten bzw. vierten Tag nach der Geburt eines Knaben oder Mädchens erhält das Kind vom pater familias seinen Namen und wird mit einem Huhnopfer dem Schutz des Hauskwaras anempfohlen. Zugleich wird eine etwa faustgroße Kugel aus heiliger Erde vom Erdaltar, mit Mehl von kleinkörniger Hirse gemischt, geformt, das ist das Kinder-kwara. Es wird mit Hirsewasser, einem Huhn und einem größeren Tier – etwa einem Schaf – beopfert und erst neben das Neugeborene gelegt.

Eine ähnliche Rite, die in manchem an die wen-piirika erinnert (Kap.V,2  {S. 146 ff.}), existiert bei den Bulsa nicht.
Nachdem auch die Isala (Sisala) Nordghanas lange Zeit zu den wenig erforschten Stämmen zählten [Endnote 45], erschienen in den letzten Jahren gleich zwei Monographien. In der ersten fasst E.L. Mendonsa [Endnote 46] das bisher vorhandene Material über die Isala (Tauxier, Rattray, Cardinall, Zwernemann u.a.) zusammen und analysiert es, die zweite Arbeit von B. Grindal [Endnote 47] beruht auf eigenen Feldforschungen des Verfassers. Auch Übergangsriten sind in Grindals Forschungsbereich eingeschlossen. Neben manchen Ähnlichkeiten mit Bulsa Praktiken (z.B. Geheimhaltung der Schwangerschaft bis zum Wasserschütten) enthalten die Isala-Riten doch eine ganze Reihe von Einzelelementen, die bei den Bulsa unbekannt sind (z.B. ein Ringkampf zwischen je einem Jungen aus dem Hause des Gatten und der Gattin, nachdem die Schwangerschaft bekanntgegeben wurde).
Hingegen weist eine neuere Monographie über die Dagomba, Growing up in Dagbon (1974) von Chr. Oppong, in ihrer Darstellung von Übergangsstadien im Leben des Dagomba-Kindes und den damit verbundenen Riten (S. 33-37) stellenweise starke Ähnlichkeiten mit {19} Riten und Auffassungen der Bulsa auf, z.B. in der Zeugungstheorie (körperliche Abstammung des Kindes nur vom Vater), Geheimhaltung der Schwangerschaft, Bekanntmachung der Schwangerschaft durch eine Schwester des Gatten (aber nicht durch Wasserschütten) und in der vorläufigen Benennung eines neugeborenen Kindes (Saando oder Saanpaga = Fremdling; Buli: Asampan oder Ajampan; vgl. Buli nichano= Fremdling). Größere Abweichungen der Dagomba-Riten von denen anderer benachbarter Stämme können mitunter durch islamischen Einfluss erklärt werden, so z.B. die islamische Namensgebung mit Zirkumzision des männlichen Kindes, die zuweilen nach einer traditionellen Namensgebung erfolgt (Oppong, S. 36). Bei dieser kann ein Wahrsager den Ahnen herausfinden, der im Kind wiedergeboren wurde und zu dem das Kind während seines ganzen Lebens in einem besonders engen Verhältnis steht (vgl. Schutzgeistfunktion eines Ahnen bei den Bulsa, Kap. IIIA,3,d; {S. 79ff.}).
Über die Kusasi im äußersten Nordosten Ghanas erschien nach mehreren kürzeren Ausführungen in Werken mit umfassenderen Fragestellungen [Endnote 48] und einer Arbeit von J.K. Syme [Endnote 49], die außer einigen Bemerkungen über Tod und Bestattungen keine Übergangsriten behandelt, im Jahre 1967 eine Monographie von E. Haaf [Endnote 50], die sich zwar als medizinisch-ethnologische Studie bezeichnet, aber auch Riten und religiöse Vorstellungen der Kusasi in einem so präzisen Maße abhandelt, dass ein Vergleich mit den Riten der Bulsa durchgeführt werden kann. In folgenden Punkten herrscht z.B. eine sehr große oder völlige Übereinstimmung mit den religiösen Vorstellungen, Handlungsweisen und Riten der Bulsa:

1. Eine Schwangere darf keinen Honig essen.
2. Die Geburt wird durch Betäubungsmittel erschwert.
3. Bei einer schweren Geburt oder einer Fehlgeburt liegt oft eine Schuld der Gebärenden vor.
4. Die Nachgeburt wird zwischen zwei zerbrochenen Töpfen beim Gehöft begraben.
5. Das männliche (weibliche) Kind wird nach 3 (4) Tagen aus dem Haus (Buli dok) geführt.
6. Bei vorausgehenden Fehlgeburten werden am Kind Verstümmelungen vorgenommen {20}.
7. Kleinkinder können wiedergeboren werden.
8. Bei Neumond geborenen Kindern hängt man einen Metallmond um.
9. Ahnen werden bei den Namensgebungen Schutzgeister der Kinder.
10. Die Hauptkriterien, nach denen Namen gegeben werden, sind bei beiden Ethnien ähnlich.
11. Wochentagsnamen werden besonders für Mädchen gewählt.
12. Ein Kind, das nach mehreren Fehlgeburten geboren wird, erhält den Namen “Sklave” und man schneidet ihm “Sklavennarben”, um die bösen Geister zu täuschen.
13. Bei Mädchen (gewöhnlich im pubertären oder vorpubertären Alter) wird die Exzision (Klitoridektomie; bei den Kusasi auch mit Sicherheit Beschneidung der kleinen Labien) ausgeübt.
14. Es gibt keine traditionelle Jungenbeschneidung (Zirkumzision).
15. Es gibt keine Initiationsfeiern für Jugendliche.
16. Es gibt zwei Arten von Hochzeitsbräuchen: Entführung des Mädchens und Absprache mit den Eltern (letztere wird von den Bulsa besonders als Brauch vergangener Zeit angesehen).

Nach all diesen Übereinstimmungen können nur wenige Abweichungen in den Riten der beiden Ethnien erwähnt werden; allerdings kann nie mit Sicherheit angenommen werden, dass es eine bestimmte Rite bei den Kusasi nicht gibt, wenn sie in Haafs medizinisch-ethnologischen Studie nicht erwähnt wird.

1. Es scheint bei den Kusasi keine “Verkündigung der Schwangerschaft” mit Wasserschütten zu geben.
2. Nach der Geburt scheint man nicht “Asche zu blasen”, sondern Asche wird zusammen mit der Nabelschnur in einen Bach geworfen.
3. Nach einer Fehlgeburt kann bei den Kusasi ein Fremdling eine Art “Patenstellung” für ein Kind übernehmen. Das Kind wird nach dem Stamm des Fremden benannt.
4. Die Kusasi kennen einen echten Brautpreis (z.B. vier Kühe und andere Zahlungen).
5. Nach einem Ehebruch schlagen sich die Schuldigen nicht mit einem Huhn, wie es bei den Bulsa Brauch ist, sondern man tötet nur ein Huhn, um die Erde wieder zu versöhnen {21}.

Die größten Unterschiede scheint es überraschenderweise in der Auffassung der Begriffe wen (Kusal: win; Haaf, S. 23: … eine zweite, unsterbliche, vorwiegend geistige Existenz) und chiik (Kusal: siik, Haaf, S. 29:.. ein vitales Prinzip, das eng mit dem Schicksal des Körpers verbunden ist) zu geben. Nach der Vorstellung der Kusasi kommt das win schon vor der Geburt vom Himmel herab, nachdem es sich von Gott (widnam) sein Lebensschicksal selbst wählen durfte [Endnote 51]. Das (Haaf: “der”) win wird von einem Mann (z.B. durch Trinken von Wasser) aufgenommen und wird von diesem im Geschlechtsakt an die Frau und von dieser an das Kind weitergegeben. Erst im “heiratsfähigen Alter” (S. 24) errichtet ein junger Mann seinem win einen bagr(i) (“Altar”; Buli bogluk), indem er etwas Erde in einem Horn von der Stelle holt, wo das win vom Himmel zuerst herabgekommen ist. Das Horn wird auf den errichteten Lehmaltar gelegt. Ein wen-Stein (Buli tintankori, Pl. tintankoa) wird von E. Haaf in diesem Zusammenhang nicht erwähnt {22}.
Auf alle Publikationen nach 1978 über Ethnien Nordghanas einzugehen, würden den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Ich möchte hier nur auf die Arbeiten einiger Autoren erwähnen, die außer den genannten für mich sehr nützlich waren, allerdings sich meistens weniger mit Übergangsriten befassen: J.Allman/J. Parker (Tallensi), S. Dinslage (Beschneidungen), S. Drucker-Brown (Mamprusi), B. Grindal (Sisaala), C. Lentz (NW-Ghana), E. Mendonsa (Sisaala), V. Riehl (Tallensi).

4. ABGRENZUNG UND DISKUSSION DER THEMENSTELLUNG
Der Begriff Übergangsriten (frz. rites de passage; engl. rites of passage; rites of transition; rites of a life crisis) wird in der ethnographischen Literatur recht häufig, aber oft kritiklos und mit unterschiedlichen Bedeutungsinhalten gebraucht.
Wenn im Wörterbuch der Religionen [Endnote 52] die Rites de Passage (in einem engeren Sinne) als Reinigungsbräuche bezeichnet werden, so entspricht diese Auslegung wohl nicht dem allgemein üblichen Sprachgebrauch. Im weiteren Sinne sind Rites de passage nach der Definition des Wörterbuchs “Übergangsriten wie die Jugendweihen und Initiationsriten oder sonstige Weihen von entscheidenden Lebensabschnitten (Hochzeit)”. Auch die Bezeichnung Weihe trifft m.E. nur sehr ungenau die mit einzelnen Lebensabschnitten verbundenen Riten, und als weitere Beispiele für Übergangsriten hätte man in der Definition wenigstens noch Geburtsriten und Bestattungsriten erwartet.
Bei den meisten Autoren scheint Einmütigkeit darüber zu bestehen, dass die Riten, die an entscheidenden Lebensabschnitten den Aufstieg in eine andere Position begleiten, als Übergangsriten bezeichnet werden können. In der Frage, welche Riten nun aber genau dieser Kategorie zuzuschreiben sind, gehen die Meinungen auseinander. So schreibt etwa P. Sarpong [Endnote 53]:

All over Africa, and, in fact, all over the world, significant rituals and ceremonies are, with varying degrees of intensity and seriousness, performed at the three major turning points of a man’s life. In the so-called primitive societies, these rites are collectively termed Rites de Passage (Rites of passage from one stage to another).
The crucial turning points are generally held to be:
(1) the time a person enters the world through birth,
(2) when he comes of age, and enters the world of adults,
(3) when, through death, he departs from this world and enters the world of his forebears.

{23} Auch in anderen Darstellungen, z.B. bei E. Dammann [Endnote 54], werden unter Übergangsriten oft die Riten der Übergangsstadien Geburt, Initiation und Tod verstanden. G. Parrinder [Endnote 55] nennt als Übergangsriten “… birth, adolescence, marriage and death, and for some people ordination as well…” Auch diese Ausfüllung des Begriffs “Übergangsriten” scheint mir für die Behandlung meiner Themenstellung noch etwas zu eng zu sein, zumal A. van Gennep [Endnote 56], der den Begriff rites de passage geprägt hat, ihn in einem weiteren Rahmen gesehen hat, denn Übergangsriten werden von ihm alle Riten genannt, die Krisen im Leben des Menschen begleiten und die drei Phasen Trennung (separation), Übergang (marge) und Neueinfügung (agrégation) erkennen lassen. Als typisches Situationen, die von Übergangsriten begleitet sein können, nennt van Gennep z.B.: Geburt, Adoption, Initiation, Übergang in eine andere Altersklasse, Verlobung, Heirat, Schwangerschaft und Bestattung, wenn er auch betont, dass nicht alle Geburts-, Initiations-, Heiratsriten usw. nur Übergangsriten sind [Endnote 57]:

Aussi les cérémonies du marriage comportent-elles des rites de fécondation; celles de la naissance, des rites de protection et de prédiction; celles des funérailles, des rites de défense; celles de l’initiation, des rites de propitiation; celles de l’ordination, des rites d’appropriation par la divinité, etc.

Andererseits können auch Riten an der Türschwelle, Begrüßungsriten, Riten bei einer Flussüberquerung oder bei Hausgründungen Übergangsriten enthalten [Endnote 58]. Sollten all diese Riten in dieser Arbeit mit behandelt werden, so hätte das Aufgabenfeld beträchtlich erweitert werden müssen, denn bei den Bulsa sind einige der erwähnten Riten sehr ausgeprägt und von großer Bedeutung.
Die obligatorische, ausgedehnte und in vielen Einzelheiten festgelegte Begrüßung eines Gastes vor dem Gehöft kann nur schwerlich als reine Höflichkeitsformel angesehen werden, und die Riten bei der Begründung eines neuen Gehöfts ähneln in mancher Beziehung sehr stark den Riten, wie sei z.B. bei Geburt und Beschneidung ausgeführt werden (vgl. Schluss 3; {S. 326f.}), so dass man aus dieser Sicht A. van Gennep zustimmen muss {24}.
Ausgehend von A. van Genneps Auffassung müssten sogar noch andere, von ihm nicht ausdrücklich erwähnte Beispiele für Übergangsriten in den Themenkreis dieser Arbeit aufgenommen werden, allem voran wohl die Riten, die mit der ersten Reise eines Bulo in den Süden Ghanas verbunden sind, zumal sie die drei Phasen Trennung, Übergang und Wiedereinfügung in klarer Form zeigen. Mit anderen “Übergangsriten” (Riten bei der Geburt, Beschneidung, Gehöftgründung, Schlangenbiss) haben sie vor allem das Ritual der gaasika gemein (Vgl. Kap. II,6 und Kap. VI,4c). Die gaasika-Riten wären von van Gennep vielleicht als typische Wiedereinfügungsriten bezeichnet worden, da sie die rituelle Sonderstellung eines Menschen mit allen Verboten und Geboten aufheben. Der aus Südghana heimkehrende Bulo wird nach vollzogenem Ritus in einem anderen sozialen Zusammenhang gesehen: Er gehört jetzt zur Gruppe derer, die außerhalb des Elternhauses in einer “feindlichen” Umgebung Erfahrungen gesammelt haben. Die Exklusivität dieser Gruppe zeigt sich z.B. darin, dass nur “Südwanderer” an dem gaasika-Essen eines von der ersten Südfahrt heimgekehrten Stammesangehörigen teilnehmen können.
Wenn in dieser Arbeit weder die engere (S. 22 f.) noch die weitere Festlegung des Begriffes “Übergangsriten” (durch van Gennep) als Richtlinie für die Auswahl der hier zu beschreibenden Riten gewählt wurde, so geschah dies nicht, um eine weitere Definition von Übergangsriten den erwähnten entgegenzustellen. Andere Gründe waren maßgebend.
Ausgangspunkt für die Arbeit sollte nicht eine Begriffsbestimmung sein, sondern der junge Mensch, der in der Gemeinschaft seiner Stammesbrüder aufwächst und in bestimmten Lebensabschnitten oder -krisen die traditionellen Riten seines Stammes an sich erlebt und sich mit ihnen auseinander setzen muss. Aus diesen Gründen wurde es auch hier angebracht gehalten, häufiger junge Bulsa mit modernen Einstellungen in Zitaten zu Worte kommen zu lassen. Es wird verständlich sein, dass in diesem Zusammenhang Bestattungsriten weniger ergiebig sind, da die rituelle Hauptfigur eine rein passive Rolle einnimmt und von ihr keine persönlichen Einstellungen mehr geäußert werden können. Ein zweiter Grund sprach dafür, Bestattungsriten in dieser Arbeit nicht zu beschreiben {25}.
Die mehrtägigen Totengedenkfeiern sind bei den Bulsa von einer solchen Komplexität, dass ihre Beschreibung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, zumal wenn Jenseitsvorstellungen, Trauerbräuche, Erbschaften usw. mitberücksichtigt werden sollen, wie J. Goody dies in seiner 452 Seiten starken Monographie über die Bestattungsbräuche der LoDagaa getan hat [Endnote 59].
Ebenfalls unbehandelt bleiben sollen hier Übergangsriten, die nur mit bestimmten Berufsständen verbunden sind, wie z.B. die Riten, die ausgeübt werden, wenn ein Wahrsager (baano), ein Medizinmann (tiim-nyono), ein Spezialist für Feengeburten (kikiruk paro) oder für Zwillingsgeburten (yibsa tebro) in sein Amt eingeführt wird.
Andererseits sind jedoch auch solche Handlungen beschrieben worden, die deutlich den Übergang einer Person in eine andere soziale Position begleiten, aber keinen klaren religiösen Bezug (mehr?) erkennen lassen, wie es der Gebrauch des Wortes Rite eigentlich fordert. Hierzu gehören bei den Bulsa ein Teil der Hochzeitsbräuche und die von mir in einem besonderen Kapitel behandelten Skarifizierungen. Das Schneiden der Stammesnarben bedeutet für den jungen Menschen in der traditionell eingestellten Gesellschaft der Bulsa einen wichtigen Schritt zur voll akzeptierten Erwachsenenpersönlichkeit, denn nur mit Stammesmerkmalen und nach dieser ersten Mutprobe wird er auch heute noch von vielen Stammesangehörigen als echter Bulo angesehen.
Auch G. Parrinder [Endnote 60] sieht dieses sprachliche Problem, rechnet aber auch Handlungen, die ihre religiöse Komponente verloren haben, zu den Übergangsriten, wenn er für Gebiete Afrikas schreibt: “Although marriage is a rite of Passage, going from one state to another, its religious side is not distinctive…”
Man sollte jedoch bedenken, dass es bei den Bulsa eine scharfe Trennung zwischen religiösen und profanen Handlungen nicht gibt [Endnote 61]. Dies zeigt sich besonders deutlich in sozialen und medizinischen Bereichen. Bei jeder Veränderung in der Zusammensetzung der Hausgemeinschaft (längere Besuche, Reisen, Auszüge, geplante Heiraten usw.) müssen die Ahnen informiert werden, und einer wirkungsvollen Medizin (tiim) bringt man eigenständige Opfer dar {26}.
Als ich nach 1974 diese Dissertation über die Übergangsriten abfasste, waren mir die für diese sehr bedeutsamen Werke von Victor Turner (1920-1983) noch nicht bekannt (Turner 1967 und 2005). Der britische Ethnologe, führte Feldforschungen bei den Ndembu in Sambia durch, bezog aber auch andere Ethnien und Gesellschaften von Industrienation mit ein.
In seinen erweiterten Forschungen über die Übergangsriten liegt sein Hauptinteresse auf der zweiten Phase, die von van Gennep rites de marge (übersetzt als Schwellen- oder Übergangsphase), von Turner auch liminale Phase genannt wird. Von seinen Ergebnissen über diese Phase ausgehend stellte er intensive Untersuchungen über die Gemeinschaften der im Ritual betroffenen Menschen an, zum Beispiel über die Neophyten der Initiationsrituale. Eigenschaften solcher Gruppen findet er auch in rituellen und säkularen Gemeinschaften anderer Ethnien oder Industrienationen, zum Beispiel in matrilateralen Gruppen patrilinearer Systeme, in Mönchsorden, sowie bei den Hippies und Gammlern unserer Gesellschaft. Für solche Gemeinschaften, denen er bestimmte Eigenschaften zuordnet, gebraucht er die Bezeichnung Communitas. Diese steht im Gegensatz zur Sozialstruktur einer Gesellschaft. Als typische Kennzeichen der Personen einer Communitas führt er an (2005: 123):

• Sie füllen Lücken innerhalb einer Sozialstruktur aus.
• Sie halten sich an deren Grenzen auf.
• Sie besetzen die „niedrigsten Sprossen” einer Gesellschaft.

„Communitas hat eine existenzielle Qualität; sie betrifft den ganzen Menschen… Struktur andererseits hat eine kognitive Qualität; sie ist… ein Klassifikationssystem, ein Denk- und Ordnungsmodell, mit dessen Hilfe man… das öffentliche Leben regeln kann…” (S. 124).
Der Versuch, den Communitas Begriff auf die Übergangsriten der Bulsa anzuwenden, ist mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Die Bulsa kennen keine ausgebildeten Initiationsriten mit einer Seklusion der Neophythen. Bei den Mädchenbeschneidungen, in denen es einige Bezüge zu Initiationsriten gibt, bilden die zu beschneidenden Mädchen keine Gemeinschaft. Sie reisen aus verschiedenen Dörfern zum Beschneidungsort und lernen sich untereinander nur für einige Stunden kennen. Die beschnittenen Mädchen eines Gehöfts – es sind heute nur selten mehr als zwei – wohnen, so wie ich es an einem einzigen Fall beobachten konnte, bis zur Ausheilung ihrer Wunden im Quartier der ersten Frau (Ama) des Gehöftherrn. Aber auch hier entsteht keine Gemeinschaft im Sinne einer Communitas, da sie ständig ihre eigene Familie aufsuchen und zum Teil sogar häusliche Routinearbeiten ausführen.
Bei den Totengedenkfeiern erhält die Gruppe der nahen weiblichen Verwandten des Verstorbenen einen gewissen Sonderstatus, der durch eine rote Körperbemalung und das Tragen von roten Mützen markiert wird. Eine Seklusion dieser Personen, abgesehen von den nicht bemalten Witwen, findet nicht statt. Außerdem nehmen sie (außer den Witwen) an dem geselligen Leben einer Totengedenkfeier teil. Die Kennzeichen einer Communitas treffen für sie daher auch nicht zu.
Ich glaube jedoch, dass es bei den Bulsa außerhalb der Ritualgeschehen eine Menschengruppe gibt, für die (mit einigen Einschränkungen) die Bezeichnung Communitas berechtigt ist. Es sind die Gruppen junger Hirten, die in der Regenzeit die Rinder ihrer Väter in den Busch treiben, um die mit Hirse bebauten Felder vor Viehfraß zu schützen (s. Aduedem 2020 und Kröger 1987). Als Gruppe haben sie folgende Merkmale einer Communitas.
1. Sie gehören nicht einer stärker in die traditionelle Sozialstruktur integrierten Altersgruppen an, weder den Kindern, die noch in hohem Maße unter dem Schutz der Eltern stehen noch den erwachsenen Männern, die den Lebensunterhalt ihrer Familie durch Ackerbau bestreiten. Die Hirtenjungen im Alter von etwa 9-14 Jahren sind Teil einer Übergangsphase, deren Anfang und Ende allerdings nicht durch traditionelle Riten unterstrichen wird.

Abb.: Ringkampf der Hirtenjungen

2. Das Prinzip der Gleichheit aller Mitglieder wird in so weit verwirklicht, als Unterschiede im Alter, Geschlecht, Status des Vaters (z.B. als Häuptling, Elder eines großen Lineage-Segments usw.), Schulbildung oder Kenntnisse über die moderne Gesellschaft in der Hirtengruppe usw. keine Bedeutung mehr haben61a. Die Strukturierung erfolgt durch eine Methode, die in der Sozialstruktur keine Bedeutung hat, nämlich durch Ringkämpfe. Durch diese wird eine durchgehende Rangordnung ermittelt, für die der veraltete Begriff „Hackordnung” vielleicht angebrachter wäre, denn jeder Einzelne hat Befehls- und Strafgewalt gegen den unter ihm stehenden Teil der „Liste” und kann willkürliche, grausame und entwürdigende Straften, wie zum Beispiel das Trinken von Urin, verhängen. Den über ihm stehenden Mitgliedern muss er jedoch unbedingt gehorchen. Hier besteht sogar eine gewisse Ähnlichkeit zu den Neophyten einer Initiationsgruppe, die dem Vorgesetzten zu strengem Gehorsam verpflichtet sind und oft schmerzhafte Prozeduren erleiden müssen.
3. In ihrer Lebensführung greift die Hirtengruppe weitgehend auf niedere Wirtschaftsformen zurück, wie das Sammeln von Früchten und Jagd mit Stöcken oder Keulen auf Kleintiere (Ratten, Schlangen, Hasen). Auch die Kleidung entspricht diesem Lebensstil. Sie sind entweder völlig nackend oder nur mit einer zerrissenen Unterhose oder einem Short bekleidet. Mit diesen Tätigkeiten und dieser Ausstattung stehen sie auf der „niedersten Sprosse” der bestehenden Gesellschaft (Turner 2005: 123).
Die Eigenarten und Schwächen der Hirtengruppe werden auch von J. Aduedem, einem Seminaristen, der seine sechsjährige Hirtenzeit beschreibt (2020: 53), anerkannt und als eine Art Härteschule interpretiert, wenn er schreibt:

… the hardships one went through: the wrestling, the exposure to rains and thunder storms, the caning by farmers, the piercing of thorns because of the bare footing, the walking in the thick forest alone in search of a lost cow… were preparatory grounds for the shepherds in order to be able to withstand the challenges of adulthood.

4. In ihrer Lebens- und Moralauffassung weichen die Hirten stark von den Vorstellungen der strukturierten Gesellschaft ab. Neben den oben erwähnten, harten, oft willkürlichen Strafen, die mitunter härter sind als eine väterliche Züchtigung, ist eine gewisse Rechtfertigung des Diebstahls von Feldern der Bauern, die sie ja vor Viehfraß schützen sollten, gegeben. J. Aduedem hat wohl intuitiv das Vorhandensein einer doppelten Moral erkannt, wenn er schreibt (2020: 49):

Again, this presentation should be read in the context of the Builsa worldview of shepherding so that, while some activities of cowboys might be read in the light of today’s man as vices/bad behaviour, they are courageous acts…

Trotz der großen Ähnlichkeit der Bulsa Hirtengruppe mit der von Turner beschriebenen Communitas bestehen einige wichtige Unterschiede. Die Hirtengruppe bildet sich zu Beginn einer jeden Regenzeit neu, mit einigen neuen Teilnehmern und mit einer durch erneuten Ringkämpfe ermittelten Struktur. Religiöse Riten gibt es weder bei der Neubildung noch bei der Auflösung der Gruppe.

Barbara Meier (2004) hat in Anlehnung an Turner das Konzept von Liminalität auf Migrantinnen und Migranten in Ghanas Hauptstadt Accra angewandt (S. 43), denn wie im klassischen Übergangsritual ist diese Lebensphase von Ambiguität und Unstrukturiertheit bestimmt” (S. 42). Allerdings zeigen viele Migrantinnen und Migranten keine Neigung, jemals ihr städtisches Leben wieder aufzugeben. Tatsächlich lebt ein großer Teil von ihnen bereits in der dritten Generation in dieser Stadt. Eine Rückkehr in die ländlichen Herkunftsdörfer kann jedoch auch nach dem Tode erfolgen kann [wenn der Leichnam oder als Ersatz etwas Erde vom Grab und ein Kleidungsstück im Norden bestattet werden]. “Somit findet die liminale Phase Migration in jedem Fall ihren Abschluss” (Meier, S. 43).
Zum Versuch der Autorin, die Südmigration als eine liminale Phase zu deuten, passt eine Information meines Informanten Godfrey Achaw aus dem Jahre 1973. Ein zurückkehrender Migrant trifft sich kurz nach der Ankunft in seinem Heimatdorf mit seinen Freunden zu einem gemeinsamen Mahl. Eine solche Mahlzeit ist auch nach van Gennep typisches Merkmal des Endes der liminalen Phase und der Wiedereingliederung in die alte Gemeinschaft. Der große Zusammenhalt und das “Wir”-Gefühl als eine quasi initiierte Gruppe kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass an diesem Mahl nur Freunde mit Migrationserfahrungen teilnehmen dürfen.
Das Leben der communitas in der Hirtengruppe und in einer südlichen Großstadt hat neben anderen auch die Benennung der liminalen Umgebung als “Busch” (sagi) gemeinsam.

Eine schwächere Realisierung der liminalen Phase für eine communitas-Gruppe stellt vielleicht das Leben in einer von der alltäglichen Umwelt abgeschirmte Internatsschule dar. Die erste Bulsa Schule dieser Art liegt zwischen Sandema und Wiaga, umgeben von Buschland. Die Kontakte der Schülerinnen und Schüler zu ihrem Elternhaus sind weitgehend abgebrochen, die Eltern kümmern (oder kümmerten?) sich nicht oder nur sehr wenig um das Leben und den schulischen Fortschritt ihrer Kinder. Traditionelle Strukturen gelten nicht mehr viel. Kinder von Häuptlingen stehen auf einer Ebene mit den Kindern von Lohnarbeitern. Übergangsriten beim Eintritt in die Schule sind nur schwach ausgebildet. Zum Schulabschluss findet jedoch, wie es oben für andere Wiedereingliederungsriten erwähnt wurde, ein gemeinsames Mahl mit dem Töten von Tieren und einem dem siinika-Ritual der Totenfeiern (siehe unten) sehr ähnlichem Geschenkeaustausch statt.

5. METHODE UND ARBEITSTECHNIK

Für die Bearbeitung des Themas dieser Arbeit boten sich vor allem die “klassischen” Methoden der Völkerkunde, die Beobachtung und das Interview an. Die Beobachtung in einer teilnehmenden Form ist gerade für die Erforschung von Übergangsriten außerordentlich wichtig. Fraglich ist nur, in welcher Art eine echte Teilnahme möglich ist, die sich nicht nur auf eine Beteiligung an den finanziellen Ausgaben des anschließenden Opfermahls beschränkt. Obwohl mir in befreundeten Familien oft versichert wurde, dass ich nun ein Sohn der Familie sei, nachdem ich alle ihre Geheimnisse (z.B. Übergangsriten) kannte, glaube ich nicht, dass es mir immer ganz gelungen ist, die Rolle des weißen Fremdlings (felika) und Außenseiters durch eine andere innerhalb der Bulsa Gesellschaft zu vertauschen.

Abb.: Teilnehmende Beobachtung am Pung Muning Erdschrein (In der Mitte der Erdherr Anamogsi)

In drei verschiedenen Lebensbereichen bemühte ich mich um das Vertrauen gerade der jüngeren Bulsa: in der Schule, bei den Hirten im “Busch” (goai) und im Gehöft (yeri). Zu Beginn meiner Feldforschungstätigkeit (1973) unterrichtete und wohnte ich in der Sandema Continuation Boarding School. Obwohl (weil?) ich von Schülern und Schülerinnen felika und nicht teacher genannt wurde, erhielt ich Einsicht in mannigfaltige Probleme der Schüler(innen) und erlebte ihre Reaktionen und Einstellungen zu alten Traditionen und neuen Einrichtungen. Etwa vier Wochen widmete ich mich fast ausschließlich der Hirtengruppe von Sandema-Kalijiisa-Yongsa. Seltsamerweise wurde ich hier stärker als in der Schule oder im Gehöft als Mitglied der untersuchten Gruppe betrachtet. Ich übernahm kleine Aufgaben beim Eintreiben der Kühe oder bei der Jagd nach Hasen, Erdhörnchen, Warane usw. und erhielt bei der Zuteilung von gesammelten Beeren den gleichen Anteil wie die anderen Gruppenmitglieder. Da keiner der Hirtenjungen Christ war oder eine Schule besucht hatte, waren meine Beobachtungen und Erkundigungen über ihre Einstellungen zum Christentum, zur traditionellen Religion, zur Schule usw. von großer Wichtigkeit.
Meine Wohnaufenthalte in einigen Bulsa-Gehöften dienten fast ausschließlich {27} der Beobachtung des Alltagslebens (Säuglingspflege, Hygiene, Kindererziehung, Arbeitsaufteilung, Rollenverhalten der Geschlechter, Kontakte zu Nachbargehöften, Tabus im Tagesablauf, religiöse Betätigungen usw.).
Nach meinen ersten Erfahrungen in der Schule, bei den Hirten und im Gehöft richtete sich meine Aufmerksamkeit immer mehr auf die Riten und Bräuche der Bulsa. Bei der Teilnahme an traditionellen Festen oder rituellen Handlungen bestand für mich die Gefahr, dass ich selbst zu einem zweiten Mittelpunkt der Feier wurde, zumal wenn ich von Kamera und Tonband Gebrauch machte. Nach mehrmaliger Teilnahme an Festen im gleichen Gehöft (z.B. bei L. Amoak) war das Interesse an meiner Person jedoch weitgehend geschwunden, und die Aufmerksamkeit richtete sich in stärkerem Maße wieder auf das rituelle Geschehen.
Die Außenseiterstellung des Forschers ist aber nicht immer ein Nachteil für seine Arbeit, denn häufig wurden mir Informationen mit der Auflage gegeben, sie nicht an Bulsa weiterzuerzählen, und ein aussagewilliger Hausherr verstummt gewöhnlich sogleich, wenn ein Gast einer anderen Bulsa-Sektion hinzukommt.
Die Bulsa, die mir eine Teilnahme an Riten und Opfern in ihrem Hause erlaubten, sollen hier kurz vorgestellt werden:
1. Leander Amoak aus Wiaga-Sinyansa-Badomsa (1974 etwa 59 Jahre alt, mit vier Frauen verheiratet, neun Kinder). Er wurde als Kind zum Besuch der ersten katholischen Missionsschule gezwungen, wurde Christ, war zeitweise für das Studium der Theologie vorgesehen, wurde dann aber Lehrer und ließ sich katholisch trauen. Nachdem mehrere Ehen kinderlos blieben (vgl. S. 303f.), kehrte er zur traditionellen Religion zurück. Bis Dezember 1972 war er Zeichenlehrer an der Sandema Continuation Boarding School. Einigen Jahre danach wurde L. Amoak kpagi (Ältester, engl. elder) einer Subsektion von Badomsa. Ich möchte L. Amoak für die Zeit bis zu seinem Tode (1983) nicht nur als meinen Hauptinformanten bezeichnen, sondern er war auch der erste Bulo, der mich ohne Einschränkung an allen Riten in seiner Familie teilnehmen ließ.
2. Häuptling Asiuk aus Wiaga-Yisobsa (polygam verheiratet, viele Kinder). Ebenso wie L. Amoak gehört er zur ersten Generation, die die {28} 1927 errichtete katholische Missionsschule in Wiaga besuchte. Die meisten seiner Söhne sind katholische Christen; unter ihnen befindet sich der erste katholische Priester der Bulsa. Die Teilnahme an Opfern und an der Einkleidung eines Haus-tanggbain wurde mir durch Vermittlung seines Sohnes Clement Assibi ermöglicht. Dieser war damals Schüler der Wiaga Middle School. Clement Assibi hat mich auch mit Informantinnen bekannt gemacht, die mir über ihre Exzision berichten konnten.
3. Anpan Achaw aus Sandema-Kalijiisa-Yongsa (polygam verheiratet, 6 Kinder). Er selbst ging früher sonntags häufig in die presbyterianische Kirche und steht auch heute noch dem Christentum recht freundlich gegenüber. Anpan machte keine Einwände, als eine seiner Frauen als erste Frau Kalijiisas, die z.Z. ihrer Konversion nicht Schülerin war, Christin wurde und seitdem aktiv in der presbyterianischen Pfarrei mitarbeitet. Der Hausherr (yeri-nyono) Anpan lebt mit vier Brüdern zusammen, von denen drei Christen sind. Seine Brüder Godfrey Achaw und Norbert Achaw haben mir als Informanten, Übersetzer (Godfrey) und Vermittler bei meinen Interviews in Yongsa (Norbert) große Dienste geleistet.
4. Asekabta Ayieta (polygam verheiratet, viele Kinder) aus Sandema-Abilyeri (wohnhaft in Suarinsa). Asekabta ist ein Sohn des verstorbenen Sandema-Häuptlings Ayieta, war nie Christ und hat auch keine Schule besucht. Er ist jedoch ein großer Verehrer der katholischen Missionare in Wiaga und machte nur geringe Einwände, als sein Sohn Robert katholischer Christ wurde und eine leitende Stellung in der katholischen Jugendbewegung einnahm. Die Teilnahme an den pobsika-Riten (vgl. Kap. II,4) erlaubte mir Asekabta sofort nach Vermittlung seines Sohnes Robert, der mir ähnliche Dienste geleistet hat wie Clement Asiuk.
Fast alle oben aufgeführten Bulsa haben Kontakte mit der europäischen Kultur oder dem Christentum gehabt und geben daher in ihren Einstellungen zu religiösen Handlungen nicht etwa eine Durchschnittshaltung der nichtchristlichen Bulsa wieder. Häufig zeigt sich in ihrer Einstellung eine Skepsis der traditionellen Religion gegenüber, die manchmal verbunden ist mit dem Versuch, neue Erklärungen für altbekannte {29} Phänomene zu finden oder Synthesen zwischen der traditionellen und europäischen Kultur zu schaffen.
So erklärte mir z.B. Asiuk, der Häuptling von Wiaga, dass die Bulsa ihren Ahnen Schreine (bogluta) errichten, damit sie ihre Namen nicht vergessen. Die Europäer hätten für ihre Ahnen keine bogluta nötig, da sie die Namen ihrer Ahnen aufschreiben könnten. Die bogluta entsprächen also den Büchern der Europäer.
Die häufigsten Anachronismen und sprachlichen Neuschöpfungen leistete sich jedoch mein Hauptinformant Leander Amoak, so etwa wenn er den ma-bage-Tontopf (s. Abb. 42) als scabies-pot, die Erde (teng), die einem tanggbain (Naturheiligtum) entnommen und im Gehöft aufbewahrt wird, als sub-teng und die bogluta seiner Ahnen Ayarik, Agbana und Adachoruk als Ayarik and Co. bezeichnet. Die drei Lehmkugeln der wen-piirika-Feier deutet er – halb scherzhaft – als Verkörperungen von Gottvater, Gottsohn und Hl. Geist. Es darf aber nicht übersehen werden, dass der gleiche Leander Amoak bei den nichtchristlichen Bulsa als Experte für rituelle Streitfragen gilt, vielleicht gerade deswegen, weil er seine durch die europäische Ausbildung beeinflusste Exaktheit auf die traditionelle Religion anwendet, sich Fragen stellt, wo vielleicht andere keine Probleme sehen und alle Erklärungsmöglichkeiten, die sich aus der traditionellen Religion ergeben, begierig aufnimmt.
Zu einem Interview haben sich nicht nur alle jungen Bulsa, sondern auch fast alle Hauseigentümer (yeri-nyam, Pl.) bereiterklärt, wenn ich sie darum bat. Es wäre unhöflich gewesen, einem Gast nach zeremonieller Begrüßung und nach der Entgegennahme eines Gastgeschenkes eine Bitte abzuschlagen. Häufig jedoch konnte sich der Befragte an fast nichts mehr erinnern, wusste nicht einmal, wo der bogluk seines Vaters stand. oder bat mich, ein andermal wiederzukommen. Folgende Fragenkomplexe scheinen u.a. bei den Bulsa besonders heikel zu sein, und nur wenn zwischen Frager und Befragten ein starkes Vertrauensverhältnis besteht, der Befragte sehr stark akkulturiert ist oder sich im Besitz einer großen kokta pagrem (magische Kraft, vgl. Kap. V,1) glaubt, bestehen Aussichten, eine zufriedenstellende Antwort zu erhalten.

1.Fragen über Eigentumsgrenzen, Besitzverhältnisse an Land usw. [Endnote 62].
2. Fragen nach der Größe des Viehbesitzes {30}
3. Fragen nach den Namen von bogluta,
4. Fragen nach der genealogischen Abstammung (besonders wenn der Verdacht besteht, von einem Sklaven abzustammen),
5. Fragen nach Konflikten im Haus (Gründe für neue Hausgründungen, Auszüge usw.).

Überblicke ich rückschauend die Schar der Informanten und Helfer, die mir wichtige Auskünfte gegeben haben (hierbei müssen auch die jüngeren Schulabsolventen eingeschlossen werden, die sich z.T. selbst angeboten haben), so kann ich kein einheitliches Motiv für ihre Aussagebereitschaft finden. Für einige mag die Möglichkeit, sich ein Geldgeschenk zu verdienen, ausschlaggebend gewesen sein, andere hatten ein starkes eigenes Interesse an den gestellten Aufgaben. Als ich Augustine Akanbe (Sandema-Balansa) bat, mir seine Lebensgeschichte aufzuzeichnen, antwortete er mir, dass er diese Aufgabe für sehr interessant halte, da er selbst schon einmal so etwas vorgehabt hätte. Dann verfasste er eine Lebensgeschichte von 120 Seiten.
Robert Asekabta und andere hatten schon vor meiner Ankunft Material über die Geschichte und Bräuche der Bulsa gesammelt, und Robert hatte sogar vor, am vermutlichen Wohnplatz des Urahnen Atuga Ausgrabungen vorzunehmen.
Keineswegs können die Informanten verallgemeinernd als Außenseiter der Gesellschaft bezeichnet werden, gehören doch Häuptlinge, Sektionsälteste (kpaga), Hausherren (yeri-nyam), Lehrer und Jugendführer zu ihnen.
Neben der Form des freien oder nur wenig strukturierten Interviews wurden von mir einige Versuche unternommen, Standardfragen an beschnittene Mädchen zu richten, wobei die letzten Fragen sich auf ihre Einstellung zur Beschneidung bezogen (vgl. Kap VI,6). Da erwartungsgemäß die Verweigerungsquote recht hoch war und ein echtes Sample nur schwer zu ermitteln war, lassen sich die Ergebnisse dieser Aktion in keiner Weise statistisch auswerten, sie sind nur interessant als subjektive, biographische Aussagen einer Einzelpersönlichkeit, ohne dass daran gedacht wird, die Aussagen zu verallgemeinern. Geht man von dieser Vorstellung aus, so ist es angebracht, die persönlichen Einstellungen zu einzelnen Riten (hier z.B. zu Beschneidungsriten) in den Rahmen einer {31} Gesamtbiographie einzubauen. So bat ich die Mädchen, mir ihre Lebensgeschichte aufzuzeichnen, und im Laufe meiner Feldforschungstätigkeit wurde dem Sammeln von Lebensgeschichten eine immer stärkere Bedeutung zugemessen [Endnote 63].
Entsprechend meinem starken Interesse an Akkulturationsproblemen habe ich mich hier auf Bulsa mit Schulbildung beschränkt. Ich bemühte mich, die Lebensgeschichten aller Bulsa- Mittelschulabsolventen der Untersuchungseinheit Sandema-Kalijiisa-Yongsa so wie der Städte Cape Coast und Sekonden-Takoradi zu sammeln, aber nur in Cape Coast ist mir dies ohne Ausfall oder Verweigerungen gelungen. Alle 33 Biographen schrieben ihren Lebenslauf in englischer Sprache nieder. Um den Schreibern eine Arbeitshilfe zu geben und um zu gewährleisten, dass die für meine Arbeit wichtigen Themen (Übergangsriten, Erziehung) berücksichtigt wurden, stellte ich jedem Biographen ein Blatt mit einigen Richtlinien zur Verfügung. Der Informant verfasste seine Lebensgeschichte gewöhnlich in meiner Abwesenheit. In einem anschließenden Interview wurden nicht nur Unklarheiten geklärt, sondern der Biograph wurde auch aufgefordert, über interessant erscheinende Einzelheiten weitere Informationen zu geben. In der hier vorliegenden Arbeit konnten nur Einzelzitate aus Lebensbeschreibungen verwendet werden {32}.
Nach meinem ersten Feldforschungaufenthalt (1972-74) änderte sich meine Feldforschungsstrategie insofern, dass meine Aufenthalte immer stärker stationär wurden. Bis 1984 lebte ich nur einen Teil meiner Forschungszeit in dem Gehöft Anyenangdu Yeri (Wiaga-Badomsa), seit 1986 wurde es mein ständiger und einziger Wohnsitz, von dem auch alle anderen Arbeiten ausgingen. Zahlreiche Riten mit eingehenden Informationen konnte ich von hier aus auch in den unmittelbaren Nachbargehöften Atinang Yeri, Atuiri Yeri, Abasitemi Yeri und Akanming Yeri beobachten und dokumentieren.
Vor allem in dem einjährigen Aufenthalt 1988-89 konnte ich uneingeschränkt an allen religiösen und weltlichen Aktivitäten eines ganzen Jahreszyklus teilnehmen, ja man erwartete dieses sogar von mir. Ich trat in dieser Zeit nicht einseitig mit vorgefassten Fragen an Gehöftbewohner heran, sondern die Initiative für neue Forschungen lag eher bei den anderen. Wenn der Gehöftherr Anamogsi mich als seinen senior son bezeichnete, so war das nicht nur eine höfliche Geste, sondern hatte praktische Folgen. Oft musste ich andere wichtige Termine verschieben, weil ein Ritual mit obligatorischer Teilnahme anstand. Von Opfern, an denen ich selbst nicht teilnehmen konnte, bekam ich auch meinen entsprechenden Fleischanteil (vgl. auch Kröger 2012: 41-42).
Wenn Anamogsi als Erdherr (teng-nyono), Medizinmann (tiim-nyono) oder elder (kpagi) einen seiner Besuche mit mir in andere Gehöfte Badomsas machte, erübrigte es sich, den Gehöftherrn des anderen Gehöfts um Erlaubnis für die Teilnahme an Riten zu bitten. “Man kann nicht jemand bitten bestimmte Riten auszuführen und dann seinem Sohn verbieten ihn zu begleiten” sagte er mir.
Die hier gewählte Methode des stationären Aufenthalts in einem Gehöft brachte mir ein außergewöhnlich umfangreiches Material an ethnografischen Daten ein, das sich nicht nur auf die von mit gewählten Forschungsschwerpunkte eines Aufenthalts bezog.

6. DARSTELLUNGSWEISE {37}

In ethnographischen Monographien werden Übergangsriten häufig in einer normativen Form beschrieben, z.B.: “Die Angehörigen des Stammes A. bestatten ihre Toten in folgender Weise…” Diese Ausdrucksform ist schlechtestenfalls die Übernahme einer normativen Beschreibungsweise eines Informanten, bestenfalls die Abstraktion aus einer Reihe von Beobachtungen und Informationen.
Für die Bulsa kann gesagt werden, dass eine sehr starke Neigung zu einer solch normativen Darstellungsweise besteht [Endnote 64]. Die meisten Informanten gehen davon aus, dass die Bulsa eine rituelle Einheit bilden, und man gibt höchstens kleine Abweichungen zwischen den Nachkommen des vor 2-3 (?) Jahrhunderten eingewanderten Urahnen Atuga, den Südbulsa (z.B. Kanjaga, Fumbisi, Gbedema, u.a., s. Kröger 2017, 32-61) und den von den Kasena beeinflussten Einwohnern Chuchuligas und Biuks zu. In Wirklichkeit bestehen aber nicht nur zwischen den Dörfern Sandema und Wiaga, die sich beide als Atuga-bisa (Kinder Atugas, s.o.) bezeichnen, sondern oft sogar zwischen den einzelnen Häusern einer einzigen Klansektion große Unterschiede in der Ausübung von Riten. Wie unten noch dargestellt werden soll, hat etwa Sandema ein ausgebildetes System von Scherzbeziehungen zwischen einzelnen Sektionen, das in Wiaga in dieser Form unbekannt ist, während das komplexe Heiratssystem Wiagas (vgl. Kap VII,1a) in Sandema nicht seinesgleichen hat. In Sandema-Kalijiisa-Yongsa behandeln die meisten Häuser Nabelschmerzen von Kleinkindern durch Nabelschnitte, während in einigen Häusern der gleichen Lineage und Subsektion solche Schnitte streng verboten sind.
Das Ausweichen der indigenen Informanten in eine normative Darstellungsweise, die oft verallgemeinernd spezielle Riten und Bräuche der eigenen Sektion auf die Bulsa überträgt, hat nicht nur den Grund, bewusst oder unbewusst die rituelle Einheit aller Bulsa herauszustellen. Häufig besteht beim Informanten (und mehr noch bei Informantinnen) eine große Scheu oder Bescheidenheit (?), das eigene rituelle Erlebnis als solches zu erzählen. Vielleicht rührt dieses Verhalten auch daher, {33} dass man meint, der fremde Forscher sei ja “nur” an dem Stamm interessiert, und man möchte ihm die Arbeit leicht machen. So ist es nicht verwunderlich, wenn Mädchen, die ausführlich darüber unterrichtet wurden, einen persönlichen Bericht über ihre Beschneidung zu geben, ihre Ausführungen etwa in folgender Weise beginnen: “Wenn du zur Beschneidung gehst…” Es spielt hierbei auch keine Rolle, ob die Informantinnen ihren Bericht in Buli oder Englisch abgegeben haben (Fi dan a cheng ngarika… lf you are going to excision…).
Da bereits darauf hingewiesen wurde, dass Verallgemeinerungen der indigenen Informanten mit größter Vorsicht zu behandeln sind, kann es nur Aufgabe des Forschers sein, wenn er nicht alles durch eigene Beobachtungen erfassen kann, in Interviews oder durch niedergeschriebene Berichte biographisches Material zu sammeln, indem er den Informanten in allen Einzelheiten Riten und andere Handlungen beschreiben lässt, die dieser an sich selbst erlebt hat oder an denen er wenigstens selbst teilgenommen hat. Erst an einer möglichst großen Sammlung von Einzelberichten könnte die Schreibtischarbeit des Ethnographen beginnen. Gewöhnlich wird diese Arbeit darin bestehen, die Quellen kritisch zu untersuchen, unglaubwürdige Aussagen auszuscheiden und durch Vergleiche schließlich zu einer gewissen Norm für ein bestimmtes Gebiet zu kommen, auch wenn Variationen und geringfügige Abweichungen bestehen bleiben.
Der hier aufgezeichnete Weg soll in dieser Arbeit nur teilweise beschnitten werden. Zwar wurden auch hier unglaubwürdige, verschwommene oder wenig aussagekräftige Quellen für die Auswertung ausgeschieden, es wurde jedoch häufig nicht der letzte Schritt getan, von Einzelaussagen zu einer verallgemeinernden Aussage für eine bestimmte Gruppe (z.B. Atuga-bisa) zu kommen, sondern Einzelaussagen bleiben oft als Quellenzitate nebeneinander stehen, vereinzelt sogar im Widerspruch zueinander. Die Rechtfertigung dieser Darstellungweise liegt nicht nur darin, dass mir nur von etwa 30 der mehr als 170 Bulsa-Klansektionen Informationen über Übergangsriten vorliegen und so eine Verallgemeinerung fragwürdig bliebe. Es soll hier auch der Versuch gemacht werden, dem Leser einen größeren Einblick in die angewandten Arbeitsmethoden und ihre Einzelergebnisse zu gewähren {34}.
Dieser Einblick könnte besonders gewinnbringend für den speziell an der Themenstellung interessierten Ethnologen und Ethnographen sein, da eine Weiterarbeit an dem gleichen oder ähnlichen Thema so erleichtert wird und Fehler leichter auf ihre Ursprünge hin zu verfolgen sind. So könnte die hier gewählte Darstellungsform auch ein Kompromiss sein zwischen einer Bekanntgabe der stark zusammengefassten, kommentierten Feldforschungsergebnisse und einer Veröffentlichung der Feldforschungsergebnisse selbst, die häufig genug gefordert worden ist [Endnote 65].
Zuletzt soll bei der Diskussion der hier gewählten Darstellungsform mit ihren vielen biographischen Erlebnisberichten und subjektiven Aussagen der Informanten noch einmal auf ein Ziel dieser Arbeit hingewiesen werden: Es sollen nicht nur Riten beschrieben werden, sondern es wurde auch versucht, die Einwirkung der traditionellen Übergangsriten auf das Leben junger Menschen und deren Reaktion auf diese zu erfassen {35}.

ENDNOTEN (EINLEITUNG)
1  Einen Anhaltspunkt für die Zeit der Einsaat und Ernte bot mir: Ghanaian-German Agricultural Development Project Northern and Upper Region, Crop Production Guide, Handbook for the Extension Worker, (Tamale, 1974). Wie eine Überprüfung bei den Bulsa ergab, liegen dort die Zeiten für die Einsaat gewöhnlich etwas vor den im “Handbook” empfohlenen Zeiten.

1a  Die in dieser Arbeit zitierten Buli-Ausdrücke wurden zum großen Teil durch eigene Erfragungen gewonnen, z.T. wurden sie der Vokabelkartei der Presbyterian Mission Sandema, z.T. dem Dictionnaire Buli – Français von L. Melançon und A. Prost (Dakar 1972) entnommen. Nach 1992 war das Buli-English Dictionary fast mein einziges Referenzwerk.

1b  Die Jahreswerte für die Station Navrongo wurden entnommen aus: Ghana Metereological Service Department. Annual Summary of Observation in Ghana, 1966-70 (5 Bände).

2  S.V. Adu, Soils of the Navrongo-Bawku Area, Upper Region, Ghana, Memoir No. 5, Soil Research Institute, Kumasi, Map 4 (Anhang), (1969).

3a Ib., Map 2 (Vegetation and Land-Use).

4 G. Benneh, ‘The Attitudes of the Kusasi Farmer of the Upper Region of Ghana to his Physical Environment,’ Institute of African Studies Research Review, 6,3 (1970), S. 87 – 100.

5 Der Frage nach den Ursachen für Streusiedlungen ist K.B. Dickson unter Einbeziehung militärischer und soziologischer Aspekte nachgegangen: ‘Nucleation and Dispersion of Rural Settlements in Ghana,’ Ghana Social Science Journal, 1, 1 (1971), S. 116 – 131.

6  Ibd. S. 128 f.

7  L. Prussin, Architecture in Northern Ghana, A Study of Form and Functions, University of California Press, Los Angeles (London, 1969), S. 51 – 65.

8 Ibd., S. 66 – 80.

{346}
9  Die Gehöftsformen nähern sich damit dem von K.B. Dickson als “Kusase house type” bezeichneten Typ (Dickson, S. 127). H. Baumann weist das Dachterrassenhaus einer altmediterranen, das Kegeldachhaus einer altnigritischen Kulturschicht zu. Vgl. H. Baumann, R.Thurnwald, D. Westermann, Völkerkunde von Afrika (Essen, 1940), S. 70, 340 und 350. Viele Bulsa haben mir gegenüber versichert, dass Häuser mit Flachdächern bei ihnen ein höheres Alter haben als Kegeldachhäuser. Diese und Häuser mit Zinkdächern werden in manchen Gebieten des Bulsa-Landes als moderne Formen tabuiert (z.B. in Kalijiisa – Anuryeri).

10 Köln und Opladen, 1970, S. 14 – 17.

11 Vgl. auch die Lagepläne in Kap. V,4b (S. {182} und S. {185} dieser Arbeit).

11a  Von den Außenstationen wurden Anfang des 21. Jahrhunderts Fumbisi (2002) und Sandema eigenständige Pfarren.

12 The Dynamics of Clanship among the Tallensi, Oxford University Press (London, New York, Toronto, 1945).

13 Bulsa mit Englischkenntnissen nennen sie towns. Das Wort city, das etwa in der Bedeutung “Großstadt” gebraucht wird, wendet man oft ironisch für Bulsa-Ortschaften (tengsa) an, z.B. Gbensco-City für Gbedema.

13a  Die Flächeneinheiten der Klansektionen und der Verwaltungsbezirke eines kambon-naab sind nicht deckungsgleich. Wiaga-Badomsa und Kubelinsa haben zusammen nur einen kambon-naab, während es für Wiaga-Chiok zwei kambonnalima gibt.

14 Vgl. M. Fortes (1945), The Dynamics of Clanship, S. 30-38.

15 M. Fortes, The Web of Kinship among the Tallensi, Oxford University Press, 3. Aufl. (London 1967), S. 64. Nach Fortes können auch zwei oder mehr domestic families in einem einzigen Compound wohnen, wobei jede domestic family ihren eigenen Eingang hat. Solche getrennten Wohngemeinschaften innerhalb eines Gehörs sind mir bei den Bulsa nicht begegnet.

15a B. Grindal, Growing Up in Two Worlds, Education and Transition among the Sisala of Northern Ghana (New York, Chicago, San Francisco, Atlanta, Dallas, Montreal, London, Sydney (cop.) 1972), S.B.

16 The Web of Kinship, S. 64.

17 Die Benennungen der verschiedenen Typen mit Großbuchstaben (A, B, C, D) wurden vom Verfasser der vorliegenden Arbeit vorgenommen.

18 The Social Organisation of the LoWiili, 2. Aufl., London 1967, S. 42.

19 Nicht aufgeführt wurde in dieser Tabelle ein Haus in Kalijiisa Choabisa, in dem nur zwei Frauen (Schwestern) aus Yongsa wohnen. Dass nur Frauen (mit ihren Kindern) in einem Gehöft leben, kommt zwar selten vor, mir sind jedoch mindestens zwei weitere Fälle bekannt. Hier handelt es sich jedoch um Witwen, die nach dem Tode ihres Mannes nicht in das Gehöft der Eltern ihres Gatten ziehen wollten.

{347}
20 The Web of Kinship, S. 65

21 Zur joint family gehören hier die Typen B, C und D.

22 Die gleichen Bezifferungen wurden auch im Kap. V,3b, {S. 183ff. und 185f.} verwendet.

23 Vgl. R. Schott, Bibliographic Note on the Ethnography History, and Language of the Bulsa (Builsa) in Northern Ghana (unveröffentlichtes Manuskript), Münster, 1974.

24 Du Niger au Golfe de Guinée par le pays de Kong et le Mossi, (Paris, 1892), Bd. 11, S. 36.

25 Aus Leben und Dichtung, Fußnote 5, S. 87.

26 Die sakralen Häuptlinge der Gurunsi im Obervolta-Gebiet Westafrika, Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde in Hamburg, 27 (Hamburg, 1961), S. 1.

27 Le Noir du Soudan (Paris, 1912), S. 275 – 94.

28 The Natives of the Northern Territories of the Gold Coast (London, 1920), S. 76.

29 Mit Sinésé ist wohl Sinyensi, mit Bationsé wohl Bachonsi (Bachonsa) gemeint. Vgl. auch R. Schott, Aus Leben und Dichtung, S. 87 (Fußnote 5).

30 L. Tauxier gebraucht in seinem Werk Le Noir du Soudan den Ausdruck dot, der mit “Mitgift” übersetzt werden muss. Aus seinen Ausführungen geht jedoch hervor, dass er an einen Brautpreis denkt.

31 Aus Leben und Dichtung… , S. 88.

32 ‘Ethnographisch bisher nicht oder nur unzureichend untersuchte “Stämme” in Westafrika,’ Bulletin of the International Committee on Urgent Anthropological and Ethnological Research, 2 (1959), S. 110f.

33 Ergebnisse völkerkundlicher Forschungen bei den Bulsa in Nord-Ghana 1966/67 (Köln und Opladen, 1970).

35 Die hier behandelte Literatur kann nicht einmal für unsere Themenstellung (Übergangsriten) erschöpfend dargestellt werden. Weitere {348} Arbeiten über ethnische Gruppen Nordghanas, die für unsere Fragestellung relevantes Material enthalten, wurden verfasst von: C.H. Armitage (1913), E. Champagne (1928), R. Fisch (1912/13), Esther Goody (1962 und 1966), V.M. Hien (1968/69), H. Labouret (1931), M. Manoukian (1952), D. Tait (1961), A. Zajaczkowski (1967) und J. Zwernemann (mehrere Arbeiten).
Nähere Angaben: siehe Literaturverzeichnis!

36 Le noir du Soudan (Paris, 1912) und Nouvelles Notes sur le Mossi et le Gourounsi (Paris, 1924).

37 The Natives of the Northern Territories of the Gold Coast (London, 1920) und Tales Told in Togoland (London, 1931).

38 The Tribes of the Ashanti Hinterland, 2. Bde. (l. Aufl: Oxford, 1932; Nachdruck: London, 1969).

39 The Web of Kinship (1967), S. 227 ff.

40 Ib. S. 228. Vgl. J. Zwernemann, ‘Präexistenz und Prädestination im Volta-Gebiet und in Oberguinea, Zeitschrift für Ethnologie, 85 (1960), S.187 – 196.

41 Fortes (1967), S. 229.

42 The Social Organisation of the LoWiili (1. Aufl.: London, 1956; 2. Aufl.: London, 1967) und Death, Property and the Ancestors. A Study of the Mortuary Customs of the LoDagaa of West Africa, Stanford University Press (Stanford, Calif., 1962).

43 Vgl. Einleitung 2 (Sozialstruktur) S. {9 ff.} und Schluss 3 (Funktion der Übergangsriten), S. {335 ff.}

44 Hamburg, 1961.

45 Vgl. K. Dittmer, ‘Ethnographisch bisher nicht oder nur unzureichend untersuchte “Stämme” in Westafrika…

46 The Ethnography of the Isala of Northern Ghana (Cambridge, o.J.). Später erschienen auch auf Feldforschungen beruhende Werke, z.B. Mendonsa 2001.

47 Growing up in Two Worlds (1972).

48 R.S. Rattray, The Tribes of the Ashanti Hinterland; L. Tauxier, Le Noir du Soudan; A.W. Cardinall, The Natives of the Northern Territories of the Gold Coast.

{349}

49 The Kusasis. A Short History (o.O. 1932)

50 Die Kusase. Eine medizinisch-ethnologische Studie über einen Stamm in Nordghana (Stuttgart, 1967).

51 Vgl. J. Zwernemann, ‘Präexistenz und Prädestination’ und R.S Rattray, The Tribes of the Ashanti Hinterland, S. 180 – 83. Rattrays Ausführungen (sie beziehen sich auf die Nankanse) erinnern stark an die entsprechenden Riten der Bulsa (wen-piirika), aber auch von ihm wird kein wen-Stein erwähnt.

52 Hg. K. Goldammer, 2. Aufl. (Stuttgart, cop. 1962).

53 Ghana in Retrospect. Some Aspects of Ghanaian Culture (Accra-Tema, 1974), S. 71.

54 Die Religionen Afrikas (Stuttgart, 1974), S. 71. Rattray (The Tribes of the Ashanti Hinterland) nennt unter der Überschrift Rites de Passage: birth, puberty, marriage, and funeral customs (S. 288).

55 Religion in Africa (London, 1969), S. 79.

56 Les Rites de Passage (Paris, 1909).

57 Ibd. S. 15.

58 Ibd., S. 26 – 30.

59 Death, Property and the Ancestors (1962).

60 Religion in Africa, S. 81

61 Vgl. K. Dittmer, Die sakralen Häuptlinge…, S. 34; “Die Gurunsi kennen in allen Bereichen ihrer Lebensführung keine scharfe Trennung zwischen religiösen und profanen Handlungen…”

61a Ein Sohn des Häuptlings von Wiaga erzählt in seiner Lebensgeschichte, dass gerade er von den Anführern gequält und gedemütigt wurde.

62 Zurückhaltung in der Beantwortung der Fragen 1 und besonders 2 kann auch auf wirtschaftliche und fiskalische Überlegungen beruhen. Es besteht jedoch der Glaube, dass Gespräche über Landgrenzen den unmittelbaren Tod der Gesprächspartner zur Folge haben können.

63 Als Grundlage für die hier diskutierte Arbeitsmethode war mir vor allem folgendes Werk von großem Nutzen: L. Gottschalk, C. Kluckhohn, R. Angell, The Use of Personal Documents in History, Anthropology and Sociology (New York, 1945).

{350}
64 Mit ähnlichen Problemen musste sich auch J. Goody bei den LoWiili auseinander setzen. Vgl. J. Goody, ‘Normative,’ ‘recollected’ and , actual’ marriage payments among the LoWiili of Northern Ghana. 1951 – 1966′, Africa, 39,1 (1969), S. 54 – 61. Auch der Bericht Victor Aboyas in Rattrays Werk (The Tribes of the Ashanti Hinterland, S. 131 ff.) weist eine stark normative Darstellungsform auf.

65  Z.B. von Cl. Kluckhohn. Vgl. L. Gottschalk, C. Kluckhohn, R. Angell, The Use of personal Documents … S. 154 f.

 

KAPITEL I:  SCHWANGERSCHAFT

Wenn es mir auch (1973-74) nicht möglich war, Schwangerschaftsverläufe und ihre Riten selbst zu beobachten, so stimmen doch die ausführlichen und unabhängigen Berichte von vier Informanten (G. Achaw, L. Amoak, R. Asekabta, A. Akanbe) so stark überein, dass die unten aufgezeichneten Beschreibungen nicht weit von der Norm abweichen dürften. Da jedoch alle vier Informanten aus dem Raum Wiaga-Sandema stammen, könnten besonders für den südlichen Teil des Bulsalandes (Fumbisi, Kanjaga u.a.) noch lokale Varianten zu finden sein.

1. ZEUGUNG UND UNFRUCHTBARKEIT

Eine Schwangerschaft entsteht nach Bulsa-Auffassung nur durch Geschlechtsverkehr, und zwar kann ein einziger Beischlaf schon für die Schwängerung ausreichen. Nach alter Auffassung wird das Kind aus dem Samen des Mannes gebildet, die Frau gibt dem neuen Lebewesen nur Wärme und andere notwendige Lebensbedingungen.
Kinder können nur durch Verkehr mit lebenden Personen gezeugt werden. Allerdings ist Schwängerung durch Ahnen (kpilima puuk) möglich, und der Bauch der Frau schwillt an wie bei einer echten Schwangerschaft. Die Ahnenschwangerschaft kann jedoch nie zu einer Geburt führen. Medizinisch gesehen handelt es sich hier nach Aussage des Krankenpflegers G. Achaw wohl um Bauchwassersucht (Ascites).
Früher glaubte man, dass, abgesehen von der Impotenz des Mannes, nur die Frau unfruchtbar sein kann. Heute kann es vorkommen, dass {36} sich beide Ehepartner gegenseitig die Schuld geben, wenn der Kindersegen trotz durchgeführten Geschlechtsverkehrs ausbleibt.
Gebiert eine Frau keine Kinder, so geht ihr Gatte zum Wahrsager (baano, Pl. baanoba). Dieser kann als Ursache etwa einen der folgenden Gründe herausfinden:
1. Es gibt äußere Gründe für die Unfruchtbarkeit der Frau, z.B. eine feindliche oder missgünstige Umgebung, wenig wohlgesinnte Geister oder Ahnen, Hexerei, Schadenzauber usw. In diesen Fällen kann durch Abwehrzauber, Bestrafung der Schuldigen, Opfer oder Neugründung eines Hauses die ersehnte Erstgeburt herbeigeführt werden.
2. Die Frau ist körperlich unfruchtbar. In diesem Fall kann gewöhnlich nichts mehr getan werden, um eine Geburt herbeizuführen, wenn auch mancher Gatte versuchen mag, durch Opfer an die Ahnen oder durch bestimmte Mittel das Schicksal umzugestalten. Eine Frau wird gewöhnlich erst dann an ihre eigene körperliche Unfruchtbarkeit glauben, wenn sie mit mehreren Männern zusammengelebt hat und bei nachgewiesener Fruchtbarkeit des Mannes keine Kinder bekommen hat.
3. Die wena [Endnote 1] der beiden Ehepartner stimmen nicht überein . So erklärt sich auch die Tatsache, dass unfruchtbare Frauen gerne ihren Ehepartner wechseln, um schließlich doch noch den richtigen Partner für ihr wen zu finden, wenn auch eine Frau nie wegen Unfruchtbarkeit von ihrem Mann entlassen werden darf.
Zieht eine unfruchtbare Frau es vor, bei ihrem Mann zu bleiben, so kann sie ein Mädchen (doglie) aus ihrer Verwandtschaft kommen lassen und später ihrem Mann zur Frau geben, um dann selbst über die Kinder dieses Mädchens eine gewisse Oberaufsicht auszuüben [Endnote 2].
Ist es offenkundig, dass die ausbleibende Schwangerschaft auf die Impotenz des Gatten zurückzuführen ist, so kann dieser einen klassifikatorischen Bruder bitten, den Beischlaf mit der Frau zu vollziehen. Obwohl dieses Verhalten allgemein geduldet wird, ist das Verhalten der beiden doch kabong, die schlimmste Form eines Ehebruchs (s.u.) und das Hühnchen-Ritual (kabong-fobka) muss in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden. Als Vater (pater) im sozialen Sinn gilt später der rechtmäßige Gatte.
Unfruchtbarkeit gilt besonders für die Frau als Schande und bringt ihr einen Statusverlust ein. Auch Frauen mit Schulbesuch empfinden Kinderlosigkeit oft als unerträgliche Schmach. Eine junge in Takoradi wohnhafte Frau schämte sich lange, in ihr Heimatdorf Sandema zurückzukehren, da sie als einzige unter ihren früheren Mitschülerinnen noch keine Kinder hatte. Obwohl sie ihren Mann liebte {37}und es keinerlei Streit gab, verließ sie ihn und heiratete einen Mann, der schon von einer anderen Frau viele Kinder hatte. Als sie wiederum nicht schwanger wurde, verließ sie ihn auch und lebt nun allein. Sie beschließt ihre aufgezeichnete Lebensgeschichte mit den folgenden Sätzen:

… I [Endnote 3] all the time talk to them (my friends) to help me, how I may get a child. Some of them say I should try to keep with a different tribe and see what will come. Since I don’t have a child, I think my future may be miserable, because, when I grow old, I may have no one to help me… Because of this I don’t visit my school mates, who were my friends in school. This present time I only think how I will get a man who can get me pregnancy to have a child in the future.

Die Erzählerin verschweigt, dass unfruchtbare Frauen häufig – besonders wenn andere Frauen ihres Mannes Kinder haben – für Unglücksfälle im Haus verantwortlich gemacht werden und leicht der Hexerei bezichtigt werden, da sie angeblich aus Neid den glücklicheren Frauen Schaden zufügen wollen.
Nach M. Arnheim aus Gbedema wird die Leiche einer kinderlosen Frau durch die Hinterwand des Gehöfts zum noai-boka Ritual hinausgetragen (va nanggaang jo, ‘durch den nanggaang eintreten’. Die Wand muss zu diesem Zweck an einer Stelle niedergerissen werden (nag parik jo, ‘die Außenwand einschlagen und passieren’). Nach dem noai-boka Ritual wird die Leiche durch den Haupteingang wieder ins Gehöft getragen. Das Loch in der Hinterwand wird sofort wieder verschlossen.

2. SCHWANGERSCHAFT UNVERHEIRATETER FRAUEN

Wird ein Mädchen schwanger, ohne dass sie verheiratet ist, so wird man ihr schnell einen Gatten besorgen, den sie noch vor der Geburt des Kindes heiratet. In dem polygamen System der Bulsa bereitet es keine Schwierigkeiten, einen Mann für das schwangere Mädchen zu finden, und voreheliche Geburten sind wohl in der traditionellen Gesellschaft recht selten.
Die neuere Zeit, in der ein Großteil aller Kinder eine Schule besucht, hat Gelegenheiten für neue Komplikationen geschaffen. Schwangere Schülerinnen verlassen gewöhnlich die Schule und auch die Eltern sind oft über eine solche Schwangerschaft erzürnt, nachdem sie während der Schulzeit auf die Arbeitskraft des Mädchens verzichtet haben und vielleicht von einer modernen Karriere ihrer Tochter geträumt haben.
Nach einer Heirat werden in rechtlicher, wirtschaftlicher und religiöser Hinsicht keine Unterschiede zwischen den leiblichen Kindern des Vaters und dem Kind der schwangeren Braut gemacht. Das vorehelich gezeugte männliche Kind kann später den Ahnen des Gatten der Mutter opfern, es kann Hausherr (yeri-nyono) werden und in vollem {38} Maße erben. Falls die schwangere Frau in ein Häuptlingshaus geheiratet hat, kann ihr Sohn sogar Häuptling werden.
Kommt ein Kind zur Welt, bevor die Mutter einen Mann geheiratet hat, so bleibt das Kind bei den Eltern der jungen Mutter und wird auch von diesen versorgt. Hiermit erlöschen auch alle Rechtsansprüche des Vaters (genitor) an dem Kind. Heiratet die Mutter, so bleibt das Kind meistens, wie es mir auch in einigen Fällen bekannt ist, im Elternhaus der Mutter, obwohl die Möglichkeit besteht, dass der neue Gatte es als sein Kind “adoptiert”. Über die rechtliche Stellung eines solchen Kindes, dessen Zeuger mit Sicherheit nicht der Gatte der Mutter ist, konnte ich keine ganz klaren Auskünfte bekommen, da sich oft der “pater” auch als “genitor” ausgibt. In letzterem Fall genießt das Kind natürlich die vollen Rechte eines ehelichen Kindes. In der Praxis haben solche vorehelich gezeugten und geborenen Kinder nicht das gleiche Ansehen wie ehelich gezeugte und sind mitunter, besonders bei Streitigkeiten, dem Spott ihrer Halbgeschwister aufgesetzt.

3. ERKENNUNG UND VERKÜNDIGUNG DER SCHWANGERSCHAFT

Abb.: Verschieden farbige, geflochtene Hüftschnüre

Den Bulsa-Frauen sind die üblichen Symptome für eine einsetzende Schwangerschaft bekannt: Ausbleiben der Menses, Morgenkrankheit, Schwindel, Anschwellen der Brüste und des Bauches, Dunkelfärbung der Brustwarzen, Änderung des Appetits und der Essgewohnheiten usw. Erst wenn die Menstruationen drei Monate lang ausbleiben, benachrichtigt der Gatte einige erfahrene Frauen, die die “Schwangere” untersuchen und das Ergebnis dem Gatten, nicht aber der Schwangeren selbst mitteilen. Die der Schwangerschaft verdächtigte Frau kann auch unter irgendeinem Vorwand von der Mutter ihres Gatten zu ihrem eigenen Elternhaus geschickt werden, und man überlässt es den Frauen dieses Hauses, die Schwangerschaft festzustellen. Wird eine Schwangerschaft vermutet, so geht der Gatte (nach anderen Informationen kann es auch der Vater des Gatten sein) zum Wahrsager. Dieser findet folgende Dinge heraus:

1.Ist die Frau wirklich schwanger?
2.Welche Frau soll bei vorhandener erster Schwangerschaft die Zeremonie des Wasserschüttens (poi-nyatika, Endnote 3a) ausführen? {39}
3. (eventuell:) Welche besonderen Tabus hat die Schwangere zu beachten?

Sobald der Gatte wieder zu Hause ist, opfert er seinen Ahnen Hirsewasser. Dann informiert er den Gatten der Frau, die die Zeremonie des Wasserschüttens (poi-nyatika oder logi-nyatika) ausführen soll, und man legt auch den Tag fest. Die benachrichtigte Frau stammt immer aus der Linie des Gatten der Schwangeren, gewöhnlich ist es eine Schwester (seltener eine Nichte) dieses Gatten [Endnote 3b]. Sie muss selbst verheiratet sein und außerhalb ihres elterlichen Hauses leben. Die Schwangere darf vom Ergebnis des Wahrsagerbesuches und den Verhandlungen mit den Verwandten nichts erfahren.
Am Vorabend des festgesetzten Tages kommt die Schwester des Gatten zu fortgeschrittener Stunde, oft gegen Mitternacht, und hält sich den Augen der Schwangeren verborgen. Sie hat sich vorher bereits die erforderlichen rot-schwarzen Hüft- und Halsschnüre und eine schwarze Kalebasse [Endnote 3c] besorgt, die vorher nie gebraucht worden sein darf. Oft schon auf ihrem Weg zum Gehöft schöpft die “Schwester” aus einem Fluss, der auch in der Trockenzeit nicht austrocknet, etwas Wasser. Sie darf nur einmal schöpfen, auch wenn sie danach merkt, dass es zu viel oder zu wenig Wasser ist. Auf ihrem Weg zum Gehöft der Schwangeren darf sie keinen Tropfen Wasser verschütten, denn das würde eine Fehlgeburt anzeigen (oder bewirken?). Auf das Wasser legt sie einige Blätter (cham-vaata) eines jungen Schibutterbaumes (Butyrospermum parkii). Sie kann am Gehöfteingang vom Gatten der Schwangeren empfangen werden, der ihr dann auch den Schlafplatz der Schwangeren zeigt. Einige Informanten berichten, dass der Gatte zwar eingeweiht ist, gewöhnlich aber bei der nächtlichen Ankunft seiner Schwester schon neben seiner Frau liegt. Kein anderer darf bei diesem Ritual anwesende sein.
Die “Schwester” geht auf die Schlafstelle zu und sagt dreimal: Ma yaaka ni miena (Ich liebe euch alle). Nach der vereinzelten Aussage eines Informanten aus Sandema-Kobdem sagt sie: N nyati fu puuka (Ich verkünde deine Schwangerschaft). Dann schüttet sie rasch das Wasser aus der Kalebasse in drei Güssen auf die Schlafende [Endnote 4], wirft auch die leere schwarze Kalebasse auf sie und versucht, schnell zu entkommen, denn wenn sie von der Schwangeren gesehen wird, muss sie (die “Schwester”) sterben. Nach anderen Informationen (R. Asekabta) ist {40} auch das Leben der Schwangeren und ihres Gatten gefährdet. Die erwachte Ehefrau täuscht Unkenntnis der Sachlage vor, beschimpft die Wasserschütterin und versucht, sie zu fangen. Diese hat sich jedoch schon längst in einem anderen Teil des Gehöfts in Sicherheit gebracht.
Am nächsten Tag in der frühen Morgendämmerung (nach L. Amoak um 4.30 Uhr) kommt die “Schwester” zu dem Schlafraum der Schwangeren, klopft an die Wand und ruft dreimal den Namen der Schwangeren mit dem Zusatz:

Nyin peelim, ate n pon fi zuku ate fu. Jinla de ate ku a cheng, fi ka nipok kpak yogla.  Komm heraus, damit ich deinen Kopf für dich schere. Ab heute bist du eine alte Frau.

Der Schwangeren wird vor dem Gehöft im ponika-Ritual das Kopfhaar geschoren.
Hierauf rasiert ein Haarschneider, den man für diese Uhrzeit hat kommen lassen, den Kopf der Frau, die zum ersten Mal schwanger ist, völlig kahl, und die “Schwester” legt ihr die rot-schwarze [Endnote 5]  Schnur mehrfach um die Hüften und eine ebensolche um den Hals. Nun sagt man der Schwangeren, dass sie schwanger ist, und jeder kann in ihrer Anwesenheit ihre Schwangerschaft erwähnen. Sieht man eine Frau mit den rot-schwarzen Hüft- und Halsschnüren, so kann man sie beschimpfen und ihr alles auf den Kopf zusagen [Endnote 6].
Für die Wasserschütterin und den Haarschneider bereitet der Gatte T.Z. (Hirsebrei) und ein Perlhuhn. Den Rest des Perlhuhns nimmt die “Schwester” mit anderen Geschenken (z.B. Kolbenhirse) und der schwarzen Kalebasse mit nach Hause. Der Rest des Huhnes ist für ihren Gatten bestimmt.
Als Kenkenni, die Frau meines Assistenten Danlardy, schwanger wurde, ging sie mit ihrer Schwiegermutter, einem Perlhuhn und einer Portion Hirsebrei (saab) von ihrem Haus im Zentrum von Wiaga nach Adeween Yeri (oder Asik Yeri), dem traditionellen Gehöft der Familie ihres Gatten in Badomsa. Obwohl das Ehepaar gewöhnlich in einem Bett schläft, schliefen die Eheleute in der folgenden Nacht auf einer Strohmatte und waren nur mit dem freien Ende dieser Decke zugedeckt. Vorher hatte man schon Adeweenlie, eine Tochter von Danlardys VaBr bestellt. Nachts, als die Eheleute eingeschlafen waren, sprenkelte sie Wasser, in dem die Blätter des Schibutterbaums schwammen, viermal über Kenkenni. Den Rest des Wassers schüttete sie über ihre Füße. Am nächsten Morgen wurde der Kopf Kenkennis völlig kahl geschoren. Den mitgebrachten Hirsebrei teilten sich Kenkenni und Adeweenlie. Die Kleidung, die Kenkenni zu diesem Zeitpunkt trug, musste sie Adeweenlie schenken. Auch das Kind, das später aus dieser Schwangerschaft geboren wurde, “gehörte” Adeweenlie.
Es kann vorkommen, dass die für die Zeremonie des Wasserschüttens vorgesehene Verwandte durch Krankheit oder eine Reise verhindert ist. Sie kann dann durch eine andere Frau vertreten werden. Ein Schulabsolvent aus Sandema-Kalijiisa hatte für das poi-nyatika seiner schwangeren Frau die Tochter des Bruders seines Vaters vorgesehen, die auch Schulabsolventin und Christin ist [Endnote 7] . Da diese jedoch krank wurde, führte ihre Schwiegermutter aus Kobdem diese Zeremonie aus. Alle Rechte über das erstgeborene Kind liegen jedoch bei der etwa 25jährigen Schulabsolventin.

Abb.: Ritualbogen für einen neugeborenen Jungen

{41} Drei Tage (bei einem Jungen ) bzw. vier Tage (bei einem Mädchen) nach der Geburt des ersten Kindes wird die Wasserschütterin vom Gatten der jungen Mutter über die Geburt informiert. Sie schickt der Wöchnerin etwas Salz, Dawadawa und eine neue Kalebasse, aus der das Kind später trinken soll.

Ist das erstgeborene Kind ein Mädchen, so wird es oft schon in sehr jungem Alter, aber stets nach der Entwöhnung, als doglie [Endnote 8] in das Haus der Wasserschütterin geschickt. Ist das Mädchen herangewachsen, so wird es gewöhnlich von seiner Vatersschwester deren Gatten zur Frau gegeben. Ist das erstgeborene Kind ein Junge, so beschafft die Vatersschwester ihm einen kleinen Holzbogen (biliok tom) mit einem Pfeil, die ein Hinweis dafür sein sollen, dass er einmal Eigentümer eines Hauses sein wird. Heutzutage bekommt der Junge auch ein Stück Tuch als Geschenk. Dafür ist er später verpflichtet, seiner Tante zu helfen, wenn diese ihn anfordert. Sobald der Junge laufen kann, gibt man ihm diese Waffen zum Spielen.

4. TABUS UND VERHALTENSVORSCHRIFTEN

Sofort nach der Verkündigung der Schwangerschaft treten für die Schwangere eine ganze Reihe von Vorschriften auf, die man nur mit Einschränkung als Tabus bezeichnen kann, da sie auch von den Praktizierenden oft nur als medizinische Vorsichtsmaßnahmen bezeichnet werden.

a) Speiseverbote
Als Grund für die folgenden Speiseverbote wird oft angegeben, dass durch den Genuss dieser Speisen das Kind im Mutterleib zu dick wird und dadurch die Geburt schwieriger wird. Andere Nahrungsmittel, z.B. “kalte” Dinge, können dem Kind und der Mutter direkt schaden.
Folgende Speisen sind für die Schwangere verboten:

frisches Fleisch (getrocknet erlaubt),
frischer Fisch (getrocknet erlaubt),
Eier (Während wenigstens in früherer Zeit der Genuss von Eiern {42} des gewöhnlichen Huhns allen Frauen verboten war, ist der Schwangeren auch der Genuss von Perlhuhneiern verboten),
Milch,
“kalte” Nahrung oder Nahrung vom Vortage,
einige Gemüsearten (?).
Honig (Nach Genuss von Honig wird die Nase des Kindes die Geburt blockieren. Auch nach der Geburt bis zur Entwöhnung des Kindes isst die Frau keinen Honig [Endnote 9].

Kurz vor der Geburt darf die Schwangere auch keine Erdnüsse mehr essen. An Getränken darf sie nur Wasser zu sich nehmen, das durch einen Aschefilter (katuak) gelaufen ist und dadurch einen bitteren Geschmack gewonnen hat [Endnote 10]. Deshalb wird es oft mit vinegar (Essig) übersetzt (Buli: kaam oder katuak). Aus diesem bitteren Wasser bereitet man den Schwangeren zusammen mit grünen Blättern, Dawa-Dawa, Salz und Pfeffer eine Suppe, die auch den Namen katuak trägt und zusammen mit Hirsebrei (T.Z.) zur Hauptnahrung der Schwangeren und der Wöchnerin gehört. Die Suppe katuak wird auch ohne besonderen Anlass von der ganzen Familie gegessen; sie soll ein gutes Mittel gegen Magenschmerzen sein. Mir wurde jedoch vor meinem Einzug in ein Bulsa-Gehöft von christlichen Missionaren dringend vom Genuss dieser Suppe abgeraten, da sie für Europäer nur schwer verträglich sei.

Abb.: Der tabuisierte Ahnenschrein wird mit einem geflochtenen Speicherdeckel (sampowuuk) bedeckt

b) Sichtverbote
Gleich nach der Verkündigung der Schwangerschaft geht der Gatte zum Elternhaus seiner Frau und bittet seinen Schwiegervater, zum Wahrsager zu gehen. Nach anderer Information kann der Gatte oder der Vater des Gatten auch selbst den Wahrsager besuchen; mitunter kann die Frage nach den tabuierten Personen gleichzeitig beim ersten Wahrsagerbesuch vor der Verkündigung der Schwangerschaft gestellt werden. Der Wahrsager findet jedenfalls heraus, welche lebenden oder verstorbenen Personen die Schwangere nicht sehen darf. Entdeckt er, dass die Frau z.B. den bogluk eines Vorfahren ihres Gatten nicht sehen darf, so nimmt man einen großen Strohdeckel (sampowuuk, Pl. sampowuuta), wie sie zum Abdecken der Getreidespeicher verwendet werden, und verdeckt damit den bogluk des Ahnen (siehe Foto). Nach Auskunft eines Informanten ist es gewöhnlich der verstorbene Urgroßvater in patrilinearer {43} Abstammung, seltener der Großvater (patrilinear) der Schwangeren, deren bogluta sich natürlich im Gehöft der Eltern der Schwangeren befinden. Ein anderer Informant behauptet, dass es immer der Ahne ist, der im Kinde wiedergeboren wird, aber auch diese Auskunft konnte nicht durch andere Berichte erhärtet werden.
Im Gehöft Asik Yeri (oder Adeween Yeri) darf eine (auswärts) verheiratete Frau den Ahnenschrein ihres VaVaVa (Adeween) seit ihrer Schwangerschaft nicht sehen. Dieses Tabu galt auch noch, nachdem sie schon zwei Kinder geboren hat. Bei Besuchen in ihrem Elternhaus wird der wen-Stein des Schreins mit einigen Strohhalmen verdeckt (siehe Foto).

Abb.: Der tabuisierte Ahnenschrein wurde mit Strohhalmen verdeckt

Von den lebenden Personen scheinen besonders häufig andere Frauen des Gatten der Schwangeren unter das Sichtverbot zu fallen. Eine solche Frau kann etwa für die Zeit der Schwangerschaft in ihr eigenes Elternhaus zurückkehren. Ist die tabuierte Person ein Mann, so bleibt die Schwangere meistens in ihrer Abteilung des Gehöftes und wird diese nur durch einen Hinterausgang über die Mauer verlassen, um ihre Notdurft zu verrichten. Darf die Schwangere eine Person ihres Elternhauses nicht sehen, so wird sie gewöhnlich dieses Haus nicht aufsuchen, während es sonst durchaus üblich ist, dass die Schwangere eine längere Zeit in ihrem Elternhaus zubringt, auch wenn das Kind nicht dort geboren werden soll.
Da es die Auffassung gibt, dass das ungeborene Kind durch die Augen der Mutter schaut, ist es nicht eindeutig, ob die hier behandelten Sichtverbote Tabus der Mutter oder des Kindes sind. Falls von der Schwangeren eins dieser Tabus missachtet wird, so kann dies zu ihrem Tod oder zum Tod des ungeborenen Kindes fuhren.

c) Verhaltensvorschriften für die Schwangere
Obwohl die Schwangere bis kurz vor der Geburt ihre täglichen Arbeiten verrichtet, rät man ihr, sich körperlich etwas zu schonen, z.B. nicht zu laufen oder zu tanzen, weil dieses zu einer Frühgeburt führen kann. Sie soll möglichst ihre Knie gestreckt halten. Deshalb darf sie nicht zu häufig auf einem Stuhl sitzen, sondern soll sich mit gespreizten Beinen auf den Boden setzen. Nachts darf sie nur auf der rechten oder linken Seite schlafen, nicht auf dem Bauch oder dem Rücken. Das Tragen von Stöckelschuhen wird auch von Mütterberatung der Krankenstationen verboten. Geschlechtsverkehr mit ihrem Gatten bis etwa zum 7. oder 8. Monat ist der Schwangeren nicht nur erlaubt, sondern wird sogar empfohlen, da hierdurch eine leichte Geburt bewirkt wird.
Die Schwangere darf über kein Blut gehen und bei keiner Geburt helfen. Totengedenkfeiern darf sie zwar besuchen, darf dort aber keine Geschenke verteilen [Endnote 11].
{44} Wenn der Bauch der Schwangeren angeschwollen ist, soll sie häufig am Mörser stampfen, weil dies als eine Art Gymnastik angesehen wird.

d) Vorschriften für den Gatten
Der Gatte der Schwangeren muss während der Schwangerschaft folgende Vorschriften einhalten:
1. Er darf bei der Jagd bestimmte wilde Tiere nicht töten. In den unveröffentlichten Feldnotizen von R. Schott werden als wilde Tiere, die unter dieses Verbot fallen, aufgeführt: Buschkuh, Büffel, Schwein, Löwe und Leopard. Falls der Mann einer Schwangeren doch ein solches Tier getötet hat, wird er versuchen, die “Schuld” auf einen anderen Schützen zu schieben. Anderenfalls würde das Kind bei der Geburt sterben [Endnote 12].
2. Der Gatte darf keine neue Lehmhütte bauen. Bei Zuwiderhandeln wird die Frau selbst während der Geburt sterben [Endnote 13].
3. Er darf keine Geschenke bei Bestattungsfeiern geben.
4. Er darf den Eltern seiner Frau keine Geschenke machen. Hierzu gehören auch Zahlungen, die mit der Heirat verbunden sind, z.B. das “Schließen des Tores” (nansiung lika). Wenn der Gatte während der Schwangerschaft das “Tor schlösse”, so würde er nach R. Schott [Endnote 14] damit das Kind im Leibe seiner Frau einschließen.
5. Er darf keine Arbeiten im Elternhaus seiner Frau verrichten. Die Tabus des Gatten sind automatisch mit der Ausführung der Frau nach der Geburt aufgehoben.
Ein Teil dieser Verbote und Vorschriften lässt sich durch den zwischenzeitlichen (Übergangs-) Zustand der Schwangeren erklären. Bei Zahlungen (z.B. für die nansiung lika) ist nicht sicher, ob diese Zahlungen für eine noch kinderlosen Ehefrau oder eine Mutter verrichtet werden sollen. Dieses Dilemma wird durch die Tabuisierung aller Zahlungen in diesem Zustand neutralisiert.

5. SCHWANGERSCHAFTSZEREMONIEN NACH HÄUFIGEN FEHLGEBURTEN

Hat eine schwangere Frau vorher mehrere Fehlgeburten gehabt, so kommt dieselbe Frau, die während der ersten Schwangerschaft die poi-nyatika Zeremonie ausgeführt hat, noch einmal in das Gehöft und legt ihr nach Feststellen der Schwangerschaft eine ungefärbte Hüftschnur um die Hüften. (Die Zeremonie des Wasserschüttens fällt diesmal fort).
Falls später eine Tochter geboren wird, so trägt sie auch eine Zeitlang, mitunter bis zu ihrer Beschneidung, eine ungefärbte Hüftschnur {45} und sie ist ihrer Vatersschwester vielleicht noch stärker verbunden als das Mädchen, das nach einer ersten Schwangerschaft geboren wird. Wenn sie den Gatten ihrer Vatersschwester oder den von dieser ausgesuchten Mann nicht heiraten will, kann sie zu ihren Eltern zurücklaufen. Sie muss aber während ihrer eigenen Schwangerschaft im Hause der Vatersschwester sein {46}.

ENDNOTEN (SCHWANGERSCHAFT)

1  Zum Begriff des wen: s. Verzeichnis einiger Buli-Begriffe, S. {392}.
Wenn die wena der beiden Ehepartner nicht übereinstimmen (wena kan siagi) oder sich nicht vertragen, zwingen sie die Personen durch Konflikte, Krankheiten, Unglücksfälle usw., sich voneinander zu trennen.

2  Das Mädchen nimmt die Stellung einer doglie ein. Vgl. Verzeichnis einiger Buli-Begriffe, S. {388}. Diese Einrichtung wurde ausführlich beschrieben und analysiert von B. Meier 1992, 1997 und 1999.

3  In den englischen Zitaten aus Bulsa-Lebensläufen wurde die Rechtschreibung eingebessert, fehlerhafter Ausdruck blieb erhalten, soweit der Satz verständlich ist, andernfalls werden in Klammern Berichtigungen oder Erklärungen gegeben. Teile der Lebensläufe zu diesem Thema wurden 1997 (S. 68-74) von F. Kröger veröffentlicht.

3a  Nyati 1. erkennen, 2. verkünden. Die Wurzel nya bedeutet “sehen”, poi 1. Bauch, 2. Schwangerschaft (synonym mit puuk?).

3b  Als VaSw trägt diese Frau die Verwandtschaftsbezeichnung ko (klassifik. “Vater”).

3c   Nach einer Information aus Gbedema sollte es eine Noppenkalebasse sein.

4  Das dreimalige Wasserschütten in einer Zeremonie, an der nur Frauen teilnehmen, kommt unerwartet, da die Vier gewöhnlich als “weibliche Zahl” betrachtet wird.

5  Im Gegensatz zu den gewöhnlich getragenen lila-schwarzen Hüftschnüren zeigen die hier benutzten ein sattes Rot. Die Hüftschnur wird vierfach (weibl. Prinzip) um die Hüften der Frau gelegt.

6  Obwohl dies Verhalten zur erstmals schwangeren Frau an Scherzverhältnisse (Buli: ale chaab leka, oder gbiera) erinnert, wird es von mehreren Informanten nicht als “joking relationship” bezeichnet, da sich hier nur gute Bekannte und Verwandte ein solches Benehmen für eine begrenzte Zeit erlauben dürfen.

7 Dies geschah angeblich ohne Wahrsagerbefragung.

8  Hausgehilfin einer verheirateten Frau aus ihrer eigenen Linie. Von einer doglie wird gewöhnlich erwartet, dass sie auch den Gatten der älteren Verwandten später heiratet. Vgl. S. 258 f.

9  Information durch R. Schott, Unveröffentlichte Feldnotizen 1966/67.

10  Das Wasser läuft von einem Tontopf, der mit Asche aus verbranntem Hirsestroh gefüllt ist, durch ein kleines Loch in einen zweiten Tontopf. Vgl. Ethnograph. Sammlung des Sem. f. Völkerkunde Münster. (Die Sammlung befindet sich seit 2016 im Forum der Völker Werl)

11  Information durch R. Schott, Unveröffentlichte Feldnotizen 1966/67, S. 219 f.

12  Ibd. S. 219 f.

13  Ibd.

14  Ibd., S. 21: “…otherwise you have closed the child inside the woman’s stomach.”

KAPITEL II:  GEBURT

l. GEBURTSVORGANG
[Endnote 1]

Kinder werden meistens im Hause ihres Vaters geboren. Wenn die Mutter jedoch im Hause ihres Gatten häufiger Fehlgeburten hatte oder wenn im Hause des Gatten keine geeigneten Frauen sind, die behilflich sein können, kann die Geburt (biam) auch im Elternhaus der Frau stattfinden.
Falls die Schwangere nicht von der einsetzenden Geburt an einer anderen Stelle überrascht wird’, findet die Geburt gewöhnlich im dachlosen Küchenraum (gbanglong [Endnote 1a], Pl. gbanglongta) statt, da hier Blut, Geburtswasser und Waschwasser durch das Abflussloch (voong, Pl. voongsa) in der Außenwand abfließen können. Zu diesem Zweck gräbt ein Hausbewohner hinter dem Abflussloch des gbanglong ein Loch, das kurz nach der Geburt wieder zugeschüttet wird. Außenstehenden ist es streng verboten, über das abfließende Wasser und das Loch zu schreiten.
Ayarik aus Zuedema berichtet von einem Fall, in dem ein Ahne mit Hilfe einer Schlange den Geburtsort angegeben hat. Eine Schlange kam in sein Gehöft und kroch zielsicher auf den dayiik des Gehöftes zu. Sie wurde als Ahne identifiziert, der in dem Kind wiedergeboren werden sollte. Sie blieb noch vier Tage nach der Geburt eines Mädchens in diesem Raum und verschwand dann wieder.
Bei Einsetzen der Wehen geht der Hausherr (yeri-nyono) zum Wahrsager, um sich zu erkundigen, ob während der Schwangerschaft etwas falsch gemacht wurde, und eventuell muss er einem seiner Ahnen noch ein Huhn oder Hirsewasser opfern. Wenn die Geburtswehen beginnen, werden alle Kinder aus dem Innenhof der gebärenden Frau getrieben. Besonders wichtig ist es, dass das zuletzt geborene Kind (patiero) der Frau sich nicht in der Nähe aufhält. Auch die Männer, besonders der Gatte, entfernen sich. Der Gatte der Gebärenden wird manchmal sogar angehalten, das Gehöft zu verlassen.
Nach Auskunft der Krankenschwester Margaret aus Gbedema ist die Gebärende bis zum Erscheinen des Kopfes noch von männlichen und weiblichen Verwandten und Freunden (nongta) umgeben. Sobald der Kopf erscheint, müssen alle Männer, Jugendlichen und Kinder den Ort verlassen.
Die Frau sitzt in einer “Hockstellung” (?) mit gespreizten Beinen auf dem Boden, ihre Hände berühren hinter ihr den Boden oder werden von Frauen gehalten. Vor ihr sitzt die eigentliche Hebamme (poi-yigro) [Endnote 1b]. Nachdem man die Gebärende angewiesen hat “Presse so als ob du fäzieren wolltest”, drückt eine Helferin ihren Anus nach innen, sodass ihre ganze Energie in den Vaginalbereich geht (andere Information: “…damit das Baby den richtigen Weg findet”). Auch ein Aufreißen des Anus wird so verhindert. Wenn der Kopf erscheint, wird das Baby nicht (wie es in Krankenhäusern geschieht) aus der Geburtsöffnung herausgezogen, sondern man fährt mit dem Pressen (ngusi) und Drücken fort.
Nach der vollzogenen Geburt wird der Kopf des Babys durch Druck und Massage geformt (fi tag biika zuk, ‘man massiert den Kopf des Kindes’), wie es dem Schönheitsideal entspricht. Bis zu acht Tagen nach der Geburt kann diese Formung erfolgen und wird auch mitunter im Krankenhaus von einer Angehörigen vollzogen.
Es ist bekannt, dass man die Plazenta nicht an der Nabelschnur herausziehen sollte, da diese so abbrechen kann. Falls auch nur ein Stückchen der Nachgeburt im Leibe der Frau bleibt, so ist ihr Leben in Gefahr. Die Nabelschnur wird nach dem vollständigen Erscheinen der Plazenta mit einem Messer abgeschnitten, das vorher an einem Feuer ausgeglüht wurde (Der Grund hierfür, eine Desinfektion, ist den meisten Ausführenden nicht bekannt.
Berichte über den Geburtsvorgang durch andere (meistens männliche) Informanten entsprechen dem oben dargestellten, sind aber nicht so detailliert [Endnote 1c]. Wie R. Schott [Endnote 2] erfahren hat, ist die Gebärende schon nach dem ersten Einsetzen der Geburt so erschöpft, dass sie oft schon alle weiteren Anstrengungen aufgibt, wenn gerade erst der Kopf des Kindes herausgekommen ist. Möglicherweise ist diese Erschöpfung auch durch schmerzlindernde Medizin mitverursacht. E. Haaf [Endnote 3], der selbst Arzt am Krankenhaus von Bawku war, hat für die Kusasi festgestellt, dass diese Medizin oft aus einem Wurzeldekokt von Aloe barteri [syn. Aloe buettneri, Sukkulente Pflanze) besteht. Sie kann nach Haaf die Wehen frühzeitig einleiten, aber auch eine vorzeitige Erschöpfung des Uterus herbeiführen.
Bei den Bulsa wird nach der Geburt die Nabelschnur etwa 5-10 cm vom Nabel des Kindes von der Hebamme abgebunden und mit dem Messer oder einer Rasierklinge abgeschnitten. Ein Informant aus Fumbisi sagt, dass bei einem Mädchen die verbleibende Nabelschnur eine Länge von vier Knoten, bei einem Jungen von drei Knoten hat. Wenn später das Stückchen Nabelschnur am Körper des Kindes verfault und abgefallen ist, wird die Nabelwunde, d.h. der Nabel, mit Schibutter (kpaam) und heißem Wasser behandelt und massiert. Die abgefallene Nabelschnur wird in eine leere Nussschale (jigsi-kpak) des Schibaumes gesteckt.

Abb.: Nabelschnüre in Schinuss-Schalen über dem Ausgang eines Ahnenraums. Ein Teil der Schalen ist zerstört oder aus dem Putz herausgefallen.

Im Inneren des dalong, in Wiaga ist es meistens der Ahnenraum [Endnote 4] über dem Ausgang kratzt man ein kleines Loch in die innere Lehmwand, steckt die Nuss mit der Nabelschnur hinein und verschmiert es wieder mit feuchtem Lehm, so dass sich noch ein kleiner Buckel aus der Wand abhebt. Gerade bei der letzten Tätigkeit darf kein Kind zuschauen.

Die Schnur oder Faser, mit der die Plazenta abgebunden wurde (siek oder eine schwarz-rote pak-Schnur) wird in einem der beiden zamonguni-Pfeiler am Gehöfteingang aufbewahrt.
Die Plazenta (koalima) [Endnote 5] und der längere Teil der Nabelschnur werden – ebenso wie Frühgeburten – hinter dem Abfallhaufen (tampoi, Pl. tampoa) des Hauses begraben. Nach L. Amoak werden Plazenta und Nabelschnur von weiblichen Neugeborenen im westlichen, von männlichen im östlichen Teil des Abfallhaufens begraben. Hierzu legt man sie in einen Tontopf (cheng bimbili, Pl. cheng bimbilisa), dessen Boden man durchlöchert hat und der als Ganzes in zwei Teile zerlegt wurde [Endnote 6]. Die Plazenta wird mit zerbrochenen Kalebassenstückchen bedeckt. Zwei Frauen, die bei {48} der Geburt geholfen haben, tragen den Topf mit der Plazenta zum tampoi, wobei sie die beiden Topfhälften zusammendrücken, damit die Nachgeburt nicht herausfällt. Vorher hat ein Mann hinter dem tampoi ein Loch gegraben, in dem die Plazenta “beigesetzt” wird. Ein Informant aus Fumbisi-Kasiesa berichtete, dass dort die Nachgeburt nicht in einem Topf, sondern zusammen mit der Spreu gedroschener Hirse im tampoi begraben wird. Nach der Beisetzung waschen sich der Junge, der das Loch gegraben hat, und die Frau, die die Nachgeburt beerdigt hat, das Gesicht aus einer Kalebasse mit Wasser.
Wenn später hinter dem Abfallhaufen Korn angebaut wird, isst kein Hausbewohner, dessen Nabelschnur und Plazenta dort begraben ist, von dem Korn. Es kann für Fremde, eingeheiratete Frauen oder für die Hühner verwendet werden [Endnote 7].
Der Gatte der Gebärenden ist während der Geburt meistens äußerst aufgeregt und nach der erfolgreichen Geburt sehr glücklich, aber er gibt sich Mühe, seine Gefühle nicht zu zeigen. Wenn sich bei der Geburt Komplikationen ergeben, läuft er zum Wahrsager, um zu erfahren, ob etwas falsch gemacht wurde, und er muss vielleicht den erzürnten Ahnen opfern. Bei ernsten Komplikationen muss er allerdings annehmen, dass seine Frau ihm vielleicht einen sexuellen Fehltritt verschwiegen hat. Vor dem Ascheblasen (pobsika) darf er das Kind und dessen Mutter nicht sehen {49}.

Ergänzungen zum Geburtsvorgang 2021:
Der Geburtsvorgang und nachfolgende Behandlungen wurden in der 1. Auflage dieses Buches nur nach Informantenaussagen geschildert. Auch in den folgenden Jahren bis zu meiner letzten Feldforschung bei den Bulsa (2011) habe ich niemals einen Geburtsvorgang direkt beobachten können. Aber häufig wurde ich unmittelbar nach einer geglückten Geburt gerufen und konnte alle postnatalen Vorgänge und Behandlungen aus nächster Nähe beobachten. Diese sollen hier in verkürzter Form aufgezählt werden.

Geburten in Anyenangdu Yeri, Badomsa

26.1.89 Awunlie, die Schwiegertochter Anamogsis, gebärt ein Mädchen
5.7.94  Ayabalie, die damals jüngste Frau Anamogsis, gebärt einen Jungen (s.u.)
5.3.05: Anamogsis Schwiegertochter Assibi (Kasena) gebärt ein Mädchen
7.3.05: Anamogsis Schwiegertochter Esi gebärt einen Jungen

Von den vier beobachteten postnatalen Aktivitäten konnte am ausführlichsten die von Ayabalie beobachtet und dokumentiert werden (s.u.).

Geburten in Akanming Yeri, Badomsa

11.12.88  Eine Frau aus einem anderen Gehöft Badomsas gebärt in Akanming Yeri einen Jungen. Die Frau hatte diesen Geburtsort gewählt, weil in ihrem eigenen Gehöft keine geeignete Geburtshelferin zur Verfügung stand. Die Hebammendienste wurden von Akanmings ersten Frau ausgeführt.

Geburten in Wiaga-Sichaasa

4.12.88  In einem Gehöft Wiaga-Sichaasas hat eine Frau Zwillinge geboren.
17.7.89  In einem (anderen) Gehöft Sichaasas wurden Zwillinge geboren.

Mein Gehöftherr Anamogsi ist im Besitz einer Geburtsmedizin (biam-tiim), die nicht nur im eigenen Gehöft angewandt wird. Besonders in schweren Fällen, z.B. bei Zwillingsgeburten oder wenn die Plazenta nicht herauskommen will, wird er oder in einer seiner kundigen Söhne mit der Medizin in das Haus der Wöchnerin gerufen. Ich konnte ihn bei drei dieser Besuche begleiten.

Geburt in Yisobsa

7.5.89  Nach einer Geburt wird Anamogsis Sohn gerufen, um die Nachgeburt zu entfernen.

Die vier in Anyenangdu Yeri beobachteten postnatalen Aktivitäten ähneln sich in einem so starken Maße, dass ich mich hier auf ein Ereignis beschränken kann.

Abb.: Der durchlöcherte bimbili-Topf, in dem später die Nachgeburt  begraben wird.

Am Abend des 5. Juli 1994 gebar Ayabalie, die damals jüngste Frau Anamogsis, einen Jungen. Bei meiner Ankunft saß sie auf dem Boden eines Badezimmer (nying-soka-dok) und zeigte mir sofort ihr Kind, das sie auf den Armen hielt. Die Nabelschnur war schon durchschnitten und die Plazenta entfernt.

Abb.: Awunlie schüttet die Spreu auf das Tongefäß

Die Hebamme Agoalie (meine Köchin) bohrte bei meiner Ankunft gerade mit einem spitzen Messer ein Loch in einen dunklen bimbili-Topf, der hier bi-yaam genannt wurde. Eine andere verheiratete Frau holte einen offenen Korb gefüllt mit Hirsespreu (chaff), das man gebraucht hatte, um Blut vom Boden aufzusaugen.
Die Frauen (außer Ayabalie) und ich zogen nun zum Abfallhaufen (tampoi), wo mein Assistent Yaw (ein Enkel Anamogsis) mit einer Hacke ein etwa 40 cm tiefes Loch für den Topf mit der Plazenta gegraben hatte. Auf das Tongefäß schüttete man die blutige Spreu und darüber Asche vom tampoi. Alle traten nun mit den Füßen die Füllung fest und wuschen sich über der Grabstelle Hände, Füße und das Gesicht. Kinder des Gehöfts, die bei all diesen Handlungen versuchten, sich der Grabstelle zu nähern wurden weggetrieben.

Abb.: Awunlie badet Ayabalies Kind. Das Endstück der Nabelschnur ist erkennbar.

Kurz nach 20 Uhr saß Awunlie, eine Schwiegertochter Anamogsis, mit dem Kind auf den Beinen im Baderaum. Aus einem Topf mit heißem und kalten Wasser mischte sie in einen dritten Topf das Badewasser zu einer angemessenen Temperatur. Mit Kernseife wurde der Kopf, Körper und Schluss Penis und Gesäß des Babys gewaschen. Das Kind hatte nur einige Male beim Bad geweint, sonst war es völlig ruhig.

Abb.: Abbinden der Nabelschnur mit einer siek-Faser

Die bereits auf etwa 10 cm verkürzte Nabelschnur band Awunlie mit einer in Wasser eingeweichten  siek-Faser (von der Schote einer Dawa-dawa Frucht) an der Haut ab. Das abgebundene Stück wird später von selbst abfallen. Den Nabel riebAwunlie mit trockenen, zerbröselten Blättern der kleinen bogta-Pflanze ein. Ayabalie holte eine Matte und breitete sie im Innenraum eines Viereckbaus aus. Hier schlief sie und das Baby in der Nacht.

Abb.: Das Anreiben der schwarzen pobsika-Medizin, mit der die Frau und das Kind eingesalbt werden.

Abb.: Atoa, ein Sohn Anamogsis, salbe ein neugeborenes Baby an mehreren Körperstellen (Foto aus Akanming Yeri).

Zwei Tage später, kurz vor 6 Uhr morgens, wurde ich zum Ritual des Ascheblasens (pobsika, s.u.) geholt. Eine erste pobsika hatte gleich nach der Geburt zwischen dem Baby und dem nächstältesten Kind (patiero) stattgefunden. Ayabalie und ihr Kind befanden sich noch in dem Viereckbau, dessen Tür verschlossen war, als Aleeti, ein in rituellen Belangen kundiger Sohn Anamogsis, mit einem Kieselstein ein kleines Stückchen medizinischer Holzkohle in einer Topfscherbe, etwa 1/2 Teelöffel Schibutter hinzufügte und alles vermischte. Das Ascheblasen fand, ähnlich wie es unten im Gehöft Asekabtas (Sandema) beschrieben wird, durch die halb geöffnete Tür statt, wobei Awunlie ihm die Augen zuhielt.

Abb.: Aleeti bläst Asche in Richtung Ayabalie. Awunlie hält ihm die Augen zu.
Abb.: Aleeti hat einen Hirsehalm aus dem Strohdach des kusung gezogen und ihn Ayaabalie gereicht.
Abb.: Ayabalie legt den Rest der weißen Asche auf einen Ahnenschrein.

Danach gingen Aleeti und Ayabalie zum Vorhof (pielim) des Gehöfts. Aleeti zog einen Hirsehalm aus dem Strohdach des kusung und reichte ihn Ayabalie. Diese legte den Rest der weißen pobsika-Asche auf einen Ahnenschrein (Aluechari?).

Zurück im Innenhof, setzte sich Ayabalie mit ihrem Baby wieder auf die Matte im Innenraum des Viereckbaus. Aleeti brachte mit der schwarzen Salbe kleine Kreuze an folgenden Stellen von Ayabalies Körper an [Endnote 7a]: 1. an beiden Füßen (zwischen großem und nächstem Zeh?), 2. auf der Stirn, 3. an den Händen. Anschließend wurde das Baby an den gleichen Körperstellen gesalbt.
Mit dem Rest der Medizin malte Aleeti schwarze Kreuze an folgenden Stellen des Innenhofes:

1. Über der Tür des Eingangs des Viereckbaus (innen),
2. Über der Tür des Eingangs des Viereckbaus (außen),
3. Über den Eingang des Badezimmers, wo die Geburt stattgefunden hatte (außen),
4. Über dem Eingang der Offenküche,
5. Über dem Eingang eines Rundbaus mit Flachdach im gleichen Innenhof,
6. Über dem Eingang eines Kegeldachhauses im gleichen Innenhof,
7. Über dem zementierten Eingang zum Innenhof (Innenseite).

Am 31. Juli 1994 führte eine etwa 12jährige, unverheiratete Tochter des Hauses das Baby zum ersten Mal aus dem Gehöft heraus zum pielim. Hiernach fanden keine weiteren Geburtsriten statt.

Abb.: Das Baby wird von einer Tochter des Hauses aus dem Gehöft geführt

Die übrigen im Anyenangdu Yeri beobachteten Geburtsriten wichen nur in unbedeutenden Details von den oben geschilderten ab. Dem am 7. März geborenen Sohn Aleetis wurde ein kleiner Bogen mit einem Holzpfeil geschenkt (nähere Informationen über dieses Ritual siehe unten). Der neugeborenen Tochter von Anamogsis Sohn Awentemi stach eine Frau zum späteren Tragen von Ohrringen Löcher in beide Ohrläppchen. Dieser Brauch ist natürlich optional und vielleicht für diesen Zeitpunkt nach der Geburt auch nicht sehr alt.
Bei Awunlies Geburt fungierte Akawai, die älteste Tochter Anamogsis, die auch das poi-nyatika Ritual bei der Schwangeren durchgeführt hatte, als Hebamme. In den meisten Gehöften, aber nicht in Anyenangdu Yeri, ist die Hebammen-Arbeit für eine Tochter des Hauses, tabu.
Wie bereits erwähnt, werden die Dienste Anamogsis als Besitzer der biam-tiim über seine eigene Sektion hinaus bei Geburten mit besonderen Problemen in Anspruch genommen.

Am 4. Februar 1988 begleitete ich Atoa, einen Sohn Anamogsis, als er in Sichaasa eine Frau behandeln sollte, die Zwillinge geboren hatte. Bei unserer Ankunft saß die Wöchnerin auf dem Boden eines Viereckbaus. Vor ihr lag die blutige Plazenta, die noch über die Nabelschnur mit den beiden Kindern verbunden war.

Abb.: Die in Sichaasa neugeborenen Zwillinge. Die Nabelschnur ist erkennbar.

Eine große, nicht ganz neue Kalebassenschale ohne Noppen wurde mit frischem Wasser gefüllt, und Atoa warf ein kleines Bündel tinangsa-Medizin hinein.

Abb.: Kalebassenschale mit tinangsa-Medizin

Er befeuchtete mit diesem Wasser seine Hand und bestrich damit das Haar, die Stelle zwischen den beiden Brüsten und den Rücken der Wöchnerin. Der Rest des Wassers wurde aufgehoben. Dann drückte Atoa den noch dicken Bauch der Frau und eine helle, blutige Masse kam heraus.
Eine ältere Frau, wahrscheinlich die Hebamme, holte ein berindetes Stück Holz des Schibutterbaumes und schnitt hierauf mit einer Rasierklinge die Nabelschnur in einem Abstand von 5-10 cm vom Bauchnabel ab. Es kam hierbei etwas Blut, und das Baby, das bisher ruhig war, schrie etwas. Die Nabelschnur und die Plazenta legte man in einen mittelgroßen cheng-Topf, der im Boden bereits ein Loch hatte. Mit Hirsespreu und Sand wurde die Blutlache vor der Frau aufgesogen und in eine große Kalebassenschale deponiert. Mit der Kalebasse und dem cheng-Topf zogen Atoa, die Hebamme, ein junge Helferin und ich zum Fuße des tampoi, wo bereits ein etwa 16jähriger Bursche mit der Hacke ein Loch gegraben hatte. Der Tontopf, jetzt mit einer Keramikscherbe bedeckt, wurde hineingestellt und mit Erde und der blutigen Spreu bedeckt. Die Hebamme und der junge Mann zertrampelten mit ihren Füßen die Kalebassenschale und legten die Scherben über den cheng-Topf mit der Spreu und füllten den Rest mit Erde (oder Asche vom tampoi?) auf.
Aus einer Noppenkalebasse mit klarem Wasser wuschen sich die Hebamme, die junge Helferin und der Gräber die Finger. Dann fassten sie sich an die Hand und tanzten um die Grabstelle eine Art “Ringelreihen” (gokta). Dieser Tanz drückte die Freude über die gelungene Geburt aus, war jedoch nicht obligatorisch.

Abb.: Tanz auf der Grabstelle

Als Atoa und ich abfahren wollten, rief man uns zurück zur pobsika. Nur das unmittelbar vor den Zwillingen von derselben Mutter geborene Kind wurde hierzu in den Raum der Wöchnerin geholt. Ein Mann hielt ihm (ihr?) die Augen zu und blies selbst die Asche in Richtung der Frau.
Nach einigen Tagen kamen Abgeordnete des Sichaasa-Gehöftes nach Anyenangdu Yeri, um sich mit einem Huhn zu bedanken und noch mehr Medizin zu erwerben. Weitere Opfer mit Hirsebier wurden auch später in Sichaasa dargebracht, ohne dass ich diese beobachten konnte.
Bisher wurden hier nur gelungene Geburten mit einer reibungslos entfernten Plazenta beschrieben. Am 7. Mai 1989 wurde jedoch Anamogsi (bzw. sein Sohn Atoa) in ein Yisobsa Gehöft gerufen, da es Probleme bei Entfernen der Plazenta gab. Als Atoa und ich gegen 7 Uhr in dem Gehöft ankamen, saß die Wöchnerin im dalong vor einem Abflussloch (voong), und vor ihr befand sich eine große Blutlache. Es fiel mir sofort auf, dass ihre Hautfarbe eine grau-braune Tönung hatte, denn sie hatte viel Blut verloren.
Atoas erste rituell-medizinische Handlungen ähnelte denen in Sichaasa (s.o.), d.h. er legte sein Medizinbündel in eine Kalebasse mit klarem Wasser und schüttete das Wasser (vier mal?) in mehreren Güssen über den Kopf der Frau, gab ihr davon zu trinken und rieb ihren Bauch mit dem Wasser ein. Das Baby erhielt eine ähnliche Behandlung. Dann rieb und presste Atoa den Unterleib der Frau heftiger und zog leicht an der Nabelschnur. Es kam aber nur klares Wasser heraus und die Frau übergab sich. Ich fuhr zur Krankenstation der katholischen Missionsstation Wiaga und bat dort um Hilfe. Man war dort sehr verärgert, weil sie immer dann um Hilfe gebeten werden, wenn eine medizinische Behandlung schon misslungen war. Sie lehnten daher einen Besuch im Gehöft ab. Daraufhin holten wir Anamogsi selbst. Er spuckte leicht in die Hände und hielt hiermit den Kopf der Frau, während andere die Medizinwurzeln kochten. Die vorhergehenden Prozeduren wiederholte sich: Überschütten des Kopfes, Trinken, Reiben und Pressen des Bauches. Anamogsi klopfte auch mit der Kalebasse auf den Kopf der Wöchnerin. Man brachte Hirsebrei mit Erdnusssauce für die Frau, den sie auch ganz verzehrte.
Als gegen 12.00 Uhr noch keine positive Veränderung eingetreten war, transportierte ich die Frau, ihren Gatten und das Kind, das noch immer an der Nabelschnur hing, hinten auf einem Pick-up zur katholischen Krankenstation. Dort trennte man zwar die Nabelschnur durch, deutete aber an, dass jetzt nur noch das Krankenhaus Navrongo helfen könne. Ich müsse allerdings damit rechnen, dass die Frau unterwegs stirbt. Obwohl meine Autobatterie sehr schwach war, lasse ich mich zu einer Fahrt überreden. In Sandema nehme ich allerdings noch Stefan Völker, einen deutschen Krankenpfleger mit. Im Krankenhaus von Navrongo ist die Ärztin zunächst unabkömmlich, aber eine Schar von Schwesternschülerinnen und Schwestern ließen es auf einen Versuch ankommen. Nach einigen Minuten hörte ich aus dem Operationssaal einige laute Schreie. Die Schwestern hatten die Plazenta erfolgreich manuell entfernt. Die Frau und das Baby, sowie ihr Gatte als potentieller Blutspender, blieben noch einige Tage im Krankenhaus. Später erschien der glückliche Gatte in unserem Gehöft Anyenangdu Yeri. Anamogsi erhielt die volle Bezahlung für seine Arbeiten. Danach brachte man mir und Anamogsi je ein dunkles Huhn und eine Ziege als Geschenk.

2. HÜFTSCHNÜRE UND AMULETTE

a) Schnüre
Bei einer Normalgeburt werden dem neugeborenen Kind oft noch am gleichen Tag von der Mutter einfache, schwarz gefärbte, geflochtene Faserschnüre um Hals, Handgelenke und Fußgelenke gelegt. Die Schnüre erinnern an einen dünnen europäischen Bindfaden. Falls eine Schnur zerrissen ist, wird sie ohne Aufheben von der Mutter ersetzt. Erst wenn das Kind etwas laufen kann, werden die Faserschnüre durch eine dünne aus Gräsern geflochtene Hüftschnur ersetzt, die Jungen im Hirtenalter (etwa ab fünf Jahren) später gegen einen dickeren aus acht und mehr Strängen geflochtenen Grasring austauschen. Diese Grasringe sind ungefärbt hell, schwarz-weiß oder schwarz-rot. Heutzutage tragen viele Bulsa-Jungen auch Lederhüftschnüre (chia-poala), oft mit eingeschlossenen ZaubermitteIn (tiim, Pl. tiita). Sie dürften jedoch, wie wohl die meisten farbigen Lederarbeiten, auf Frafra-Einfluss zurückzuführen sein. Falls ältere Jugendliche und Männer überhaupt noch einen Hüftring tragen, wird dieser aus Leder sein und gewöhnlich Zaubermittel enthalten. Mädchen tragen ihr ganzes Leben lang dünne Strohschnüre (miik, Pl. miisa) um die Hüften, die im Normalfall schwarz-lila gefärbt sind [Endnote 8]. Dass sie bei Mädchen genau viermal um die Hüften geschlungen sein müssen, entsprach nicht immer meinen Beobachtungen.
Bei einer Frühgeburt erhält der lebende Junge oder das lebende Mädchen am 3. bzw. 4. Tag eine besondere Schnur, die hosenträgerähnlich vom Kleinkind getragen wird (vgl. Abb. 7). Auf der Brust, unterhalb der Brustwarzen, wird dem Kind ein kreisrunder Klecks gesiebter, schwarzer, schlammiger Erde (bagta) aufgetragen, die man am Körper antrocknen lässt. Beim Bad gibt man acht, dass sich die Erde nicht auflöst. Die Erde soll das Kind gesund erhalten und vor allem das Atmen erleichtern. Die Schnüre und die Erde bleiben etwa einen Monat.
Nur selten sieht man eine Hüft- oder Halsschnur von Kleinkindern ganz ohne Zauber- und Heilmittel (tiim, Pl. tiita). Zu den häufigsten Anbringseln an der Schnur gehört die guli-Medizin (Pl. gula), die auch sinsan-kuna oder sinsan-gula genannt wird. Die hohlen Pflanzenteile können leicht – oft in {50} Verbindung mit einigen Perlen – auf der Hüftschnur aufgereiht werden. Diese Medizin soll gegen Magenbeschwerden helfen, jedoch lassen die Namen der Medizin (sinsam = Urin, guli vielleicht verwandt mit guli = sich übergeben) auch auf andere Wirkungsmöglichkeiten schließen.
Lamisi, der am 23.3.89 geborene Sohn des Gehöftherrn Ayomo (Abasitemi Yeri) trug am 5.4.1989 um beide Handgelenke und um den linken Fuß lila paksa-Ringe, um den Hals eine dickere, aus vielen Strängen geflochtene Schnur, auch aus lila paksa-Gräsern, und um die Hüften eine gedrehte Faserschnur (nicht aus paksa-Gras). Diese und die Halsschnur waren durch eine weitere Schnur verbunden. Nach Ayomo soll diese Schnurkonstruktion vorbeugend dazu dienen, dass der Hals nicht einknickt.

b) Amulette
Bei Wurmkrankheiten verwendet man zwei kleine Eisenamulette, die vom Schmied angefertigt werden, aber auch – ebenso wie die guli- Medizin – auf dem Markt käuflich sind. Die Amulette haben die folgende Form:

Abb.: Kanaadi oder ngiri bage
Abb.: Nientik / neantik

Das kanaadi-Amulett, das andere Informanten auch ngiri bage (Hals-Horn) nennen, wird stets von Jungen und Mädchen am Hals getragen und stellt nach L. Amoak angeblich einen Wurm dar. Das neantik- oder nientik-Amulett (nienti = strecken) wird von Kindern beiderlei Geschlechts an der Hüftschnur getragen und stellt angeblich das vor Schmerz gekrümmte Rückgrat des Kindes dar.
Im Rückgrat vermutet man auch die Würmer. Häufig werden Zweifel geäußert, ob die Krankheitssymptome, die das Tragen der Amulette erfordern, durch Würmer verursacht werden, und manche Bulsa sprechen von Rheumatismus. An der therapeutischen Wirkung dieser Amulette zweifeln aber auch manche Schulabgänger nicht. Meine erste Vermutung, dass es sich bei diesen Amuletten, die stets zusammen getragen werden, um männliche (kanaadi) und weibliche (nientik, neantik) Sexualsymbole handelt, konnte nicht durch Nachfragen bestätigt werden.
Amulette können an einer Schnur um den Hals getragen oder auf einer Hüftschnur aufgereiht werden. Amulette oder “Jujus” werden von erwachsenen Frauen häufiger um den Hals, von Männern eher an der Hüftschnur getragen. Ledertäschchen ohne Zaubermittel, um den Hals getragen, sind in neuerer Zeit auch bei Männern als Modeschmuck beliebt.
Die Anzahl der Amulette, die von Kleinkindern getragen werden können, ist groß und kaum überschaubar. Bei den meisten dieser Amulette hat wohl das Material selbst oder eine in diesem inhärente Kraft eine heilende und vorbeugende Wirkung, ohne dass eine Beopferung notwendig wäre. Die im folgenden beschriebenen Amulette stellen sicherlich nur eine kleine Auswahl dar.
• Ein weißes Muschelamulett muss getragen werden, wenn sich das Baby nach dem Brustsaugen oder Wassertrinken erbricht.

Abb.: Kind mit einem tinang-bage Amulett., das ihm nach einem segrika Ritual (Kap. III) an Stelle eines Medizinhorns verliehen worden war.

• Das tinang-bage ist ein Wurzelstück, das mit einem Faden um den Hals befestigt wird, sodass das zylindrische Holz eine horizontale Lage einnimmt. Solche Amulette findet man recht häufig an den alten Terrakotten, wie sie zum Beispiel bei den Koma im Südwesten der Bulsa ausgegraben wurden. Es können Wurzelstücke verschiedener Pflanzen mit verschiedenen Heilwirkungen sein. Der Gehöftherr Ayomo (Abasitemi Yeri) sucht unter einer Wegekreuzung nach solchen Wurzeln, wobei die Baumart keine Rolle spielt. Die meisten Kinder seines Gehöfts tragen ein solches Amulett.

Abb.: Amulett mit einem Stück Waran-Haut (hier ohne Affenhaut).

• Das waaung-piak oder waaung-kieri Amulette besteht aus einem Stück Affenfell und/odere Waranhaut und soll gegen einen steifen Nacken helfen.
• Eine oder mehr Münzen an einem Halsband sollen wohl für Wohlstand sorgen.
• Aufgereihte röhrenförmige sinsanguli-Stückchen helfen gegen Magenbeschwerden (siehe oben und Abbildung 5)
• Wie unten (II,5e) beschrieben wird, legt man Kindern, die bei Neumond geboren wurden, ein metallenes Mondamulett (chiik) um den Hals. Es gibt jedoch auch andere Anlässe für das Tragen eines solchen Amuletts. In Anyenangdu Yeri trug ein kleines Kind zwei Mondamulette, weil angeblich bei der Geburt zwei Monde am Himmel standen.

3. MUTTER UND KIND NACH DER GEBURT

a) Nahrung der Mutter
Am Abend nach der Geburt macht man für die Mutter einen Brei aus Rispenhirse (zamonta), der den Namen biik siuk (des Kindes Nabel) trägt. Die Mutter verwahrt eine Handvoll des Breis und gibt ihn allen Kindern des Gehöfts zu essen.
In den ersten Wochen nach der Geburt soll die Frau vor allem viel heißes Wasser mit Mehl der Rispenhirse trinken, da hierdurch die Milchproduktion angeregt wird. Kaltes Wasser, kalte Speisen und andere Getreidearten als Rispenhirse sind ihr in den ersten Wochen verboten. Der Wöchnerin bereitet man die oben (S. 42) erwähnte katuak-Suppe, außerdem rät man ihr, viel Perlhuhnfleisch zu essen.

b) Verhalten und Zustand der Mutter
Einige Wochen nach der Geburt soll sich die junge Mutter noch schonen und man gebraucht für sie die Bezeichnung pu-kogi (kogi oder kong, schwach). So soll sie z.B. nicht selbst kochen und möglichst keine weiten Wege, z.B. zum Markt, machen. Bis zur Entwöhnung des Kindes nach drei bis vier Jahren soll die Frau keinen Geschlechtsverkehr haben. Wird die Frau vor dem dritten Jahr wieder schwanger, so muss sich vor allem ihr Gatte das Gespött der Leute gefallen lassen, dass er seiner Frau keine Zeit für die Aufzucht des Kleinkindes gegeben hat. Wird sie jedoch erst nach drei oder mehr Jahren wieder schwanger, so spricht man von einer ‘Pferdegeburt’ (wusum-biam).

Abb.: Ayabalie stillt ihren Sohn zu einem späteren Zeitpunkt (er trägt schon das segrika-Horn).

c) Das Stillen
Obwohl schon mitunter vor der Geburt Milch in den Brüsten produziert wird, stillt die Mutter drei Tage lang nach der Geburt ihr Neugeborenes nicht. Sie presst selbst die entstandene bittere Flüssigkeit aus ihren Brüsten oder hält die Brüste so, dass diese von selbst herausfließt.
Wenigstens früher erstreckte sich die Stillzeit bis zur Geburt des nächsten Kindes, d.h. sie betrug etwa drei Jahre. Für das letzte Kind war sie oft viel länger, sodass sie selbst ein Kind, das ohne Frühstück zur Schule gehen wollte, noch einmal die Brust reichte. Man glaubte, dass durch das Stillen ein besonders enges Verhältnis zwischen Mutter und Kind entsteht.
Es gibt kein echtes Tabu, dass nicht auch andere Frauen des gleichen Gatten ihr Kind stillen (z.B. wenn die eigene Mutter eine Reise ohne Kind macht), jedoch sind viele junge Mütter misstrauisch und befürchten, dass diese dem Kind aus Neid Schaden zufügen. Gelegentlich nimmt auch die Mutter des Ehemanns das Kind ihrer Schwiegertochter an die Brust, und geschieht dieses häufig, soll sich angeblich sogar wieder Milch in den sonst leeren Brüsten bilden.

d) Das Kinderbad

Das Bad eines Kindes unmittelbar nach der Geburt und später konnte ich in mehreren Gehöften beobachten, ohne wesentliche Unterschiede dabei festzustellen.
Das erste Bad nach der Geburt wird wohl meistens nicht von der jungen Mutter, sondern der Hebamme (poi-yigroa) oder einer älteren Frau des Gehöfts durchgeführt, die zuvor auch die Wöchnerin (heutzutage mit Kernseife) abgewaschen hat.
Damit das Badewasser die richtige Temperatur hat, mischt die Frau fast kochendes Wasser und kaltes Wasser aus zwei verschiedenen Tongefäßen in einem dritten. Nach einer Information aus Akanming Yeri (Badomsa) wird dem ersten Bad nach der Geburt im ganzen Bulsaland etwas Hasenkot beigesetzt, um einem Husten des Kindes vorzubeugen.
Die Hebamme oder ältere Frau sitzt auf einem kleinen Hocker (zukpaglik) und setzt das Kind auf ihr rechtes Bein. Vor dem Bad gibt sie dem Kind vom Badewasser zu trinken, indem sie es ihm mit ihrer rechten Hand einflößt (tugli).
In Abasitemi Yeri (Badomsa) rieb Alatinbe, die älteste Frau des Gehöftherrn, den Rücken des Kindes mit Schi-Öl ein und spülte es mit dem warmen Wasser wieder ab. Dann überschüttete sie dem Kopf des Kindes mit Wasser. Die Nase wurde intensiv gerieben und ausgepustet, indem sie in ein Nasenloch hineinblies [Endnote 8a]. Den Anus des Kindes reinigte sie besonders intensiv, indem sie ihn mit Öl einrieb und mehrmals ein nasses Tuch in den Anus drückte. Danach legte sie das Kind auf dem Rücken quer über ihre Beine, trocknete es so mit einem Tuch ab, hielte es hoch und bläst (zur Säuberung oder Trocknung?) in den Kinderenabel. Ein junges Mädchen reicht Alatinbe eine sehr kleine Kalebassenschale mit einer medizinischen Flüssigkeit, die sie aus einem bimbili auf dem Feuer geschöpft hatte. Bei der nun folgenden tuglika (die ich als einzige Tätigkeit nicht filmen durfte) lag der Kopf des Babys zwischen den Knien Alatinbes, die ihre rechte Hand mit Flüssigkeit aus der kleinen Kalebasse dem Kind einflößte (tugli). Das Kind prustete, d.h. es hatte sich wohl leicht verschluckt. Zum Schluss bekleideten Alatinbe und das junge Mädchen den Säugling mit einem Wollkleid [Endnote8b]. Danach brachte Alatinbe das Kind zur Mutter.

e) Verbote und Gebote für das Kind
Dem Kind dürfen etwa zwei Jahre lang die Haare nicht geschnitten werden. Neben der Muttermilch soll das Kind etwa ein Jahr lang nur Wasser trinken, in dem man Heilkräuter hat ziehen lassen. Das Kind soll auch nur Muttermilch der eigenen Mutter bekommen, auch wenn zufällig eine andere Frau des gleichen Gatten ein Kleinkind stillen kann. Man befürchtet, dass diese Frau leicht dem Kind Schaden zufügen kann.
Ein Mann, der Geschlechtsverkehr mit einer Witwe vor der Totengedenkfeier ihres Mannes hatte, darf das neugeborene Kind nicht sehen. Wenn er es doch aus Versehen sieht, spuckt er in die Hände und hält damit den Kopf des Kindes {52}.

4. ASCHEBLASEN (POBSIKA) {52}

Anmerkung: Das Ritual des Ascheblasens (pobsika) wurde bereits im Zusammenhang der Beschreibung konkreter Geburtsvorgänge (Kap. II,1; Ergänzungen) erwähnt. Der folgende Text (aus der 1. Auflage) enthält allgemeine Bemerkungen über das Ritual des Ascheblasens und eine Beschreibung der einzigen pobsika vor 1978.

a) Pobsika nach der Geburt 
Bald nach der Geburt, aber nicht immer am selben Tage, geht der Gatte der Wöchnerin zu seinen Schwiegereltern, um ihnen von der geglückten Geburt offiziell zu berichten. Er kann mit leeren Händen kommen; nur wenn die Frau während der Geburt gestorben ist, muss er ihnen Geschenke machen [Endnote 9]. Bei einer Benachrichtigung der Schwiegereltern, an der ich teilnehmen konnte, wurde außerdem schon beraten, wann die pobsika-Riten ausgeführt werden könnten. Diese sind zwar mit keinerlei Festlichkeiten verbunden und dauern nur einige Minuten, aber ihre Durchführung ist von großer Dringlichkeit und wird auch von vielen Christen streng beachtet.

Abb.: Robert wartet hinter dem Gehöft bis alle Vorbereitungen für die pobiska getroffen sind.

Am Morgen des 13. August 1974 [Endnote 10] konnte ich an solchen Riten im Hause Asekabtas (Sandema-Abilyeri) teilnehmen. Robert Asekabta, ein Sohn des yeri-nyono Asekabta, wurde am 8. August zum erstenmal Vater, als ihm seine Frau T. in der Krankenstation der Weißen Väter in Wiaga eine Tochter gebar. Robert besuchte seine Frau T. in Wiaga, ohne dass im Krankenhaus irgendwelche Riten ausgeführt wurden. Sobald jedoch T. am Morgen des 13. August im Hause ihrer Schwiegereltern angekommen war, durften ihr Mann und ihr Schwiegervater sie nicht mehr bis zur Ausführung der pobsika-Riten sehen. Am späten Morgen näherte sich Robert dem Gehöft. Er hielt sich an der Hinterseite des Gehöftes versteckt (vgl. Abb. 8) und ließ durch ein Kind seine Ankunft melden.

Hieraufhin versteckte sich T. mit ihrem Kind und einer jungen Frau im dalong (hier ein großer Ovalbau), dessen Tür mit einer Strohmatte (tiok, Pl. toata) verschlossen wurde (Es darf keine Holztür sein!). Wir gingen in den Innenhof. Eigentlich sollte eine Frau von Asekabta Robert die Augen zuhalten, aber da diese gerade auf dem Felde war, wurde dies von Roberts älteren Schwester besorgt.

Abb.: Robert bläst durch die Eingangstür des dalong Asche in Richtung auf T., während seine Schwester ihm die Augen zuhält.

Robert hatte sich vorher aus einer Feuerstelle etwas Asche besorgt, die er in seiner linken Hand hielt. Nachdem man sich vergewissert hatte, dass Augen seiner Frau geschlossen waren und auch sie Asche in ihrer Hand hielt, wurde Robert von seiner Schwester mit verschlossenen Augen an die Eingangstür des dalong geführt. Die Schwester entfernte {53} die Matte (vgl. Abb. 9), und die beiden Eheleute bliesen die Asche in Richtung auf den anderen Partner. Wenn auch oft behauptet wird, bei einer weiblichen Geburt müsste man viermal blasen, bei einer männlichen dreimal, so wurde dies hier nicht eingehalten, jeder blies, bis seine/ihre Hand frei war.
Hiernach konnten die Partner ihre Augen öffnen. Robert betrat den dalong und nahm das Kind auf seine Arme, um es hierdurch als neuen Hausbewohner und als sein Kind zu akzeptieren. Obwohl T. auch christlich getauft war, mussten Robert und ich einen wütenden Wortschwall über uns ergehen lassen, denn sie glaubte wohl, dass durch meine Anwesenheit die Wirksamkeit der Zeremonie beeinträchtigt worden war.
Nach der pobsika nimmt Robert das Kind in seine Arme und erkennt damit auch seine Vaterschaft an. Robert hatte sich vorher aus einer Feuerstelle etwas Asche besorgt, die er in seiner linken Hand hielt. Nachdem man sich vergewissert hatte, dass Augen seiner Frau geschlossen waren und auch sie Asche in ihrer Hand hielt,
Am Nachmittag kam Roberts Vater Asekabta von einer Totengedenkfeier heim. Er blies auch mit T. Asche, aber ganz ohne Helferin, da er es angeblich schon so oft getan hatte, dass er keine Hilfe brauchte. Dann nahm er auch am Eingang des dalong das Kind für kurze Zeit auf seinen Arm. Asekabta hatte nichts dagegen, dass ich zuschaute und fragte erstaunt, warum ich keine Fotos gemacht hätte.
Hiernach fuhren Robert und ich nach Balansa zum leiblichem Vater seiner Frau (ihre Mutter hielt sich im Süden Ghanas auf), um die Geburt offiziell anzukünden und ihn zum Hause Asekabtas zur pobsika abzuholen, aber er wollte lieber später kommen, vielleicht weil er meine Anwesenheit fürchtete. In seinem Haus befand sich auch die etwa dreijährige Tochter von T. aus einer vorehelichen Verbindung. Gleich nach der Geburt dieses Kindes hatte T. schon mit ihren eigenen Eltern (und denen des Vaters des Kindes?) Asche geblasen. Obwohl es üblich ist, dass nur bei dem erstgeborenen Kind einer Frau Asche geblasen wird, musste 1974 noch einmal geblasen werden, da es das erste Kind im Hause Asekabtas war. Bei T.’s nächstem Kind von Robert wird die pobsika-Rite jedoch nicht noch einmal durchgeführt. Am 20. August erfuhr ich, dass auch T.’s Vater und älteste Tochter im Hause Asekabtas mit T. Asche geblasen hätten. Ihre Mutter würde das Versäumte nachholen, sobald sie aus dem Süden zurück sei.
Wie mir mehrere Informanten bestätigt haben, müssen Sichtverbote der Schwangerschaftszeit und solche nach einer Geburt streng voneinander geschieden werden. Der tabuierte Personenkreis der Schwangeren {54} wird vom Wahrsager herausgefunden, und es scheinen besonders oft die wena von Ahnen zu sein, die von diesem Tabu betroffen werden. Nach der Geburt besteht ein gegenseitiges Sichttabu der Wöchnerin zu einem bestimmten Kreis lebender Personen, der schon vor der Geburt ohne Wahrsagerbesuch bekannt ist. Bis zur Geburt kann die Frau diese Personen ohne Einschränkung sehen.
Über die Frage, welche Personen diesem Kreis zuzurechnen sind, scheint jedoch keine allgemeine Klarheit zu bestehen, und es scheint auch örtliche Varianten zu geben. Einig ist man sich wohl allgemein, dass der Gatte der Wöchnerin zu diesem Kreis gehört, wenn auch ein Informant aus Sandema-Balansa behauptet, dass der Gatte nur Asche bläst, wenn er noch durch keine andere Frau vorher Vater geworden ist. Auch dass eine Wöchnerin mit ihren eigenen leiblichen Eltern Asche blasen muss, scheint die Auffassung der meisten Bulsa zu sein, jedoch halten es viele nicht für notwendig, dass die Frau auch mit ihren Schwiegereltern bläst, während andere Informanten aus verschiedenen Teilen des Bulsa-Landes (Sandema, Fumbisi) behaupten, dass die Frau auch mit ihrem nächstjüngeren Geschwister und dem nächstjüngeren Geschwister des Gatten Asche blasen muss.
Als Zeitpunkt der pobsika-Riten wird gewöhnlich der dritte bzw. vierte Tag nach der Geburt des männlichen bzw. weiblichen Kindes angegeben, aber das Beispiel im Hause Asekabtas (fünf Tage!) zeigt, dass man sich nicht immer genau daran hält, zumal, wenn die Geburt in einem Hospital stattfand. Viele Bulsa halten es in einem solchen Fall für notwendig, die pobsika-Riten schon im Krankenhaus zu vollziehen, bevor etwa der Gatte seine Frau dort zu Gesicht bekommt (vgl. Kap II,8; S. {64}).
Während des Ascheblasens sagen nach anderen Informationen die beiden Partner drei- bzw. viermal: N nya fu (Ich sehe dich). Von einigen Informanten wird behauptet, dass die junge Mutter gar nicht für sich selbst, sondern stellvertretend für ihr Kind Asche bläst. Für diese Ansicht spricht die Tatsache, dass pobsika nur ausgeführt wird, wenn das neugeborene Kind lebt.

Exkurs: Ascheblasen in anderen Situationen
Bawa, der Gehöftherr von Akanwari Yeri (Gbedema-Gbinaansa) durfte einem juik (Mungo-Schrein) kein Opfer darbringen, bevor er nicht mit einer Hündin, die gerade Junge geworfen hatte, das Asche-Ritual durchgeführt hatte. Die Hündin wurde in einen Raum (dok) eingesperrt und Bawa schob die Türmatte ein wenig beiseite und blies in den Raum. Hierbei waren seine Augen verschlossen, während der Hund ihn gefahrlos sehen durfte. Falls er den Hund gesehen hätte, wäre dieser gestorben, nicht aber Bawa, der durch eine Medizin geschützt war. Man sagte mir, dass dieses Sichttabu, das durch eine pobsika aufgehoben wird, wahrscheinlich nur in Akanwari Yeri ausgeführt wird. Es spielt hierbei sicher eine Rolle, dass Mungo und Hund als Todfeinde gelten.
Als in Badomsa der Gehöftherr Ayomo in meiner Anwesenheit eine Schnitzarbeit ausführte, unterbrach der bei Sonnenuntergang diese Tätigkeit, denn im Dunkeln dürfen keine handwerklichen Tätigkeiten mehr ausgeführt werden. Erst als er sich etwas weiße Asche aus einem Herd besorgt hatte und diese von der flachen Hand aus in Richtung Sonne geblasen hatte, durfte er seine Tätigkeit fortsetzen.

Abb.: Ayomo bläst Asche mit der untergehenden Sonne

Prinzessin Marie Louise, die Enkelin der Königin Victoria, erwähnt in ihrem Reisetagebuch (1926: 116) für den Norden Ghanas ohne Angabe einer Ethnie das Ritual des Ascheblasens mit dem Mond (vgl. hierzu ein ähnliches Ritual der Bulsa ohne Ascheblasen, Kap II,5e):

…they take a little wood-ash, put it in the palm of their hand, and blow it towards the thread-like crescent, saying: „I saw you before you saw me.” This is to prevent their strength decreasing as the moon increases in size.

b) Ausführung des Kindes
Eng verbunden mit den Riten des Ascheblasens ist die “Ausführung” des Kindes aus dem Gehöft. Der Hauptgrund für Ausgangsbeschränkungen des neugeborenen Kindes ist wohl neben der körperlichen Konstitution das Sichttabu. Die Ausführung soll möglichst in den frühen {55} Morgenstunden (gegen vier Uhr) wohl nach dem Ascheblasen stattfinden, jedoch hält man sich nicht immer an diese Zeit. Auf die Frage, wer das Kind ausführt, erhielt ich die verschiedensten Antworten: eine verheiratete Frau aus der Linie des Vaters, die Frau, die auch die poi-nyatika-Rite vollzogen hat oder, nach L. Amoak, ein medicine man, den er hier pobsido [Endnote11] nennt. In Anyenangdu Yeri ist es immer eine Tochter des Hauses” (yeri lie). Das Kind wird auf den Armen des Trägers ohne besondere Zeremonien herausgeführt.
Die Zeremonie des Ausführen ist bei den Bulsa nicht stark ausgeprägt, und in vielen Häusern scheint sie gar nicht als selbstständiger Akt bekannt zu sein, sondern man sagt, dass nach dem Ascheblasen Mutter und Kind das Gehöft verlassen dürfen. Vielleicht wird die Ausführung nur deshalb von einigen Informanten als selbständige Rite erwähnt (und ausgeführt?), weil diesen Informanten bekannt ist, eine wie große Rolle die Ausführungsriten bei den Akan-Völkern Südghanas spielen.
Das neugeborene Kind darf von Vater und Mutter vor der Ausführung bzw. pobsika nicht als das eigene Kind bezeichnet werden. Man spricht von ihm nur als von “jenem Kind” und es erhält den Namen nichaano oder chaano (Fremdling) und wird oft auch Asampan oder Anpan genannt.
Am 31. Juli 1994 führte Adeboalie, die etwa achtjährige Tochter Anamogsis den am 5. Juli 1994 geborenen Sohn Ayabalies ohne irgendwelche zusätzlichen Riten aus dem Haus. Anamogsi erklärte mir, dass diese Handlung nur von einer Tochter des Hauses (yeri-lie) ausgeführt werden könne.
Eine weitere “Ausführung” beobachtete ich im Gehöft Akanguli Yeri (Wiaga-Napulinsa) kurz vor der segrika (s.u.) deines Mädchens. Es hatte zwar schon vorher das Gehöft den kusung vor dem Gehöft besucht, durfte aber erst nach der offiziellen Ausführung die eigene Sektion zum Beispiel für einen Marktbesuch verlassen. Die Ausführende war eine in Akanguli eingeheiratete Frau aus Guuta (also nicht eine yeri-lie wie in Badomsa). Nach der Ausfühung setzte sich die Frau mit dem Kind hintereinander auf alle Ahnenschreine vor dem Gehöft (Oder gehörte diese Handlung schon zur segrika?).

c) Schwarze Kreuze (Ergänzungen zu den konkreten Beschreibungen)
Während in Anyenangdu Yeri die pobsika, die Einsalbung von Mutter und Kind sowie die Anbringung der schwarzen Kreuze gewöhnlich von einem Sohn des Gehöftherren ausgeführt werden, erhielt ich andere Informationen, dass eigentlich jeder diese Riten ausführen kann. Auch der Gehöftherr von Anyenangdu Yeri erklärte mir, dass die Wöchnerin nicht mit dem Sohn des Gehöftherrn Asche bläst, sondern mit der Geburtsmedizin, aus deren verkohlten Wurzeln die Asche hergestellt wird.
In einem mir bekannten Fall wurden sie von der Mutter des jungen Vaters, die gleichzeitig auch die älteste Frau des Gehöfts (Ama) war, ausgeführt. Auch andere Gebäudeteile (Speicher, Mahlraum, Schlafräume anderer Kinder) können solche schwarzen Kreuze erhalten [Endnote 11a]. Sie sollen das Kind, aber auch die Mutter und andere Bewohner des Gehöfts vor bösen Geistern und Gespenstern schützen {56}.

5. AUSSERGEWÖHNLICHE ERSCHEINUNGEN BEI DER GEBURT

a) Zwillinge (yibsa; dark Buli: nisima siye, wörtl. ‘zwei Arme’)
Jede Zwillingsgeburt, auch wenn sich die Zwillinge als harmlos herausstellen, hat einen übernatürlichen Grund und wird gemeinhin als Übel betrachtet. Gleich nach der Geburt suchen die Eltern einen Spezialisten für Zwillingsgeburten (yibsa tebro) auf, der herausfindet, ob die Zwillinge harmlos oder bösartig sind, d.h. ob es sich etwa um kikita [Endnote 12] (Sing. kikiruk) handelt, um danach im Geburtshaus der Zwillinge rituelle Maßnahmen durchzuführen (s. Kap II,5b). Der yibsa tebro übernimmt die Bekämpfung bösartiger Zwillinge und führt bestimmte Zeremonien im Hause harmloser Zwillinge aus. Ohne Schutzmaßnahmen im Hause der Zwillingsgeburt muss die Mutter damit rechnen, wieder Zwillinge oder sogar Drillinge zu gebären [Endnote 12a]. Wenn einer von zwei überlebenden Zwillingen krank wird, versucht man, dies vor dem anderen Zwilling geheimzuhalten, indem man den Kranken an einen entfernten Platz schafft. Falls er stirbt, wird er vom yibsa tebro an einem geheimen Ort begraben, und die Grabstelle wird eingeebnet, so dass es unmöglich für den überlebenden Zwilling ist, das Grab zu entdecken. Diese Maßnahmen erklären sich aus der Auffassung, dass Zwillinge nicht nur gleiche Anlagen haben, sondern auch stets das Gleiche tun möchten, da ihre Seelen (chiisa) und wena gleich sind. Falls ein Zwilling stirbt, wird auch die Seele (chiik) des anderen Lust verspüren, den Körper für immer zu verlassen, wenn sie vom Tod des anderen Zwilling erfährt. So berichtet Ayarik aus Wiaga, dass seine Frau Zwillingsbrüder hatte, von denen einer einige Jahre nach der Geburt starb. Sogleich brachte man den überlebenden nach Kumasi und verlegte den Eingang des Gehöfts in Wiaga an eine andere Seite. Auch zur Zeit der Information wusste der etwa fünfjährige Junge in Kumasi noch nicht, dass sein Bruder tot war.
Als in dem Hause Amoaning Yeri (Sandema Yongsa) ein weiblicher Zwilling starb, brachte man seine Schwester nach Navrongo und verlegte den Haupteingang des Gehöftes vor der Rückkehr des überlebenden Zwillings.
Zwei überlebenden weiblichen Zwillingen ist es nicht nur wie allen anderen in der Geburt aufeinander folgenden Schwestern verboten, den gleichen Mann zu heiraten. Sie sollen auch nicht in das gleiche Gehöft {57} heiraten. Falls dies jedoch geschieht, müssen sie verschiedene Hauseingänge benutzen. Die Frau, die zuerst in das Haus eingeheiratet hat, wird den Haupteingang benutzen, die später verheiratete einen Hintereingang, d.h. sie wird das Gehöft über eine Mauer verlassen.
Eine rituelle Schutzmaßnahme findet nicht nur unmittelbar nach der Geburt statt, sondern sie kann auch jederzeit in Problemfällen wiederholt werden. In einem solchen Ritual (nipok gomsika, wörtlich ‘Behandlung der Frau’), an dem ich am 9. Februar 1989 in einem Gehöft Bachinsas teilnehmen konnte, bezogen sich alle Riten in erster Linie auf die Mutter von den etwa 6-7 Jahre alten Zwillingen, die in die rituellen Ereignissen nicht mehr als die anderen Teilnehmer einbezogen wurden. Ausführende der Riten waren zwei Söhne Anamogsis (Atoa, der Ältere und Abiisi), die eine größere Anzahl vom medizinischen Wurzelstücken (tinangsa) vom biam-tiim Schrein ihres Gehöfts in einer Plastiktüte mitgebracht hatten.
In der Mitte des Innenhofes (dabiak) der Frau (?) errichtete man einen Herd aus drei Steinen.
Der Gehöftherr schüttete etwas klares Wasser auf den Boden des Innenhofes und informierte seine Ahnen über das bevorstehende Ereignis. Atoa legte die Wurzelstücke auf den Boden, schnitt einem braunen Huhn auf einer Holzunterlage zwei Zehen ab und bestrich jedes Wurzelstück mit dem Blut des Huhns. Danach legte er den größeren Teil der Medizin in einen schwarzen bimbili-Tontopf, der mit klarem Wasser gefüllt war. Die Mutter der Zwillinge nahm ein Wurzelstück, wobei ihre Hand von einem männlichen Hausbewohner (ihrem Gatten?) geführt wurde. Bevor sie das Wurzelstück in den Topf mit Wasser warf, kreiste ihre Hand zusammen mit der Hand des Mannes dreimal um den Topfrand, die vierte Drehung führte die Frau alleine aus. Dieses Teilritual wurde dreimal von der Frau und dem Mann wiederholt, das vierte Mal führte die Frau es alleine aus. Dann schüttete Atoa auch die restlichen Wurzelstücke des großen Haufens in den Wassertopf. Nach einem kurzen Gebet opferte er diesem mit einem kpalabik-Deckel geschlossenen Medizintopf hintereinander zwei dunkle Hühner, ein Perlhuhn und Hirsebier (daam).
Die Wurzeln des kleineren Haufens füllte er in einen mit vielen Löchern versehenen keramischen Räuchertopf (ngoadi) und setzte ihn auf das Feuer des Dreisteineherds, um die Wurzeln zu verkohlen. Mitunter schüttete er eine Handvoll Wasser auf die zum Teil brennende Medizin.
Als erster trat der Gehöftherr (yeri nyono) an den Räuchertopf heran und hielt seine Hände über den Rauch und Dampf, der aus dem Topf aufstieg. Als nächstes wurde ich gebeten, das Gleiche zu tun. Am ausführlichsten bediente sich die Mutter der Zwillinge. Sie hielt Außen- und Innenflächen beider Hände, ihre Knie und Füße über den Rauch und beugte sich dann über den Topf, um den Rauch einzuatmen. Es folgten weitere Hausbewohner. Schließlich wurden auch die Zwillinge zu dieser Prozedur gezwungen.
Die verbleibenden verkohlten Wurzeln brachte die Zwillingsmutter als Vorratshaltung in einer Kalebassenschale in ihr Zimmer. Einige Männer (!) nahmen die geopferten Hühner aus um sie zu kochen. Zwei andere Männer (!) stampften in zwei Mörsern die Zutaten für zwei verschiedene Saucen: 1. buura (Kerne einer kalebassenartigen Frucht, Cucumeropsis edulis? Egusi; Neri) und tue (Bohnen), 2. ngmaana (Okro). Nachdem allen Anwesenden der Rest des Hirsebiers angeboten worden war, trat eine Pause für die Fertigstellung der folgenden Mahlzeit ein.
Gegen 11 Uhr wurden die Aktivitäten fortgesetzt. Auf einem neuen Hackenblatt rieb Atoa mit einem runden Reibstein einen Teil der verkohlten Medizinhölzer und setzte etwas Salz und Schibutter hinzu. Dem Tontopf mit der flüssigen Medizin opferte er in der Hofmitte (sunsung) klares Wasser, Hirsebrei mit Sauce und Fleisch von den drei Hühnern. Kleine Portionen Hirsebreis wurden mit der schwarzen, öligen Medizin beschmiert und von mehreren Teilnehmern (dem yeri nyono, der Zwillingsmutter, den beiden Opferern u.a.) gegessen.
Gegen 12 Uhr fand das allgemeine Essen statt: Hirsebrei mit drei verschiedenen Saucen (1. buura/tue, 2. ngmaana, 3. eine jum-goalik Fischsauce). Hiernach erfolgte die Fleischverteilung der drei geopferten Hühner nach festgesetzten obligatorischen Regeln (Ich bekam einen Perlhuhn-Schenkel).
Nach mehreren Dankesreden waren die rituellen Handlungen der nipok-gomsika abgeschlossen. Als Bezahlung nahmen Atoa und Abiisi folgende Gaben mit in das Gehöft Anyenangdu Yeri: den Großteil der drei geopferten Hühner, das neue Hackenblatt, das lebende braune Huhn (mit zwei fehlenden Zehen), eine Kalebassenschale Mehl, in dem vier kleine muusa-Halme steckten, einen cheng-bili Tontopf mit Schibutter. Bevor wir über die beiden tiila-Steigbäume (innen und außen) den Innenhof verlassen wollten, nahm der Gehöftsherr weiße Asche vom Dreisteineherd und streute etwas davon auf jede Stufe der beiden tiila.
In Anyenangdu Yeri fanden später noch Opfer an den Medizinschrein (biam-tiim) des Gehöftes statt (nicht beobachtet). Hier wurde unter anderem das braune Huhn mit den fehlenden Zehen geopfert. Die Schibutter wurde zur weiteren Medizin-Herrichtung verwandt, das Mehl an die Kinder des Gehöfts verteilt und die muusa-Halme nach einiger Zeit entsorgt.

b) Missbildungen und körperliche Besonderheiten
Folgende körperlichen Kennzeichen zeigen eine kikiruk-Geburt an:

1. deformierte Arme und Beine,
2. ein eigenartiger, verstellter Gesichtsausdruck,
3. eine Hasenscharte,
4. mehr oder weniger als fünf Finger pro Hand,
5. mehr oder weniger als fünf Zehen pro Fuß,
6. schon vorhandene Zähne,
7. Haare in den Achselhöhlen und an den Schamteilen,
8. andere Zeichen von Frühreife,
9. Blindheit,
10. Kleinwüchsigkeit.

Die Eltern suchen nach der Geburt eines solchen Kindes einen Medizinmann (kikiruk paro) auf [Endnote 13], der sich auf solche Fälle spezialisiert hat. Er gibt den Eltern eine Medizin, die sie dem Kind einflößen. Wehrt sich das Kind gegen diese Medizin, so handelt es sich um einen bösartigen Fall. Die Medizin bleibt im Zimmer des Kindes stehen, und der erkannte kikiruk wird weiterhin schreien, jede Nahrung verweigern und stark abmagern. Dann kommt der Medizinmann noch einmal, besprenkelt das Haus von innen und außen mit einer flüssigen Medizin, damit in Zukunft keine kikita mehr geboren werden.
An einem solchen Ritual mit anschließendem Begräbnis konnte ich in Wiaga teilnehmen [Endnote 13a]. Im April 1988 kam ein Familienvater aus Wiaga-Sichaasa zu einem mir befreundeten kikiruk-paro (Besitzer der biam-tiim, wörtlich Geburtsmedizin, die auch gegen kikita hilft). Er hatte folgendes Anliegen:
Seine Frau hatte Zwillinge geboren, von denen einer die Mutterbrust nicht annahm. Nachdem er die Zwillingsmedizin erworben und angewandt hatte, starb der Zwilling, und der Vater bat nun den Medizinmann, seinen Sohn zu begraben. Dieser stimmte nach anfänglichen Bedenken zu. Gegen 21 Uhr begaben sich drei seiner Söhne und ich in das Gehöft der Zwillingsgeburt. Der verstorbene Zwilling, der einen außergewöhnlich großen Kopf hatte, lag auf dem Boden eines Rundhauses. Der ältere Sohn besprenkelte den Zwilling und die Wände des Raums mit der mitgebrachten biam-tiim. Nachdem der Vater das Halsband des Kindes entfernt hatte, steckte der älteste Sohn das Baby mit dem Kopf zuerst in ein großes Tongefäß (samoaning). Der Vater zeigte uns einen einige hundert Meter entfernten flachen, trichterförmigen Ameisenbau der gusunguri Ameise (‘black ant’, driver ant? Dorylinae?) und zog sich dann zurück. Die drei Söhne gruben in den Ameisenbau ein Loch und setzten den Tontopf mit dem Baby hinein.

Abb.: In einen gusunguri Ameisenbau wird ein Loch gegraben. Im Hintergrund steht der Tontopf mit dem toten Baby.
Abb.: Der Tontopf, in dem sich das Baby befindet, wird mit dem Hackenspaten zerstört.

Vor dem Verschließen des Loches zerstörten sie mit ihren Grabgeräten den Tontopf, damit die Ameisen schneller in den Topf eindringen und den Leichnam zerstören konnten. Mit Hilfe eines Grasbesens (sie), der später auf dem Grab liegen blieb, besprenkelten die Söhne die ganze Grabstelle. Zurück im Gehöft des Zwillingsvaters, überreichte uns dieser die obligatorischen Geschenke/Bezahlungen: 1 Ziege, 1 schwarzes Huhn und alle Geräte, die wir gebraucht hatten (den Hackenspaten und die Medizinkalebasse). Die geschenkten Tiere opferte später der kikiruk-paro in seinem Gehöft der biam-tiim (Geburtsmedizin). Danach mussten seine drei Söhne und ich von der biam-tiim trinken. Sie war völlig geschmacklos.

Abb.: Der biam-tiim Schrein steht in einer Ecke des Innenhofes der ersten Frau (nicht weit vom Ahnenhaus)

Auch später noch können körperliche Besonderheiten einen Menschen als kikiruk identifizieren. In Sandema-Kalijiisa lebt ein (1973) etwa vierzigjähriger, unverheirateter Mann, der etwa 1,30 m groß ist, der allgemein als kikiruk angesehen wird. Wenn er sich in der Nachbarschaft zeigt, schlagen und vertreiben ihn die Leute, da man annimmt, dass er durch seine übernatürlichen Kräfte die Erträge der Nachbarfelder auf seine eigenen Felder zaubern kann {58}.
Einer meiner Informanten berichtet in seiner Lebensgeschichte, dass er in seiner Kindheit oft für einen kikiruk gehalten wurde, da er schon sehr früh wie ein alter Mann sprach, “unheimlich” viel aß und alles viel besser konnte als seine Geschwister. Nur das Laufen lernte er nicht, bis er etwa drei bis vier Jahre alt war. Erst als ein Mann mit einem Fahrrad zum Gehöft kam, erklärte er seiner Mutter, dass er laufen könne, falls er zum Fahrrad gehen dürfe, und mit sicherem Schritt ging er ganz selbständig zum Fahrrad, was für viele Zuschauer wieder ein Zeichen war, dass er wohl doch ein kikiruk war.

c) Harmlosere Erscheinungen
Kinder, die mit Körperhaaren geboren werden, nennt man kobta nurba (Sing. kobta nur). Sie sind jedoch keine kikita und stellen auch keine Gefahr für die Familie dar, wenn sie nicht etwa auch unter den Achselhöhle behaart sind.
Eine Steiß- oder Fußgeburt (tulimbaziik) gilt als unheilvoller, aber sie ist auch kein Anzeichen für eine kikiruk-Geburt. Man bringt den Ahnen Opfer dar und lässt einen besonderen Medizinmann kommen, bevor das Kind ausgeführt ist. Die Medizin wird in einem zerbrochenen Topf oder einer zerbrochenen Kalebasse gebracht und wird dem Badewasser der Mutter und des Babys zugegeben. Meine damals etwa 60jährig Köchin in Anyenangdu Yeri zeigte mir in ihrem Schlafzimmer einen kleinen aus Erde geformten Schrein, den ich für ihren persönlichen wen-Schrein gehalten hatte. Es war ein tulimbaziik-bogluk. Die Frau hatte vor vielen Jahren eine Steißgeburt (mit tödlichem Ausgang des Babys) und man errichtete danach diesen Schrein, dem (bis zur Menarche?) geopfert werden musste.

d) Kinder, die am selben Tag geboren wurden
Ein solcher Fall ist mir aus Sandema-Kalijiisa-Yongsa bekannt. Mein Informant G. Achaw wurde am selben Tag geboren wie sein Freund John aus einem Nachbarhaus, das zu Kalijiisa-Chariba gehört. Wenn in einem Haus geopfert wird, muss stets ein Teil des Opferfleisches in das andere Haus geschickt werden, obwohl die beiden gleichaltrigen Männer sich zur Zeit in Südghana aufhalten. Kommen sie jedoch zu einem Besuch zurück, so müssen sie über alle Opfergaben unterrichtet werden. Falls im Haus G. Achaws eine Totengedenkfeier stattfindet, muss G. Achaw im Hause seines Freundes schlafen, auch wenn John nicht anwesend ist. Natürlich soll er alle Veranstaltungen der Totengedenkfeier besuchen. Wenn die beiden Freunde nicht zur gleichen Sektion (Kalijiisa) gehörten und nicht gleichgeschlechtlich wären, bestände kein Heiratsverbot zwischen ihnen {59}.

e) Bei Neumond geborene Kinder

Wenn Kinder gerade am “Geburtstag” eines neuen Mondes geboren werden, besteht zwischen ihnen und dem Mond eine Wechselbeziehung. Die Eltern hängen einem solchen Baby ein metallenes Mondamulett und den Hals [Endnote 14] (s. Fig. 2). Nach der Namensgebung wird der Metallmond gewöhnlich an der gleichen Schnur wie das Namensgebungshorn [Endnote 15] getragen. Sobald das Kind sprechen kann, wird es angeleitet, bei neu beginnendem Mond auf die Plattform des Hauses zu steigen und je nach Geschlecht des Kindes dreimal oder viermal Asche in Richtung auf den sichtbaren Mond zu blasen. Jedesmal sagt das Kind dabei:

Chiika a baling bo, N.N. a biiyo. Der Mond soll dünner werden und N.N. (Name des Kindes) soll dicker werden.

Falls diese Handlung nicht durchgeführt wird, wird das Kind mager und schwächlich bleiben, nach anderen Informationen kann es auch eine Hautkrankheit bekommen [Endnote 16].

Abb.: Eisernes Mondamulett mit Faserschnur
Abb.: Ein altes, in dieser Form heute nicht mehr gebrauchtes Mondamulett. Der Mond ist an einer Schnur aufgehängt, die den Himmel in zwei Teile zerteilt

Gewöhnlich wird das beschriebene Ritual nach einigen Jahren nicht mehr ausgeführt. Ein alter Mann aus Kubelinsa, der auch bei Neumond geboren wurde, trägt ein solches Amulett jedoch bis ins hohe Alter, weil er sonst bei jedem Neumond krank wird.
Gewöhnlich wird das beschriebene Ritual nach einigen Jahren nicht mehr ausgeführt. Ein alter Mann aus Kubelinsa, der auch bei Neumond geboren wurde, trägt ein solches Amulett jedoch bis ins hohe Alter, weil er sonst bei jedem Neumond krank wird.
Auch ein Kind aus Anyenangdu Yeri trägt am Hals ein Amulett mit zwei Metallmonden, weil angeblich am Tag der Geburt zwei Monde am Himmel standen.

6. TOD UND BESTATTUNG VON KLEINKINDERN
[Endnote 16a]

Stirbt ein Kind bei oder kurze Zeit nach der Geburt, so sollen die Eltern nicht jammern, da sonst dieses Kind immer wieder geboren wird und von neuem stirbt. Nach meinen eigenen Erkundigungen werden alle Totgeburten und das erste lebendgeborene Kind, das kurz nach der Geburt stirbt, am Aschenhaufen (tampoi) begraben. Die folgenden Kinder werden in der Nähe des Gehöftes an einem Fußpfad, der zum Elternhaus der Mutter führt, beigesetzt.
Der Gehöftherr von Akanming Yeri hat alle verstorbenen Kleinkinder im Viehhof begraben lassen. Da die Gefahr der Zerstörung und Öffnung eines solchen Grabes durch Tierhufe groß ist, haben die Gräber eine Schachttiefe von etwa einem Meter und werden mit einem besonders schweren Stein bedeckt. Dem Gehöftherrn ist bewusst, dass Bulsa gewöhnlich ihre Kinder außerhalb des Gehöftes begraben.
R. Schott erhielt 1966/67 zwei nicht ganz übereinstimmende Mitteilungen von verschiedenen Informanten. Nach einer ersten Information [Endnote 17] wird das erste Kind, das einer Frau bei der Geburt stirbt, an der Hauswand bei der Küche (gbanglong) begraben, so dass die Frau es leicht noch einmal gebären kann. Verliert die Frau später wieder ein Kind bei der Geburt, so wird es am Weg zum Elternhaus der Mutter des Vaters beigesetzt. Das Grab wird von einem Totengräber (vayiak, Pl. vayaasa) {60} geschaufelt, und dieser Mann bestattet auch das Kind, ohne dass Hausbewohner an der Beisetzung teilnehmen.
Nach der zweiten Information R. Schotts [Endnote 18] wird das erste Kind, das kurz nach der Geburt stirbt, am Weg zum Elternhaus der Frau begraben. Kinder, die tot geboren werden und das zweite Kind, das kurz nach der Geburt stirbt, werden am Abfallhaufen (tampoi) beigesetzt. Alle folgenden Säuglinge werden im Viehhof begraben [Endnote18a].
Die Kinder werden mit ihrer Schlafmatte, falls sie eine solche schon haben, aber ohne Kleidung beerdigt. Als Beigabe bekommen sie eine Schinuss-Schale voll Muttermilch. Die Oberfläche des Kindergrabes wird gekennzeichnet durch ein Stück zerbrochener Hauswand, nach R. Schott [Endnote 19] auch durch einen Stein, jedenfalls nicht durch einen boosuk-Topf, wie es bei Erwachsenen üblich ist.
Kinder bis etwa vier Jahren bekommen nie eine Totengedenkfeier, wenn nach ihnen nicht ein anderes Kind geboren wurde, und auch wenn sie jüngere Geschwister haben, wird nur eine formlose Totengedenkfeier kurz nach der Beisetzung mit nur wenigen geladenen Gästen stattfinden.
Stirbt einem Mann und einer Frau zum ersten Mal ein Kind, so werden den Eltern je nach dem Geschlecht des Kindes am dritten (männlich) oder am vierten (weiblich) Tag nach dem Tode des Kindes die Kopfhaare geschoren. Als L. Amoaks fast zweijähriger Sohn Awenawie starb, wurden der Mutter Awenawies am dritten Tag im Hause des sin-yigma [Endnote 20] die Haare geschoren. Die Mutter hielt sich drei Tage in diesem Hause auf und erhielt danach vom sin-yigma ein Perlhuhn und Hirsemehl für den eigenen Verzehr. L. Amoak selbst hatte vorher schon Kinder anderer Frauen durch den Tod verloren und wurde daher nicht noch einmal geschoren. Ist einige Zeit nach der Rasur das Haar etwas nachgewachsen, so schneidet man von Ohr zu Ohr und von der Stirn zum Nacken etwa zwei cm breite Streifen (naa-vuuk, Pl. naa-vuuta, wörtlich “Kuhpfad”) kahl, die also auf dem Kopf ein Kreuz bilden. Bei dieser Gelegenheit werden von den Eltern Bohnenkuchen, ein dunkler Fisch (englisch ‘mud fish’, Buli: jum sobli), und Ziegenfleisch in einer zeremoniellen Mahlzeit (gaasika) gegessen. Der Verzehr dieser Speisen war den Eltern nach dem Tod ihres Kindes verboten {61}.
Während meiner Feldforschungen habe ich nur einmal den Tod und die Bestattung eines Kleinkindes beobachten können. Am 12. Oktober 1988 wurde ich von einer Mutter des Gehöfts Anyenangdu Yeri geholt. Sie zeigte mir, dass ihr einige Wochen (?) altes Kind Akanchainfiik schwer atmete und das Trinken an der Mutterbrust aber nicht das Trinken klaren Wassers verweigerte. Ihre Temperatur betrug 37°C. Ich fuhr sofort mit Mutter und Kind auf dem Rücksitz meines Mofa zur katholischen Krankenstation Wiaga. Die Krankenschwester war verärgert, dass die Mutter sie zu spät mit einem schwerkranken Kind aufgesucht hat. Sie hatte wohl eine schwere Brustinfektion (Lungenentzündung) und bekam zwei Injektionen und zusätzliche Medizin für die häusliche Behandlung. Nach einer kurzzeitigen Besserung starb Akanchainfiik am nächsten Morgen. Als ich um 7 Uhr aus einem Nachbargehöft zurückkam, saßen einige Männer aus Anyenangdu Yeri und aus Nachbargehöften an der äußeren Gehöftwand nicht weit vom Eingang (nansiung) unter einem notdürftig errichteten Schattendach. Es herrschte eine große Stille und alle notwendigen Äußerungen wurden mit leiser Stimme gesprochen, allerdings hörten man keine Klagen.
Anamogsi führte mich in das Wohnquartier der Mutter. Sie saß vor einem Raum, in dem mehrere ältere Frauen aus Anyenangdu Yeri und Nachbargehöften schweigend auf einer Bank saßen. Eine Nachbarfrau hielt das tote Kind auf ihrem Schoß. Man bat mich, noch einmal zu prüfen, ob Akanchainfiik wirklich tot war. Ich fühlte keinen Puls oder Herzschläge und das Kind war schon kalt. Anamogsi zeigte mir die Stelle im Viehhof, wo das Kind (nach seiner Ansicht) begraben werden sollte.
Vor dem Gehöft war der Nachbar und Totengräber Ansoateng damit beschäftigt, einen Spaten aus einem unbearbeiteten geraden Ast und einer Beilklinge herzustellen. Den Holzgriff einer alten Hacke verkürzte er für die Arbeiten in einem engen Grabschaft.
Ansoateng und zwei junge Helfer begannen am tampoi (Abfallhaufen, nicht im Viehhof!) mit der Ausschachtung des Grabes, als Anamogsi sie unterbrach und sie bat, an einer anderen Stelle zu graben, da er hier später einen kusung bauen wollte. Man wählte nun eine andere Stelle weiter vom Fuße des tampoi entfernt am Rande eines Hirsefeldes.
Alle männlichen Gäste (und ich) saßen weiterhin in einem Abstand von ca. 20 Metern vom Grab entfernt an der Gehöftwand. Anamogsi schickte mich zum Grab, weiß er wusste, dass ich gerne Einzelheiten über die Beerdigung sehen wollte. Das Grab war etwa 50 cm tief, der obere Durchmesser betrug etwa 30 cm, der runde Boden hatte einen Durchmesser von etwa 50 cm, d.h. der Schacht verbreitete sich nach unten. Neben den oben genannten Werkzeugen wurden auch zwei Kalebassen zum Ausschachten benutzt, wenn man hierfür nicht die bloßen Hände nahm.
Zwei Nachbarfrauen brachten nun den unbekleideten Leichnam Akanchainfiiks zusammen mit einem Blätterbüschel (wogta?) in einer kleinen Schlafmatte (tiak). Der Totengräber Ansoateng war von nun an die einzige tätige Person. Er riss dem toten Kind das Halsband, eine Armschnur und die Hüftschnur ab und legte alles zu den Blätterbüschel neben dem Grab. Ansoateng platzierte das Kind so in das Grab, dass der Kopf zum Süden zeigte, das Gesicht (zunächst) gegen Osten. Im Grab nahm er Manipulationen an den Fingern und Zehen des Kindes vor. Hatte er sie verdreht? Später sagte er mir, er hätte sie mit Wasser abgewaschen. Die Beine der Toten waren angehockt, die Hände lagen über den Ohren (damit keine Erde in diese eindrang). Schließlich legte Ansoateng das Kind mit dem Gesicht gegen Westen (Hatte er vorher einen Fehler gemacht?). Mit seinen Händen warf er Erde ins Grab und stampfte sie mit dem Holzende des dachoruk fest. Ein Helfer holte einen schweren Lateritstein, mit dem Ansoateng die Erde noch fester stampfte und gleichzeitig eine flache Vertiefung schuf. Er nahm den Stein und führte viermal mit ihm Kreisbewegungen über dem Grab durch, bevor er ihn in der Vertiefung fixierte.

Abb.: Der unauffällige Lateritstein als Markierung von Akanchainfiiks Grab

Die beiden Kalebassen zerstampfte Ansoateng vollständig mit den Füßen und deponierte die Scherben, zusammen mit dem dachoruk und der Hacke westlich neben dem Grab. Die beiden Eisenklingen der Grabgeräte wurden später entfernt und ins Haus gebracht. Die abgerissenen Körperschnüre Akanchainfiiks und das Blätterbüschel legte Ansoateng östlich vom Grab auf den Boden und bedeckte alles leicht mit Erde. Die drei Totengräber wuschen sich genau über dem Grab die Hände und das Gesicht, Ansoateng auch die Beine und schütteten den Rest des Wassers auf das Grab.
An der äußeren Gehöftmauer dankten Gehöftbewohner in mehreren Reden den drei Totengräbern. Der Vater Akanchainfiiks kam hinzu. Er war sehr niedergeschlagen, zeigte aber keine Traueräußerungen.
Da Akanchainfiik das erste Kind war, das ihre Mutter durch Tod verloren hatte, wurde ihr nach einiger Zeit der Kopf geschoren (barisika, ‘Rasur’), wodurch eine Kreuzform auf dem Kopf entstand (Ich habe weder diese Prozedur noch das Resultat später gesehen, da die Mutter danach immer ein Kopftuch trug).

7. WIEDERGEBURT

Der Glaube an eine allgemeine Wiedergeburt ist bei den Bulsa wohl unterschiedlich verbreitet. Einige sagen halb scherzhaft, dass ein Kind wohl der wiedergeborene Großvater ist, wenn das Kind große Ähnlichkeit mit dem Verstorbenen hat. Andere glauben, dass in jeder Geburt ein Ahne wiedergeboren wird und dass der Wahrsager auch den Namen dieses Ahnen herausfinden kann. Der betroffenen Person gegenüber darf man dies aber unter keinen Umständen erwähnen.
Margaret Bawa berichtet, dass in Gbedema schwangere Frauen nicht wollen, dass ein sehr alter Mann hinter ihnen steht, da sie ihn leicht nach seinem Tode wiedergebären könnten (ngmani, ‘wiederkehren’). Solche Kinder sterben leicht und werden dann wiedergeboren. Kinder, die wiedergeborene Vorfahren sind, werden oft verwöhnt, man erspart ihnen zum Beispiel harte Feldarbeit. Wenn man sie beleidigt oder ihnen gegenüber erwähnt, dass sie eine Wiedergeburt sind, kann leicht ein Unglück geschehen, falls man dem reinkarnierte Ahnen nicht ein Sühneopfer darbringt. Mitunter werden auch lebende Greise mit neugeborenen Kinder in Verbindung gebracht. Wenn der alte Mann stirbt, stirbt auch das Kind.
Als in Wiaga-Tandem ein alter, sehr beliebter Mann starb, legte man vor seiner Beerdigung weiße Asche (buntuem) auf sein Kopfhaar. Kurze Zeit später wurde im gleichen Haus ein Kind geboren, das in der Mitte des Schädels weiße Haare hatte, während sie an den Seiten schwarz waren, genau wie man die Asche bei dem verstorbenen Verwandten gelegt hatte. Man legt dieses Ereignis als Beweis für eine Wiedergeburt aus.
Es besteht allgemein kein Zweifel daran, dass Kleinkinder, die sterben, später der gleichen Mutter wiedergeboren werden können. Gerade wenn eine Frau viele Fehlgeburten hintereinander hatte oder die Kinder im jungen Alter sterben, glaubt man, dass das Kind oder ein unbenennbarer böser Geist (ja-biok, wörtlich “eine böse Sache”) der Frau einen Schabernack spielt. Durch verschiedene Maßnahmen, z.B. eine spezielle Namensgebung [Endnote 21] oder durch besondere Narbenschnitte [Endnote 22] versucht man, diesem Spiel ein Ende zu bereiten. Es scheint wenigstens bei den Informanten nicht völlige Klarheit darüber zu herrschen, ob das Kind mit dem bösen Geist gleichzusetzen ist oder auch selbst ein Opfer dieses bösen Geistes ist. Wahrscheinlich trifft die letzte Annahme zu, denn eine Mutter wünscht nach einer Information, dass ihr ein verstorbenes Kind wiedergeboren wird.
Wenn gerade ein Kind gestorben ist, ergreift man Maßnahmen, um ein längeres Leben des nächsten Kindes zu bewirken. Kurz vor der Beerdigung dreht man dem toten Kind je einen Finger einer Hand über einen anderen, das gleiche auch bei den Zehen [Endnote 23]. Das nächstgeborene Kind wird mit dieser Fingern- und Zehenstellung zur Welt kommen und dann nicht wieder als Kleinkind sterben {62}.
Nach anderer Information (Akoasisi aus Siniensi) wird mitunter sogar dem nach mehreren Fehlgeburten lebend geborenem Kind ein Zeh umgedreht oder ein Zeh oder ein Finger abgeschnitten. Diese Verstümmelungen haben eine ähnliche Bedeutung wie das Schneiden von Narben nach Fehlgeburten [Endnote 24] und sollen auch ein Sterben dieses Kindes verhindern, da der “böse Geist” das verstümmelte Kind nicht wiedererkennt und in Ruhe lassen wird.
Als einer Frau in Wiaga-Tandem häufig Kinder starben, kam nach einer weiteren Geburt eine ausgeheiratete “Tochter des Hauses” zurück in ihr Elternhaus, legte das lebende Kind auf den Aschenhaufen (tampoi), und streute Asche vom tampoi auf das Kleinkind. Hiernach sollten der Frau keine weiteren Kinder mehr sterben. Möglicherweise wird in der letztgenannten Handlung eine Bestattung vorgetäuscht, um dem bösen Geist den Tod des Kleinkindes glauben zu lassen. Auch gibt es den Brauch, weiße Asche auf den Kopf des zuletzt gestorbenen Kindes zu streuen [Endnote 25].
Der vorgetäuschte Verkauf eines nach mehreren Fehlgeburten geborenen Kindes (kpi-le-ngman-jamdoa, ‘Gestorbener Wiederkehrer’) scheint bei den Bulsa nicht traditionell zu sein. In Accra habe jedoch wohl einige Bulsa dieses Ritual von anderen Ethnien übernommen zu haben. In einem bekannten Fall “verkaufte” eine Bulsa Frau ihr neugeborenes Kind in einem Korb an einen Zambarima-Mann und gab ihr den Namen Azambaring. Das Kind wird sofort der Mutter zurückgegeben, da es ja gestillt werden muss. Der Kaufpreis ist sehr gering, zum Beispiel drei Pesewas (sampoak), nach dem auch das Kind Asampoak genannt werden kann. Auch von Aussetzungen solcher Kinder im Busch (sagi) habe ich in Verbindung mit dem Namen Asagi gehört.
Die ausführlichste Information über Rituale und Bräuche nach einer Wiedergeburt erhielt ich durch Margaret Bawa (Gbedema). Sie schließen zum Teil von anderen gegebene Einzelinformationen ein. Wenn ein Kind zum 3. Mal stirbt, werden folgende Rituale oder ein Auswahl von ihnen vorgenommen:

• Ein Zeh wird über den anderen geschoben.
• Ein Zeh wird gebrochen und nach innen umgebogen.
• Roter Ton (junung, daluk) wird auf eine Stelle des Arms, Oberschenkels oder Gesichts geschmiert; bei einer Wiedergeburt werden diese Hautstellen heller sein.
• An einer Stelle werden die Kopfhaare ausgezogen; das Kind wird mit einer kahlen Stelle auf dem Kopf wiedergeboren.
• Auf eine Stelle der Kopfhaare legt man weiße Asche; an dieser Stelle wird das Neugeborene weißhaarig sein.
• Der obere Teil des Ohrs wird umgebogen.

Meistens wird es nicht notwendig sein, dem Kind noch zusätzlich abwertende Namen (Sklavennamen) zu geben.
Bevor eine Frau nicht das 3. Kind verloren hat, soll sie den Tod nicht beweinen, da das Kind sonst meint, es wäre sehr erwünscht und daher immer wiederkehrt. Nach dem Tod des 3. Kindes darf die Mutter weinen, da die Verstümmelungen mit Sicherheit wirken. Die Mutter meiner Informantin kannte keinen Fall einer kindlichen Wiedergeburt nach dem oben erwähnten Prozeduren. Nur wenn die Mutter mit dem ungeborenen Kind stirbt, wird der toten Frau das Kind aus dem Leib herausgepresst um zu sehen, ob es die oben angebrachten Markierungen oder Verstümmelungen besitzt. Wenn dieses zutrifft, waren die Markierungen die Todesursache, denn das Kind hätte nach der Geburt keine Möglichkeit mehr gehabt, noch einmal zurückzukehren.

8. EINSTELLUNGEN UND VERHALTEN DER SCHÜLERGENERATION

Den Schülern, Schülerinnen und Schulabsolventen wird oft nachgesagt, dass sie häufiger vorehelichen Sexualverkehr haben als ihre analphabetischen Altersgenossen. Es ist auch wenig umstritten, dass den meisten Schülern Verhütungsmaßnahmen bekannt und Verhütungsmittel zum Teil zugänglich sind. Eine Schwangerschaft wird oft nicht gewünscht, weil sie die Schul- oder Berufslaufbahn gefährdet. Trotzdem ist es der Wunsch der meisten Schüler, später eine große Familie mit vielen Kindern zu haben und auch für Schülerinnen bedeutet es eine unvorstellbare Schande, wenn sie sich später als unfruchtbar erweisen sollten [Endnote 26].
Abtreibungen sollen – wenn auch sehr selten – mitunter vorkommen, jedoch ist mir nur ein einziger Fall einer verheirateten Schulabsolventin {63} bekannt. Über ihre Motive konnten selbst Hausbewohner nichts Sicheres erfahren, jedoch nimmt man an, dass sie Angst vor der Geburt hatte. Keineswegs spielten emanzipatorische Gedanken eine Rolle, denn als Schülerin hatte sie sich der Exzision unterzogen und hatte mir noch kurz vor ihrem zweiten tödlichen Abtreibungsversuch einen Bericht von ihrer Exzision gegeben.
Weniger in ihrer Einstellung zur Geburt und zum Kindersegen unterscheidet sich die jüngere Generation von der älteren, sondern mehr in ihrer Einstellung zu den mit Schwangerschaft und Geburt verbundenen Einschränkungen, Verboten und rituellen Handlungen. Die oben [Endnote 27] aufgeführten Speiseverbote werden als grober Unsinn bezeichnet, und wie man im Hygieneunterricht gelernt hat, sollte man der Schwangeren gerade eiweißreiche Nahrung verabreichen.
Eine junge katholische Schulabsolventin berichtet jedoch, dass sie in ihrer Schwangerschaft nie Speisen vom Vortage genossen habe, alle andern Vorschriften aber nicht beachtet habe.
Die Zeremonie des Wasserschüttens, die der öffentlichen Verkündigung der ersten Schwangerschaft vorausgeht, wird von einigen Schulabsolventen noch durchgeführt. Gerne wird für die Durchführung dieser Zeremonie auch eine Verwandte mit Schulbildung herangeholt, da diese ja später einen großen Einfluss auf die Erstgeburt ausübt, wenn es sich um ein Mädchen handelt. Einige christliche Bulsa erkennen die Einsegnung der Schwangeren und die öffentliche Verkündigung der Schwangerschaft in der Kirche als vollen Ersatz für die traditionelle Zeremonie an und bezeichnen diese als Zeitverschwendung (waste of time). Gewöhnlich achtet man jedoch auch darauf, dass vor der kirchlichen Verkündigung die Schwangerschaft im Beisein der Schwangeren nicht erwähnt wird.
Das Datum und der Wochentag der Geburt wird vom schreibkundigen Vater sorgfältig aufgeschrieben, und auch mancher analphabetische Vater bittet heute einen Hausbewohner, das Geburtsdatum seines Kindes aufzuschreiben. In neuester Zeit wird auch die Registrierung aller Geburten im Health Centre [Endnote 28] von den Behörden gefordert [Endnote 29].
Falls der junge Vater mit Schulbildung die 2-3 Cedis (ca. 5 DM) für einen Krankenhausaufenthalt seiner Frau aufbringen kann, wird {64} seine Frau ihr Kind im Krankenhaus einer Missionsstation oder des Health Centre bekommen. Auch manche analphabetische Väter schicken ihre Frauen heute zur Geburt in das Krankenhaus.
Schwierigkeiten gibt es mitunter bei der Durchführung der Riten in den ersten Tagen nach der Geburt. Pobsika-Riten werden heute häufig im Krankenhaus durchgeführt, wenn der Gatte oder die Eltern zum ersten Mal das Krankenzimmer der Wöchnerin betreten. Die Asche wird oft von den Krankenschwestern aus ihrem eigenen Ofen besorgt, d.h. es handelt sich dann nicht um Asche von medizinischen Wurzeln.
Christliche Eltern lassen ihre Kinder taufen, jedoch verstreichen oft einige Monate oder Jahre, bevor dies geschieht. Es wäre einer Untersuchung wert herauszufinden, ob die Taufhandlung auch als Reaktion auf Krankheiten oder schwieriges Verhalten des Kindes ausgeübt wird, wie es bei der traditionellen Namensgebung oder dem wen-piirika-Ritual der Fall ist. Mit der Taufe ist natürlich eine christliche Namensgebung verbunden, wobei z.B. in Sandema der presbyterianische Missionar oder ein Katechist mehrere englische Namen vorschlägt und der Vater sich einen aussuchen kann.
Tötungen von “Feengeburten” (kikita) und Zwillingen werden besonders von christlichen Eltern, aber heute auch von den meisten nichtchristlichen Eltern abgelehnt, und manchen christlichen Eltern sind Zwillinge besonders willkommen. Trotzdem gibt es an manchen Schulen Kinder, die wegen ihrer Körperstatur oder wegen ihres Verhaltens von den übrigen Schülern als kikita angesehen werden. Keineswegs wird jeglicher Umgang mit ihnen gemieden, denn “es ist nicht ihre Schuld, dass sie kikita sind”, aber es kann auch keine herzliche Freundschaft aufkommen, da man oft im geheimen diese Schüler fürchtet. “Zwillinge sind heutzutage meistens harmlos”, sagte mir ein Schulabsolvent. Trotzdem kursieren in Schülerkreisen manche Geschichten über ein bösartiges Zwillingspaar, zwei Brüder, die nach Abbruch ihrer Schulausbildung heute im Süden leben. Auch scheint es noch häufig Zwillinge zu geben, die selbst nicht wissen, dass sie Zwillinge sind, und deren Geburtsdaten sich offiziell um 1-2 Jahren unterscheiden, oder die sogar als Kinder verschiedener Mütter ausgegeben werden {65}.

ENDNOTEN (GEBURT)

1 Für ‘gebären’ verwendet man in Buli die Verben biagi oder vuugi. Letzteres hat auch die Bedeutung ‘to live, to survive’ Die Frage an einen Gatten “Fi poowa an diem vuug-ya?” (Hat deine Frau schon geboren?) ist nur erlaubt, wenn die Frau schon schwanger ist.

1a Eine Geburt, die nicht im gbanglong stattfindet, hat häufig einen Einfluss auf den Namen des neugeborenen Kindes. Vgl. Kap. III B, 3b, S. {94f.}

1b Eine Frau, die besonders erfahren als Geburtshelferin ist, kann als poi-yigro (poi = Bauch; Schwangerschaft; yigro = “Fänger”; jemand, der etwas auffängt), weniger erfahrene Helferinnen können als maariba (sing. maaro; maari = helfen) oder tabriba (sing. tabro; tabri = vorsichtig behandeln) bezeichnet werden.

1c Die Texte der 1. Auflage wurde daher hier ausgelassen.

2 Tagebucheintragung vom 30. Dez. 1966.

3 Die Kusase, S. 81 f.

4 Vgl. Lageplan, Kap. V, S. {185}.

5 Koalima (Pl.) hat auch die Bedeutung “Güter, Ladung, Last.”

6 Vgl. E. Haaf, Die Kusase, S. 83 {352}.

7 Inf. G. Achaw aus Sandema-Kalijiisa.

7a Die nicht völlig in dem dunklen Raum erfassten Körperteile wurden nach anderen Salbungen im gleichen Gehöft ergänzt.

8 Vgl. hierzu Kap I,3, S. {40} und Kap. I,5, S.{44}.

8a Die Bulsa unterscheiden sich hier von einigen Nachbarethnien, z.B. den Frafra, die die Nase aussaugen.

8b Bulsa Jungen und Mädchen im jungem Alter tragen unten offene Kleider, damit sie ihre Notdurft ungehindert verrichten können. Diese wird sofort von einem herbeigerufenen Hund verzehrt.

9 Inf. durch R. Schott, Unveröffentlichte Feldnotizen 1966/67, S. 224.

10 Man sagte mir, es seien genau vier Tage seit der Geburt der Tochter (am 8. August) vergangen (vier: weibliches Prinzip). Vier Tage entsprechen der Norm.

11 Pobsido ist nomen agentis von pobsi (Asche blasen); pobsika ist Verbalnomen von pobsi.

11a Vgl. D. Tait, The Konkomba of Northern Ghana (London, 196 1), S. 200. Eine Abbildung findet sich bei R.S. Rattray, The Tribes of the Ashanti Hinterland, Fig. 87 (nach S. 380).

12 Kikita sind Unholde mit übermenschlichen Kräften, die gewöhnlich in menschlicher Gestalt auftreten. Vgl. Schluss, 3, S. {329f.} dieser Arbeit und R. Schott, Aus Leben und Dichtung, S. 60ff. Von den beiden Sprachvarianten kikiruk und chichiruk wird kikiruk vor allem in Wiaga, Siniensi und in den südlichen Teilen des Bulsa-Landes gebraucht, chichiruk vor allem in Teilen Sandema und in Chuchuliga. Kikiruk soll angeblich das ursprüngliche Buli-Wort sein, chichiruk vielleicht eine Entlehnung. Mit kikiruk (Pl. kikita) darf nicht kikerik (Pl. kikerisa) verwechselt werden. Kikerik ist ein Geistwesen, das niemals menschliche Gestalt annimmt.

12a L. Fleischer (1977: 104) stellt für die Hausa die Vermutung an, dass die Ablehnung von Zwillingen darauf beruht, dass die Seniorität der beiden in Frage gestellt wird. Auch bei den Bulsa gelten Zwillinge mit unterschiedlichem Geschlecht als weniger gefährlich. Der zuerst Geborene gilt als der Jüngere, der von dem Älteren vorausgeschickt wurde.

13 Mein Informant, der teng-nyono von Wiaga-Sinyangsa, ist gleichzeitig yibsa-tebro und kikiruk paro.

13a Eine ausführlichere Beschreibung befindet sich in Kröger 2019: 83-85.

14 Ein solcher Mond aus Eisenblech soll stets ein Band zum Aufhängen besitzen, und auch auf dem Markt kann man ihn nur mit einer Faserschnur kaufen. Man glaubt, dass der Mond am Himmel aufgehängt ist, und darum soll auch sein Abbild stets ein Band zum Aufhängen haben. Vgl. Abb. 2.

15 Vgl. Kap. III,1, S. {68} und Kröger 1984: 149-151.

16 Vgl. auch E. Haaf, Die Kusase, S. 90 und F.Kröger1984: 149-151. Ein Ascheblasen (Buli pobsika) mit dem Mond, wie es Prinzessin Marie Louise schildert (1926: 116), ist den Bulsa nicht bekannt (s. auch Kap. II,4,a).

16a Gemäß dem 1960 Population Census of Ghana (S. 313) ist die Kindersterblichkeit bei den Bulsa in den ersten vier Lebensjahren besonders hoch. In einem Zeitraum von 12 Monaten starben Kinder (absolute Zahlen): unter 1 Jahr: 520; 1-4 Jahre: 300; 5-14 Jahre: 80; 15 Jahre und älter: 20.

17 Unveröffentlichte Feldnotizen 1966/67, S. 185.

18 Ibd., S. 225.

18a Von L. Amoak erhielt ich kurz vor Abschluss dieser Arbeit (1978) brieflich folgende Mitteilung: Das erste Kind, das einer Mutter in sehr jungem {353} Alter (unter 1 Jahr) stirbt und Kinder, die im embryonalen, nicht lebensfähigen Zustand geboren werden, begräbt man im tampoi. Weitere lebendgeborene Kinder werden am Fußpfad zum Elternhaus der Mutter des Kindes beigesetzt. Hinter der Küche (gbanglong) werden Kinder nie begraben, jedoch wird an dem Tage, an dem die Nachgeburt eines Kindes im tampoi begraben wird, ein Loch hinter dem gbanglong gegraben, das später wieder zugeschaufelt wird, ohne dass man darin etwas begraben hat. Meinem Informanten L. Amoak starben selbst zwei Söhne in jungem Alter. Die erste war schon über ein Jahr alt und wurde am Fußpfad beerdigt, “da er für den tampoi schon zu alt war.” Der zweite Sohn starb kurz nach der Geburt und wurde auch am Fußpfad begraben.

19 Unveröffentlichte Feldnotizen 1966/67, S. 185.

20 Von L. Amoak mit “middle-man” übersetzt; deutsch vielleicht “Vermittler”; “sin/san”: Kurzform von sunsung = Mitte, inmitten, zwischen.

21 Vgl. Kap. IIIB,3h S. {105f.}

22 Vgl. Kap. IV,5i, S.{128 ff.}

23 Vgl. die Körperverstümmelungen in einem solchen Fall bei den Kusasi (E. Haaf, Die Kusase, S. 90) und bei den “Dagaba” (R.S. Rattray, The Tribes of the Ashanti Hinterland, S. 423).

24 Vgl. Kap. IV,9, S. {136ff.}

25 Diese Maßnahme soll vielleicht eine Wiedergeburt bewirken. Vgl. auch Kap. I,1, S. {61f.}

26  Vgl. den Bericht der Schulabsolventin, Kap. I,1, S. {37}.

27 Kap. I,4; S. {41f.} und Kap. II,3? S. {50f.}

28 Das Health Centre in Sandema ist eine öffentliche Krankenstation, in der einige ausgebildete Krankenpfleger (1974 noch ohne Arzt!) die Betreuung der Kranken übernommen haben.

29 Da es in meinem Wohngehöft Anyenangdu Yeri bekannt war, dass ich in einem Census auch alle Geburten, Hochzeiten, Todesfälle usw. registriert hatte, erhielt ich auch Jahre nach meinem letzten Aufenthalt (2011) noch Briefe, und später auch Messages einer Bulsa Facebook Group, in denen die inzwischen Erwachsenen, damaligen Kinder, ihr Geburtsdatum erfragten. Sie brauchten es für Bewerbungsschreiben und andere Formulare.

 

NAMENSGEBUNG UND NAMEN

A) NAMENSGEBUNG (SEGRIKA)

1. DIE AHNEN-SEGRIKA

a) Eine Ahnen-segrika in Wiaga-Badomsa (Asik Yeri)
Die im folgenden beschriebene Namensgebung (segrika) konnte ich am 31. Dezember 1973 im Hause Leander Amoaks in Wiaga-Sinyansa-Badomsa beobachten. Fehlende Informationen (z.B. die Vorgeschichte) und Erklärungen wurden mir ausschließlich von L. Amoak, dem Vater des Kindes, gegeben.Als der am 6. Februar 1973 geborene Sohn Amoaks und seiner Frau Afulanpok kränkelte, ging Leander zu dem Wahrsager (baano, Pl. baanoba) Asatek Awaalo in Sinyansa-Sichasa, um den Grund der Krankheit zu erfahren. Bei diesem Besuch zu Beginn des Monats Dezember 1973 fand der Wahrsager heraus, dass der Sohn, der bisher nur “Lucky” gerufen wurde, einen “offiziellen” Buli-Namen (yue mang) brauchte. Gleichzeitig erfuhr man in der Wahrsagersitzung, dass bei der Namensgebung das Kind dem bogluk von Amoaks verstorbenem Vater Asik dargebracht werden musste und dass L. Amoaks Schwester Aberok aus Kadema den Namen geben sollte. Den Zeitpunkt der Namensgebung durfte der Vater selbst bestimmen, und nach Absprache mit mir wurde er auf den 31. Dezember gelegt, d.h. Lucky war knapp elf Monate alt. Sofort nach der Festsetzung des Datums wurde Amoaks Schwester in Kadema informiert.
Am Morgen des 31. Dezember gegen acht Uhr fanden sich Leander, Lucky, Afulanpok und einige andere Kinder Leanders in seinem Haus in Wiaga-Badomsa ein, denn die Familie hielt sich meistens in einem {66} moderneren Haus im Ortszentrum Wiagas auf. Alle Riten mussten aber im angestammten Gehöft in Badomsa (Adeween Yeri oder Asik Yeri) ausgeführt werden. In Wiaga gab es vor der Abfahrt noch eine Diskussion, ob Afulanpok, Luckys leibliche Mutter, kommen sollte oder Leanders erste Frau Atigsidum, die auch für die Kinder der anderen Frauen in ritueller Hinsicht Mutterrechte hat. Außerdem war Afulanpok als doglie (vgl. Kap I,3, S. {41}) Atigsidums in das Haus Amoaks gekommen. Da die Namensgebung jedoch einige Kilometer vom Zentrum Wiagas entfernt stattfinden sollte und Afulanpok ihr Kind noch stillte, entschied man sich für die junge leibliche Mutter. In Badomsa war die Namensgeberin aus Kadema noch nicht eingetroffen. So konnte man in Ruhe alle Vorbereitungen treffen. Ayomo Atiim (der zweitjüngste Sohn von Leanders verstorbenem Bruder Atiim), der einige Funktionen des yeri-nyono wahrnahm, da für seinen Vater die Totengedenkfeier noch nicht abgehalten worden war, hatte schon am Vortage mit einer Hacke einige Wurzeln aus einem kankpiiling-Strauch geschlagen [Endnote 1]. Er entfernte nun die alten, vertrockneten kankpiiling-Wurzeln aus dem Namensgebungstopf (tibiik, Pl. tibiisa) vor Asiks bogluk. Die alten Wurzeln befanden sich seit der Namensgebung von Luckys älterem Bruder Akapami Adocta in dem Tontopf. Ayomo legte die frischen Wurzeln in den Topf, und Afulanpok holte aus dem Brunnen frisches Wasser in einem Zinkeimer und stellte es neben den bogluk Asiks. Ayomo schöpfte nun Wasser mit einer Kalebasse aus dem Eimer in den Tontopf, bis dieser fast voll war (s. Abb. 12).

Abb.: Ayomo Atiim füllt den Namensgebungtopf (tibiik) neben dem wen-bogluk Asiks mit frischem Wasser. Hinter dem bogluk Asiks: der Schrein Adeweens. Die anderen Ahnenschreine sind zum Teil verdeckt (Abb. 12 der 1. Auflage).

Abb.: Ayomo opfert dem wen Asiks einen schwarzen Hahn. Neben dem Schrein in hockender Gebetshaltung: L. Amoaks Schwester Aberok mit Lucky und (außerhalb des Bildes) L. Amoak (Abb. 13 der 1. Auflage).
Abb.: Ayomo setzt Lucky in das noch feuchte Blut des geopferten Hahns; rechts: Aberok und Amoak; im Vordergrund die Opferkalebasse mit Hirsewasser. (Abbildung 14 der 1. Auflage).

Nach dem Eintreffen von Leanders Schwester begannen die Opferhandlungen. Dem wen Asiks wurde zuerst durch Ayomo Hirsewasser geopfert, dann wurde ein schwarzer Hahn [Endnote 2] getötet, und das Blut floss auf den wen-Stein Asiks (s. Abb. 13). Nachdem der aufflatternde Hahn nicht auf dem Bauch, sondern auf einer Seite Legend, langsam verendet war, wusste man, dass Asik das Opfer angenommen hatte, und die Schwester L. Amoaks setzte nun Lucky mit dem nackten Gesäß auf den blutigen wen-Stein des bogluk (s. Abb. 14). Lucky blieb dort einige Sekunden sitzen. Hiernach tranken alle Anwesenden von dem übriggebliebenen Hirsewasser. Auch Lucky sollte aus der Kalebasse trinken. Als er nicht wollte, tunkte seine Mutter ihren Finger in das Hirsewasser {67} und Lucky leckte ihn ab. Während der Hahn schon gerupft wurde, zog die ganze Gruppe ins Gehöft und Ayomo opferte Hirsewasser für die wena von zwei weiblichen Ahnen, die sich in oder über zwei puuk-Töpfen im kpilima-dok  [Endnote 3] befanden und als ma-baga  [Endnote 4] bezeichnet werden (vgl. Abb. 42). Man ging wieder hinaus vor das Gehöft, und Ayomo opferte dem bogluk von Leanders Mutter Adankunlie, zwei Steinen am Wege, Hirsewasser. Wäre Ayomos Vater Atiim nicht auch ein leiblicher Sohn Adankunlies gewesen, hätte Ayomo die Opfer an Adankunlie nicht darbringen können, sondern L. Amoak hätte selbst seiner Mutter opfern müssen. Diesmal tranken nur Ayomo, L. Amoak und seine Schwester. Wieder zog man ins Gehöft. Im Innenhof opferte Ayomo dem wen seines Ahnen Abonwari [Endnote 5] und Leander seinem eigenen wen und den wena von Afulanpok und Atigsidum (die beiden letzteren im kpilima-dok).
Nun holte man aus dem Namensgebungstopf vor Asiks bogluk eine Kalebasse voll Wasser, in dem sich die Wurzelsäfte gelöst hatten, und Amoaks Schwester flößte (tugli) den Inhalt der ganzen Kalebasse dem sich sträubenden Lucky ein (s Abb. 16). Auch an den folgenden Tagen musste Lucky von dem Wasser trinken, und selbst Monate später wurde es ihm noch gelegentlich eingeflößt.

Abb.: Aberok flößt (tugli) Lucky den in Wasser gelösten Wurzelextrakt aus dem Namensgebungtopf ein. In der gleichen Weise erhalten Kinder nach der Entwöhnung auch andere flüssige Nahrung. Im Hintergrund (neben der Sonnenbrille) der wen-bogluk einer lebenden männlichen Person. (Abb. 16 der 1. Auflage).

Abb.: Lucky trägt die Knochenschnur und das Namensgebungshorn; neben Aberok: Francis Afarinmonsa und Ayomo Atiim. (Abb. 17 der 1. Auflage).

Etwa gegen elf Uhr waren die Vormittagszeremonien beendet. Nach der Mittagspause gegen drei Uhr nachmittags wurde dem wen Asiks und den beiden Medizintöpfen vor dem bogluk eine Kalebasse klaren Wassers geopfert, damit Asik sich nach Leanders Angaben, genau wie es die Anwesenden etwas später taten, vor dem Essen die Hände waschen konnte [Endnote 6]. Danach opferte Ayomo ihm T.Z. und einige zarte Fleischstücke des zubereiteten Hahns. T.Z. und das Fleisch wurden sofort von dem wartenden Haushund verschlungen, ohne dass man ihn daran hinderte.
Die ganze Gruppe zog wieder ins Gehöft und man stellte Fleisch und T.Z. in den kpilima-dok für die Seelen (chiisa, Sing. chiik), von drei männlichen Ahnen, deren Totengedenkfeiern noch nicht abgehalten worden waren und deren Seelen sich noch bei ihren drei Schlafmatten im kpilima-dok befanden (vgl. Nr. 42 – 44 der Tabelle S. {181}, Kap. V, 3d). Man nimmt an, dass die Seelen der Ahnen die Speise essen, ohne dass sie weniger wird, da sie nur den eigentlichen Nährwert der Speise entnehmen. Wenn {68} sterbliche Menschen später die Speise äßen, würden sie kein Sättigungsgefühl verspüren.
Ein junger Nachbar (Achang Akasilik; Nr. 41 der Genealogie und Tabelle S. {174f}, Kap.V,3d) kam nachmittags in das Haus Adeween Yeri. Während er durch die übriggebliebenen hohlen Röhrenknochen des geopferten Hahns eines Schnur zog, wurde von den anderen Teilnehmern eine Pause eingelegt. Der Nachbar legte nun Lucky ein Ziegenhorn [Endnote 7], durch dessen spitzes Ende man eine Schnur gezogen hatte, um den Hals und die Schnur mit sieben Röhrenknochen um die Hüften. Diese letzte Handlung fand wieder neben dem bogluk Asiks statt. Das Ziegenhorn hatte vorher eine gewisse Zeit auf dem bogluk Asiks gelegen, um anzuzeigen, dass Asik Lucky gefordert hatte und – so Leander – um dem Horn eine “segensreiche” Kraft zu verleihen.
Dann setzte man sich auf einen Baumstamm unter einem Niim-Baum [Endnote 8], um über den neuen Namen zu beraten. Leander Amoak saß direkt neben seiner Schwester. Die Schwester schlug den Namen Akanbe als kürzeren Rufnamen für den Namen Akankalibe vor, d.h. “wenn wir (bei den Göttern) sitzen, werden wir nicht in die Irre gehen”. Leander war sofort mit dem Namen einverstanden. Er hatte mir jedoch vorher gesagt, dass er Einspruch erheben würde, wenn der Name zu vulgär wäre. Kurz vor der Namensgebung war noch der amtierende teng-nyono (Erdherr) von Sinyansa zu der Ritualgruppe gestoßen. Er hatte im Nachbarhaus einen Wahrsager aufgesucht und dort von der Namensgebung gehört. Sein Besuch, der durch einen Zufall zustande kam, wurde als gutes Zeichen gewertet. Zum Abschluss der Namensgebung dankte Leander seiner Schwester für ihr Kommen, und kurz vor dem Dunkelwerden begab man sich wieder in das Wohnhaus in Wiaga-Mitte.
Das wen Asiks übt seit der Namensgebung eine Funktion als Schutzgeist (segi, Pl. sega) über Akanbe aus. Er wird seinem Schützling “Gesundheit, Glück und Reichtum bringen und vor Schaden bewahren” (L. Amoak). Leanders Schwester Aberok hat seitdem ein starkes Mitspracherecht bei Entscheidungen über Akanbes späteres Leben.
Wie ich später erfahren habe, trug Lucky Akanbe das Horn und die Knochenschnur einige Wochen. Das Horn ist zur Zeit (1975) noch leer. Es liegt im Schlafraum von Akanbes Mutter Afulanpok. Lucky, wie Akanbe weiterhin genannt wird, trägt es, wenn er sich nicht wohl fühlt. Später jedoch kann es zusammen mit den Hörnern anderer Geschwister, die auch einen männlichen Ahnen des Hauses als Schutzgeist erhielten {69} etwas Erde aus dem tanggbain bzw. teng [Endnote 9], dem bei dieser Gelegenheit auch geopfert wird, aufnehmen. Hat ein Kind einen weiblichen Ahnen des Hauses als Schutzgeist, so kann die Erde für das Horn nach Auskunft L. Amoaks dem puuk-Topf (ma-bage) dieser Ahnin entnommen werden. Das Namensgebungshorn erhält dann auch den Namen ma-bage [Endnote 10].
Die Namensgebung eines Mädchens hätte sich nach L. Amoak in fast gleicher Weise wie die geschilderte, aber mit der Opferung eines Huhnes vollzogen.
Nach dem Todes des neuen Namensträgers und der Errichtung seines Ahnenschreins wird das mit Erde gefüllte Horn bei Opfern an den Ahnen auf dessen Schrein gelegt und mitbeopfert.

b) Eine Ahnen-segrika in Sandema-Kalijiisa (Achaw Yeri)
Die beiden Familienväter Anpan und Abang des Hauses Achaw-yeri in Sandema-Kalijiisa- Yongsa hatten mir schon früh zugesagt, dass ich an der segrika von einem der drei namenlosen Kinder des Hauses teilnehmen dürfte, wenn der Zeitpunkt gekommen sei. Am 26. August 1974 erfuhr ich, dass Akangaaba [Endnote 11], der ältere Bruder Abangs, zum Wahrsager in Kalijiisa-Choabisa gegangen war. Es hatte sich dort herausgestellt, dass Achinwan, der Urgroßvater (VaVaVa) der etwa drei Monate alten Tochter Abangs diese für sich forderte, nachdem ihm zuvor ein Opfer dargebracht worden war. Nach dem Opfer ging Akangaaba wieder zum Wahrsager, der diesmal anordnete, dass man mit der Namensgebung noch warten solle.
Etwa zur gleichen Zeit hatte auch der amtierende yeri-nyono [Endnote 12] Anpan in Sandema einen Wahrsager aufgesucht, der ihn jedoch an einen Kasena-Wahrsager überwiesen hatte. Die Kasena-Wahrsager werden von den Bulsa gerne aufgesucht, gelten sie doch als Experten in ihrer Kunst. So fuhren Anpan und ich am 3. September 1974 zu einem Wahrsager nach Pina bei Tumu. In der etwa einstündigen Wahrsager-Sitzung, die sich nicht wesentlich von den Sitzungen unterschied, wie sie mir aus dem Bulsaland bekannt waren, kam der Wahrsager zu folgendem Ergebnis: Anpans Vater Achaw fordert den zehn Monate alten Sohn von Anpans Frau Aviimi für sich und verlangt für den Tag der Namensgebung {70} zwei Hühner und ein Perlhuhn [Endnote 13]. Außerdem soll man den Wurf einer Ziege abwarten. Falls sie ein oder mehrere männliche und außerdem ein oder mehrere weibliche Junge wirft, soll ein männliches Jungtier Achaw geopfert werden. Sind alle Jungen gleichgeschlechtlich, soll die Ziege selbst geopfert werden. Nach Einbringen der letzten Späthirse soll Anpan außerdem einen Hund an Achaw opfern.
Nach der Rückfahrt kauften wir ein kleines, dunkles Huhn auf dem Markt von Sandema. Die beiden anderen Hühner hatte Anpan selbst im Haus. Noch am gleichen Nachmittag zogen Anpan, Abang und ich in den Busch, um Wurzeln für den Namensgebungstopf zu sammeln. Ein kawala oder waung so(b)luk (Pl. waung solisa oder waung soluta, lat. Annona senegalensis) war schnell gefunden, und man grub eine etwa 1 m lange Wurzel aus, die mit dem Haumesser in etwa 10 -20 cm lange Stückchen zerhackt wurde. Nun begann die Suche nach einem männlichen gaab-Baum (Diospyros mespiliformis). Ein sehr junger Baum ließ nicht erkennen, ob er später einmal Früchte tragen würde. Schließlich wurden die Wurzeln von einem gaab-Baum in Yongsa gewonnen. Die gesammelten Wurzeln legte Anpan sofort in einen großen Tontopf mit Wasser, den er jedoch im Haus, nicht vor dem bogluk aufbewahrte.

Abb.: Anpan und Abang erwerben im Buschland die Wurzeln für den Namensgebungstopf (tibiik).

Am nächsten Morgen gegen sieben Uhr wurde dieser Wurzeltopf vor den bogluk Achaws gestellt. Die oben erwähnte Ziege band man in der Nähe des bogluk an. Dann opferte Anpan dem wen Achaws das dunkle Huhn, das Perlhuhn und ein kleines weißes Huhn. Das dunkle und das weiße Huhn ließ man flattern, um die Annahme des Opfers zu erkunden. An der Opferhandlung nahmen außer Anpan auch Angaaba (Akangaaba), Abang und alle acht Kinder des Hauses teil, aber keine Frauen. Das kleine, weiße Huhn wurde sofort draußen am offenen Feuer gebraten und etwas weiches Fleisch und Leber legte Anpan auf den bogluk Achaws, wobei er ein “Gebet” sprach. Alle Anwesenden teilten sich den Rest des weißen Huhnes. Vom Perlhuhn wurde nur der Magen am Feuer geröstet. Den Rest und das schwarze Huhn kochten die Frauen Anpans im Haus.
Gegen elf Uhr kam Anpans Frau Aviimi mit Wasser, Suppe, T.Z. und dem gekochten Hühnerfleisch zum bogluk Achaws. Anpan opferte in folgender Reihenfolge: 1. klares Wasser, 2. Hirsebrei (T.Z., saab), 3. Hühnerfleisch und -leber {71}, 4. T.Z., 5. Suppe, 6. klares Wasser. Alle Anwesenden, auch Aviimi und ich, aßen von der Opferspeise, und Anpan bedankte sich hiernach bei Achaw in einem kurzen Gebet. Nun band man die Ziege los, und der junge Sohn Aviimis musste sie anfassen.
Erst jetzt erfuhr ich, dass dieser schon bei der Geburt den Buli-Namen Agoalewon von Achaws noch lebendem Halbbruder Anueka, der noch eine Oberaufsicht über Achaw-yeri als kpagi (Ältester) ausübt, erhalten hat. Dieser Name wurde auch am 22. November 1973 im Health Centre von Sandema (Zweigstelle im Navrongo Registration District) in das neu eingeführte Geburtenregister eingetragen und befindet sich auch auf der Geburtsurkunde (Birth Certificate), die mir Anpan bei dieser Gelegenheit zeigte. Derselbe Name Agoalewon hätte auch noch einmal bei dieser segrika gegeben werden können, aber Anpan hatte Akanpowa, die Mutter seiner Halbbrüder Abang und Akangaaba, gebeten, einen neuen Namen zu suchen. Er versicherte mir, dass er jeden beliebigen, sogar einen Nicht-Bulsa oder mich mit dieser Aufgabe hätte betrauen können, denn ein Kind gehöre nicht dem Vater allein. Akanpowa arbeitete gerade im Haus. Sie rief den Namen Alimsiwen (Warten auf Gott) über die Mauer, ohne selbst herauszukommen. Der Name drückt aus, dass man Gott nicht drängen darf, sondern geduldig auf sein Schicksal warten soll.
Ich erwartete nun das Umhängen der Knochenschnur, denn Akangaaba schnitt bereits die hohlen Hühnerknochen des schwarzen Huhns zurecht und entfernte das Mark mit einem kleinen Stock. Die tiim-Zeremonie wurde aber auf den folgenden Tag verschoben, da die Wurzeln noch nicht genügend ausgelaugt waren.
Am Nachmittag des folgenden Tages legte Aviimi ihrem kleinen Sohn formlos im Innenhof des Hauses die fertige Knochenschnur um die Hüften, nachdem sie eine Stoffschnur abgenommen hatte. Dann entnahm sie dem segrika-Topf (tibiik) vor dem bogluk eine Tonschale (es war der Deckel des Topfes) voll Medizin-Wasser (tiim) und überschüttete hiermit zuerst den Kopf, dann den Körper des schreienden Kindes [Endnote 14]. Von einer kleinen Kalebasse schüttete sie Medizin-Wasser in ihre Hand und flößte es dem prustenden Alimsiwen ein. Dies geschah drei Tage hintereinander in der gleichen Weise. So lange stand auch der große Tontopf beim bogluk Achaws, um dann wieder im Hause zu verschwinden {72}.
Ein Horn hat Alimsiwen bei dieser segrika nicht erhalten, aber möglicherweise musste die später geopferte Ziege ein solches liefern. Dieses Opfer wurde jedoch erst nach meiner Abreise ausgeführt.
Vergleicht man die segrika-Riten im Hause Achaw-yeri mit denen in Badomsa, so fallen neben vielen Gemeinsamkeiten (das Kind wird von einem Ahnen gefordert; dieser erhält Opfer nach Anweisung des Wahrsagers; das Kind muss einen Wurzelextrakt trinken und erhält eine Knochenschnur) auch Unterschiede auf, z.B.:

l . Der Wahrsager bestimmt nur in Badomsa den Namensgeber.
2 .Die Person des Namensgebers scheint in Kalijiisa keine besondere Bedeutung für die segrika zu haben.
3. Das Geschlecht des Opfertieres hat in Kalijiisa keine Beziehung zum Geschlecht des Kindes.
4. Die Medizin entsteht an beiden Orten aus dem Extrakt unterschiedlicher Pflanzen.
5. Keine anderen “Hausgötter” (bogluta) erhalten in Kalijiisa ein Opfer.
6. Das Kind in Kalijiisa wird mit dem Medizin-Wasser gebadet.
7. Das Kind in Kalijiisa erhält möglicherweise kein Namensgebungshorn.
8. In Kalijiisa wurde das Kind nicht auf den blutigen Opferstein gesetzt.

Abb.: Marys Tochter trinkt die Medizin aus einer sehr kleinen Kalebassenschale.

c) Eine Ahnen-segrika in Wiaga-Badomsa (Anyenangdu Yeri)

Nachdem Anamogsi die beiden Wahrsager (baanoba) Akai und Akanming aufgesucht und beide herausgefunden hatten, dass seine Enkelin (später Ajaakalie) von dem Ahnen Aluechari verlangt wird, fand am 21. September 1988 das segrika-Ritual an dem etwa einjährigen Mädchen statt. Die einzelnen sakralen Handlungen haben große Ähnlichkeit mit den für Asik Yeri (Badomsa) oben beschriebenen.
Gegen 7.15 Uhr legte Anamogsi Fasern aus der Rinde eines Kapok-Baumes (gong, Ceiba pentandra) in einen keramischen Topf (tibiik) neben dem Schrein Aluecharis, der darauf als Opfergaben Hirsewasser und ein dunkles Huhn erhielt. Das Blut floss auf Aluecharis wen-Stein und auf drei Stellen des tibiik. Nachmittags opferte Anamogsi Hirsebrei (saab) mit Sauce und Fleisch vom geopferten Huhn. Zum “Händewaschen” wurde klares Wasser über den Schrein und den tibiik geschüttet.
Am nächsten Tag (um 7.45 Uhr) setzten sich Mary (die Mutter) mit Kind an den Ahnenschrein Aluecharis. Aus einer sehr kleinen Kalebassenschale, die im tibiik aufbewahrt worden war, musste die Tochter das Medizinwasser trinken (es wurde hier nicht eingeflößt, tugli). Anschließend bekam sie Lebertran (eine Neuerung!). Das folgende Bad des kleinen Mädchen mit verdünntem Wasser des tibiik verlief ähnlich wie es oben im Gehöft Abasitemi  beschrieben wurde. Wieder trank das Baby Medizin aus der sehr kleinen Kalebasse. Die formlose Namengebung wurde nicht in den rituellen Prozess eingefügt und auch nicht von mir beobachtet. Der Name Ajaakalie (‘ein Ding ist nicht da’) soll ausdrücken, dass Anamogsi keine großen Einkünfte mehr hat wie in früheren Jahren.
Keiner der beiden Wahrsager hatte ein Horn für das Kind verschrieben. Eine Schnur mit aufgereihten Röhrenknochen des geopferten Huhns wurde in den nächsten Tagen hergestellt und dem Kind um die Hüften gelegt, sobald die Knochen völlig ausgetrocknet waren.

2. DIE TANGGBAIN-SEGRIKA

a) Bericht über eine tanggbain-segrika in Wiaga-Zuedema (vor 1972)
Den folgenden Bericht einer tanggbain-segrika erhielt ich von Ayarik aus Tandem-Zuedema. Er hat an der Namensgebung seiner jüngeren Schwester Atenglie selbst teilgenommen.
Ajampana, so “hieß” Atenglie vor ihrer Namensgebung, sollte nach dem Rat des Wahrsagers einem bestimmten tanggbain dargebracht werden. Dieser tanggbain, ein Steinhaufen unter einem großen kanparuk-Baum, ist der zentrale tanggbain Zuedemas. Der Wahrsager hat auch schon den Namen des Mädchens gefunden (Atenglie) und bestimmt, dass eine Kuh geopfert werden soll. Nach Opferung der Kuh gibt die vom Wahrsager bestimmte Schwester des Vaters Ateng den Namen, indem sie ihre Nichte folgendermaßen anredet: “A nying jinla a cheng fi yueni ale Atenglie” (Von heute an ist dein Name Atenglie). Dann mischt man {81} Erde (tanta) mit Wasser zu einem lehmigen Brei und gibt ihn Atenglie in die Hand. Die Namensgeberin hält Atenglie nun die Augen zu und sagt ihr, sie solle die Erde fortwerfen, was Atenglie dann auch tut. Diese Zeremonie soll eine reinigende Wirkung haben. Alle schlechten Dinge (Ayarik: “sins”) werden mit der Erde vom Kind entfernt.
Das geopferte Rind wird zum gemeinsamen Opfermahl zubereitet. Nach den vorher gegebenen Anweisungen des Wahrsagers wird das Blut der Kuh gekocht und dann in eines der beiden Kuhhörner gefüllt. Das Horn wird mit einem Kalebassenstück geschlossen und Atenglie um den Hals gehängt. Am vierten Tag nach der Namensgebung (bei einem Jungen wäre es der dritte Tag) zieht man wieder mit Atenglie, dem Horn und Hirsewasser zum tanggbain, und das gefüllte Horn wird über dem tanggbain mit Hirsewasser übergossen. Nach den Anweisungen des Wahrsagers soll Atenglie das Kuhhorn ihr ganzes Leben lang tragen. Nachts soll sie es neben sich auf die Matte legen.
Mein Informant Ayarik bemerkt selbst, dass diese Namensgebungsform außergewöhnlich ist und dass man gewöhnlich dem bogluk eines Ahnen opfert. Nur sehr reiche und einflussreiche Familien können eine Kuh opfern, aber Ayariks Vater ist schließlich kpagi (Ältester) von Zuedema.

b) Eine tanggbain-segrika (ngiak-segrika) in Wiaga-Badomsa (Anyenangdu Yeri)
Die Wahrsager Akai und Akanming verschrieben für die Tochter von Anamogsis jüngsten Frau Ayabalie eine segrika mit der Darbringung des Kindes an das tanggbain Pung Muning, ca. 300 Meter von Gehöft Anyenangdu Yeri entfernt. Vorher, am 17. September 1988, opferte Anamogsi seinem Vatersvater Aluechari Hirsewasser und informierte ihn über das bevorstehende Ereignis. An dem Ritual sollten alle Hausbewohner teilnehmen, die das tanggbain Pung Muning auch als ihr segi in einer segrika erhalten hatten.
Dem tanggbain opferte Anamogsi gegen 11 Uhr ein dunkles Huhn und Hirsewasser. Diesmal wurde dem kleinen Mädchen nach Anweisung der beiden Wahrsager ein leeres (Ziegen?) Horn umgehängt, das später mit Erde vom tanggbain gefüllt werden kann.
Anamogsi gab seiner Tochter den Namen Ababeniba (wörtlich: ‘sie halten sie auf’). Er ersetzte mit Absicht das Pronomen ma (ich) durch ba (sie, Pl.). Er wollte mit dem Namen sagen, dass andere Leute von ihm das Amt des Erdherrn (teng-nyono) erstreben, aber so lange er lebt, ist ihr Bemühen nur Zeitverschwendung.
Nach den Aktivitäten auf dem Pung Muning Hügel nahm ein Sohn eine Kalebassenschale mit roter Erde vom tanggbain mit ins Gehöft. Unterwegs aß er schon von dieser und bot auch mir ein Stückchen an. Später wurde die Laterit-Erde mit Wasser verrührt, um Ababeniba damit zu waschen. Außerdem trank sie davon vier (weibliches Prinzip!) Tage lang morgens und abends. Die rote Erde entsprach also ungefähr der Medizin des tibiik-Gefäßes in der segrika Ajakalies in der Ahnen-segrika. Das Horn sollt das Mädchen vor Gefahren schützen, sie könnte sogar mit ihm sprechen. Opfer, das heißt Anteile eines anderen Opfers, erhielt das Horn nur am tanggbain.
Um das Horn später mit roter Erde vom Pung Muning zu füllen, ist wenigstens noch ein weiteres Huhnopfer notwendig  [Endnote 15a].

Am Abend des 17. September gegen 17.00 Uhr wurde dem tanggbain Hirsebrei mit Sauce und Fleisch vom geopferten Huhn und danach klares Wasser geopfert. Diesmal begleiteten viele Kinder aus Anyenangdu Yeri die Opfergesellschaft. Sie legten ihre Hörner (zusammen waren es fünf) auf den Opferstein, um sie danach wieder mit den Opferspuren zu tragen.
Am nächsten Tag badete Ayabalie ihre Tochter und flößte (tugli) ihr die in Wasser aufgelöste Erde ein.

c) Eine weitere tanggbain-segrika in Wiaga-Badomsa (Ayoling Yeri)
Am 5. Januar 1989  kam Anurka, der Gehöftherr von Ayoling Yeri zu Anamogsi, um mit ihm die tanggbain-segrika eines seiner Enkelkinder zu besprechen. Früh am nächsten Tag ging Anamogsi zum Wahrsager Akanming, um Auskünfte über weitere Einzelheiten in der Ausführung des Rituals zu bekommen. Zur segrika kamen nur ein junger Mann, die Mutter und das Kind. Vor dem Ahnenraum informierte Anamogsi verbal seinen Vater Anyenangdu, der noch eigentlicher Gehöftherr war, von dem Ereignis. Wir gingen mit einer kleinen Gruppe, der sich auch meine Besucher, Herr Prof. R. Schott und (heute Dr.) Sabine Dinslage von der Universität Münster angeschlossen hatten, zum tanggbain.

Abb.: Das Kind wird auf den blutigen Opferstein des Pung Muning tanggbain gesetzt; links der Opferer Akanpaabadai, rechts der Erdherr Anamogsi.

Die rituellen Handlungen glichen fast vollkommen der oben (unter d) beschriebenen, nur wurde diesmal schon jetzt das Horn des Kindes mit Erde vom tanggbain gefüllt und erhielt auch einen Anteil der Opfergaben. Die Gruppe aus Ayoling Yeri nahm auch eine Kalebasse voll roter Erde zur weiteren rituellen Verwendung (s.o.) mit in ihr Gehöft.
Eine Besonderheit erhielt diese segrika durch den Besuch der zwei deutschen Gäste, denen Anamogsi sofort die Erlaubnis zur Teilnahme und Dokumentation des Rituals gab. Er schien sogar erfreut über diesen Besuch zu sein und gestattete allen, ihre Oberbekleidung und Schuhe anzulassen. Eine solche Erlaubnis ist nicht selbstverständlich. Einige Erdherren erlauben Fremden nicht einmal das Betreten eines tanggbain. Als während einer Totenfeier in Sandema-Kalijiisa die ganze Festgesellschaft einen Zug zum nahegelegenen tanggbain machte, wurden ich und meine beiden Bulsa Assistenten (von denen einer sogar Trommler in der begleitenden Musikgruppe war) vom Betreten ausgeschlossen, obwohl keine Opfer am tanggbain stattfanden. Anamogsi hatte eine ganz andere Auffassung von seinem Erdheiligtum. “Pung Muning liebt alle Menschen und ist über jeden Besucher erfreut”, sagte er mir.

d) Eine weitere tanggbain-segrika in Wiaga-Badomsa (Anyenangdu Yeri)
Am 18. Januar 2005 wurde die Tochter von Anamogsis Sohn Akaayaabisa und dessen Ehefrau Achiiklie dem tanggbain Pung Muning in einer segrika dargebracht. Das Besondere an dieser
Feier war, dass kein Anlass für sie vorlag. Auch ein neuer Name wurde hierbei nicht gegeben, denn das Kind hatte bereits nach seiner Geburt im Krankenhaus von Sandema einen Buli Namen erhalten.
Die hier durchgeführte segrika unterschied sich kaum von ähnlichen Ritualen an Pung Muning. Es wurde nur ein dunkles Huhn geopfert und ein Horn mit der roten Erde von Pung Muning gefüllt. Im Nachmittagsopfer wurde dem Schrein gekochtes Hühnerfleisch, Hirsebrei mit Sauce und klares Wasser geopfert.

3. DIE JUIK-SEGRIKA
Am 13. August 1981 konnte ich an einer juik segrika in Akanwari Yeri (Gbedema-Gbinaansa) teilnehmen. Meine erfassten Daten sind nicht so vollständig und inhaltlich nicht so abgesichert wie die bei Teilnahmen an Riten in Badomsa. Bei einigen Teilriten in Gbedema wurde mir auch das Zuschauen verwehrt.
Der juik-Kult hat sich erst in den letzten Jahrzehnten über weite Teile des Bulsalandes verbreitet, zuerst wurde er nur in wenigen Gehöften der Südbulsa praktiziert. Juik ist eine Mungo Species (Herpestes sanguinis), der als lebendes Tier (ein berüchtigter Hühnerdieb!) und als übernatürliches Wesen eine gewissen Boshaftigkeit und Gefährlichkeit nachgesagt wird (cf. Kröger 2013). Verehrt werden in den Gehöften das ausgestopfte Fell, das aber keine Opfer erhält, und die Schreine, die in Wiaga durch aufrecht stehende Steine an den Fußwegen, in Gbedema durch keramische Medizintöpfe repräsentiert sind.
In Akanwari Yeri sollte ein kleiner, sechs Monate alter Junge, der Sohn des etwa zwanzigjährigen Vaters und Opferers, einen juik-Schrein als segi bekommen, obwohl er vorher nicht krank gewesen war. Ein Wahrsager hatte einfach herausgefunden, dass das juik des Gehöfts (?) ihn als Schützling forderte. Der Ausführende der Rituale (hier der Vater des Kindes) übte diese Tätigkeit nur für einen verstorbenen Gehöftherren aus, dessen Totenfeier noch nicht abgehalten worden war.
Folgende Ereignisse konnte ich durch Feldnotizen (ohne Fotos!) dokumentieren:
• Der junge Vater des Kindes opferte dem Schrein des Gehöftgründers (Akanwari) vor dem Gehöft ein Huhn ohne Hirsewasser, um ihn über die bevorstehende segrika zu informieren. Das Gebet sprach der amtierende Gehöftherr Bawa.
• Den drei Topf-Schreinen von juisa (Pl.) im Inneren eines Rundhauses opferte der Vater des Kindes ein dunkles Huhn und klebte weiche Brustfedern auf die blutigen Opferstellen. Das Gebet an die juisa sprach Bawa.
• Das Huhn flatterte auf und zeigte durch sein Sterben in der Seitenlage an, dass das Opfer angenommen worden war.
• Der Opferer setzte den kleinen Jungen auf die blutige Opferstelle des mittleren Medizintopfes (d.h. dem eigentlichen segi des Jungen?)
• Das Huhn wurde gebraten und Fleisch und Leberstücke vom Opferer auf die drei Tongefäße gelegt. Diesmal sprach er selbst ein kurzes Gebet (Ngoa… Empfange…). Bawa war gar nicht anwesend.
• Nachmittags hatte man Hirsebrei mit einer Hirsemehl-Sauce und Fleisch zubereitet. Ein Junge zerrieb auf einer Topfscherbe mit einem runden Quarz-Stein einige Stückchen einer medizinischen Holzkohle zu einem schwarzen Pulver (Über diese Medizin konnte ich nichts Weiteres erfahren).
• Ein Teil des Hirsebreis wurde mit dem schwarzen Medizinpulver paniert.
• Hiernach erhielten die drei Medizintöpfe des juik klares Wasser, Hirsebrei (ohne schwarzes Medizinpulver) mit Sauce und Fleisch und danach Hirsebrei mit schwarzer Medizin.
• Der kleine Junge musste sowohl flüssige Medizin trinken, von dem Brei mit Medizin essen und fünf Tage lang mit der verdünnten Medizin baden.
Die Opferriten hatten hiermit ein Ende gefunden. Im Innenhof fand ein allgemeines Essen statt, zu dem auch einige Nachbarn erschienen waren. Es entstand eine Diskussion darüber, wer dem Kind einen Namen geben sollte. Auch ich wurde (scherzhaft?) vorgeschlagen. Bawa hatte mir aber schon vorher erklärt, dass er der Namensgeber wäre. Er nannte nun folgenden Namen: Atinvari: ‘[Sie sollen] einfach [alles] in Beschlag nehmen.’ In letzter Zeit waren viele Leute in seinem Gehöft gestorben und das Haus wurde immer kleiner. Wenn es so weiterginge, würden andere Leute kommen und den Rest in Beschlag nehmen. Er hat dem nur zu entgegnen: “Sollen sie doch kommen!”
Die Knochenschnur und das Horn wurden dem Jungen erst am nächsten Morgen umgehängt (von mir nicht beobachtet). Die Schnur enthielt nur zwei Knochen: einen vom Flügel (kingkang), den anderen von der Hüfte (chiak) des Huhns. In Gbedema wird eine solche Schnur einem Kind um den Hals (nicht wie in Wiaga um die Hüften) gehängt. In das Schafshorn füllte man einen Teil der schwarzen Medizin (s.o.).

4. EINE TONGNAAB-SEGRIKA IN WIAGA-YISOBSA-NAPULINSA (AKANGULI-YERI)

Am 26. und 29. März 1989 konnte ich an Riten einer Tallensi-Gruppe aus Tongo-Siik in Akanguli Yeri (Wiaga-Napulinsa) teilnehmen. Am Ende der Trockenzeit zogen Abgeordnete eines Tallensi Schreins (Tongnaab) nicht nur in ihrem eigenen ethnischen Territorium, sondern auch in denen mehrerer Nachbarethnien umher, um dort den “Ablegern” (secondary shrines) ihres Tongnaab zu opfern. Wie immer hatten sie auch 1989 im Gehöft Akanguli Yeri Quartier für einige Tage bezogen und besuchten von hier aus andere Bulsa Gehöfte mit einem Tongnaab-Schrein. Zur “Abschlussfeier” ihres Aufenthaltes in Wiaga kamen zahlreiche Nachbarn mit Opfergaben usw. nach Akanguli Yeri.
Im Verlauf der zahlreichen Riten und Opfer, die sich auf den Tongnaab bezogen, merkten mein Assistent Yaw und ich erst sehr spät, wann das eigentliche segrika-Ritual begann, und auch dann war es mitunter schwer zu unterscheiden, welche Riten und Opfer exklusiver Teil der segrika waren.
Am Morgen des 29. März (vor 8 Uhr) ging ein Gehöftbewohner in den Busch, um folgende Pflanzenteile für die segrika zu besorgen.
1. Wurzeln des Schibutterbaums (cham, Butyrospermum parkii)
2. Wurzeln des gaab-Baumes (Diospyros mespiliformis)
3. Teile von cham-bakurik, einer Schlingpflanze, die als Schmarotzer in Bäumen, vor allem in Schibutterbäumen wächst.
Nach der Ausführung eines kleinen Mädchens (geboren 1988) opferte der yeri-nyono allen Ahnen vor dem Gehöft, und die Frau, die das Mädchen ausgeführt hatte, setzte sich mit dem Kind hintereinander kurz auf jeden dieser Schreine

Abb.: Die Frau mit den Mädchen setzt sich hintereinander auf alle Ahnenschreine.

Auch bei der Information des verstorbenen vorhergehenden Gehöftsherrn im “Ahnenraum” ist vielleicht die bevorstehende segrika nur am Rande erwähnt worden. Nach weiteren Opfern von wenigstens neun Hühnern/Hähnen und einem Hund) folgte die segrika.
Zu diesem Zweck opferte der Gehöftherr ein dunkles Huhn an den von den Tallensi mitgebrachten Tongnaab-Schrein, einer geschlossenen Kalebasse mit Erde vom Tongnaab-Schrein in Tongo. Er wurde zusammen mit einem Hackenblatt und einem tibiik-Topf mit der oben erwähnten pflanzlichen Medizin in die Mitte eines großen Innenhofs gestellt. Alle Anwesenden die diesen Schrein auch als ihr segi (Schutzgeist) hatten, legten ein mit Erde gefülltes Horn neben den Medizintopf. Nach dem Huhnopfer setzte der Gehöftherr das Kind mit dem nackten Gesäß auf die blutige Opferstelle des Tongnaab. Alle sakralen Objekte neben dem Schrein erhielten ihren Anteil an den Opfergaben.
In den nächsten vier Tagen musste das kleine Mädchen von dem tibiik-Wasser trinken und wurde damit abgewaschen. Auch wenn es später krank wird, flößt (tugli) man ihm die flüssige Medizin ein.
An einem der folgenden Tage wurde Erde vom Tongnaab-Schrein in das vorher leere Horn des Mädchens gefüllt und ihm umgehängt (nicht beobachtet!). Man wird dieses Horn bei allen späteren Opfern an den Tongnaab neben den Schrein legen.
Bei der Gelegenheit der Hornverleihung wurde dem Kind auch ein Buli Name gegeben.

5. DIE TIIM-SEGRIKA

Ein namenloses Kind kann auch einem tiim-bogluk dargebracht werden. Dieser wird dann die Rolle eines Schutzgeistes übernehmen. Die Häufigkeit des Namens Atiim lässt vermuten, dass solche Darbringungen keineswegs selten sind.
Als tiim-bogluta kommen in Betracht:

1. Nipok-tiim [Endnote 16]
Name des Kindes: Atiim oder nach dem Herkunftsort des “fremden” bogluk, z.B. Amoak.
2. Tibiik: ein glatter Tontopf mit Deckel, gefüllt mit Wasser, Blättern und Wurzeln [Endnote 17].
Name des Kindes: Atiim oder Atibiik {82}.
3. Nabiuk. Dieser besteht aus einem glatten Tontopf mit Deckel (kpalabik). Es ist ein “fremder” bogluk, der in einem mir bekannten Fall aus Koluk kam. Es ist auch ein. In dem Wasser liegt wenigstens eine Kolanuss. Bei der Darbringung und Namensgebung eines Kindes wird eine Kolanuss gekaut und in eine Kalebasse gespuckt. Etwas von dieser Masse wird auf den Medizintopf gelegt, der Rest wird in dem Wasser verteilt, von dem das Kind trinken muss und mit dem es auch einige Tage lang gewaschen wird.

6. DIE JADOK-SEGRIKA

Auch jadoksa (Sing. jadok) [Endnote 18], die in dem betreffenden Haus verehrt werden, können ein Kind des Hauses für sich fordern. Ein Informant aus der Familie des Häuptlings von Siniensi berichtet, dass er und seine acht männlichen und weiblichen Geschwister der gleichen Mutter alle einem der beiden starken jadoksa des Hauses, einem Leoparden-jadok und einem Stein-jadok mit roter Mütze, dargebracht wurden.

7. DIE KAYAK-SEGRIKA

Auch die Kalebassenrassel des Wahrsagers (baan-kayak, Pl. baan-kayaksa) kann Schutzgeist bei einer Namensgebung werden. Die Rassel wird mit den Tieren Schlange (waab) und Krokodil (ngauk) in Verbindung gebracht, wenn ich auch nicht erfahren konnte, in welchem Zusammenhang sie mit diesen Tieren steht. Die Namen der Schützlinge lauten jedenfalls meistens Awaab (Awaabil, Awaalie) oder Angmao (Angmaolie) {83}.
Nach Leander Amoak (1982) ist die Wahrsagerrassel kein eigenständiger Schrein. Ihr kann nur zusammen mit dem jadok (dem ‘Wahrsagergeist’) geopfert werden.

8. DIE NGMARUK-SEGRIKA

Ein junger Mann aus Kadema berichtet, dass viele Bewohner seines Hauses einem Gewitter-bogluk mit Namen ngmaruk dargebracht wurden, der vor längerer Zeit von den Tallensi für das Haus in Kadema erworben wurde. Personen mit einem solchen Schutzgeist heißen oft Angiak (männlich) oder Angiaklie (weiblich). Opfer, Bad und das Einflößen von Medizinwasser bei einer Namensgebung vollziehen sich ähnlich wie oben bereits beschrieben. Auch ein Horn wird dem Kind gewöhnlich umgehängt; eine Knochenschnur wird nach Angabe meines Informanten in Kadema nur dann angelegt, wenn der Wahrsager dies ausdrücklich fordert.

9. WEITERE INFORMATIONEN ÜBER SEGRIKA-RITUALE

In der Beschreibung keiner anderen Übergangsriten weichen die Auskünfte der Bulsa-Informanten in einem so starken Maße voneinander ab wie bei Informationen über segrika-Rituale. Hierfür mögen drei verschiedene Gründe verantwortlich sein:
1. Mehrere jüngere Informanten verwechseln Einzelriten der wen piirika (Kapitel V dieser Arbeit) mit Riten der Namensgebung, so dass oft ein falsche Bild entsteht.
2. Lokale Unterschiede scheinen gerade bei der segrika besonders stark zu sein, wie auch schon die beiden zuerst beobachteten Ahnen-segrika-Rituale (1a und 1b) {73} gezeigt haben. Bei Vergleichen tritt nicht nur der auch in anderen Kultursektoren auftretende Unterschied zwischen Nord-Bulsa (Atugabisa) und Süd-Bulsa (Fumbisi, Kanjaga etc.) zutage. Ein Informant aus Wiaga-Kubelinsa behauptet, dass bei der segrika rituelle Unterschiede von Haus zu Haus innerhalb der gleichen Klansektion auftreten können.
3. Im Gegensatz zu der Errichtung eines wen-bogluk oder der Mädchenbeschneidung ist die segrika in akkulturierten Familien in besonders starkem Maße der Modernisierung und rituellen Vereinfachung ausgesetzt, ohne dass man sie ganz auslässt. So behauptete ein polygam verheirateter, etwa dreißigjähriger Mann aus Kanjaga mir gegenüber, dass die Bulsa ihren Kindern Namen ohne jedes zeremonielle Beiwerk geben.
Im folgenden sollen Äußerungen von Informanten aus verschiedenen Teilen des Bulsalandes verglichen und den eigenen Beobachtungen entgegengestellt werden, um so zu allgemeingültigeren Aussagen zu kommen.

a) Der Anlass
Fast alle Informanten sagen, dass der Anlass der Namensgebung gewöhnlich Kränklichkeit des Kindes ist, oder das Kind ist unruhig, bereitet Schwierigkeiten in der Erziehung, schreit viel usw. Dieses Motiv spielt aber nicht eine gleich große Rolle wie bei der später zu beschreibenden wen-piirika, denn in einem gewissen Alter hält man oft einen Namen für notwendig, auch wenn das Kind keine außergewöhnlich großen Schwierigkeiten bereitet. Gerade im Hause Achaw-yeri hatte ich den Eindruck, dass der eigentliche Anlass für die recht frühe Namensgebung mein Wunsch war, an einer segrika teilzunehmen. Mitunter wird auch einfach der Wunsch einer überirdischen Macht, einen bestimmten Schützling zu übernehmen, respektiert.

b) Das Alter des Kindes
Angaben über das Alter schwanken beträchtlich. Es scheint jedoch sicher zu sein, dass die traditionelle segrika-Zeremonie nie in den ersten Lebenstagen des Kindes ausgeführt wird, und auch in den ersten beiden Lebenswochen scheint sie gewöhnlich nicht vorgenommen zu werden. Häufig begegnete ich in den Gehöften jungen Kindern, die auf allen vieren durch den Hof krochen, die aber noch keinen “offiziellen” Buli Namen hatten. Auch bei der Aufnahme von Genealogien wurde mir oft das Alter von namenlosen Kindern mit “einigen Monaten” angegeben. Andrerseits scheint auch nach dem zweiten Lebensjahr die Namensgebung recht selten zu sein, da – wie ein Informant {74} aus Wiaga-Tandem sagte – sie mit zunehmendem Alter immer gefährlicher wird. Allerdings berichtete mir ein junger Mann aus Sandema-Kalijiisa, dass ein Verwandter von ihm erst mit etwa 12 Jahren seinen offiziellen Namen erhielt, nachdem er seinen Eltern große Schwierigkeiten bereitete. Da die segrika-Riten niemals außerhalb des Bulsalandes vollzogen werden, kann es heute jedoch vorkommen, dass selbst erwachsene Bulsa in Südghana noch keinen segrika-Namen haben.
Ein junger Mann aus Sandema-Longsa, der angeblich mehrere Namensgebungen miterlebt hat, berichtet, dass es zwei Arten von Namensgebungen gebe:
1. Eine formelle Namensgebung (segrika) findet statt, wenn das Kind gerade kriechen kann. Eine verheiratete Frau aus der Patrilinie des Hauses (meistens als yeri-lie, “Tochter des Hauses”, bezeichnet) wird in ihr Elternhaus zurückgeholt, und sie gibt dem Kind einen Namen, nachdem man etwa ein Huhn oder einen Hahn einem bestimmten bogluk geopfert hat. Danach wird das Kind auf diesen Schreine gesetzt.
2. Wenn man die Namensgebung im jungen Alter versäumt hat und das Kind schon laufen kann, so gibt man den Namen in einer sehr formlosen Art, für die nicht die Bezeichnung segrika sondern yue-teka gebraucht wird. An einem frühen Morgen mahlt die Mutter des Kindes etwas Hirsemehl und gibt es dem yeri-nyono. Am nächsten Morgen begrüßt der yeri-nyono die Mutter und ruft das Kind bei dem von ihm gefundenen Namen. Dies ist der neue Name des Kindes, das vorher nur Ajampan (Baby) gerufen wurde. Opferhandlungen sind mit dieser informellen Art der Namensgebung nicht verbunden.
Der wohl etwas lückenhafte und nicht ganz exakte erste Bericht (1.) stimmt in seinen wesentlichen Zügen mit den von mir beobachteten und oben beschriebenen segrika-Ritualen überein. Ob es sich bei der letzten Beschreibung (2.) um eine moderne Vereinfachung handelt, ob diese informelle Namensgebung schon seit altersher neben der zuerst beschriebenen bestanden hat oder ob es sich um eine örtliche Variante handelt, ist heute nicht leicht zu entscheiden. Auffallend ist, dass in der letzten Form die wichtige Darbringung an einen Schutzgeist (segi) völlig fehlt.

c) Die Namensgeber
Eine häufige Antwort auf die Frage, wer dem Kind einen Namen gibt, ist: “Es kann jede beliebige Person sein, die der Wahrsager herausfindet”. Fragt man jedoch nach, ob es auch ein Verwandter der Mutter sein kann, so wehrt der Informant meistens entrüstet {75} ab. Falls die Mutter mit ihren sehr jungen Kindern wieder zu ihren Eltern zieht, kann es jedoch durchaus sein, dass ein Verwandter der Mutter dort den Namen gibt. Ein Informant aus Sandema-Balansa behauptet, dass auch die Geburtshelferin (poi-yigro) einen Namen geben kann, besonders wenn es sich um eine schwere Geburt gehandelt hat. Andere sagen sofort, dass stets ein Verwandter oder eine Verwandte aus der Linie des Vaters einen Namen gibt, während wieder andere darauf bestehen, dass nur der yeri-nyono oder der Vater selbst den Namen gibt. Wenn die Großeltern des Kindes noch leben, wird einer von ihnen gewöhnlich den Namen finden (Information aus Sandema und Wiaga). Auch wenn ein anderer Verwandter den Namen gibt, so kann doch meistens der Vater oder yeri-nyono einen starken Einfluss auf den Namen ausüben. Er kann Einspruch erheben oder versuchen, den von ihm gewünschten Namen durchzusetzen. Wenigstens einige Informanten betonen aber, dass das letzte Wort in diesem Falle stets die eigentlichen Namensgeber aus der Patrilinie haben. Dass der Vater eine entscheidende Rolle bei der Namensgebung spielt, zeigt sich auch darin, dass die Namen oft Gefühle oder Meinungen des Vaters ausdrücken, auch wenn eine andere Person den Namen gibt.
Ein Informant aus Fumbisi berichtet, dass der Name immer von der ältesten im Haus lebenden Person gegeben wird. Wenn z.B. noch eine Frau des verstorbenen yeri-nyono im Hause wohnt, wird sie den Namen geben. Wenn der Name nicht gefällt, kann der Hauseigentümer ihn durch einen anderen ersetzen oder ihn verkürzen. Dritte Instanz mit einem Mitspracherecht ist die “Besitzerin eines Innenhofes” (dok-nyono, immer eine verheiratete Frau), in deren Hof man sich berät. Diese Information erinnert stark an die Beobachtungen in Achaw-yeri, denn Akanpowa war eine Frau Achaws und ist außerdem die älteste Person des Gehöfts, gehört aber nicht zur Patrilinie des Kindes. Falls das Kind wiedergeboren wurde, kann der Wahrsager eine Person aus einer anderen Lineage als Namensgeber bestimmen.
Die gesammelten Aussagen und Beobachtungen über Namensgeber lassen sich vielleicht in zwei Gruppen zusammenfassen:
1. Der Namensgeber (die Namensgeberin) wird vom Vater oder yeri nyono beauftragt, hat aber durch diese Funktion später keine besonderen Rechte über das Kind. Fast jeder kann so zum Namensgeber werden. Es war mir nicht möglich zu erfahren, ob diese Form auf moderne Einflüsse zurückgeht {76}.
2. Der Namensgeber wird vom Wahrsager bestimmt, man misst der Wahl eine große Bedeutung zu, und die Person steht auch im späteren Leben zum Kind in einer bestimmten Beziehung. In diesem Fall nimmt man gewöhnlich eine Frau oder (seltener?) einen Mann aus der Patrilinie des Vater des Kindes als Namensgeber(in).
Die hier geäußerten Thesen müssten noch eingehender überprüft werden. Auch eine Aufteilung der beiden Typen auf bestimmte Gebiete des Bulsalandes lässt sich nach meinen Forschungen nicht durchführen, behauptet doch ein leiblicher Bruder Anpans, dass die Namensgebung stets von einer Frau aus der Patrilinie des Vaters durchgeführt wird.
Als Beispiel für Namensgeber und für die Behauptung, dass die Namen meistens Gefühle und Meinungen des Vaters und nicht des Namensgebers widerspiegeln, sollen zunächst die Namensgebungen der Kinder Leander Amoaks (Wiaga-Badomsa) untersucht werden. Da die Namensgebung hier eine Angelegenheit der Patrilinie ist, spielt es keine Rolle, dass die zehn Kinder von vier verschiedenen Frauen geboren wurden.

1. Akanyaba, geboren 10.6.1957. (Übersetzung: Keiner liebt mich, wörtlich: keiner liebt sie, Rufname: Tenni). Leander glaubte damals, dass er bei allen Leuten unbeliebt ist. Namensgeber sollte nach Findung des Wahrsagers Amanyeba, Leanders Vaters Schwesters Sohn sein. Da dieser jedoch zu alt war, tat es für ihn stellvertretend sein Sohn.
2. Anamboro (Leben ist Leiden, Rufname: Danlardy), geb. 29.6.1958. Der Name ist eine Schlussfolgerung aus dem ersten Namen. Wenn mich keiner mag, ist es eine Last zu leben. Namensgeber: wie 1.
3. Awenawie (Gottes Taten), geb. 6.6.1961. Das Kind starb bald nach der Namensgebung. Namensgeber: wie 1-2.
4. Asuakomi (Zorn wird mich umbringen, Rufname: Bibiana), geb. 21.7.1962. Leander Amoak hatte damals viel Ärger. Der Namensgeber wurde gewechselt, da der Tod des Kindes Awenawie auf eine nicht sehr erfolgreiche Namensgebung schließen ließ. Namensgeberin Asuakomi: Leanders Schwester Aberok.
5. Adaanlie (Pitos Tochter, Rufname: Mary), geb. 24.3.1964. Die Mutter des Mädchens ist Pito-Verkäuferin. Namensgeberin: Aberok {77}
6. Afarinmonsa (nach Farinmonsa, der Sektion der Mutter, benannt; Rufname: Francis), geb. 3.5.1965. Da Asuakumi und ihr jüngerer Bruder Afarinmonsa ohne Komplikationen in Farinmonsa im Elternhaus der Mutter geboren wurden, glaubte Leander diesen Namen seinen Schwiegereltern schuldig zu sein. Namensgeber: wieder wie 1-3.
7. Akapami, (Rufname: Adocta) geb. 3.4.1967; Namensgeberin: Leanders Schwester Aberok (wie 4-5).
8. Akanue (wird nicht untergehen, Rufname: Oldman), geb. 12.5.1967. Namensgeber: wie 1-3 und 6.
9. Akanchaldi (Ich fürchte dies nicht), geb. 1969 (Leander vergaß, das Geburtsdatum aufzuschreiben), gestorben am 14.5.1971.
10. Akanbe (Wir werden nicht in die Irre gehen, Rufname: Lucky), 6.2.1973. Namensgeberin: Leanders Schwester Aberok (wie 4,5 und 7).
11. Azaanbe (Wo werden wir bleiben? Rufname: Bawa)

Robert Atong Asekabta, dessen pobsika oben bereits beschrieben wurde, gibt Auskunft über die Namensgeber seiner männlichen Geschwister und Halbgeschwister:
1. Azongbil. Der erstgeborene Sohn Asekabtas starb schon als Kind. Der Informant weiß nicht genau, ob sein Vater Asekabta oder der damalige yeri-nyono Atunwie Namensgeber war.
2.Atong (Informant). Er wurde nach Tongo im Tallensiland genannt, weil dort ein Schrein Schutzgeistfunktionen über ihn ausübt. Namensgeber: Atongs Vater Asekabta.
3. Akpaziimako. Namensgeber: Atunwie, der ältere Bruder Asekabtas und damalige yeri-nyono.
4. Akankoalim. Namensgeber: Asekabta {78}.
5. Adoalikum. Der Wahrsager fand heraus, dass die gleiche Person, die dem Kleinkind einst die Hüftschnur umgelegt hatte, auch den Namen geben soll. Dies war eine weibliche Verwandte der Mutter.
6. Akansuok. Namensgeber: Asekabta.
7. Adueweling. Namensgeber: Asekabta.
8. Ein weiterer Sohn Asekabtas starb, bevor er einen Namen erhalten hatte. Die Tochter Atongs und ein Sohn Akpaziimakos hatten zur Zeit der Information ebenfalls noch keinen Namen
9. Akanmob. Amama, ein älterer Bruder Asekabtas und yeri nyono des Häuptlingshauses gab den Namen Akanmob (nicht öffnen), weil man das Herz eines Menschen nicht öffnen kann, um seine Gesinnung zu erfahren. Akanmob wurde nicht einem Ahnen, sondern dem tanggbain Baglesiuk dargebracht.

Abb.: Genealogische Beziehungen der erwähnten Personen:

Abschließend folgt eine Liste der sieben Kinder und ihrer Namensgeber aus einer polygamen Familie in Wiaga-Tandem-Zuedema. Die Information gab der 25jährige Ayarik.
1. Ayarik. Er hat mit 25 Jahren immer noch keinen offiziellen Namen, da er die längste Zeit seines Lebens im Süden gewohnt hat. Ayarik nannte man ihn nach seinem Großvater {79}
2. Akagiera. Namensgeber: Abiro (Vaters Schwesters Sohn).
3. Atenglie. Namensgeber: Wahrsager und die Schwester des Vaters (vgl. den Bericht über die tanggbain-segrika).
4. Awiag. Namensgeber: Der Sohn einer anderen Schwester des Vaters. Der Namensgeber lebte in Fumbisi im Hause des Wahrsagers, den man aufgesucht hatte.
6. Assibi (Der offizielle Name ist dem Informanten entfallen). Namensgeber: ein älterer klassifikatorischer Bruder des Vaters aus dem eigenen Haus.
7. Abalukmi. Namensgeber: Ayarik, der Vater des Vaters.

d) Der Schutzgeist (segi)
Bisher wurde meistens auf Ahnen verwiesen, die ein Kind in einer Namensgebung für sich fordern und die bei der segrika Opfergaben erhalten. Alle bogluta eines Hauses und darüber hinaus Naturheiligtümer (tanggbana) der näheren und weiteren Nachbarschaft können jedoch Kinder für sich fordern. Nachdem dieser Forderung stattgegeben wurde, übt der im bogluk wohnende “Geist” (tanggbain, jadok, tiim usw.) eine gewisse Schützerfunktion über das Kind aus. Wenn jemandem z.B. ein vergifteter Trank angeboten wird, so lässt der Schutzgeist (segi) die Hand seines Schützlings erzittern, sodass die Kalebasse zu Boden fällt [Endnote 15]. Ein Schutzgeist hält auch seinen Schützling davon ab, zum Ort des Totenreiches seiner Familie zu gehen. Darum braucht man den Ort gar nicht zu kennen, um ihn zu meiden (Information aus Gbedema). Erwachsene Bulsa, die noch keinen segrika-Namen haben, glauben trotzdem, einen Schutzgeist zu besitzen, auch wenn sie nicht wissen, wer diese Funktion übernommen hat.
Im folgenden soll an den Kindern des Hauses Adeween-yeri, d.h. an den Kindern Leander Amoaks und seines verstorbenen Bruders Atiim ein Beispiel für die Verteilung von Schutzgeistern (sega) gegeben werden {80}.
(Anmerkung: In der ersten Kolumne steht jeweils der Name des Kindes, in der zweiten der Name des Schutzgeistes)

1. Kinder Leander Amoaks:

Akanyaba:    Asik (Leanders Vater)
Anamboro:   Asik
Awenawie:    Adeween (Asiks Vater)
Asuakumi:    Adankunlie (Leanders und Atiims Mutter)
Adanlie:    Adankunlie
Afarinmonsa:   Asik
Akapami:    Asik
Akanue:    Asik
Akanchaldi:    Adeween
Akanbe:    Asik
Azanbe:    Adeween

2. Kinder Atiims:

Adeweenlie:    Adeween
Abaala:    Asik
Assibi:    Adankunlie
Ayomo:    Nipok-tiim des Hauses
Anyongbiik:    Adeween

Leander Amoak selbst und sein verstorbener Bruder Atiim haben den nipok-tiim des Hauses als Schutzgeist. Der Name Amoak wurde gegeben, weil der nipok-tiim von einem Mossi (Moak) erworben wurde.

B) NAMEN

Personennamen (Anthroponyme, Buli yue, Sing. yuein) haben bei den Bulsa ebenso wie in anderen Kulturen in erster Linie einen identifizierenden Charakter. Eine bestimmte Person wird, oft in Verbindung mit einem anderen Namen, eindeutig als solche festgelegt. Darüber hinaus hat der Personenname noch andere Funktionen und Eigenschaften. Er ist, wie B. Saladin d’Auglure (2002: 390) es in Anschluss and das grundlegende Werke „Savage mind” von C. Lévi-Strauss (1962) formuliert hat, eine „intersection between the social and religious”. Schon die Namensgebung ist bei den Bulsa in einen religiösen Kontext (segrika) gebettet und während andere Namen (Spitznamen, christliche und fremdethnische Namen) gerne von Bulsa Zeit ihres Lebens ausgetauscht werden, bleibt der offizielle Buli-Name gewöhnlich ein Leben lang erhalten. Nur wenn sich ein bestimmter Name als unheilbringend erwiesen hat, kann er mit Hilfe eines Wahrsagers und im Zusammenhang anderer religiöser Aktivitäten durch einen anderen ersetzt werden.
Andererseits ist der klassifizierende Charakter bei den Buli-Namen wenig ausgeprägt. Aus einem Namen kann man gewöhnlich nicht das Geschlecht ablesen, wenn nicht zusätzlich die Silben pok (Frau) oder lie (Mädchen) angehängt werden. Auch lässt sich durch einem Namen allein nicht auf den Rang einer Familie schließen.
Wie in vielen anderen Kulturen auch, ist ein Name bei den Bulsa mit seinem Charakter und seinem Ansehen verknüpft. Ein guter Name (yue) bedeutet so viel wie ein hohes Ansehen, das durch asoziales Verhalten beschmutzt werden kann. Dies drückt sich auch in zahlreichen Buli-Namen aus, z.B.:
Ayuekanbe: Ein guter Name kann nicht verloren gehen.
Akanjogyue: Ich verliere (man verliert) seinen guten Namen nicht. Trotz Armut und Misserfolgen wird man wegen eines guten Namens respektiert.
Akantuyue: Einen guten Namen kann man nicht zerstören.

1. METHODISCHE VORBEMERKUNGEN

Um genügend Demonstrationsmaterial zur Hand zu haben und um wenigstens mit Sicherheit alle Namenstypen der Bulsa zu erfassen, wurden etwa 1600 verschiedene Buli-Namen gesammelt. Diese stellen nur einen kleinen Teil der von den Bulsa z.Z. getragenen Namen dar. Auch als sich meine Sammlung ihrem Abschluss näherte, konnten etwa von 150 Buli-Namen einer Genealogie stets noch über 100 als Neuaufnahmen katalogisiert werden, d.h. es traten erst sehr wenige Dubletten auf. Daher ist es auch vollkommen ausgeschlossen, eine nahezu erschöpfende Sammlung von Buli-Namen anzulegen, da bei neuen Geburten auch Namen gegeben werden, die nie zuvor ein Bulo getragen hat.
Als Quellen für die Namenssammlung dienten mir einmal 24 Genealogien, die mir meistens jüngere Informanten in Südghana oder im Bulsaland gegeben hatten. Zum anderen wurden die Namen schulentlassener Mittelschüler aus den offiziellen Schullisten untersucht. Die Übersetzung der Namen macht etwa einem Schulabsolventen keine große Schwierigkeiten, wenn der Name nicht in “deep Buli” [Endnote 19] gegeben wurde.
Da die meisten Namen jedoch eine leichte Verkürzung erhalten haben (vgl. Akankalibe – Akanbe) und auch in der Langform die eigentliche Idee schon verkürzt wiedergegeben wird (vgl. wenn wir bei den Göttern sitzen, können wir nicht in die Irre gehen), kann eine vollständige Deutung des Namens meistens nur dann gegeben werden, wenn die Absicht des Namensgebers selbst bekannt ist. Daher wurde etwa bei den Namen, die Genealogien entnommen wurden, der Informant der Genealogie selbst nach der Deutung des Namens gefragt, aber auch hier konnte er meistens nicht über seine Orientierung- und Abstammungsfamilie hinaus Auskunft geben. Bei den Listen der Schulentlassenen wurde möglichst ein Informant des gleichen Jahrgangs und der gleichen Schule zur Deutung aufgefordert, da Schüler einer Klasse sich wenigstens bei ihren Freunden oft nach der Bedeutung ihres Namens erkundigen {84}.

2. FORMALE UND STRUKTURELLE BETRACHTUNG DER BULI-NAMEN

a) Präfixe und Suffixe
Wie schon bei einem oberflächlichen Blick auffällt, beginnen alle Buli-Namen mit A-, ein Kennzeichen, dass es sich hier um Personen handelt, z.B.:

keri = das (Erd-)Hörnchen (Tier)
Akeri = Name eines Mannes oder einer Frau [Endnote 20]

Spezifische Buli-Namen für Männer oder Frauen gibt es weder vom inhaltlichen Gesichtspunkt noch in formaler Hinsicht, wenn auch häufig bei weiblichen Namen die Silbe -lie (=Tochter) oder -pok (=Frau; besonders für Neubenennungen von Frauen, die in eine andere Klansektion einheiraten) angehängt wird. Männernamen können durch die Silben – bil [Endnote 21] , -biik, -bisa, -diak, -diok gekennzeichnet werden, wenn es auch nicht immer ganz klar ist, ob das Suffix (z.B. -diak) Teil des Namens ist oder das Geschlecht des Namensträgers kennzeichnen soll.
Manchmal wird anstelle der Endung -biik die Endung -bisa (Pl. von biik) verwandt, besonders wenn es sich um das erste männliche Kind handelt. Durch den Singular -biik würde zu sehr die Situation heraufbeschworen, dass das Kind das einzige bleibt, während die Endung -bisa schon andeuten soll, dass noch mehrere Kinder kommen.
Die Endung -na(a)b weist oft, aber nicht immer, wie das folgende Beispiel zeigt, auf eine Begebenheit mit einem Häuptling hin. Eine schwangere Frau aus Tandem ging zum Markt von Wiaga und gebar dort einen Sohn. Man wollte den außergewöhnlichen Geburtsort im Namen kennzeichnen, allerdings hielt man es für unschicklich, den Sohn Awiag zu nennen, da der Sohn Atugas und Gründer Wiagas diesen Namen trug. So nannte man den Sohn einfach Awiagnab.
Einige Namensträger versuchen, ihren Namen selbst später zu “modernisieren”. Als “modern” gilt für viele Bulsa das Suffix -a, das manche jüngere Bulsa an ihren konsonantisch endenden Namen anhängen (vgl. auch Sandem – Sandema, Wiag – Wiaga, kambon-naab – kambon-naaba). Andererseits wird das anlautende A- mitunter durch einen anderen Vokal ersetzt, z.B. Adanur – Idanur, da der so veränderte Name angeblich {85} eher einen “kosmopolitischen” Klang hat. Mitunter wird auch das anlautende A- ausgelassen: Sampana statt Asampan, Kalasanab statt Akalasanab.

b) Übersetzungshilfen
Um dem Leser die Übersetzung der auf den folgenden Seiten als Beispiele angegebenen Namen zu erleichtern, sollen einige häufig wiederkehrende Wörter und Partikel hier übersetzt werden:

ale = und, mit
ate, te = für
ba = sie, ihr (engl. they, them, their)
be = wo
boa = was
boro, bo, boka = sein, anwesend sein, leben, wohnen
-dek = selbst (badek = sie selbst, ndek ich selbst)
dem(a) = Leute, Volk
di, de, du = dies, das
felik(a) = Weißer, Europäer
jam = kommen
kan, ka, an, n = nicht
kama, kame = Partikel der Emphase
ko = töten
kum = Tod
mi, n = ich, mich, mein
moaning, moanung = rot, braun
na(a)b = Häuptling
nipok = Mädchen
nya = sehen
nye = machen, tun
pieluk = weiß, hell
paari, paa = erreichen
pari, pa = nehmen
po = in
pok = Frau
ta = haben, halten
wari – (Pl. wie) = Wort, Ding, Tat
wen, won = “Gott”; persönliches Schicksal (vgl. S. 146 ff.)
wom = hören
ze = nicht wissen
zeri = verweigern {86}

c) Syntaktische Struktur der Namen
Für die syntaktische Untersuchung der Buli-Namen wurden alle Namen, die sich von geographischen Eigennamen ableiten (Awiaglie), ausgelassen, da fast jede verheiratete Frau auch nach ihrer Heimatsektion benannt werden kann, und in genealogischen Untersuchungen diese Namen einen sehr breiten Raum einnehmen, wenn der Informant den wirklichen Namen vergessen hat. Ausgelassen wurden natürlich auch alle Namen, die sich in ihrer Syntax oder Semantik nicht vollständig deuten ließen (ca. 150 Namen). Es bleiben hiernach noch 1322 verschiedene Namen. Auch hier ergaben sich bei der syntaktischen Analyse noch zwei Hauptschwierigkeiten:

1. Viele Namen sind in ihrer bekannten Form gekürzt, und oft ist eine Syntax nur sehr schwer zu erkennen, falls man nicht die Langform erfahren kann.
Die Langformen können mitunter eine beträchtliche Länge erhalten. Aus Gbedema wurde mir folgender Name genannt: Aginganagokbaliisi (= Die Trommeln schlagen [zum Tanz, aber] sie weigern sich [zu tanzen]).
2. Die Wortart vieler Buli-Wörter ist heute noch nicht einwandfrei geklärt. So lassen sich manche Wörter sowohl als Substantive als auch als Präpositionen verwenden (nying = 1. Körper, 2. wegen; zuk = 1. Kopf, 2. auf), einige Verben haben adverbialen Charakter (z.B. gum = 1. addieren, hinzufügen; 2. außerdem, obendrein), einige Wörter und Partikel lassen sich gar nicht oder nur schlecht in unser Kategorienschema eingliedern (-ya, kama). Hier erhebt sich nun die Frage, ob es überhaupt erlaubt ist, grammatikalische Begriffe (z.B. Substantiv, Prädikat, Adverb usw.), die vorzugsweise an europäischen Sprachen erarbeitet wurden, auf afrikanischen Sprachen anzuwenden.
Trotz der aufgeführten Schwierigkeiten soll hier der Versuch unternommen werden, die Namen in syntaktische Strukturelemente zu zerlegen. Dabei sind die Kategorien (S, P, Av, E) nicht nach einer strengen, grammatikalischen Systematik aufgestellt, sondern die sinnvolle Verwendbarkeit in der Fragestellung dieser ethnographischen Arbeit wurde mitberücksichtigt. So wurden etwa Interrogativpronomen als selbständige Einheit aufgeführt und nicht etwa in die syntaktischen Kategorien von Subjekt und Objekt eingegliedert. Die Endungen -lie und -pok, die an jeden Namen angehängt werden können, bleiben in dieser Untersuchung unberücksichtigt {87}.
In der unten folgenden Aufstellung haben die Abkürzungen folgende Bedeutung:

S:    ein Substantiv, Gerundium oder Pronomen, das allein steht oder das in einem Satzgefüge das Subjekt bezeichnet. In Einzelstellung kann natürlich keine Aussage über die syntaktische Funktion gemacht werden. Wie aus Deutungen durch Informanten zu erschließen ist, kann es dann gedanklich durchaus als Prädikatsnomen oder sogar Objekt fungieren, z.B. wird Atuima (Arbeit) so von einem Informanten gedeutet: Ich (der Namensgeber) habe z.Z. sehr viel Arbeit.

P:    ein Verb, das in einem syntaktischen Zusammenhang eine prädikative Funktion hat.

O:    ein Substantiv, Pronomen, substantiviertes Adjektiv oder Gerundium in der Funktion eines direkten, indirekten oder präpositionalen Objektes.

N:     die Partikel kan, an und da(a), die eine Aussage verneinen (deutsch ‘nicht’).
Nicht hierzu aufgenommen wurden Verben mit negativem Inhalt (z. B. karo, Kurzform ka = nicht haben, ze = nicht wissen).

A:    ein Adjektiv allein stehend oder attributiv (selten prädikativ oder adverbial).

Av:    ein nicht von einem Adjektiv abgeleitetes Adverb (z.B. kinla vergebens, jinla = heute, tin = gerade usw.).

E:    die emphatische Partikel kama

I:    Interrogativpronomen.

Pr:    Präpositionen bei einem alleinstehenden Nomen. Bei präpositionalem Objekt wurden Präpositionen nicht gesondert aufgeführt.

deep:    deep Buli,- eine Sprachform, die vor allem von alten Leuten in feststehenden Redewendungen gebraucht wird. Die hier angeführten Namen in deep Buli konnten übersetzt, aber nicht eindeutig syntaktisch analysiert werden. Auch die zahlreichen Namen, die meinen Informanten völlig unerklärlich waren, mögen zum Teil in deep Buli verfasst worden sein {88}.

Übersicht über die syntaktische Struktur der Buli-Namen
n = 1322

Syntaktische     Anzahl der Namen      %            Beispiel
Struktur
PO                        234                             17,7           Akonab = tötet Häuptling
S                           219                             16,6            Abosuk = Grab
NPO                     139                              10,5           Akangariba = nicht trennt sie
PP                          82                               6,2            Agazeri = gehen (und) verweigern
SA                          78                               5,9            Ayi(e)kasung = Häuser verdorbene
SP                          74                               5,6            Amaboro = ich lebe
P                            62                               4,7            Achim = wachsen
SS [Endn. 22]      56                                  4,3            Atuinab = Baobab-Häuptling
NP                         50                                3,8           Akanse = nicht bauen
SPO                       38                                2,9           Abolimjumi = Feuer verbrennt mich
PI                           37                                2,8           Anagbe = schlagen wo?
A                             24                               1,8            Agelik = kurz
NS                          19                                1,4            Adaasagi = nicht Busch
NPP                       17                                 1,3            Akandako = nicht kaufen (und) töten
SPr                         13                                 1,0           Awuutapo = Gras in
PPO                        11                                 0,8          Apusiwenba = grüßen, erzählen ihnen
PE                           11                                0,8          Asebkame = wissen!
AvP                          9                                 0,7          Angmanwom= wiederhören
deep, dark            14                                  1,0          Asaprinya = bete für mich (?)
4 Elemente           12                                 0.9         Akannyemidu = es nicht tun mir das
z.B. NPOO
Sonstige                 123                               9,3
Sa.:                        1322                           100 %

Unter Einschuss der unter “Sonstige” aufgeführten Namen ergibt sich, dass 256 Namen (19,5 %) einen Verneinungspartikel enthalten. 72 Namen (5,5 %) haben eine Frageform. Bei 407 Namen (30,7%) ist deutlich eine syntaktische Struktur mit Prädikat(en) und Objekt(en) feststellbar (PO, NPO, PPO, POI, NPOO usw.), das Subjekt fehlt jedoch. Wie ich erfahren konnte, handelt es sich hier gewöhnlich nicht um Kürzungen, sondern als Subjekt muss oft mit großer Selbstverständlichkeit der Namensgeber eingesetzt werden, in einigen Fällen kann man sinngemäß ba (= sie, d.h. die Leute, die anderen oder die Feinde) ergänzen {89}.

Exkurs: Verbindungen zwischen den Namen von Kindern in einer Familie
Zwischen den Namen der Kinder innerhalb einer einzigen Familie (meistens derselben Frau) kann es verschiedene formale Verbindungen geben
1. Der Gedanke oder der Wunsch, der im Namen eines Kindes ausgedrückt wird, kann im Namen des folgenden Kindes fortgesetzt werden. L. Amoak gab seinem ersten Kind den Namen Akanyaba (keiner liebt mich) und als Schlussfolgerung aus dieser Tatsache nannte er sein zweites Kind Anamboro (Leben ist Leiden).
2. Alle Kindernamen einer Familie werden von einer anderen Familie übernommen. Als in Gbedema eine verheiratete Frau einem unverheirateten Mann eine Frau beschaffte, gab er all seinen danach geborenen Kindern die Namen der Kinder aus der erstgenannten Familie.
3. Alle Kinder einer Familie tragen Namen, die in etwa das Gleiche ausdrücken. In Sandema Abilyeri nannte ein Mann seine Söhne: 1. Awielewie (ein Ding ist ein Ding), 2. Angainingai (Dinge sind Dinge), 3. Adiiledii (ein Ding ist ein Ding). Die Bedeutung ist etwa: Alle Dinge sind gleich und müssen getan werden.
4. Mitunter beschränkt sich auch die Ähnlichkeit nur auf den gleichen Anfangslaut (nach A-) des Buli oder englischen Namens, zum Beispiel: Martha, Maria, Mary, Magdalena (Info aus Gbedema). Vor allem Zwillinge haben (in Buli und Englisch) ähnlichklingende Namen (z.B. Doris und Dora).
Ähnliche Erscheinungen hat auch M. Louis bei den Namen der Mossi gefunden (1963: 110).

3. GLIEDERUNGSMÖGLICHKEITEN UND GRUPPENBILDUNG

Folgende Gliederung der Bulsa-Namen wurde mir von einem Bulo angegeben, und sie soll auch im wesentlichen in dieser Arbeit beibehalten werden:

1) Buli-Namen:

a) offizielle Namen (yue mangsa, Sing. yue mang; bei der segrika gegeben),
b) nicknames (Spitznamen),
2) fremde Namen:
a) Wochentagsnamen,
b) christliche und englische Namen.

Offizielle Namen und Spitznamen sind in vielen Fällen sofort als solche erkennbar. Ein Name wie “Asukanmaru” (= einer leicht erregbaren Person kann man nicht helfen) wird mit Sicherheit ein offizieller Name sein, während Namen, die etwa Eigenschaften des Kindes wiedergeben, gewöhnlich inoffizielle Namen (nicknames) sind, z.B.:

Akanfelik (“kein Europäer”, Name eines Albinos)
Apiining (mager, unterernährt)
Asuikanlo (der Nabel fällt nicht)
Agbaruk (lahm – das Kind lernte schlecht laufen)

Oftmals ist es jedoch sehr schwer, vom Namen her zu schließen, ob es sich um einen offiziellen Namen handelt [Endnote 23]. Darum sollen im folgenden die Buli-Namen nicht nach offiziellen und inoffiziellen Namen, sondern nach anderen Kategorien gegliedert werden Es ist mir bewusst, dass besonders die Kategorien der ersten Großgruppe (Konkreta) von außen an die Namen herangetragen wurden. Einteilungsgruppen wie Baumnamen und Tiernamen bestehen nicht in der Vorstellung der Bulsa. Entscheidender wäre es zu wissen, ob ein Baumname ein tanggbain-Name ist oder ob die Geburt unter einem bestimmten Baum stattfand. In dieser Arbeit ergab sich aber keine andere Möglichkeit als die gewählten, auch ungedeuteten Namen in ein Ordnungsschema zu bringen {90}.

a) Konkreta
1. Tiernamen

Abiak (Hund), Abang (Eidechse), Abuuk (Ziege), Abunorlie (bunoruk = Chamäleon), Abuntoari (Frosch), Abuntubiik (“mud fish”), Adung (Tier), Achiisa (Küken), Agoaibiak (Leopard), Ajuik (juik [Endnote 24] = Mungo), Akansiing (kleiner, essbarer Frosch), Akawuruk (Taube), Akeri (Erdhörnchen), Akunkolukbajiik (Fischart mit großem Kopf), Akpong (Perlhuhn), Amiadi (Ameise), Anaamoaning (rote Kuh), Aniigalie (Kühe), Anoruk (Chamäleon), Antuelie (Heuschrecken), Anuim (Vogel), Apampok (Genette), Asaana (saani = Stachelschwein), Awalik (Antilope), Awaab (Schlange).

Viele dieser Namen können sicherlich als Spitznamen gebraucht werden. Akunkolukbajiik (verkürzt zu Akojiik) wurde ein Junge genannt, der einen außergewöhnlich großen Kopf hatte. Auch Abang oder Abuntori können als Spitznamen gebraucht worden sein, weil das Kind klein wie eine Eidechse oder ein Frosch war. Es kann aber auch eine außergewöhnliche Begebenheit hinter diesem Namen stecken (vgl. die Schlangengeschichte unten!).
Einige der Namen spielen außergewöhnliche, aber nicht übernatürliche Ereignisse wider. So erhielt Antuelie (geboren in den frühen dreißiger Jahren) ihren Namen, weil zur Zeit der Geburt große Heuschreckenschwärme das Land heimsuchten.
Eine Sonderstellung nimmt der Name Ajuik (Mungo) ein. Er kann nur gegeben werden, wenn das Kind in einem bestimmten Ritual (juik ferika) einem bestimmten juik als Schützling dargebracht wird, einen juik-Schrein (meistens einen senkrecht stehender Stein an einem Fußpfad), ein juik-Fell und eine juik-Namen (Ajuik) erhält. Für alle nachfolgenden Kinder wird eine solche juik ferika durchgeführt und sie alle erhalten einen juik-Namen. Um sie voneinander zu unterscheiden können diese Namen die folgenden Formen annehmen: Ajuikbil, Ajuikdiok, Ajuiklie, Ajuimoanung, Ajuisobluk, Ajuipok, Ajuikperik oder Ajuikperiklie.
Wenn ein Tiername als offizieller Name gegeben wird, nimmt man häufig an, dass es sich um ein Tier mit übernatürlichen Kräften handelt. Fast immer ist dies der Fall bei “Chamäleon”-Namen, da dem Chamäleon von den meisten Bulsa Scheu und Verehrung entgegengebracht wird [Endnote 25]. Es kann aber auch ein Exemplar einer sonst profanen Tierart die Verkörperung eines zurückgekehrten Ahnen sein, wie die folgende Geschichte zeigt.
In ein Gehöft in Wiaga-Tandem, in dem eine hochschwangere Frau wohnte, kam eine Schlange und kroch zielsicher in den Gehöftteil, in dem das Kind geboren werden sollte. Sie wurde als Ahne identifiziert, und man verlor jede Angst, da eine Ahnenschlange harmlos ist. Nach {91} der Geburt des Mädchens blieb die Schlange noch vier Tage (vier: weibliches Prinzip). Sie war vielleicht der Ahne, der im Mädchen wiedergeboren wurde, jedenfalls hat sie eine glückliche Geburt bewirkt. Dem Mädchen wurde später der Name Awaalie (Tochter der Schlange) gegeben. In einem Haus in Sandema-Kalijiisa lebt, wie ich mich selbst überzeugen konnte, eine kleine braune Schlange als “Haustier”. Sie wohnt in einem Tontopf, der in einer dreigabeligen Astkrone (chagsa) am Gehöfteingang steht und den sie nach Belieben verlassen kann. Der greise Hausherr weiß stets, wo sie sich aufhält, wenn sie nicht im Topf ist. Sie erhält, abgesehen von Opferspeisen, kein Futter, sondern sucht sich selbst ihre Nahrung. Sie ist keine Verkörperung eines Ahnen, sondern ein jadok, der durch Opfer und Pflege harmlos und hilfreich geworden ist. So weisen auch die Namen Awaab und Awaalie im Normalfall auf eine jadok-segrika hin.
Die folgende Geschichte habe ich als Erklärung für den Namen Asaana (Stachelschwein) gehört. Kurz vor einer Geburt kam ein Stachelschwein in ein Gehöft und hielt sich in der Nähe des gbanlong auf, wo die Geburt stattfinden sollte. Nach der Geburt des Jungen hinterließ das Stachelschwein im dayiik drei Stacheln und verschwand. Der Vater steckte die drei Stacheln unter das Dach des dayiik, wo ihnen heute noch Opfer dargebracht werden, obwohl Asaana heute nicht mehr lebt. Nach dem Zwischenfall mit dem Stachelschwein ging der Vater des neugeborenen Kindes zum Wahrsager, der nicht nur bestätigte, dass das Stachelschwein ein Ahne war, sondern auch den genauen Ahnen angab. Eine Borste eines Stachelschweins entdeckte ich auch vor einem nipok-tiim in einem Haus in Sandema-Kalijiisa-Yongsa. Der Hausherr sagte mir, dass früher ein ganzer Kranz von Stacheln den nipok-tiim umgeben hat, sie gingen jedoch alle verloren. Die Bedeutung der Stacheln konnte er mir nicht angeben. Zur Zeit seines Vaters wäre der nipok-tiim so von einem Fremden errichtet worden.

2. Namen von Bäumen

Abakulie (deutsch?), Abusingboong (busum-boong = Piliostigma thonningii), Achamlie (Schibutterbaum, Butyrospermum Parkii), Agaab (Diospyros mespiliformis), Agaabisa (s.o.), Akingkanglie (Ficus sp.), Aninanglie {92} (Sclerocarya birrea), Apusik (Tamarindus indica), Atuiuk (Baobab, Adansonia digitata), Asielie (siik = Anogeissus leiocarpus).

In zwei Fällen (Abusingboong und Agaabisa) ist mir bekannt, dass der Baumname gegeben wurde, weil die Mutter ihr Kind unter diesem Baum geboren hat. In anderen Fällen jedoch kann es sich auch um tanggbain-Namen handeln. Diese letzte Erklärung wird von einigen Informanten zur Regel erhoben: “Baumnamen eines Menschen deuten an, dass das Kind einem heiligen Baum dargebracht wurde”.

3. Andere Toponyme

Apu(i)ng (Fels), Aguuk (Wüstung, Ruinenhügel), Agoluk (Loch, Talkessel), Ateng (Land), Atanta (Sand).

Diese Namen können den Geburtsort des Kindes anzeigen oder tanggbana bezeichnen. Apu(i)ng und Ateng gelten als typische tanggbain-Namen. Wenn der Geotop jedoch mit einer Präposition versehen ist, kann man annehmen, dass es sich nicht um einen tanggbain-Namen handelt, sondern eher ein Hinweist auf den Geburtsort des Kindes (z.B. Awuutapo = im Gras).
Tanggbana haben auch ihre Eigennamen, und auch nach diesen können Menschen benannt werden. Folgende Personennamen dieser Art sind mir begegnet:

Abuluk (tanggbain in Wiaga-Bachinsa),
Alogtaka (Logta: tanggbain in Sandema-Choabisa),
Azaksuk (tanggbain in Sandema-Fiisa).
Meistens schlägt sich aber die Schutzherrenschaft nur in dem Namensteil teng wider, z.B. Ateng, Atenglie.

4. Andere Gegenstände (Werkzeuge, Haushaltsgegenstände, Nahrungsmittel usw.)

Aguri (Holzhammer), Atankung (Mörserkeule, oder nach Sandema-Tankunsa?), Abaglie (Horn), Ameenalie (Mattenstöcke), Aneeb (Netz), Akunkoluk (Kalebassen-Flasche), Agona (Sing. {93} gong = bestimmter Kalebassen-Behälter), Akpasagi (Kaustock zur Zahnsäuberung), Asanyaah (Rassel), Apimpaning (pimpanung= Seil zum Anbinden der Ziegen), Anyammasa (wohlschmeckendes Wasser), Asaab (T.Z.), Akatuak (bestimmte Suppe), Atuemoaning (rote Bohnen), Abogta (Fasern oder bestimmte Gemüsesuppe), Amankarik (späte Hirse), Agungum (Frucht des Kapok-Baumes), Angeng (dünnere Hälfte des Hirsestengels, oft für Pfeile gebraucht), Angmanyak (eine bestimmte Grasart, aus der man Medizin gegen Bauchschmerzen gewinnt), Akpabung (Hühnerkot), Ayaata (Abfall), Asampok (1/2 Pesewa-Münze, oder Name für neuverheiratete Frau).

Wohl keine der hier angeführten Gruppen lässt sich so schwer in ihrer Gesamtheit einem allgemeinen Prinzip unterordnen wie diese Aufzählung von konkreten Dingen aus dem täglichen Leben der Bulsa. Ein Teil der Namen mögen Spitznamen sein (Asampok), andere spiegeln die Situation zur Zeit der Geburt wieder (Ameenalies Mutter wollte gerade im Busch Halme für eine Matte suchen) oder ein Ereignis der frühen Kindheit des Namensträgers (Anwanyak). Einige Namen beinhalten Gegenstände, die sich mit religiösen Praktiken verbinden lassen. So kann der Name Abaglie auf das Horn eines geopferten Tieres, das z.B. nach der Namensgebung getragen wird, hinweisen. Das Wort kunkoluk kann angeblich auch die Rassel des Wahrsagers (sonst als baan-kayak bekannt) bezeichnen. Die Rassel des Wahrsagers ist selbst ein bogluk, dem Opfer dargebracht werden und der auch Schutzgeist (segi) eines Kindes werden kann.
Namen wie Akpabung (Hühnerkot) und Ayaata (Abfall) können Ausdruck einer negativen Lebensansicht sein (Sie gehörten dann in die Gruppe d). Beide Namen wurden mir von verschiedenen Informanten wie folgt gedeutet: Das Leben ist wertlos wie Abfall, jeder kann dich beiseite schieben oder auf dir herumtreten.

b) Ortsnamen
1. Klansektion, Dorf, Stadt, Ethnie, Land
Bulsa-Klansektionen:

Ayimoaning (Wiaga-Yimonsa), Akubelie (Wiaga-Kubelinsa),
Awapesalie (Doninga-Wapiensa), Abalansa (Sandema-Balansa) {94}.

Bulsa-Dörfer:

Asinieng (Siniensi), Achuchuloa (Chuchuliga), Afumbisilie (Fumbisi), Agbedem (Gbedema).

Dörfer und Städte außerhalb des Bulsalandes:

Achaana (Chana), Ankaralie oder Ankrah (Accra), Aniima (Niima, ein Stadtteil von Accra), Akumasi oder Amaasi (Kumasi).

Fremde Ethnien:

Akasem (Kasena), Atoaling (Tallensi), Agbanpok (Dagomba), Abayoribalie (Yoruba).

Staats- oder Ländernamen:

Aghana, Ghanatta (Ghana), Akongo (Kongo; der Vater war im Kongokrieg).

Die meisten der unter diese Gruppe fallenden Namen sind Spitznamen oder Verlegenheitsnamen, und ein Großteil von ihnen wird Frauen gegeben, die in ein anderes Dorf oder eine andere Klansektion heiraten, besonders dann, wenn man von ihr spricht und sich an ihren echten Namen nicht erinnern kann, denn die Herkunftssektion einer Frau behält man oft besser als einen Personennamen. Dass solche Namen aber auch mitunter segrika-Namen werden können, zeigt das Beispiel von L. Amoaks Sohn Afarinmonsa. Die Namen Akumasi und Ankrah bzw. Ankara weisen meistens auf einen südlichen Geburtsort hin und sind wohl nie segrika-Namen. Bulsa-Kinder mit dem Namen Aghana sind oft im Jahre 1957, dem Jahr der Unabhängigkeitserklärung, geboren.
Zu den hier aufgeführten Namensgebungen nach fremden Ethnien gehören der Form nach auch die “Sklavennamen”. Wegen ihrer Sonderstellung sollen sie jedoch später in einem eigenen Abschnitt behandelt werden.

2. Bezeichnungen von Lokalitäten im Haus oder außerhalb des Hauses

Adokpo (in der Hütte; in dem Zimmer), Adalong (im dalong, dem Hauptraum eines Innenhofes, in Wiaga “Ahnenraum”), Aparik (Mauer), Azong {95}, (Schaf- oder Ziegenstall), Anankpieng (Viehhof), Abukuripo (im oder beim Hühnerstall), Ayeripo (außerhalb des Hauses), Atampoi (Abfallhaufen), Akusung (Schattendach außerhalb des Hauses), Abulie (bulik = Brunnen), Ayaba (Markt), Asupaklie (Wegekreuzung), Asuitapo (auf den Straßen), Asiisapo (unter den siik-Bäumen), Asagnab (Häuptling des Busches).

In allen Fällen kann die Lokalität den Geburtsort des Kindes darstellen, und für die meisten der oben angeführten Beispiele wurde es mir ausdrücklich bestätigt. Für Atampoi (Abfallhaufen) ist mir jedoch auch eine andere Erklärung gegeben worden: Die Mutter hat so viele Fehlgeburten gehabt, dass man nun glaubt, auch dieses Kind sei wieder für den tampoi, in dem Kleinkinder beerdigt werden, geboren.

c) Begebenheiten zur Zeit der Geburt
Diese Gruppe scheint in weiten Teilen Westafrikas und darüber hinaus [Endnote 26] eine große Rolle bei Namensgebungen zu spielen.

Agoom (Schlaf): Als das Kind geboren wurde, schliefen alle Hausbewohner.
Ayogpo (in der Nacht): Das Kind wurde in der Nacht geboren.
Afelik (Weißer, Europäer): Der Namensträger wurde geboren, als die ersten Europäer zu den Bulsa kamen. Der Name Afelik kann viele andere Deutungen haben.
Achingmalie (Wolken): Das Mädchen wurde an einem regnerischen Tag geboren.
Awombadek (sie selbst hören): Die Mutter hatte Streit mit ihrem Mann, das Kind wurde im Elternhaus der Frau geboren und erhielt auch dort seinen Namen. Nun will man etwas vom Hause des Ehemannes hören.
Awonbas (won = Gott oder Schicksal, basi = verlassen, frei setzen): Jemand versuchte, den Vater durch Gift im Pito zu töten. Der Bauch schwoll an, aber {96} durch ein Gegengift konnte man den Kranken retten. Er fühlte sich wie von einer schweren Last befreit.
Apoabadek (poak = verwöhnen oder verderben; sie verwöhnen oder verderben sich selbst): Man verwöhnte das Kind mit süßen Dingen und Eiern. Die schlechte Erziehung kann auf die Urheber zurückschlagen.
Azebiamtoa (ze = nicht wissen, biam = Geburt, toa = hart sein; sie wissen nicht, dass eine Geburt hart oder schwierig ist): Die Mutter des Kindes war in erster Ehe mit einem Mann aus Sandema verheiratet, der die Frau und das Kind aus ihrer zweiten Ehe in Wiaga-Chiok zurückforderte. Die Leute aus Chiok meinen: Wer so etwas fordert, weiß nicht, wie schwierig eine Geburt ist.
Abenab (benab = Vieh-Impfung): Abenab wurde geboren, als alle Eigentümer von Rindern angehalten wurden, ihre Rinder zum Haus des Häuptlings zu bringen, um sie dort impfen zu lassen.
Abejam (be = verlorengehen, jam = kommen): Der Vater war Soldat im 2. Weltkrieg, ohne dass man wusste, wo er war. Er kam jedoch gesund wieder.
Abaavariba (vari = holen, mit Gewalt nehmen): Kurz vor der Geburt des Kindes waren Diebe ins Haus eingedrungen, die man gefangen hatte.
Abaalie (Tochter von ihnen, d.h. von ihnen allen): Die Mutter kam schwanger zu einem neuen Gatten. Als ein Mädchen geboren wurde, kümmerte sich der alte Gatte nicht um sie. Darum wollen alle Hausbewohner im Haus des neuen Gatten das Mädchen als eine Tochter ihres Hauses ansehen.
Abaamaami (maari = helfen; sie helfen mir): Der alte Vater des Kindes erhielt viel Arbeitshilfe von seinen Nachbarn.
Azarinying (zari = Plazenta, nying = wegen): Mehrere Männer wollten das Produkt der Geburt (Plazenta = Kind), d.h. das Kind haben. Wegen des Kindes gab es einen großen Streit {97}

d) Klagen des Vaters
1. Allgemeine Klagen über die elende Lage

Anyavuusimbe (vuusim = Rast; nya = sehen, hier: finden; wo finde ich Rast?),
Avekame (viiri = hungern, verhungern),
Atadinyin (nyini = herausnehmen): Das Kind soll den Eltern mit seiner Geburt auch alle Sorgen, Krankheiten und Streitigkeiten abnehmen.
Amaana (Leiden),
Abokatoa (toa = hart sein; Leben ist hart),
Akanaab (naab = Kuh; keine Kuh): Der Vater ist nicht reich, er hat nicht einmal eine einzige Kuh.
Adikeboa (di von diiri = wegnehmen? Sinn: Was bekomme ich von einer Tochter?): Die Geschenke, die man später von den Schwiegersöhnen bekommt, sind belanglos. Eine Tochter wird man an ein anderes Haus verlieren.
Ajusilie (juisi betteln; Sinn etwa: Tochter eines Bettlers),
Anisapo (nisa Hand; nisa po = in die Hand): Dieser Name soll an das Lied der Bettler erinnern:

Ni dan nya maga, ni nyo n nisa po…
Wenn ihr ein bisschen (Essen) seht (habt), gebt es mir auf die Hand…[Endnote 27]

Der Vater will also zum Ausdruck bringen, dass er selbst nur ein Bettler ist.

Die Frage, warum viele Namen der Bulsa so pessimistisch und klagend sind, bekommen Bulsa auch von anderen Stämmen, die Buli verstehen, z.B. von den Kantussi, zu hören. Das Bemühen, etwa den eigenen Reichtum in den Namen zu verbergen, passt zu ihrem Bestreben, keinem anderen die Zahl ihrer Rinder anzugeben oder die Grenzen der Äcker zu zeigen. Indem man die eigene Armut herausstellt, entgeht man der Hybris, die den Neid der Nachbarn und der übernatürlichen Geister herausfordert, man vermeidet Bettelgesuche von armen Verwandten {98} oder Nachbarn, und in neuerer Zeit kann man sich sogar einer Versteuerung durch den Staat entziehen.
Von Bulsa wird auch vorgebracht, dass die düsteren Prophezeiungen der Namen mitunter eintreten und dass Namensinhalte oft zukunftsweisend sind. Ein Junge, dem man als kleines Kind den Namen Ananti (nan, nam = leiden, ti,te = geben, weggeben) gegeben hatte, verließ seine Eltern schon früh, nachdem er für einige Jahre die Schule besucht hatte, ließ wenig von sich hören und schickte seinen Eltern nie Geld, so dass man mit Recht sagen konnte, dass seine Eltern nur die Mühen seiner frühen Erziehung auf sich nehmen mussten (nan), um dann ihren Sohn an andere abzugeben (ti), die die Früchte ihrer Mühen ernteten.

2. Klagen über die neue Zeit und die junge Generation

Ajinlawie (jinla = heute, wie = Taten oder Worte; die Taten von heute): Die Handlungsweisen unserer Zeit wären von unseren Ahnen nicht akzeptiert worden.
Ajindem (jinla = heute, dema = Leute; die Leute von heute, d.h. die jüngere Generation): Wenn dieser Name auch keine eigentliche Aussage enthält, so soll er doch angeblich die Lebensweise der jungen Generation mit Schulbildung anprangern.
Anabisa (naab = Häuptling, bisa = Kinder): Die heutigen Jugendlichen benehmen sich, als ob sie alle Kinder von Häuptlingen wären.
Asiabisa (siak = einverstanden sein, gehorchen, bisa = Kinder): In Zukunft müssen wir noch unseren Kinder gehorchen.
Awondok (Haus Gottes, Kirche): Die Kinder, die wir jetzt gebären, werden uns später an die christliche Kirche verlorengehen.
Afelbiik (Kind des Weißen): Die Eltern wissen, dass sie ihr Kind an die Weißen verlieren werden, wenn es zur Schule gehen muss.

3. Gedanken an den eigenen Tod

Anyambe (nyam = Eltern; wo sind die Eltern?): Die Eltern werden bald sterben, und das Kind wird die Frage nach den Eltern stellen {99}
Akumbagmi (bagi = zwingen, stärker sein): Der Tod ist stärker als ich.
Akumanyami (Der Tod sieht auf mich),
Achumka (chum = morgen, karo = nicht sein; es gibt kein Morgen).

4. Angst, ohne Nachkommenschaft zu sterben

Klage über frühere Totgeburten und Säuglingssterblichkeit:

Abiatekum (biam = Geburt, te = geben; Geburt gibt dem Tod): Viele Kinder waren gestorben (dem Tod gegeben).
Adoalikum (doa = Freund): Man hat dem Tod schon so viele Kinder geschenkt, dass man jetzt eigentlich schon nach so vielen Geschenken sein Freund sein müsste.
Akumayesi (yesi = aufsammeln, Ähren lesen): Der Tod sammelt wie ein Ährenleser die letzten Reste der Familie.
Abelmi (be = verlorengehen, reif sein, hier: sterben; l für ale = mit): Das Kind ist so schwach und krank, dass es den Vater kaum überleben wird, sondern mit ihm sterben wird.

Angst des Vaters, dass kein Sohn die Totengedenkfeier für ihn abhalten kann:

Agundek (gu = begraben): Ich werde mich selbst beerdigen müssen.
Akagura (ka = nicht haben; gu = begraben): Ich habe keinen, der mich beerdigen kann.

Angst des Vaters vor der Auflösung und den Verfall seines Hauses:

Ajamkokolim (kolim = abholen; kommen und abholen),
Akolintebai (abholen und ihnen geben).

Beide Namen haben einen ähnlichen Gehalt. Wenn alle männlichen Glieder eines Hauses gestorben sind, kommen Verwandte und holen die Haushaltsgegenstände, die sie gebrauchen können. Das Haus selbst wird mit Holzhämmern (guri, vgl. Aguri) zerstört und es bleiben nur Ruinen (guuta), woran der Name Aguuta erinnert {100}.
Die bange Erwartung des eigenen Todes (3) und die Klagen über den Tod der Kinder (4) werden verstärkt durch den für Bulsa grauenvollen Gedanken, dass kein Sohn die Totengedenkfeier leiten wird und Lobreden auf den Verstorbenen halten kann, dass kein Sohn dem Toten Opfer darbringen kann und dass nach einiger Zeit das Gehöft einer jener Ruinenhügel sein wird, bei denen nur noch die halbkugelförmigen Tonschalen (Grabverschlüsse) an die Gräber der ehemaligen Hausbewohner erinnern.

e) Konflikte
Keine der anderen Gruppierung von Namen weist in dem von mir zusammengestellten Katalog eine so große Fülle von Beispielen auf wie diese Gruppe, in der die Namen einen Konflikt im eigenen Haus, mit Nachbarn oder Angehörigen einer fremden Klansektion widerspiegeln. Die hier als Beispiele gegebenen Untergruppierungen sollen verschiedene Aspekte und Phasen eines Konfliktfalles darstellen, keineswegs ist jedoch daran gedacht, durch die Namen den Ablauf eines typischen Konfliktfalles zu rekonstruieren. Die Reihenfolge der Untergruppierungen trägt also ein Element der Willkür des Verfassers in sich. Würde aber durch Studien von realen Konfliktfällen ein typisches Modell konstruiert, so würde eine umfangreiche Namensammlung sicherlich für jede Phase einen entsprechenden Namen abgeben.

l. Ablehnung und Disharmonie

Abazerime (sie weisen mich zurück),
Akajiirim (jiirim = Mitleid; kein Mitleid),
Akansiaba (siak = übereinstimmen, nicht mit ihnen übereinstimmen),
Akanyaawai (yaali = lieben; wai = jemand; liebt keinen),
Akanyemidu (soll mir das nicht antun),
Akanmugsimi (mugsi = zwingen; kann mich nicht zwingen).

2. Ärger, Groll und Hass

Agoalisui (li = ale, goa = schlafen, sui = Ärger; mit Ärger schlafen),
Angobnyiina (ngobi = kauen, nyina = Zähne; Sinn: vor Zorn mit den Zähnen knirschen), Akisiba (kisi = hassen; hasst {101} sie),
Akisimideka (deka = das Essen; hasst mein Essen),
Akisikpak (kpak = alt; alter Hass).

3. Mut und Stolz

Akachaliba (chali = fürchten; fürchtet sie nicht),
Akanjuisiba (juisi = bitten; bittet sie nicht).

4. Böse Gerüchte und Anschuldigungen und deren Zurückweisung

Aleetanyeboa (leeta = Beleidigungen; was tun Beleidigungen?),
Anvanyindu (nyini = herausgehen; va = folgen; folgte ihnen dort draußen nicht): Er wahrt sich gegen den Vorwurf, dass er des Abends herausgeht und den Hexen folgt, um ihnen bei ihrem zerstörerischen Werk zu helfen.
Akantuy(u)e (tui = verlorengehen, yue = Name; ein guter Name kann nicht verloren gehen),
Afaalatie (faala = faul sein, sich nicht kümmern um; ti = uns; der Gerüchteerzähler soll sich nicht um uns, sondern um seine eigene Dinge kümmern),
Avelimbadek (velim = lügen; sie lügen selbst),
Awibadek (wi = rufen; ruft sie selbst): Der Vater des Kindes wurde des Diebstahls beschuldigt. Die Ankläger sollen sich bemühen, die wahren Diebe zu finden.
Ankasibawari (kasi = verderben; hat ihr Ding nicht verdorben).

5. Rückzug und Stillschweigen

Adigi (digi oder diki = ruhig sein),
Akaliwom (kali = sich setzen; wom = zuhören; man muss die Sache in Ruhe beraten),
Asebelanya (se = wissen; abe = und; la = lachen; er weiß und lacht und schaut zu),
Akanbiabawie (biagi = gebären, gebärt nicht ihre Worte): Aus Worten allein kann nichts zustande kommen.
Akanchalata (chali = fürchten, lata = Gelächter): Es macht ihm nichts aus, wenn die Leute über ihn lachen {102}.
Akutugbang (kutuk = Eisen; gbang = Haut, Fell): Er hat ein “dickes Fell”.

6. Gewalt und Hexerei

Akankomi (kann mich nicht töten),
Akopeeleba (peeleba = wörtlich: heile Personen, d.h. Leute, die die Offenheit lieben; ko peeleba = töten aufrichtige Leute).
Avonjiak (vong = vorziehen; jiak = Ringkampf, den Ringkampf vorziehen): Auch Konflikte unter Verwandten, wenn sie nicht in einem Vater-Sohn-Verhältnis stehen, werden mitunter durch einen Ringkampf entschieden.
Akovuuri (ko = töten; vuuri = schleppen): Dies ist ein Vorwurf der Hexerei, denn Hexen ziehen ihre menschliche Beute hinter sich her, nachdem sie sie getötet haben.
Asakpanab (sakpak = Hexe oder Hexer): Wenn ihr mich behexen wollt, so sollt ihr wissen, dass ich über noch stärkere Hexenkünste verfüge (wörtlich: dass ich ein Häuptling der Hexen bin).

7. Auszug und Trennung
Ein Konflikt innerhalb eines Hauses wird oft dadurch beigelegt, dass eine der streitenden Parteien auszieht und ein neues Haus gründet. In neuerer Zeit ziehen auch besonders jüngere Leute, die in ihrem Haus oft Streit haben, in den Süden Ghanas.

Abetibala (be = verlorengehen, sterben; la = lachen; wenn er verlorengeht, werden sie lachen).
Akamaboro (ma = auch; kann nicht auch wohnen): Er kann nicht länger bei ihnen wohnen.
Atoakabe (tuak = weggehen; wohin gehst du?): Jemand hat das Haus verlassen.
Apochaab (poori = trennen; chaab = gegenseitig): Sie trennen sich, da keine Einigkeit mehr unter ihnen ist.
Asekabta (se = bauen; kabta = halb; halb gebaut): Der Sandema-Häuptling Ayieta gab seinem Sohn diesen Namen nach dem Tode seines Vorgängers Anaankum, als die Kinder Anaankums das Häuptlingshaus verlassen hatten. Der Name besagt, dass das Haus nur für die Hälfte der ehemaligen Bewohner gebaut wurde {103}.

8. Streit anderer
Nicht immer ist der namensgebende Vater, der ja häufig auch yeri-nyono ist, selbst am Streit beteiligt. Gerade als yeri-nyono ist er daran interessiert, dass es in seinem Haus zu keinem Streit kommt. Auch Konflikte unter Verwandten, die nicht in seinem Hause wohnen, mögen seine Aufmerksamkeit erregen, und wenn es einen Streit zur Zeit der Namensgebung gegeben hat, mag sich dieser im Namen des Kindes niederschlagen.

Akannagyeri (nag = schlagen; schlag das Haus nicht!): Verursache nicht den Untergang dieses Hauses!
Akisichaab (kisi = hassen; chaab = gegenseitig),
Anachaaba (sie schlagen sich gegenseitig),
Akochaab (sie töten sich gegenseitig),
Anuechaab (nue = beenden; sie bereiten sich gegenseitig ihr Ende).

f) Lebensweisheit und Verhaltensempfehlung
Die Namen dieser Gruppe, wohl fast ausnahmslos segrika-Namen, nähern sich schon in ihrem Gehalt den Sprichwörtern. Sie sind jedoch sprachlich viel stärker verkürzt und sind oft ohne zusätzliche Erklärungen nicht verständlich. Meistens drücken sie eine negative Lebenserfahrung oder eine Enttäuschung aus.

Adaminyini (da = nicht; mi = ich; nyini = nur, allein; nicht nur ich): Auch andere haben ihre Schwierigkeiten und Probleme.
Akanjambodai (wörtlich: nicht kommen ist da): Zum Schluss sagt man immer: “Ja, wenn ich das gewusst hätte . . .”
Anyinkatoa (nyinka = Herauskommen; toa = schwierig sein; Herauskommen ist schwierig): Man kommt leichter in eine Affäre hinein als heraus.
Apagratoa (pagra = reich sein, stark sein, toa = schwierig sein): Reich zu sein ist oft schwierig.
Anabisakayam (yam = Verstand; Kinder des Häuptlings haben keinen Verstand): Kinder reicher Leute sind oft verwöhnt.
Akanpekum (pe = schwören): Keiner kommt am Tode vorbei {104}
Akanpitibiam (piti oder pini = ein Geheimnis kennen; biam Geburt): Keiner kennt das Geheimnis der Geburt.
Akpaziimako (kpaziim = Herzklopfen, Furcht; ko = töten): Wenn man Angst hat, stirbt man eher.

g) Theophore Namen [Endnote 28]
In den folgenden Namen mit wen (won) ist es oft schwer zu sagen, ob der allmächtige, allgegenwärtige Himmelsgott (auch Naawen genannt), das persönliche wen [Endnote 29] des Menschen oder das Schicksal gemeint ist. Wie die Beispiele unten zeigen, beinhalten die Namen nicht immer Unterordnung und Verehrung, sondern können manchmal auch als Ausdruck der Enttäuschung gedeutet werden. Wen-Namen sind in der Regel segrika-Namen.
Da die Kirchen den Christengott mit wen oder Naawen (naab = Häuptling, König) gleichgesetzt haben, besteht die Möglichkeit, dass auch Christen sich Namen mit wen zulegen. So nennt sich z.B. ein europäischer Missionar auch Atawensiejam (wensie = Wahrheit; ta jam = bringen), d.h. “bringt die Wahrheit”.

Akankpembawon (kpeem = älter sein als): Wer ist älter als Gott?
Awenate (te = geben): Gott gibt.
Awenanya: Gott sieht (alles).
Awenkayek (yek, yeg = viel, groß): Gott ist groß.
Awonnab: Gott ist Häuptling.
Awenboro: Gott existiert.
Akanvariwen (vari = zwingen): Man kann Gott nicht zwingen.
Akanbiisilewen (biisi = sprechen): Man kann mit Gott nicht sprechen.
Akantewonjiam (ta = geben, jiam = Dank): (Er) gibt Gott keinen Dank.
Ajuewen (jue klettern): Hinaufklettern zu Gott.
Alakawon (la lachen): Lachen über Gott oder das Schicksal {105}

h) Adoptivnamen
Falls eine schwangere Frau von einem Mann geheiratet wird, der nicht der Zeuger des Kindes ist, so wird das Kind, falls es ein Junge ist, die vollen Rechte eines leiblichen Sohnes des “Adoptivvaters” erhalten. Nur die Namen solcher Kinder erinnern daran, dass der “Vater” sie ohne eigenes Dazutun erhalten hat:

Awenbiik: Kind Gottes,
Awentiirim (tiirim = Geschenk): Geschenk Gottes [Endnote 30],
Annamunyaya (nam = leiden, nya = sehen): Nicht gelitten, um zu sehen, d.h. der neue Vater hat nichts getan, um dieses Kind zu erhalten, er bekommt es als Geschenk.
Akanzeriterum (terum für tiirim = Geschenk): Man lehnt kein Geschenk ab.

Der Name Awenbiik kann auch in der Ehe gezeugten Kindern gegeben werden, die anderen Namen sind ausschließlich für den hier beschriebenen Fall vorgesehen. Geht die rechtmäßige Ehefrau in der Abwesenheit ihres Gatten in ein anderes Haus und wird dort schwanger, so wird sich ein starker Gatte die Frau mit ihrer Leibesfrucht zurückfordern. Das außerehelich gezeugte Kind kann dann etwa in folgender Weise benannt werden:

Anigeri: Muskelstärke,
Apagrimasa (pagrim = Stärke, masa = wohlschmeckend sein): Stärke ist süß.

i) Sklavennamen [Endnote 31]
Hat eine Frau mehrere Fehlgeburten hinter sich, so werden bei einer erneuten Geburt eines lebenden Kindes verschiedene Mittel angewandt, um das Kind für böse Kräfte unkenntlich zu machen {Endnote 32]. Hierzu gehört auch die Verleihung eines Namens, der für die Bulsa die Bedeutung Sklave hat:

Ayomo: Sklave,
Amoak (Sing.) und Amoasa (Pl.): Mossi-Sklave {106}
Ayarik: Kantussi-Sklave,
Azangbiok: Haussa-Sklave,
Azabaring: Zambarima-Sklave,
Akanbonb: Akan Sklave,
Ayorik: Yoruba-Sklave,
Afulang: Fulani-Sklave.

In manchen Gegenden des Bulsalandes wird auch der Name Atoaling (Tallensi) in dieser Funktion gegeben. Häufig zeigt aber dieser Name nur an, dass zur Zeit der Geburt Tallensi zu Opferhandlungen in der Nähe des Gehöfts waren.
Selbstverständlich erleiden die Träger von Sklavennamen in der Gesellschaft der Bulsa keinen Statusverlust durch ihre Namen und Gesichtsnarben. S. Amoasah aus Wiaga-Yimonsa berichtet in seinem Lebenslauf, dass er in seinem Haus sogar besonders geliebt wurde, da der Wunsch nach einem überlebenden Kind nach vielen Fehlgeburten besonders groß war.

k) Englische Namen in Buli-Form
Eine kleine Gruppe von Namen hat zwar formale Kennzeichen der Buli-Namen (Präfix A-, Suffixe -lie, -pok usw.), im Kern des Namens steckt jedoch, oft selbst für einen Engländer schwer zu erkennen, ein englisches Wort. Die Namen dieser Gruppe können nie segrika-Namen sein.

Aborigade (brigade): Der Vater war einmal Brigade-Arbeiter.
Afarolie (father): Sie wurde geboren, als die Weißen Väter nach Wiaga kamen.
Agominapok (governor): Sie bekam ihren Namen nach einem Besuch des “colonial governor” in Sandema.
Ajalagufe: Name eines Lehrers, der mit seinen Schülern gerne das Lied „Oh, he is a jolly good fellow” sang. Der Spitzname wurde ihm von seinen Schülern gegeben.
Aloripok (lorry) und Amoatika (motorcar): Diese Namen wurden häufig zu der Zeit gegeben, als die ersten Autos und Motorräder ins Bulsaland kamen.
Asaajipok (sergeant): Die Trägerin des Namens wurde im Krieg geboren. Der Name erinnert an eine Begebenheit mit einem Soldaten.
Assibitilie (hospital) und Adocta (doctor): Die beiden Namen besagen, dass das Kind im Krankenhaus geboren wurde oder ein Arzt bei der Geburt geholfen hat {107}

Zu dieser Gruppe sollen auch moderne Namen mit lautmalenden Elementen gerechnet werden:

Apupulie (Motorrad): pupu steht lautmalend für das Geräusch des Auspuffs.
Acheche (Fahrrad): cheche soll das Geräusch eines schnell fahrenden Fahrrads wiedergeben, ist aber in dieser Form aus dem Hausa entlehnt.

4. AUSBLICK AUF WEITERE FORSCHUNGSAUFGABEN

Die von mir gesammelte Anzahl von Buli-Namen und die angewandte Methode erlauben nicht, alle Fragen zu beantworten, die man an eine Namensuntersuchung stellen kann. Vor allem die folgenden drei Fragen müssen für spätere Forschungen offen bleiben:

1.Waren die offiziellen Buli-Namen auch in früheren Zeiten so häufig in einem klagenden, pessimistischen Ton abgefasst? Einige Namensbeispiele aus der Zeit vor 1900 sprechen dafür, dass optimistischere (Abiako: “gebärt hundert Kinder”) und kriegerischere (Afoko: “schlagen und töten”) Namen häufiger waren.
2. Spiegeln die Buli-Namen in irgendeiner Weise den sozialen Status der Namensgeber wider? Zu diesem Zweck wäre es angebracht, einmal die Namen der Familien der zwölf lebenden Bulsa-Häuptlinge zu untersuchen und sie mit den Namen anderer Familien zu vergleichen.
3. Gibt es geographische Unterschiede bei der Auswahl von Namen? Hier müsste vor allem untersucht werden, ob es Unterschiede zwischen Namen der Atuga-bisa (Sandema, Siniensi, Wiaga, Kadema) und der Süd-Bulsa (Fumbisi, Kanjaga usw.) gibt {108}

5. FREMDE NAMEN

In früheren Zeiten hatten alle Bulsa je einen segrika-Namen in Buli. Außerdem konnte man mehrere Spitznamen in Buli besitzen. In neuerer Zeit findet man, besonders bei der jüngeren Generation, auch Namen in Haussa, Kasem [Endnote 33], Dagbane, Ga, Twi, Englisch usw. Diese Namen können auch heute nie segrika-Namen werden.

a) Haussa- und islamische Namen (sagi yue)
Wie die meisten ethnischen Gruppen Nordghanas bezeichnen auch die Bulsa ihre Kinder nach dem Wochentag, an dem sie geboren wurden. Der Brauch wurde sicherlich nicht, wie mir auch mehrere Bulsa-Informanten versicherten, von den Akan-Völkern übernommen, sondern wohl mit oder nach der Übernahme der Wochentage von nördlichen, islamischen Gruppen adoptiert. Die Wochentagsnamen haben die Haussa-Sprachform, gehen aber sprachlich auf die arabischen Wochentagsnamen, die mit den Zahlen 1-7 gleichlautend sind, zurück.

ÜBERSICHT ÜBER HAUSSA-WOCHENTAGSNAMEN:

deutscher Wochentag                         Buli-Personennamen nach Haussa-Wochentagen
männlich                                                weiblich
Sonntag                                                  Danla(a)di                      La(a)di
Montag                                                   (Dantenni)                      Tenni, Atani
Dienstag                                                 (Dantalata)                     Talata
Mittwoch                                                (Danlariba, Lariba)        Lariba
Donnerstag                                            (Danlamisi), Lamisi       Lamisi, Alamisi
Freitag                                                     (Danzuma)                    Azuma, Azumi
Samstag                                                   Assibi                             Assibi (Assibilie)

Anmerkung zur Tabelle: Namen in Klammern sind sehr selten {109}

Von Haussa-Wochentagen abgeleitete Personenamen werden sehr selten mit Buli-Suffixen (-biik, -pok, -lie usw.) versehen. Als einziger ist mir der Name Assibilie begegnet. Auch das sonst bei allen Buli-Namen auftretende Präfix A- ist bei einem Teil der Namen fortgefallen oder kann in der Rufform ausgelassen werden. Der Name Danla(a)di mit dem Präfix dan- kommt jedoch häufig vor.
Neben den sehr häufigen Haussa-Wochentagsnamen sind andere “Haussa-Namen” [Endnote 34], oft arabischen oder alttestamentarischen Ursprungs, bei den Bulsa beliebt. Vor allem wird man sie bei Moslems finden, aber auch nichtislamische Bulsa legen sich gerne solche Namen zu.
Unter den 540 Namen der erfolgreichen Absolventen der sechs Bulsa-Middle Schools [Endnote 35] findet man bei den Jahrgängen 1970-74 (Entlassungsjahr) auch folgende Namen, die von den Bulsa selbst als Haussanamen bezeichnet werden [Endnote 36]:

Al(h)assan (11), Bawa (9), Baba (8), Musa (8), Salifu (6), Ali (5), Assak(a) (5), Adama (3), Issifu (4), Abudulai (3), Dahamani (3), Mahama (3), Gariba (3).

Die islamischen Träger der hier aufgeführten Namen erweisen sich oft als Angehörige fremder ethnischer Gruppen. Unter den 244 befragten Schülern und Schülerinnen der Klassen 3 und 4 der Bulsa- Middle Schools befanden sich im August 1973 auch 8 Moslems, von denen nur einer mit Sicherheit ein Bulo war (1 Kantussi, 1 Walla, 1 Dagomba, 1 Mamprussi, 1 Sisala, 2 Schüler beantworteten die Frage nach der Stammeszugehörigkeit unzutreffend).

b) Akan – Namen (sagi yue)
Die von den Bulsa gebrauchten Akan-Namen bezeichnen überwiegend Wochentage. Fast alle mir bekannten Bulsa mit Akan-Namen haben diesen Namen im Süden erhalten, wo sie geboren wurden oder eine längere Zeit ihres Lebens verbracht haben. Jungen- und Mädchennamen sind bei den Akan – Wochentagsnamen stets verschieden. Eine Verbindung von Akan-Namen mit Buli-Suffixen (-biik, -pok, -lie) oder Präfixen (A-, dan-) kommt nicht vor {110}.

ÜBERSICHT ÜBER AKAN- WOCHENTAGSNAMEN [Endnote 37]

deutscher Wochentag    Akan- Wochentag      Personennamen

männlich          weiblich

Sonntag                              Kwesida                      Kwesi                Akosia, Akosuwa, Esi
Montag                               Dwuwda                      Kodjo                Adua
Dienstag                              Binada                        Kobina              Abinaba, Abina, Araba
Mittwoch                             Wukuda                      Kweku              Ekua
Donnerstag                         Yada                            Kwao, Yao        Aba, Yaa
Freitag                                 Fida                             Kofi                   Efua
Samstag                               Miminda                    Kwame              Ama

In dem oben erwähnten Sample von 540 Schulabsolventen (1970-1974) findet man auch folgende Akan-Wochentagsnamen:

Kwesi (8), Kwame (6), Kofi (5), Kobina (4), Kweku (3), Kodjo (2), Yao, Yaw (1), Akasua (1), Ekua (1), Efua (1), Am(m)a (1).

Als Beispiele für andere Akan- Namen aus dem gleichen Sample können bei jeweils einer Nennung aufgeführt werden:

Bako (erstgeborener Sohn), Atta (weiblicher Zwilling), Tewiah (erste Geburt nach Zwillingen), Atano (nach dem Obosum und Fluss Tano benannt), Appiah, Boateng u.a.

c) Christliche bzw. englische Namen
Wenn man von den [1974] wenigen Fällen absieht, bei denen Kinder im Säuglingsalter auf Veranlassung ihrer Eltern getauft werden, so wählen sich die Bulsa-Kinder gewöhnlich zum Schulbeginn oder in den ersten Schuljahren ihre englischen, christlichen Namen selbst. Katholische Kinder haben oft eine zweite Wahl, wenn sie sich einen christlichen Firmungsnamen aussuchen dürfen {111}.
Von den 540 Schulabsolventen der Jahrgänge 1970-74 (370 Jungen und 160 Mädchen) haben 10 Schüler(innen) keinen christlichen Namen in den Abgangslisten angegeben, 5 von diesen tragen nur islamische Namen, einer trägt nur Akan und Buli Namen, bei 3 Schülern mit sehr langen Buli Namen erscheint nur eine Initiale, die aus Platzmangel für einen christlichen Namen stehen kann, und ein Schüler hat nur zwei kurze Buli Namen angegeben.
Die 370 Jungen des Samples tragen 92 verschiedene christliche Namen. Folgende Namen wurden am häufigsten gewählt:

Joseph (26)                        William (8)
John (20)                            Peter (8)
James (19)                           Moses (7)
Francis (16)                         Gilbert (6)
Clement (14)                       Martin (6)
Michael (12)                        Richard (5)
George (10)                         Cletus (5)
Thomas (10)                        Albert (5)
Emmanuel (9)

Es fällt auf, dass einige der gewählten Namen in England eher als Nachnamen üblich sind, z.B.: Johnson, Wilson, Thompson, Williams, MacAlbert, Hayford, Collings, Sam(p)son.
Von den 160 Mädchen des Samples wurden 63 verschiedene christliche
Vornamen gewählt. Folgende Namen treten am häufigsten auf:

Grace (9)                         Lydia (5)
Christina (9)                   Victoria (4)
Felicia (8)                        Faustina (4)
Mary (8)                          Florence (4)
Cecilia (6)                       Agnes (4)
Justina (6)                      Margaret (4)

Einige Mädchennamen sind meines Wissens in Britannien recht selten und mögen hier durch den Religionsunterricht inspiriert worden sein:

Augustina                                         Perpetua
Benedicta                                          Philomina
Clementia                                          Salistina
Ernestina                                           Sebastiana
Letitia                                                Saraphina {112}

6. NAMENSTRÄGER UND NAMEN

Jeder Bulo hat, wie bemerkt, heute mehrere Namen. Der traditionelle Gebrauch dieser Namen wird durch den beginnenden Schulbesuch stark gestört. Schon bei der Anmeldung in der Primary School wird das Kind nach dem Namen seines Vaters gefragt, und dieser Name gilt fortan als “Nachname” oder “Familienname”, der auch in den alphabetischen Klassenlisten geführt wird. Außerdem erwartet man von den Schülern und Schülerinnen, dass sie sich bald einen englischen Christian Name zulegen. Dies geschieht auch dann schon oft, wenn das Kind noch nicht die Absicht hat, sich taufen zu lassen. Oft wählt das Kind einen englischen Namen, wenn es anfängt, englische Texte zu lesen, und mitunter wird der Name nach dem Held einer Geschichte gewählt. Die christlichen Kirchen entscheiden später darüber, ob der Name auch als Taufname gelten kann. Wenn die Schüler zur Middle School überwechseln, haben sie durchweg schon englische Namen. Ausgenommen hiervon sind in der Regel nur die islamischen Schüler, aber selbst von ihnen haben sich einige Namen wie David, Charles, Mary usw. zugelegt.
Mit dem christlichen Namen als Vornamen und dem Vatersnamen als Nachnamen ist in der schulischen Bürokratie wenig Platz für einen Buli Namen. Die Listen der Schüler, die sich für das Middle School Leaving Examination anmelden, lassen dem Schüler zwar noch Platz für einen dritten Namen, der oft ungenau als your own name oder inkorrekt als surname bezeichnet wird. Es soll der Name sein, bei dem der Schüler gewöhnlich gerufen wird. Nicht immer führen die Schüler diesen Platz mit ihrem segrika-Namen aus, oft erscheint hier der Haussa Wochentagsname oder ein zweiter christlicher Name, z.B. der Firmungsname.
Obwohl in der Schulbürokratie versucht wird, Ordnung in das System der Namen zu bringen, ist die Verwirrung mitunter noch groß. Ehemalige Lehrer eines schulentlassenen Jahrganges erkennen zuweilen ihre Schüler in den Entlassenenlisten nicht, weil sie ihnen unter ganz verschiedenen Namen bekannt sind. Schüler, die bei einem Pflegevater (z.B. dem Bruder ihrer Mutter) wohnen, erhalten gewöhnlich den Namen des Pflegevaters als Familiennamen, zumal wenn der Pflegevater {113} sie am ersten Schultag zur Schule bringt. Wenn sie zu ihrem leiblichen Vater zurückkehren oder wenn sie später erkennen, dass sie eigentlich den “falschen” Nachnamen haben, ändern sie diesen Namen um. Es herrscht auch keine Einigkeit darüber, ob der offizielle Buli-Name des Vaters Familienname wird oder ein anderer Name. Einige Schüler geben den christlichen Namen des Vaters an, wenn der Vater schon einen christlichen Namen hat. Hierbei kann es geschehen, dass eine Schülerin fortan mit einem englischen Jungennamen angeredet wird. Die Kinder Leander Amoaks haben z.B. alle den “Nachnamen” Leander.
Die Schüler(innen) selbst ändern ihren Namen gerne. Der Firmungsname kann den Taufnamen ganz verdrängen. Während in Südghana eine nationale Bewegung zur Aufgabe der englischen Namen aufruft, herrscht bei den Schülern im Norden noch eine Anglisierungswelle. Buli-Namen werden durch englische Suffixe anglisiert, z.B. Abang > Bangson; Atoaling > Etoalingson, und auch Ortsnamen bleiben vor Europäisierungstendenzen im Schülerjargon nicht verschont: Sandema wird zu Sansco City, Siniensi zu Sinsco.
Im folgenden soll am Beispiel meines Informanten Godfrey Achaw gezeigt werden, dass ein Individuum in verschiedenen sozialen Gruppen verschiedene Namen haben kann. Abgesehen von ganz kurzlebigen Namen hat der 28jährige (1974) G. Achaw bisher sechs Namen erhalten.

1. Akandawen (da = kaufen; man kann Gott nicht kaufen; oder: man kann das Schicksal nicht selbst beeinflussen). Bei diesem Namen, den er in der Namensgebungszeremonie erhalten hat, rief ihn früher sein verstorbener Vater, einige Halbbrüder seines Vaters und einige Frauen des Vaters. Heute wird er nur noch von der überlebenden dritten Frau seines Vaters so genannt. Wenn sie stirbt, ist sein segrika-Name ausgestorben, falls er nicht später vom Namensträger etwa zu Ungunsten seines christlichen Namens neu belebt wird.
2. Akaaladi (lach nicht so). Nur die zweite Frau seines Vaters nannte ihn so, weil er als Baby viel gelacht hat.
3. Akpatiok (Ameisenhügel). Ein Mann aus Balansa hat ihm diesen Namen gegeben, und ein Teil seiner Altersgruppe hat ihn übernommen. Er selbst liebte diesen Namen nie, und auch der Grund für diese Benennung scheint ihm nicht ganz klar zu sein {114}.
4.Achaw [Endnote 38]. Dies ist der Name seines Vaters, der bei der ersten Schulanmeldung in die Klassenliste eingetragen wurde. Seine Lehrer riefen ihn meistens bei diesem Namen auf. Im Universitätskrankenhaus von Cape Coast, wo er zur Zeit der Information arbeitete, ist er als Mr. Achaw bekannt.
5. Tamale. Dies ist ein Spitzname, den er in den ersten Schuljahren von seinen Mitschülern bekam, und auch heute nennt ihn der große Teil seiner Altersgruppe in Sandema noch so. Ihm selbst gefällt dieser Name nicht, da er als Name einer Stadt nichtssagend ist. Der Name Tamale erscheint nach Godfrey und vor Achaw in der Liste der Middle School Leavers von 1959.
6. Godfrey. Diesen Namen legte er sich selbst in den ersten Schuljahren der Primary School zu. Er weiß heute nicht mehr, warum er gerade diesen Namen gewählt hat. Jedenfalls entschied ein Pfarrausschuss der presbyterianischen Kirche in Sandema, dass er diesen Namen auch als Taufnamen wählen darf. Godfrey wurde er in der Middle School von seinen Mitschülern genannt, und auch heute noch nennt ihn so seine Altersgruppe, soweit sie Englisch sprechen kann. In der Krankenpflegerschule von Bawku war er nur als Godfrey bekannt. Seine Bulsa-Freunde in Cape Coast nennen ihn zum großen Teil Godfrey, einige sagen Achaw zu ihm.

In Formularen gibt der Träger der sechs Namen unter Vorname nur Godfrey an, unter Nachname nur Achaw. Im Süden sind bei den Nichtbulsa keine seiner anderen Namen bekannt. Seine Kinder werden später auch den Nachnamen Achaw tragen und deren Kinder ebenso. Wie man sieht, erstarren die Namen der Väter, die zum ersten Mal ihre Kinder zur Schule schicken, und werden von der folgenden Generation an zu echten Nachnamen im europäischen Sinn. Der Brauch, den Namen des Vaters als Nachnamen zu benutzen, entstammt dem britischen Kolonialsystem. Bei den Bulsa war es vor Eintreffen der Engländer möglich, den Namen des Vaters dem Kindesnamen voranzusetzen, um durch den Genitiv den “Eigentümer” (nyono) des Kindes zu kennzeichnen oder um Verwechslungen zu vermeiden [Endnote 39].
Benennungen einer Person nach einem seit langem verstorbenen Ahnen (z.B. Abiako biik = Kind des Ahnen Abiako) gelten als Ehrennamen (busena, Sing. busein) geprägt. Wie andere busein-Namen (z.B. Amiinying = starker Körper) werden sie in der Regel nur männlichen {115} Personen zugeschrieben und können vom Namensträger nie selbst gewählt werden. Busein-Namen werden häufig in Preisliedern oder in Hochzeitsliedern, wenn ein junger Mann mit seinen Freunden ein Mädchen einer anderen Sektion als Braut heimführt, gebraucht. Frauen erhalten busein-Namen nur, wenn sie in hohem Alter in ihr Elternhaus zurückkehren oder wenn sie das Amt einer Wahrsagerin ausüben. Ehrennamen werden nie in einem offiziellen Zusammenhang gebraucht, weder bei rein religiösen Riten, noch bei Behörden oder in den Schulen.
In Verwandtschaftsgruppen kann als Grundregel gelten, dass Angehörige der gleichen Generation sich mit ihren Eigennamen anreden, Angehörige von zwei verschiedenen Generationen mit den Verwandtschaftsbezeichnungen. Nur wenn sie zur gleichen Altersgruppe gehören, wird der Eigenname in der Anrede gebraucht. Klassifikatorische Brüder reden sich auch dann mit ihrem Namen an, wenn ein Bruder viel älter ist, jedoch gilt es dann als Zeichen des Respekts, wenn der Name des älteren Bruders stark verkürzt wird:

Akamanyabisa > Akabisa
Akayam > Aya
Akumanue > Anue
Akumasi > Amasi
Anyebokatoa > Abotoa
Asaprinya > Apinya
Awarikaro > Aka
Awunyok > Anyoke

Heiratet eine Frau aus einer anderen Sektion in eine Familie ein, so reden sie die „Väter” des Ehemannes mit n doa (mein Freund) an. Die Frauen des Vaters des Gatten reden die eingeheiratete Frau entweder mit biik an, oder, was viel häufiger geschieht, sie schaffen neue Namen. Es ist möglich, dass jede Frau einen neuen Namen erfindet, oft folgt man aber der Namensgebung der ersten Frau des Vaters oder der Großmutter des jungen Ehemannes. Die junge Frau redet die klassifikatorischen Brüder ihres Gatten mit Eigennamen an und ebenso die Brüder die Frau. Wenn ein Bruder von der Schwägerin spricht, wird er sie etwa als n yoa pok (Gattin meines Bruders) bezeichnen. Heißt dieser Bruder etwa Atiim {116}, so kann dessen Frau auch als Atiim pok bezeichnet werden. im Gegensatz zum weiblichen Eigennamen Atiimpok kann pok hier nicht als Suffix des Namens Atiim gedeutet werden, sondern Atiim ist ein Genitiv zum Grundwort pok. Ein Ehemann redet die Brüder seiner Frau mit Eigennamen an. Wenn er von einem solchen Schwager spricht, sagt er n pok toa (Bruder meiner Frau). Es wird hier keine Unterscheidung mehr zwischen jüngerem und älterem Bruder gemacht.
In europäisch beeinflussten Ehen, und auch hier keineswegs immer, kann sich die Frau auch den Namen ihres Mannes zulegen. In der Gesetzgebung des Staates Ghana wird jedoch eine solche Namenszulegung nicht verlangt. Auch ist es keineswegs festgelegt, welchen Namen des Mannes sich die Frau nach ihrer Heirat zulegen soll. Mr. Leander Amoak hat all seinen Frauen als “Nachnamen” den einst von ihm gewählten “Vornamen” Leander gegeben, z.B. Atigsidum Leander, Afulanpok Leander, Atoalingpok Leander {117}

ENDNOTEN (NAMENSGEBUNG UND NAMEN)
1 Teile des kankpiiling-Strauchs werden auch bei anderen Gelegenheiten verwandt. Aus der Asche seiner Äste und Schibutter wird z.B. {354} eine “Salbe” zum Ausheilen von Geschwüren hergestellt. Mitunter werden auch die Wurzeln des Strauchs in Wasser gekocht. Das Dekokt wird vor allem kleinen Kindern verabreicht.

2 Bei männlichen Kindern muss es in Badomsa ein dunkler (schwarzer oder brauner) Hahn sein, bei Mädchen opfert man dort ein dunkles Huhn.

3 Kpilima = die Ahnen. L. Amoak nennt diesen “Raum” mir gegenüber nur “fetish-room”. In Adeween-yeri war es der ehemalige Wahrsager-dok seines verstorbenen Bruders Atiim. Heute befinden sich dort die bogluta mehrerer verstorbener und lebender Frauen. Vgl. Lageplan, Kap. V,3b, S. {182}.

4 Ma-bage: ein bestimmter weiblicher Ahnen-bogluk. Vgl. S. 169 ff.

5 Vgl. genealogische Übersicht, in Kap. V,3, Nr 7, S. {179}. Abonwari starb wahrscheinlich als Sklave im Süden des heutigen Ghana. Seine Leiche ist verschollen, und es konnte bisher noch keine Bestattungsfeier abgehalten werden. Im kpilima-dok befinden sich seine Schlafmatte und die Matten von Atiim und Akanzaliba (Genealogie, Nr. 43 und 44). Man glaubt, dass sich die “Seelen” (chiisa) dieser Verstorbenen bei den Matten aufhalten.

6 Nach anderer Information wird das meistens schlummernde wen durch klares Wasser aufgeweckt. Auch wenn man nur mit dem wen sprechen will, kann man klares Wasser schütten oder die rechte Hand auf den Stein legen.

7 Die Ziege war bei den letzten Ernteopfern (fanoi) geopfert worden.

8 Diese Beratung findet gewöhnlich im kusung, einem schattenspendenden, mit Hirsestroh gedecktem Haus mit offenen Seitenwänden, vor dem Gehöft statt. Adeween-yeri hat jedoch keinen kusung.

9 Hier handelt es sich um Erde in einem Horn, von einem (bzw. dem) tanggbain des Hauses stammt. Ein tanggbain ist ein Naturheiligtum, das aus einem Hain, einem Felsen, einem Baum usw. bestehen kann. Die “Gottheit” (der “Geist”), die hier ihren Wohnsitz hat, wird selbst auch als tengbain bezeichnet.

10 Zur Zeit (1978) sind alle Kinder Amoaks im Besitz eines (leeren) segrika-Horns.

11 Der zur Zeit ledige und kinderlose Akangaaba, Abang und deren noch lebende Mutter Akanpowa bilden einen Haushalt in Achaw-yeri. Akangaaba suchte den Wahrsager in seiner Eigenschaft als Vorsteher dieses Haushaltes auf {355}.

12 Eigentlicher Hausherr war sein älterer Bruder Asaprinya, der als Polizist in Keta (Südghana) wohnte.

13 Dies vereinbart sich nicht mit den Aussagen L. Amoaks, dass Hühner nur bei der Namensgebung von Mädchen geopfert werden.

14 Zur Verbindung von Namensgebungen und rituellen Waschungen vgl. J.A. MacCufloch,  1908 – 1926: 367 – 375.

15 Informant: Ayarik aus Wiaga-Tandem-Zuedema.

15a  Auch mir wurde später ein mit Pung Muning Erde gefülltes Horn verliehen, das ich zu jedem tanggbain Opfer tragen sollte. Es war aber kein segrika-Horn.

16 Beschreibung und Funktion s. Kap VII, 5, S. {291}.

17 Ein “Namensgebungstopf” (vor einem wen-bogluk) wird auch tibiik genannt, kann jedoch nicht losgelöst vom wen-bogluk Schutzgeist eines Kindes werden. Vgl. auch Kröger 2017: 32-28.

18 Ein jadok manifestiert sich oft in einem Tier (Chamäleon, Eidechse, Schlange, seltener auch in Säugetieren) und erhält  erst nach der Tötung dieses Tieres einen bogluk.

19 Deep Buli oder dark Buli (Buli sobli) ist (war) die Sprache der alten Bulsa und scheint heutzutage mehr und mehr auszusterben. Es umfasst nicht nur weitgehend einen vom gewöhnlichen Buli abweichenden (zusätzlichen) Wortschatz, sondern beinhaltet auch ein Sprechen in Sprichwörtern, Metaphern usw.

20 Diese Form wird auch für vermenschlichte Tiere einer Fabel angewandt.

21 In seltenen Fällen kann auch ein Mädchen einen Namen auf -bil, -biik, -bisa erhalten.

22 Das erste Substantiv kann als Genitiv gedeutet werden.

23 Zum Beispiel bei Klan-Namen oder bei Ortsnamen: Awisalie (Wiesi), Akadem, Akaasalie (Siniensi-Kaasa) usw. {356}

24 Pl. juisa. Der Mungo (die Manguste) wird in Fumbisi und Kanjaga und anderen Südbulsa als “heiliges” Tier verehrt, ist aber kein Totemtier in diesen Orten. Heute (2021) hat sich der juik-Kult auch im Gebiet der Nordbulsa verbreitet. Vgl. Kröger, 2013b.

25 Vgl. R. Schott, 1973: 439f.

26 Vgl. zum Beispiel R. Andree,1878: 166; A.W. Cardinall, 1920: 71; M. Fortes 1955:344; M. Houis 1963: 111; H. Ploss, 1911: 437.

27 Zitiert nach R. Schott, 1973:41.

27a M. Louis (1963: 98-101) widmet Mossi-Namen mit solchen Inhalten ein ganzes Kapitel: „Les noms en rapport avec des antagonismes”.

28 Hier wurden nur Namen mit wen aufgenommen. Tanggbana-Namen: s. Kap. IIIB, 3a3, S. {92}.

29 Tintueta-wen; s. Kap. V, 2a, S. {148}

30 Vgl. die Akan-Namensgebung für einen solchen Fall: Nyamekye Geschenk Gottes (s. P. Sarpong 1974: 89). Augustinus

31 Vgl. hierzu die Namensgebung bei Akan-Völkern, wo auch nach mehreren Fehlgeburten dem Kind ein Sklavenname, z.B. “Mossi” gegeben werden kann und dem Kinde in einem solchen Fall auch die Mossi Stammesnarben eingeschnitten werden. Vgl. R.S. Rattray, 1927): 65. Ähnliche Gepflogenheiten bestehen bei den Kusasi und Dagomba: E. Haaf, 1967: 88f.; R. Fisch, 1912/13: 140.

32 Vgl. Kap. IV,5, S. {61f.} und Kap. IV,5 S. {128 ff}.

33 Kasem-Namen findet man besonders häufig in Sandema und Chuchuliga, da es hier häufiger zu Mischehen zwischen Bulsa und Kasena kommt.

34 Die Bulsa sind sich bewusst, dass diese Namen in jüngerer Zeit von den Haussa entlehnt wurden.

35 Die vierjährige Middle School baute auf die sechsjährige Primary School auf, sodass die Schulabsolventen im Durchschnitt wohl 15-17 {357} Jahre alt waren. Middle Schools gab es in Sandema (3), Chuchuliga, Wiaga und Fumbisi (Zahlen für 1974).

36 Binger (1892: 492) erwähnt als Namen einer islamischen Einwandererschicht der Mossi: Abd er-Rahman, Isaac, Yako, Seybou, Boubakar, Mouça, Alassane, Idrza. R. Fisch (1912/13: 139) zitiert als Namen für “Mohamedanerkinder”: Idrisa, Ibrahima, Musa, Mahomadu, Umaru, Fatima.

37 Nach J.B. Christensen, (1954: 83f.) Vgl. auch H. Ploss, (1911: 426).

38 Aussprache: [a’ʧa:o]; Achaw: anglisierte Schreibweise.

39 In Buli wird der Genitiv durch Voranstellung gekennzeichnet. Der Plural nyam (Sing. nyono) kann sowohl mit “Eltern” als auch mit “Eigentümer, Herren” übersetzt werden.

 

KAPITEL IV:  SKARIFIZIERUNGEN

1. SKARIFIZIERUNGEN UND ÜBERGANGSRITEN
Es ist sehr fraglich, ob das Schneiden von Bulsa-Stammesnarben in die Reihe der Übergangsriten einzuordnen ist. Keineswegs tritt heute der junge Mensch, unmittelbar nachdem er die Narben erhalten hat, in eine andere Status- oder Altersgruppe. Andererseits wurden jedoch diese Narben wenigstens früher als eine Voraussetzung für die Respektierung als Erwachsener angesehen, und eine Verweigerung durch das Kind, falls es sich überhaupt durchsetzen kann, ist sicherlich mit einem kindlichen Statusverlust verbunden.
Auch denkt man gewöhnlich nicht an eine rituelle Handlung, wenn man von Bulsa-Skarifizierungen spricht, denn diese Handlungen sind mit keinerlei Opfern, Wahrsagerbefragungen usw. verbunden. Allerdings sind auch diese einfachen Operationen nicht ganz frei von Tabuierungen, und es wäre sicherlich unangebracht, alle Narbenschnitte verallgemeinernd nur als “Schönheitsoperationen” oder “medizinische Eingriffe” zu klassifizieren. Wie unten noch dargelegt wird, darf der Beschneider von Nabelschnitten vor der Operation nichts essen und darf sich auch den Mund nicht ausspülen.
Ein Bulsa-Lehrer, der seine Skarifizierung mit Erfolg verhindert hat, erzählte mir, dass sein Vater böse Folgen für den Lebensweg seines Sohnes befürchtete. Als jedoch die schlimmen Folgen bei dem ältesten Sohn ausblieben, hielt der Vater es auch bei den nachfolgenden Kindern nicht mehr für notwendig, Narben schneiden zu lassen. Hier wird also ein Zusammenhang zwischen den Narben und irgendwelchen lebensbestimmenden Schicksalsmächten gesehen {118}:

2. STAMMESNARBEN
(Tribal Marks; nyaga, Sing. nyagi)

a) Formen und ihre örtliche Verbreitung
Wie man aus dem Namen schließen könnte, sollen diese Narben Differenzierungsmerkmale zwischen den verschiedenen Stämmen sein. S. Siguino [Endnote 1l vertritt in einem Aufsatz über die Senufo die Ansicht, dass die Stammesnarben bis zur Ankunft der Europäer den Zweck hatten, als Erkennungsmerkmale der Kämpfenden auf dem Schlachtfeld zu dienen. Die Frauen hätten später aus Stolz und Snobismus (…par orgueil ou par snobisme…) diese Praktik aufgegriffen. Ähnliche Erklärungen für Stammesnarben (Pl. nyaga) werden auch von einigen Bulsa-Informanten angegeben. Wie jedoch C.H. Armitage in seinem Werk [Endnote 2] über die tribal markings der nördlichen Territorien der Goldküste ausführt und wie vor allem aus seinen zahlreichen Abbildungen hervorgeht, stellen diese Narben nur ein sehr unvollkommenes Unterscheidungsmerkmal der Stämme dar, da viele Stämme die gleichen Narben haben. Auch die Vielfältigkeit der tribal marks bei den Bulsa, deren verschiedenen Varianten wieder bei anderen Stämmen auftreten, spricht gegen die Funktion dieser Narben als militärische Stammesdifferenzierung.
Mitunter scheint es so, dass die Klansektion die Grundeinheit für die Form der Stammesnarben ist. Mein Informant Asugbe aus Akanming Yeri (Wiaga-Sinyangsa-Badomsa) berichtet, dass sich sein Vater, der Gehöftherr Akanming, all seinen Kindern im Alter zwischen fünf Monaten und einem Jahr die Narben selbst geschnitten hat und zwar so, wie es in Badomsa üblich ist: zwei lange Narben auf der linken Wange und zwei auf der rechten Wange (siehe Fig. 4, S. {119}. In den anderen Sektionen Wiagas würden andere Narben geschnitten (Endnote 2a).
Es ist schwierig, eine genaue Liste der Narbenformen einzelner Sektionen oder Sektionengruppen zu geben, da die Art und die Anzahl der Narben heute in sehr starkem Maße dem Belieben des einzelnen oder seines Vaters anheim gestellt ist. Ein junger Mann aus Wiaga berichtet, dass der Beschneider ihn fragte, wie viele Narben er haben wolle, und da mein Informant eine Narbe am schönsten fand, erhielt er nur einen Einschnitt. Andere vertreten die Ansicht, dass nur eine Narbe auf einer Wange ein Zeichen von Feigheit ist. Man meint, dass der Betroffene dem Beschneider Einhalt geboten hat, als er den ersten Schmerz spürte.
Ohne Zweifel bestehen aber bei den Bulsa örtliche Varianten in der Art und Anzahl der Stammesnarben. Es kann allerdings hier noch keine umfassende Dokumentation gegeben werde, und für fast alle Zuschreibungen von Stammesnarben an bestimmte Klansektionen oder Ortschaften ließen sich gerade für die neuere Zeit genügend “Ausnahmen” finden {120}. Folgende Anordnungen von Stammesnarben kommen bei den Bulsa vor:

Anmerkungen zu den Abbildungen:
Fig. 1: in mehreren Ortschaften unbekannt; Wiaga: Frauen von Tandem Zuedema und Tandem-Kpalinsa.
Fig. 2: Sandema: Abilyeri, Nyansa, Balansa (z.T.), Suarinsa, Kori; Gbedema: Jagsa; Männer von Siniensi; Männer von Tandem-Zuedema und Tandem-Kpalinsa.
Fig. 3: Sandema: Balansa (z.T.), Fiisa (früher selten), Männer von Kalijiisa; – Frauen von Siniensi; Kadema: Bayansa (außer Frauen von Bayansa-Belesuk), Gadema, Buliba, Kpikpaluk, Männer von Zarik, Chansa, Yipala, Gomsa; Fumbisi (heute); Kanjaga; Gbedema (zum großen Teil); Uwasi (z.T.); Doninga (z.T. nicht in Kong); Wiesi (z.T.).
Fig. 4: Sandema: Frauen von Kalijiisa, teilweise bei Männern und Frauen von Fiisa, Balansa-Kambunsa; Kadema: Frauen von: Zarik, Chansa, Yipala, Gomsa, Bayansa-Belesuk; Uwasi (z.T.); Wiesi (z.T.); Doninga (z.T.); früher in Fumbisi außer Chiok. Männer und Frauen von Wiaga-Badomsa (s.o.)
Fig. 5: Wiaga: Männer von Tandem-Tankansa und Tandem-Zamsa; Gbedema (z.T.).
Fig. 6: Wiaga: Frauen von Tandem-Tankansa und Tandem-Zamsa.
Fig. 7: in Chuchuliga vorkommend (?), sonst unbekannt.
Fig. 8: in Gbedema vorkommend.
Fig. 9: in Gbedema vorkommend; früher auch in Doninga (heute sehr selten).
Fig. 10: Fumbisi: Chiok und Vayaasa (Inf. Victor Anako). Diese Narben (‟cat whiskers‟) gelten als typisch für die Sisaala.

Als einzige Sektion des Bulsa-Landes, in der es keine Stammesnarben gibt, wurde mir Uwasi-Wasik genannt. Die Bewohner dieser Sektion gelten als Fremdlinge; es sollen eingewanderte Dagomba sein.
Untersucht man die ältere ethnographische Literatur auf Aussagen über Bulsa-Stammesnarben, so findet man schon bei L.G. Binger [Endnote 3] eine Anmerkung über Bulsa-Skarifizierungen (S. 56) {121}:

Plus au sud et à l’ouest de Oual-Oualé habite la fraction des Tiansi ou Boulsi, qui se tatouent de trois façons differentes. Ils offrent cela de singulier, c’est que deux des tatouages ont la particularité suivante, que je n’avais pas remarquée: les yeux eux-mêmes sont environnés de six petites entailles [Endnote 3a].

Später (S. 409) folgen bei Binger noch vier Abbildungen mit den entsprechenden Bulsa-Narben. Leider sind diese frühen Quellen ebenso wie die Beschreibung R.S. Rastrals über Kanjaga-Narben [Endnote 4] für eine systematische Untersuchung nur von beschränktem Wert, da weder aus den Beschreibungen noch aus den Abbildungen hervorgeht, welche Narben nyaga-, wie-wie- (Schmucknarben) oder bia-kaasung-Narben (Einschnitte nach Fehlgeburten, die kurz nach der Geburt vorgenommen werden) sind. Dieses Dilemma zeigt sehr deutlich, dass eine phänomenologische Aufnahme von Stammesnarben wenig sinnvoll ist. Unbedingt sollten Fragen nach dem Alter der Narben, ihrem Zweck und ihren Benennungen in der Landessprache gestellt werden, da sonst nicht einmal die Formen von Narben verschiedenster Funktion herausgestellt werden können.
Unterscheidungen verschiedener Skarifizierungen ihrer Funktion nach wurden von C.H. Armitage in dem oben zitierten Werk bereits durchgeführt. Leider befinden sich unter dem reichhaltigen Material nur einige Anmerkungen und Skizzen über Bulsa-Narben. Auf S. 7 schreibt er über die von ihm als Kanjarga bezeichneten Bulsa:

The Kanjarga natives do not appear to have any distinctive mark of their own, but use those of the Dagomba and Mamprussi indiscriminately, with other facial marks of adornment.

Auf S. 23 der gleichen Abhandlung beschreibt Armitage jedoch zwei Abbildungen (Plate XVI) mit Stammesnarben von “Kanjarga natives”:

(Fig. B) A Kanjarga (Tchundemi) native. Three deep gashes – two parallel: one crossing them – on either cheek. The herring-bone pattern between eyes and ears are placed on the first surviving child.

Mit Tchundemi ist möglicherweise Chandem (= Tandem) gemeint. Ich {122} möchte vermuten, dass mehr als das Fischgrätenmuster die zu den eigentlichen Stammesnarben (wie Fig. 3 auf S. {119} dieser Arbeit) quer verlaufenden parallelen Narben den Träger als überlebendes Kind nach Fehlgeburten ausweisen. Als Anmerkung zu Fig. 9 der Abbildungstafel XVI schreibt Armitage:

A Kanjarga (Gbadamblisi) native. Three deep and wide cuts down either cheek from the eyebrows. Two heavy parallel cuts on right cheek; two crossed on left. These show that the wearer is not a full-blooded Kanjarga, but is under obligation to fight for the tribe…

Mit Gbadamblisi wird wohl Gbedem-Bili(n)sa [Gbedembilisi] gemeint sein. Die erwähnten drei Schnitte erinnern gerade in Armitages Abbildung (Fig. 9) sehr stark an die in meiner Abhandlung unter Fig. 10 (S. {129} dargestellten Narben. In beiden Fällen handelt es sich vielleicht um eingewanderte, aber heimisch gewordene fremde Gruppen.

b) Ausführung der Narbenbeschneidung
Das Beschneidungsalter liegt nicht fest, jedoch erhalten die meisten Bulsa-Kinder ihre Stammesnarben im Alter zwischen vier und acht Jahren [Endnote 4a]. Keineswegs dürfen einem jüngeren Kind Narben geschnitten werden, wenn der Vater seine Zustimmung verweigert. Hierüber weiß G. Achaw aus seiner Kindheit zu berichten. Als in einem Nachbarhaus einige Kinder ihre tribal marks erhielten, wollten einige Verwandte meinen damals etwa 10-12jährigen Informanten gleich mit behandeln. G. Achaw lief weinend nach Hause. Hätte man ihn wirklich behandelt, wäre es zum Streit zwischen den beiden Häusern gekommen, und man hätte kein Feuer mehr ausgetauscht. Etwas später versuchte eine Nachbarsfrau, den immer noch narbenlosen Jungen zum Scherz die nyaga-Narben beizubringen. Sie setzte das Messer an, und eine punktförmige Narbe ist heute noch sichtbar. Der Vater war hierüber sehr erzürnt, obwohl die Frau, die vorher noch nie eine Narbe geschnitten hatte, nicht ernstlich an die Ausführung gedacht hatte.
Ein anderer Informant ohne Stammesnarben berichtet, dass er auf das heiße Hausdach flüchtete, als der Beschneider kam, und keiner vermutete ihn dort {123} Die Motivation jüngerer Kinder, sich der Operation zu entziehen, ist meistens die Angst vor dem Messer; ästhetische, hygienische oder kulturelle Überlegungen, die bei älteren Kindern schon eher angestellt werden, spielen im Alter der Narbenbeschneidungen nur selten eine Rolle. Andererseits können auch die Befürworter von Skarifizierungen nur traditionalistische Gründe anführen: Nur mit nyaga-Zeichen ist man ein echter Bulo, es war schon immer so bei den Bulsa, und wer sich diesen Operationen entzieht, ist ein Feigling.
Es sind mir einige Fälle bekannt, dass eine Spiel- oder Hirtengruppe beschloss, sich gemeinsam die Stammesnarben schneiden zu lassen, mitunter weil sie von anderen Jungen oder Mädchen, die bereits Stammesnarben hatten, gehänselt wurden. Bedenken einzelner Gruppenmitglieder wurden durch die Mehrheit unterdrückt, und es schien nur sehr schwer möglich zu sein, sich als einzelner auszuschließen, wie das folgende Zitat aus der Lebensgeschichte eines jungen Mannes aus Sandema Tankunsa zeigt:

lt was one day (when) one of our group came and told us to go and have tribal marks. I didn’t like it, because I fear the blood. I didn’t like to see blood flowing from me. So I told them to stop until the next season, but they all refused und we went to the house where we will (would) be given the marks. We were all about eight boys. They started (with) the first boy, a straight and large mark on both cheeks. (After a) few seconds blood started flowing. I took my heels to escape, but they chased and brought me back. I was then the third boy, they gave me the mark.

Der 30jährige Augustine Akanbe aus Sandema-Balansa erinnerte sich noch gut an die Zeit, als er häufig den Bruder seiner Mutter besuchte, um sich dort in Kalijiisa mit einer Freundin zu treffen, die er später einmal heiraten wollte:

…on one day in the afternoon we were sitting under a tree talking about the tribal marks, and there came a man from Chana. The man was the cutter of the tribal marks. Then the girl called him to come. She said to him: “Look, here is a boy {124} without the marks. His parents have been asking him to do the marks and he would not agree because of fear.”
Then the man asked me: “ls it true?” And I said: “No!” The man then said to me: “Would you like to get it now?” I was not going to agree, but because of the girl’s presence there I thought: lf I don’t do it, she may think that it is really true that I fear the pain of the cutting. So I answered: “Yes!” So the man said to me: “Sit down and don’t fear. I will make it small, so you will not feel the pains”. So I sat down and he began to cut me. One week after the cutting on my face I said to the girl: “I will go to see my parents at Balansa and come back in two days’ time.” She agreed that I should go and come. I went to my father. When he saw me with the marks, he was very happy. Also my mother was happy, because they were asking me to do the cutting of the marks and I did not agree…

Anders als hier berichtet werden Stammeszeichen gewöhnlich auf Bestellung geschnitten. Der Beschneider, der oft auch Exzisionen und/oder Jungenbeschneidungen (circumcisio) durchführt, kommt in das Haus des Mannes, der ihn angefordert hat, und die Nachbarn, die auch Kinder entsprechenden Alters haben, nutzen die Gelegenheit aus und lassen auch ihren Söhnen und Töchtern die Narben beibringen. Geschnitten wird mit dem traditionellen Messer (gebik, Pl. gebsa), mit dem kleineren Rasiermesser (poning) oder mit einer modernen Rasierklinge. Wenn der Beschneider beides nicht bei sich hat, kann er auch einen Stein zerschlagen und mit einem Splitter die Wunden einritzen. Die Wunde wird sofort mit pulverisierter Holzkohle und Schibutter behandelt und darf drei Tage nicht gewaschen werden. Der Operateur bekommt seine Bezahlung gewöhnlich in Bargeld. Um 1960 betrug die Gebühr pro Kind etwa 4 Pesewas {125}.

3. NARBENSCHMUCK AUS ÄSTHETISCHEN ODER SPIELERISCHEN MOTIVEN

Die Abbildung zeigt die Vorder- und Rückseite derselben Figur mit zahlreichen Ziernarben (alt: Abb. 21 und 22). Sie wurde von einem Mädchen hergestellt.
Für viele Bulsa bilden die eigentlichen Stammesnarben (nyaga) nur einen unbedeutenden Teil der Narben, die sie sich bewusst im Laufe ihres Lebens zugelegt haben. Die meisten ihrer Körpenarben werden wohl aus rein ästhetischen Motiven entstanden sein.
Die oft in ihren Extremitäten nur grob ausmodellierten selbstangefertigten Tonpuppen (biik, meistens def. biika gebraucht; Pl. bisa) der Hirtenjungen weisen oft einen ausgeprägten Narbenschmuck auf, der offenlegt, dass fast alle Körperteile mit Ziernarben (wie-wie, Sing. wiri, geometrisches Ornament) versehen werden können. Eine biika befindet sich in meinem Besitz (vgl. Abb. 21/22), deren ganzer Rücken, die Beine und die Schläfengegenden mit vielen kleinen, senkrechten Einschnitten versehen sind. Bei lebenden Personen kommen allerdings Rücken- und Beinnarben im Vergleich zu Armnarben seltener vor. Eine andere biika (Abb. 24) trägt senkrechte und waagerechte Narben unter dem Hals und am Busenansatz. Diese Narben scheinen auch bei lebenden Personen häufig vorzukommen.

Abb.: Die Tonfigur wurde von einem achtjährigem Jungen hergestellt. Neben den Ziernarben trägt sie auch Stammesnarben und das Muster einer Nabelbeschneidung (alt: Abb. 24).

Am häufigsten fallen etwa dem Marktbesucher die zahlreichen Narbenornamente der Frauen an den Oberarmen auf, die fast immer durch viele kleine Einschnitte entstanden sind. Die folgenden Ornamentalformen sind mir häufiger begegnet:

Abb.: Oberarmnarben

Sind diese wie-wie-Narben auch offensichtlich bei Frauen häufiger zu sehen, so können sie doch auch von Männern getragen werden. Mein Informant Ayarik besitzt zwei Reihen senkrechter kleiner Narben (ähnlich Fig. 1) am rechten Oberarm. Diese Narben hat ihm eine ehemalige {126} Freundin mit einem Steinsplitter geschnitten, als Ayarik noch zur Primary School ging. Anschließend rieb das Mädchen Holzkohlepulver in die Wunde. Die zwei Reihen senkrechter Einschnitte entsprachen gerade dem Geschmack der Freundin, und sie haben keinerlei symbolische Bedeutung. Diese Art von Narben schneidet man sich nicht selbst, sondern sie können nur von einem Mädchen oder einer Frau geschnitten werden. Ein Mädchen wird sie aber nur einem Jungen schneiden, wenn eine große Zuneigung besteht, und nur falls der Junge gleiche Gefühle für das Mädchen empfindet, wird er ihr die Erlaubnis geben. Manche Jugendliche reiben sich auch eine bestimmte Medizin in die Einschnitte, wodurch man sein kpalem pagrem (eine kämpferische Kraft, durch die man seine Rivalen ausschalten kann, vgl. Kap. V,1, S. {145}) erhöhen kann. Aber auch ohne Medizin können die Skarifizierungen Ansehen und Erfolg bei Frauen verschaffen, sind sie doch ein Zeichen für die Tapferkeit des Trägers.
Hat eine Junge mit Armnarben später eine andere Freundin, so kann er sich weitere Narben schneiden lassen. Allerdings wird diese nicht etwa die Reihen in ähnlicher Form fortsetzen, da so “die Erinnerungen an die zwei Mädchen im Gedächtnis vermischt wurden” (Ayarik). Nach Möglichkeit wird die zweite Freundin ihre Narbenritzungen am anderen Arm vornehmen.
Mädchen können sich auch gegenseitig Narbenschmuck beibringen, und dies scheint der Normalfall zu sein. Auch wenn dieser Dienst nur von der einen Seite ausgeführt wird, kann doch nie eine Bezahlung gefordert werden.
Von den oben beschriebenen länglichen Einritzungen, die nur von Frauen oder Mädchen angebracht werden, sind die runden Narben zu unterscheiden, die sich Hirtenjungen selbst oder gegenseitig beibringen. Hierzu benutzen sie den ätzenden Saft einer bestimmten Blume (tolum, Pl. tolunta), der punktförmig in Reihen auf dem Oberarm aufgetragen wird. Am nächsten Morgen ist die benetzte Hautstelle angeschwollen und hinterlässt nach der Ausheilung eine kreisförmige Narbe von etwa 0,5 bis 1,0 cm Durchmesser. Andere Hirten knipsen sich auch mit dem Fingernagel Hautstückchen aus dem Oberarm, um ähnliche Narben zu erhalten. Die Eltern der Hirten haben gegen diese Praktiken nichts einzuwenden {127}.

4. NABELBESCHNEIDUNG (SIUK – MOBKA)
[Endnote 4b]

Ende September 1973 fragte mich Ayarik, der zu jener Zeit am Krankenhaus der Universität Cape Coast angestellt war, ob ich mir die Nabelbeschneidung seines drei Monate alten Sohnes ansehen wolle. Dieser habe seit längerer Zeit Schmerzen in der Nabelgegend, alle Mittel des Krankenhauses hätten nichts geholfen.
Die Operation ist schon für 6 Uhr morgens geplant, da der Operateur vorher nichts essen und trinken darf und auch seinen Mund vorher nicht ausspülen darf. Der Beschneider ist ein etwa 40jähriger Bulo aus Cape Coast – Pedu, der kein Englisch spricht. Die Operation wird im kleinen Vorraum von Ayariks Einzimmerwohnung ausgeführt, so dass durch die geöffnete Haustür genügend Licht einfällt. Auf einer Untertasse liegt ein schwarzes Pulver, das durch Verbrennen von bestimmten Kräutern und durch Verreiben der Asche im Mörser hergestellt wurde. Auf einem anderen Teller befindet sich eine schwarze Salbe, die aus dem gleichen Pulver und Schibutter hergestellt wurde [Endnote 5].
Als die Beschneidung begann, verließ die Mutter den Raum, da sie die Operation nicht mit ansehen konnte; einige Nachbarsfrauen und selbst kleine Kinder schauten aber von der Tür aus zu. Der Kleine saß auf dem Schoß der Vaters und wurde von diesem und von mir an Händen und Beinen festgehalten. Seine Hüftschnur mit schwarzen Perlen behielt er um.
Der Beschneider nahm nun eine neue Rasierklinge und schnitt um den Nabel etwa zehn strahlenförmige ungefähr 5 cm lange Einschnitte. Das Kind behielt bei den ersten Einschnitten sein Lächeln, dann verzog sich sein Gesicht zu einem leisen, jammernden Weinen. Er schien noch keine großen Schmerzen zu haben, aus den Wunden trat nur wenig Blut. Nun nahm der Beschneider das schwarze Pulver, verrieb es mit der Hand über alle Einschnitte und strich auch die schwarze Salbe über die Wunden, so dass sich Blut, Pulver und Salbe vermischten. Jetzt schriet das Kind lauter und urinierte. Die Operation, die nur einige Minuten gedauert hatte, war vorüber. Auch die Mutter kam zurück und wollte ihr Kind an die Brust legen, aber der Kleine verweigerte die Brust. Der Beschneider {128} erhielt seine Bezahlung von 60 Pesewas (ca. 1,50 DM) und kehrte in sein Dorf zurück.
Die Wunden waren nach einigen Wochen völlig verheilt, und Ayarik behauptete, dass die Schmerzen des Sohnes, die Anlass der Operation waren, nicht wieder aufgetreten seien.
Als ich am 20. März 1989 in Angaung Yeri (Wiaga-Sinyangsa-Kubelinsa) vor dem Gehöft Totengräber Rituale beobachtete und dokumentierte, rief man mich in das Gehöft, um mir die Beobachtung einer Nabelbeschneidung zu ermöglichen. Ein etwa zweijähriges Mädchen, das noch keinen Buli Namen hatte, lag bereits auf den Knien ihrer auf dem Boden eines Innenhofes sitzenden Mutter. Die ältere Beschneidering zerrieb auf einem Hackenblatt eine schwarze, verkohlte Medizin. Mit einem Stückchen dieser Holzkohle zeichnete sie auf dem Bauch des Mädchens die vorgesehenen Schnitte. Ähnlich wie in Cape Coast verliefen die etwa 5-10 cm langen schwarzen Striche vom Nabel ausgehend strahlenförmig über den Bauch (135). Während zwei Frauen das Kind festhielten, ritzte die Beschneiderin mit einer Rasierklinge das Muster auf die vorgezeichneten Striche. Es trat nur wenig Blut aus. Nach der Operation hörte das Kind auf zu weinen, um dann wieder lauter zu schreien, als die schwarze Medizin in die Wunden gerieben wurde. Sofort zog man ihr ohne die Wunden zu verbinden ein offenes Röckchen über und gleich danach (für ein Foto!) ihre beste Kleidung.

Anmerkungen zu den Fotos:

Fig. 1: Die Beschneiderin pulverisiert die verkohlte Medizin auf einem Hackenblatt.
Fig. 2 und 3: Auf dem Bauch des kleinen Mädchens hat sie mit Holzkohle die Nabelschnitte vorgezeichnet.
Fig. 4 und 5: Mit einer Rasierklinge ritzt sie die Haut des Mädchens entlang der vorgezeichneten Kohlenstriche.
Fig. 6 und 7: In die blutigen Schnitte reibt die Beschneiderin die schwarze Medizin.
Fig. 8 und 9: Mutter und Tochter nach der Nabelbeschneidung.

In Beschreibungen von Nabelbeschneidungen durch andere Informanten hört ich in Badomsa stets, dass die Schnitte mit einem Quarz-Splitter (chising-chiin) ausgeführt werden müssen, aber in beiden beobachteten Fällen wurde ein lose Rasierklinge benutzt. Einig waren sich alle Informanten, dass die Schnitte nicht einer Körperverschönerung dienen sollen, sondern nur aus rein medizinischen Gründen nach einer Krankheit des Kindes ausgeführt werden.
Während in dem oben beschriebenen Fällen die Nabelschnitte in unregelmäßiger strahlenförmiger Anordnung angebracht wurden (Fig. 1), kommen auch regelmäßigere Formen bei den Bulsa vor (Fig. 2 und 3).

Abb.: Nabelschnitte

Angeblich finden die verschiedenen Formen nur nach dem Geschmack des Beschneiders und der Eltern Anwendung.
In Sandema-Kalijiisa-Yongsa-Abiako-Yeri (vier Gehöfte) sind Nabelschnitte verboten, da die Vorfahren dieser Häuser nie ihren Kindern den Nabel beschnitten hätten. Haben die Kinder dieser Häuser Schmerzen in der Nabelgegend, so kommt ein Nachbar (in dessen Haus selbst Nabel beschnitten werden) und hält den Nabel des Kindes in eine Kalebasse mit Wasser und einer bestimmten Medizin. Diese Behandlung soll die gleiche Heilwirkung haben wie die Nabelbeschneidung.

5. SKARIFIZIERUNGEN NACH FEHLGEBURTEN
Hatte eine Mutter häufiger Fehlgeburten (bia-kaasika oder bia-kaasung, Pl. bia-kaasuta) oder starben ihr Kinder unmittelbar nach der Geburt, so werden bei dem nächsten lebend geborenen Kind kurz nach der Geburt Einschnitte in beiden Wangen und mitunter auch an anderen Körperteilen {129} vorgenommen. Die Formen dieser Einschnitte, ihre Anzahl und der Ort ihrer Anbringung variieren örtlich so stark und scheinen selbst innerhalb einer Sektion oft so unterschiedlich zu sein, dass hier nur einige von vielen Möglichkeiten aufgezeigt werden können. Als Gesichtsnarben können folgende Formen auftreten {130}:

Anmerkungen zu den Abbildungen:

Fig. 1: Diese Narbenanordnung gilt gerade für meine Informanten aus Sandema und Kadema als die Standardausführung für überlebende männlich und weibliche Kinder nach Fehlgeburten.
Fig. 2: Es wurde mir versichert, dass diese Anordnung von je vier Narben nur bei Mädchen üblich ist, da die Zahl vier dem weiblichen Prinzip entspricht, und ich selbst habe sie auch in Sandema nur bei Mädchen (z.B. in Kalijiisa-Yongsa) gesehen.
Fig. 3: Wie zu erwarten ist, kommt diese Form von je drei Narben nur bei Jungen zur Anwendung. Ein Informant aus Kadema behauptet allerdings, dass diese Anordnung ebenso wie die der Fig. 4 und 5 in seiner Sektion nur als wie-wie- Narben geschnitten werden.
Fig. 4 und 5: Diese Formen werden z.B. männlichen (Fig. 4) und weiblichen (Fig. 5) Kindern in Teilen Wiagas geschnitten.
Fig. 6: Diese Anordnung, oft in Verbindung mit anderen Narben (s.u.), wird besonders Wiesi zugeschrieben (3 Narben: männliches Kind, 4 Narben: weibliches Kind),
Fig. 7 und 7a: Drei (oder zwei oder vier) schräggestellte kleine Narben können etwa in Kanjaga einem überlebenden Kind gegeben werden, Gerade in dieser Lage werden die bia-kaasung-Narben gewöhnlich von den Stammesnarben durchkreuzt, wie es Fig. 7a zeigt.
Fig. 8-10: Die in den Figuren 8-10 dargestellten Formen sind mir nicht selbst begegnet, sondern sollen nach Angaben von Edmund Acham und Awuudum (kambon-naab von Doninga-Doarinsa) in Doninga als bia-kaasung-Narben unter anderen geschnitten werden.
Die von den Mundwinkeln ausgehenden Narben (Fig. 6, 7, 9) können vielleicht als von den Sisaala beeinflusst angesehen werden.

Neben den abgebildeten Einschnitten auf den Wangen können noch andere Körperteile mit Narben versehen werden, um vorausgehende Fehlgeburten anzuzeigen. Für alle Formen (Fig. 1-10) können zusätzlich kleine Narben an den Schläfen angebracht werden, oft drei bei Jungen, vier bei Mädchen.
Eine Informantin berichtet, dass in Gbedema als bia-kaasung-Narben die Formen + und x oder auch Phantasieformen beliebt sind. Wenn Eltern nicht wollen, dass das Gesicht ihres Kindes durch Narben entstellt wird, bringt man diese an den Füßen oder anderen Körperstellen an.
Eine Frau aus dem Hause des Häuptlings von Wiaga (Yisobsa) hat auf jeder Wange vier senkrechte, sehr dünne Einschnittsnarben (wie Fig. 5), an beiden Schläfen noch einmal je vier kleine Einschnitte, ebenso {131} je vier Narben auf jedem Oberarm und an den Vorderseiten der Oberschenkel. Andere Informanten halten den Brauch, auch Oberarme und Oberschenkel mit solchen Narben zu versehen, als typisch für Wiesi.
Alle bia-kaasung-Narben haben den gleichen Zweck, nämlich den bösen Geist, der die vorher geborenen Kinder geholt hat, zu täuschen. Dieser Geist kann nicht in eine Kategorie der bekannten Geister oder Gespenster (chichiruk bzw. kikiruk, jadok, kok usw.) eingereiht werden, man nennt ihn daher einfach ja-biok (böse Sache, böses Tier). Dieser Geist möchte oft gerade einer bestimmten Familie schaden, indem er fortgesetzt Kinder bei der Geburt holt, d.h. sterben lässt. Um ihn zu täuschen, bringt man dem Kleinkind gleich nach der Geburt Narben bei, die es nicht mehr als Kind der eigenen Familie erscheinen lassen und gibt ihm den Namen eines Sklaven oder Fremdlings (vgl. Kap. III,B,3i, S. {105f.}). Dass auch bei den Bulsa einmal ein Zusammenhang zwischen dem gewählten Namen und einer besonderen Narbenform bestand, d.h. dass ein Amoak die Stammesnarben der Mossi erhielt, ein Ayomo die besonderen Narben der Sklaven, ist nicht auszuschließen, wenn auch meine Informanten nichts über solche Zusammenhänge wussten und Vergleiche der heutigen bia-kaasung-Narben mit den Stammesnarben der Mossi, Haussa, Kantussi usw. zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt haben.
In anderen ethnischen Gruppen Westafrikas ist das Bewusstsein eines solchen Zusammenhangs mitunter stärker erhalten. R.S. Rattray schreibt in seinem Werk Religion and Art in Ashanti (S. 65) über Praktiken nach Fehlgeburten:

Such losses are looked upon as caused by malignant spiritual influences. To counteract, or rather, to deceive these, the parents resort to various devices. One of these is to suffix the name ‘donka’ (slave) to the natal day name … The same idea gives us ‘Moshi’ added to the ordinary name. The Moshi are the tribe in the north from whom the Ashanti formerly drew many slaves. The idea may be carried further, for the infant may actually be given the tribal markings of one of the slave class (the Ashanti ordinarily never tattoo)… {132}

Die Ähnlichkeit zu den Praktiken und Motivationen der Bulsa ist erstaunlich, zumal die Kultur der Aschanti in anderer Beziehung nicht so verwandt mit der der Bulsa ist und von Anhängern der Kulturkreislehre einem anderen Kulturkreis zugeordnet wird [Endnote 6].
Auch in Nordghana ist bei anderen ethnischen Gruppen das Bewusstsein um Zusammenhänge zwischen fremden Stammesnamen und -narben mitunter noch gut erhalten. E. Haaf [Endnote 7] schreibt in seinem Werk über die Kusasi:

…Ein solches Kind wird AYAREGA [Endnote 8], Sklave, genannt und erhält sogar die Markierung eines Sklaven, die aus zwei feinen bogenförmigen Gesichtsschnitten besteht. Einer solch konsequent durchgeführten Täuschung unterliegen selbst die Geister…

Auch ein Kusasi Student aus Legon berichtet, dass ein Kind nach längerer Kinderlosigkeit kurzfristig einem Fremden übergeben wird und in dessen Haus auch die Stammesnarben des Fremden (als bia-kaasung-Narben) erhält.

6. AKAN – NARBEN
Wenn auch Stammesnarben im Norden Ghanas schwerlich zur Stammesunterscheidung herangezogen werden können, so kann man doch in einer südlichen Stadt Personen aus dem Norden Ghanas an ihren langen, von der Nasenwurzel quer über die Backe verlaufenden Narben leicht erkennen. Die südlichen Völker schneiden nur kleine 1 – 2 cm lange, meistens waagerechte Einschnitte auf einer Wange, ursprünglich nur aus medizinischen Gründen. Diese Akan-Narben werden in letzter Zeit bei den jungen Bulsa immer beliebter. Früher brachten junge Leute, die im Süden geboren oder dort aufgewachsen waren, diese Narben als sichtbares Zeichen ihres “Kumasi-Aufenthaltes” mit in den Norden. Heute ist es schon möglich, sich solche Akan-Narben im Bulsaland schneiden zu lassen, denn fast in jedem größeren Ort gibt es jemand, der sich auf das Schneiden dieser Narben versteht. Diese Leute, die selbst gewöhnlich längere Zeit im Süden gelebt haben, schneiden meistens keine Bulsa-Stammeszeichen und können keine Sexualbeschneidungen ausführen. Ein älterer Mann aus Kalijiisa-Yongsa, der gewöhnlich in Kumasi wohnt, schneidet in seiner Urlaubszeit {133} in Yongsa Akan-Narben für 20 Pesewas (ca. 0,50 DM) pro Person. In einer Urlaubszeit von einigen Wochen soll er es so auf fast 20 Cedis gebracht haben, d.h. er hat fast 100 Akan-Narben geschnitten.
Die Hauptmotive junger Bulsa, sich diese stammesfremden Narben schneiden zu lassen, sind modisch-ästhetischer Natur. Diese Narben sind modern, man findet sie schön und konnte bis vor kurzem gleichzeitig seine Süderfahrungen zur Schau stellen. Daneben gibt es auch einen magisch-medizinischen Grund, denn in die frischen Einschnitte wird eine bestimmte Medizin eingerieben. Deshalb werden sie oft kleinen Kindern schon einige Monate nach der Geburt geschnitten, in einem bestimmten Fall gleich mit der segrika geschnitten.
Im Hause Achaw-Yeri in Kalijiisa wurde einem knapp vier Monate alten Mädchen ein solcher Einschnitt beigebracht. Tage danach musste die junge Mutter nach jedem Kinderbad ihrer Tochter ein schwarzes Pulver in die Wunde reiben, bis diese verheilt war. Dieses Einreiben muss, der Reaktion der Kinder nach zu beurteilen, recht schmerzhaft sein.
Ein junger Mann aus Sandema-Longsa, der in Sekondi geboren wurde, berichtet in seiner Lebensgeschichte, wie er zu seinen Akan-Narben kam:

At that time in the twin city of Sekondi-Takoradi there was a certain type of disease among infants, called Amuna in the Akan language. This disease attacked the joints so that you felt it like a shock from electricity. My mum was carrying me on her back on hawking business when I collapsed. An onlooker told her to tie the cloth well for I would fall. My mum put away her wares and set about tying the cloth when she saw I was stiff and breathless. lt was five hours in hell for such a young woman who had taken seed for the first time. She started wailing and sprawling on the ground calling names of our ancestors to come to her aid. A middle-aged Fanti woman told her: “Mammy, why do you weep when your child is not dead. I shall endeavour to help you. Get up, collect your wares and follow me.” Thus this woman took me into her arms to a house near the shore. Pepper and ginger and some leaves were mixed and squeezed into my nose and ears. After an hour {134} I came around crying. I was fed on the breast and my mum went on her knees thanking the old lady.
The second episode of this same disease attacked me on Easter Day, when my Dad and Mum were having their supper. The whole house was thrown into confusion, but this time there was a stronger remedy than the first. I was rushed to an old lady who gave me the same treatment as the middle-aged woman, but this time had to gave me a cut on my left cheek. Black powder was rubbed into it. Thus I came back to life…

Viele Akan glauben, dass diese Krämpfe kleiner Kinder durch einen bestimmten Vogel verursacht werden. Es dürfte sich jedoch um besonders bei Kindern auftretenden Symptome von Gehirnmalaria handeln. Nach E. Haaf [Endnote 9] glauben auch die Kusasi, dass die Krämpfe der Gehirnmalaria “durch einen Vogel, NIMBIA, sehr wahrscheinlich Caprimulgus nigriscapularis (schwarz-schultriger Ziegenmelker), verursacht sind.”
Auch die Bulsa glauben, dass die Krämpfe durch einen Vogel (nuim), der auch nkonya (Akan?) genannt wird, verursacht werden und nennen daher auch die Krankheit nuim. Die Medizin, eine ölige Substanz, die auch mitunter nuim genannt wird, gewinnt man durch Verkohlen der Knochen und des Fleisches dieses Vogels unter Zusatz von Schibutter.

7. EXKURS: TATAUIERUNG
Tatauierungen werden von den Bulsa als eine neue Art des Körperschmucks angesehen, die es früher nicht gegeben hat. Trotzdem machen Eltern – anders als bei den jüngst eingeführten Jungenbeschneidungen – gewöhnlich keine Einwände, wenn ihre Kinder sich tatauieren lassen. Auch bei älteren Leuten sieht man mitunter Tatauierungen, und ich habe gehört, dass Eltern ihre Kinder in einem Alter, in dem sie selbst noch keine unbeeinflusste Entscheidung fällen konnten, tatauieren ließen. Diese positive Einstellung zu einer Einrichtung, die den alten Traditionen fremd ist, kann vielleicht dadurch erklärt werden, dass Tatauierungen in der Technik der Anbringung und in ihrer Funktion als Körperschmuck große Ähnlichkeiten mit den wie-wie-Narben haben {135}.
Tatauierungen in ‟primitiven Kulturen‟ gelten nach Literaturerhebungen von S. Wohlrab u.a. (2007: 1346) als Statussymbol. Sie dienen der ‟social stigmatization‟ und geben Auskunft über die Klanzugehörigkeit der Träger. Diese Funktionen treffen für die Bulsa nicht zu. Hier dienen sie einfach der Körperverschönerung und sollen die Aufmerksamkeit anderer auf sich ziehen (vgl. Wohlrab 2007: 1343), was besonders bei Werbungsbemühungen wichtig ist. Außerdem bezeugen sie, dass der Träger oder die Trägerin ein gewisses Maß an Schmerzen aushalten kann.
Wenn auch ein Teil der heute vorhandenen Tatauierungen im Süden oder sogar im Ausland erworben wurden (ich denke hier besonders an die ausgedienten afrikanischen Soldaten der britischen Armee), so besteht jetzt die Möglichkeit, sich im Bulsa-Land tatauieren zu lassen. Auf dem Markt von Sandema hat ein Tatauierer einen kleinen Stand, in dem er auch seine Muster zur Schau stellt: stilisierte Skorpione und Eidechsen, Armbanduhren, geometrische Muster und Ornamente.

(Inf. Gbedema) Auch Namen des Freundes oder der Freundin in großen Druckbuchstaben sind beliebt. In einem bekannten Fall ließ sich eine verheiratete Frau den Namen ihres (pok-) nong [Endnote 9a] auf die Brust tatauieren. Eins der häufigsten Tatauierungsmuster, das man an Menschen sieht, besteht jedoch aus einfachen, senkrechten blauen Strichen unter beiden Augen. Nach einer Information aus Gbedema gehört dort das nebenstehend abgebildete Muster zu den am häufigsten angewandten.

Tatauierungen haben einen rein ästhetischen Zweck und sind frei von magischen oder medizinischen Nebenfunktionen. Auch bei den anderen Formen tritt wohl die magische Bedeutung ganz hinter die ästhetische zurück, wenn man auch schon einmal halb im Scherz hört, dass ein tatauierter Skorpion vor Skorpionbissen schützt.
Die Tatauierungen selbst werden unter den Augen vieler neugieriger Zuschauer auf dem Markt unter freiem Himmel vorgenommen [Endnote 9b]. Der Tatauierer zeichnet das Muster, z.B. einen Skorpion, mit schwarzer, flüssiger Tinte auf die vorgesehene Körperstelle [Endnote 9c]. Dann sticht er mit einem kleinen Messer einige Millimeter tief in die mit Tinte bemalten Hautstellen, so dass die Farbe sofort in die Wunden fließen kann. Zum Schluss wird die Farbe in die vielen kleinen Wunden eingerieben und dann abgerieben. Blut ist nie zu sehen. Gerade Frauen können bei dieser Prozedur Schmerzäußerungen, die vom Gelächter der Zuschauer begleitet werden, nicht ganz unterdrücken. 1974 bezahlte man hierfür 30 Pesewas und zwar vor der Operation, da es vorkommt, dass jemand vor der vollständigen Durchführung davonläuft.
In neuerer Zeit werden Tatauierungen durch Kugelschreiberzeichnungen, vor allem von Kindern und Hirten, gerne imitiert {136}.

8. EXKURS: KÖRPERBEMALUNG
Während Tatauierungen fast ausschließlich zum säkularen Lebensbereich gehören, fallen Körperbemalungen mit Erdfarben wohl ausnahmslos in den rituellen Bereich. Besonders bei Totengedenkfeiern spielen sie eine große Rolle. Verwandte des Verstorbenen malen (lagsi daluk) sich in roter Erdfarbe fingerbreite Linien, die sehr stark an die Stammesnarben erinnern, ins Gesicht. Nahe Verwandte, besonders Kinder des Verstorbenen, erhalten eine flächenhafte Körperbemalung mit roter Erdfarbe. Bedeutung und Funktion dieser Bemalungen sollen in dem Kapitel ‟Tod, Bestattung und Totenfeiern‟ näher untersucht werden.
Auch in anderen Lebensbereichen spielen Körperbemalungen eine Rolle. Ayarik aus Tandem spielte einmal als Kind in einem Teich, und ein älterer Junge versuchte am Ufer des Teiches, die anderen tauchenden Kinder mit einem spitzen Stock unter Wasser zu treffen. Als Ayarik auftauchte, warf ihm der ältere Junge den “Speer” in den Hals und Ayarik wurde schwerverletzt in das Krankenhaus von Navrongo gebracht. Vorher jedoch malte man ihm mit roter Erdfarbe Zeichen in der Art der Stammesnarben auf die linke Backe. Ebenso verfuhr man bei seinem Vater, seiner Mutter und all seinen Geschwistern.
Auch wenn in einer Jagdgesellschaft jemand aus Versehen von seinem eigenen Jagdgenossen angeschossen wird, gibt man dem Verletzten schon im Busch die rote Gesichtsbemalung. Zu Hause angekommen, werden auch dessen Eltern und Geschwister sich einen roten Strich auf die linke Backe malen (Inf. Ayarik).
Farben können auch schützen. Nach bestimmten Erdschrein-Opfern (z.B. bei Verdacht von Hexerei) wird nicht nur Erde dieses Heiligtums von einigen oder allen Teilnehmern gegessen. Die Veranlasser des Opfers können auf eigenen Wunsch oder auf Anordnung eines Wahrsagers (baano) mit Erde vom tanggbain an bestimmten Körperstellen bemalt werden. Für das tanggbain Pung Muning in Wiaga-Badomsa habe ich das Ritual des Anmalens (lagsika) beschrieben (Kröger 2017: 21):

Körperbemalung auf Pung Muning und in Longsa

The members of the donor group enter the inner stone circle [of the tanggbain] one by one, and the sacrificer paints (lagsi) red lines or patches of tanggbain-earth on their bodies – on the forehead, the chest, both elbows, the back, the knees and sometimes on the back of each foot as well.  The earth colour should remain on the body at least until the evening bath. It is a blessing for a painted person to also spend the following night with the body colour on…

After another tanggbain-sacrifice to Pung Muning, I saw that a young man, the only one of his donor-group, refused the paint because he feared that he would be exposed to particular punishments by the tanggbain.

In Wiaga-Longsa the teng-nyono [earth-priest] forbade me to wash the paintwork in a river after I had been painted with the black mud of the river tanggbain Kunjiin. In Longsa the mud had been applied only to my chest, back and forehead.

Das Daluk-tanggbain in Wiaga-Longs liefert außerdem noch rote Lateriterde für Benutzer aus weiten Teilen des Bulsalandes, die sie nicht nur für Körperbemalungen, sondern auch für den roten Überzug (Engobe) von Keramikgefäßen (vor dem Brennen) sowie für Bemalungen von Trommeln verwenden. In allen Fällen soll das Daluk-tanggbain durch seine rote Erde eine Schutzfunktion ausüben.

9. EINSTELLUNG DER SCHÜLER UND SCHÜLERINNEN ZU SKARIFIZIERUNGEN UND TATAUIERUNGEN
Manche Einwirkungen der traditionellen Gesellschaft und Religion auf den jungen Menschen kann dieser nach einer geistigen und seelischen Umstimmung durch die Schule wieder mehr oder weniger rückgängig {137} machen. Ein Bulsa-Name kann durch einen christlichen ersetzt werden, und ein wen-bogluk (siehe unten) kann zerstört werden. Bei anderen Einwirkungen und Riten kann der Herangewachsene selbst entscheiden, unter welchen Zeremonien er in einen neuen Lebensabschnitt treten will, wie es z.B. bei der Eheschließung der Fall ist.
Die Stammeszeichen werden den Kindern gewöhnlich in einem Alter geschnitten, in dem sie sich noch nicht klar für eine Schülerlaufbahn und ein Leben im Süden Ghanas einerseits oder für das Leben in einem Bulsa-Gehöft andererseits entschieden haben. Da die Folgen der Skarifizierungen nicht oder nur unvollkommen später beseitigt werden können, ist die Reue und Scham, große Bulsa-Stammesnarben zu besitzen, bei manchen Schülern und Schülerinnen groß. Zwei Schülerinnen der Klasse 4 einer Sandema Middle School mit überdurchschnittlichen Schulleistungen, von denen eine zur Secondary School gehen und die andere Krankenschwester werden wollte, gaben ihre Abscheu über ihre eigenen tribal marks und ihre Tatauierungen unter den Augen offen zum Ausdruck. Ihre Eltern ließen beides anbringen und zwar angeblich ohne jeden Zweck, just for fun. Wenn die beiden Mädchen zum Süden kommen, wollen sie sich nicht nur Perücken und eine Seife kaufen, die die Gesichtshaut heller macht, sondern sich auch Tatauierungen und Narben so weit wie möglich entfernen lassen. Sie behaupten, dass es im Süden dafür Mittel gibt.
Die Abneigung gegen die nördlichen Stammesnarben bei Bulsa Schülern und Schülerinnen mag in starkem Maße von dem Wissen motiviert sein, dass Europäer und Akan die großen Narben als hässlich und barbarisch empfinden. Ein junger Mann sagte, dass er sich schämen würde, mit großen Stammesnarben nach Europa zu fahren. Er wusste zu berichten, dass einer seiner Freunde mit langen, breiten Stammesnarben in Europa gefragt wurde, ob er in Afrika von einem Löwen angefallen wurde.
Einige Bulsa im Süden Ghanas betrachten ihre Stammesnarben jedoch wieder als echtes Stammesemblem (… because I want to make people know that I am a Bulsa), wenn auch in Wirklichkeit die Bulsa nicht durch eigene Stammesnarben von anderen nördlichen Stämmen unterschieden werden können. Andere, meistens männliche Bulsa im Süden lehnen “tribal marks” nicht grundsätzlich ab, sondern nehmen {138} nur gegen zu lange oder zu breite Narben Stellung. Ein junger Mann aus Kadema erinnert sich in seiner Lebensgeschichte:

At that time I understood a tribal mark as decoration of the face. So I was happy to have it. Anyway since it is a tribal thing it ist not bad to have it, only the marks are too long and big that I don’t like them.

In die Richtung der letzten Aussage geht auch die große Abneigung gegen Doppelnarben auf jeder Backe, und selbst Analphabeten ziehen es oft vor, sich nur eine einzige Narbe auf jeder Backe schneiden zu lassen oder diese vereinfachte Form ihren Kindern zu geben, auch wenn die Doppelform in ihrer Sektion üblich war und sich die Träger den Vorwurf der Feigheit gefallen lassen müssen.
Die Südvölker Ghanas halten die langen Narben der nördlichen Stämme als ein Zeichen von Rückständigkeit, und sie gelten gemeinhin als hässlich. In einem kitschigen Liebesroman [Endnote 10] in drei Teilen, der laut Umfrage (1973-74) zu den beliebtesten Freizeitlektüren der Bulsa-Mittelschüler (-innen) gehört, wird berichtet, wie ein junger Akan nach einer Mordverdächtigung versucht, in Nordghana bei den Mamprussi unter einem falschen Namen unterzutauchen, und auf eigenem Wunsch lässt er sich auch multi-tribal marks schneiden, um so besser anonym bleiben zu können. Diese marks werden von dem Autor E.K. Mickson – er ist Journalist der Zeitschrift Ghana Pictorial – fast immer mit abwertenden Attributen bedacht, wie die folgenden Beispiele zeigen [Endnote 11]:

(S.23) But, perhaps, it was because he felt ashamed that somebody who knew him previously might now see him with humiliating tribal marks.
(S.35) He was a Northerner with wild tribal marks …
(S.67) Otherwise, how would I, a pure Akan, have come by these unrelated, strange and humiliating tribal marks … ?”
(S.69) … living in disguise under these indelible tribal marks…

Obwohl viele Schüler und Schulentlassene, vor allem wenn sie Kontakte zum Süden haben, nördliche Narbenschnitte ablehnen, gibt es {139} doch einen Grund, der sie selbst zum Veranlasser von Bulsa-Stammesnarben werden lassen kann. Mein Mitarbeiter G. Achaw, Krankenpfleger in Cape Coast, der sich stets als heftiger Gegner von Exzision, Zirkumzision und Nabelschnitten erwiesen und sich schon als kleiner Junge mit Erfolg gegen tribal marks gewehrt hatte (siehe oben), gab überraschenderweise zu, dass er seinen Kindern schon kurz nach der Geburt die Bulsa-Stammeszeichen schneiden lassen würde, falls er ein Akan-Mädchen heiratete. Hier wird die Stammesnarbe ein Mittel im Kampf um die Kinder zwischen einem Mann aus einer patrilinearen und einer Frau aus einer matrilinearen Gesellschaft. Wie viele andere Northerners befürchtet der Informant, dass die Frau bei einem Streit mit den Kindern davonlaufen könnte, um sie für ihre Linie zu gewinnen, zu der sie nach Auffassung der matrilinearen Akan-Völker auch gehören. Hier erhalten die Stammeszeichen wieder eine Funktion, wie sie sie vor langer Zeit vielleicht schon einmal hatten, nämlich die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stamm zu dokumentieren und dadurch die Entfremdung eines Menschen von seinem Stamm zumindest zu erschweren.
Die Einstellung der Schüler und Schulabsolventen zu den Bulsa Gesichtsnarben kann nicht ohne weiteres auf andere Skarifizierungen übertragen werden. Südliche kleine Gesichtsnarben findet man schön und modern. Nabelschnitte, die bei den voll bekleideten Schülern und Schülerinnen nur noch selten der Öffentlichkeit sichtbar werden, finden oft eine rein medizinische Erklärung. Ich habe sie in Sandema bei Schülern und Schülerinnen gesehen, die sonst keinerlei Narben im Gesicht trugen. Der oben beschriebenen Nabelbeschneidung im Hause Ayariks ging eine erregte Diskussion zwischen Ayarik und seinem Kollegen G. Achaw im Krankenhaus von Cape Coast voraus. Achaw, der ausgebildete Krankenpfleger, glaubte, dass die ganze Angelegenheit nur Aberglaube sei: Die Schnitte würden nur angebracht, damit der böse Geist, der das Kind quält, sein Opfer nicht wiedererkennt. Tatsache sei, dass gerade durch das Einreiben der schwarzen Medizin Wundstarrkrampf (Tetanus) auftreten könne. Ayarik ließ sich nicht umstimmen. Auch er führte nur medizinische Gründe an: Die Erfahrung habe gezeigt, dass Schnitte viel besser helfen als die Medizin der Krankenhäuser, die oft nur eine kurzfristige Wirkung habe {140}.

ENDNOTEN (SKARIFIZIERUNGEN)

1 Siguino 1953: 22f.

2 Armitage 1924

2a Es muss angemerkt werden, dass Akanming selbst zu einer Sektion in Siniensi gehört und mit Badomsa, seiner Wohnsektion, nur durch eine matrilineare Verbindung verwandt ist.

3 Binger Bd. 2,1892.

3a Mir sind solche Schnitte als Stammesnarben nicht bekannt. Wohl können sie nach Belieben als ‟beauty marks‟ fungieren.

4 Rattray 1969: 14f.

4a Informationen nach 1974 haben ergeben, dass Nabelbeschneidungen auch viel früher (ab dem 5. Lebensmonat) durchgeführt werden können.

4b Obwohl Nabelbeschneidungen meistens in einem bestimmten Lebensabschnitt, nämlich den ersten Lebensmonaten oder Lebensjahren ausgeführt werden, kann man sie nur schwerlich als Übergangsriten bezeichnen. Ihr Hauptzweck ist die Heilung von einer Krankheit. Sie sollen hier mitbehandelt werden, um dem Kapitel über Skarifizierungen eine gewisse Vollständigkeit zu geben {358}.

5 Nach E. Haaf (1967: 167) besteht eine solche Salbe bei den Kusase (Kusasi) aus veraschten, pulverisierten Blättern und Wurzeln von Calotropis procera (Asclepiadaceae), die mit Schibutter verarbeitet werden. Nach E. Haaf sollen die Schnitte dem Übel einen Austritt verschaffen.

6 H. Baumann ordnet z.B. die Aschanti dem ostatlantischen, die Bulsa (Kandiaga, Builsa) dem Volta-Kulturkreis zu. Vgl. H. Barmann, R. Thurnwald, D. Westermann,  1940: 289 ff., 300 ff., 344.

7 Haaf 1967: 88f.

8 Ayarega dürfte wohl dem Buli-Namen Ayarik (“Kantussi-Sklave”) entsprechen.

9 Haaf 1967: 146.

9a Eine pok-nong-Beziehung (pok= Ehefrau, nong = Liebhaber) kann zwischen einer verheirateten Frau und einem nicht mit ihr verwandten Mann bestehen. Der Ehemann weiß um dieses platonische Verhältnis und ist damit einverstanden. Vgl. Kröger 1980.

9b Dieses wird auch von Heermann für Wiaga (1981: 225) bestätigt.

9c Die Tinte ist ein Importprodukt und hat keinerlei medizinische Funktionen.

10 E.K. Mickson, When the Heart Decides (Accra-Tema, o.J.); Who Killed Lucy? (Accra-Tema, o.J.); Now I Know (Accra-Tema, o.J.).

11 Alle Zitate aus dem 3. Teil: Now I Know.

 

KAPITEL V:  WEN-RITEN

1. NYING – CHIIK – WEN – PAGREM
Nach Anschauung der Bulsa besitzt jeder Mensch neben seinem Körper (nying, Pl nyingsa) geistige Komponente, die aufs engste mit seinem Leben verbunden sind, wie z.B. chiik (Pl. chiisa), wen (Pl. wena) und pagrem.

1.1 Chiik
Während das wen sich immer außerhalb des Körpers befindet und von außen einen starken schicksalshaften Einfluss auf den Körper und den Lebensweg nehmen kann, ist das chiik (oft mit “Seele” übersetzt) in einem stärkeren Maße an den Körper gebunden. Es befindet jedoch sich nicht in einem bestimmten Körperorgan sondern in allen Körperteilen.
Woher das chiik kommt, scheint vielen Bulsa nicht ganz klar zu sein, wenn man auch häufig die Antwort hört: “Von Gott” (Naawen) oder “vom Himmel” (wen). Jedenfalls erhielt ich bei den Bulsa keine Information über einen Aufenthaltsort aller Seelen (chiisa) oder aller wenn, an dem jede Seele eine Eigenexistenz hat und etwa Naawen (Gott, wörtlich ‘Häuptling des Himmels’) gegenüber Wunsche für ein späteres Leben auf Erden äußern kann, wie es von J. Zwernemann [Endnote 1] für mehrere Nachbarethnien der Bulsa beschrieben wird.
Nach einer wohl nicht sehr verbreiteten Vorstellung hat jeder Mensch drei Seelen: Die erste geht nach dem Tod zu Gott, die zweite bleibt im toten Körper und die dritte sitana genannte Seele, die zu Lebzeiten den Menschen zu bösen Taten verleitet hat, stirbt mit dem Körper.
Nach Bulsa-Auffassung haben sich schon vor der Geburt chiik und der embryonale Körper vereint, denn man kann auch von einem ungeborenen Kind sagen, dass “es eine starke Seele hat” (wa ta chiik pagrik). Die letzte Aussage zeigt, dass das chiik durch das Gegensatzpaar stark und schwach (pagrik – baasing) klassifiziert werden kann. Dem Träger einer starken Seele kann nur schwerlich durch magische Mittel Schaden zugefügt werden, während der Inhaber einer schwachen Seele sehr anfällig für Schadenzauber, Krankheiten usw. ist {141}.
Die Seele eines Menschen kann nachts im Schlaf den Menschen verlassen und auch weitentfernte Orte, die der Träger einmal gesehen hat, wieder aufsuchen. Der schlafende Mensch erlebt die Wanderungen und Erlebnisse seiner Seele im Traum mit. Besonders Orte, die der Mensch im Laufe des vergangenen Tages besucht hat, werden gerne von der Seele im Schlaf noch einmal aufgesucht. Die nächtlichen Streifzüge der Seele sind für diese nicht ohne Gefahr, denn sie kann dabei auf Hexen (Sing. sakpak, Pl. sakpaksa) stoßen, die sie verfolgen, um sie in ein Tier zu verwandeln, gefangen zuhalten und später zu verschlingen [Endnote 2]. Auch von diesen Verfolgungen wird der schlafende Inhaber der Seele in einem Angsttraum erfahren [Endnote 3].
Falls die Seele von einer Hexe oder einem Hexer verzehrt worden ist, verschlechtert sich der Gesundheitszustand des Trägers zusehends, und er kann in den nächsten Tagen sterben. Keineswegs aber tritt der Tod des Körpers gleichzeitig mit dem Erlöschen der irdischen Lebensfähigkeit der Seele ein. Wird die Seele von einer Hexe nur in Tierform in einem hohlen Baum gefangen gehalten, d.h. lebt der Körper mit einer “leeren Seele” (chi-fogluk), so können noch Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Als die Tochter meines Assistenten Danlardy (Wiaga) über Unwohlsein und Magenschmerzen klagte, ging ihr Vater zu einem Wahrsager mit Heilkenntnissen in Kanjaga. Dieser fand heraus, dass das Unwohlsein der Tochter auf dem Verlassen (yitika) ihrer Seele aus dem Körper beruhte. Tiefere Ursache war, dass Danlardys Vater Leander, der die Ausbildung seines Sohnes finanziert hatte, diesen für undankbar hielt. Der Wahrsager verordnete unter anderem das Opfer eines Hahns an das wen Leanders.
Mein Sandema Assistent Godfrey Achaw erinnert sich, dass sein Vater bei der Erkrankung von Godfreys Bruder an Hexerei als Krankheitsursache dachte. Nach einer Wahrsagerbefragung, in der der Verdacht bestätigt wurde, zogen alle Hausbewohner zu einem etwa 50 cm hohen Steinhaufen in der Nähe des Hauses, der die Funktion eines Altars an die Erdgottheit (teng) hatte. Der Vater in seiner Eigenschaft als yeri-nyono tötete ein Huhn und ließ von dem Blut auch etwas in einen vor dem Steinhaufen aufgestellten Tontopf (tibiik) laufen, der vorher mit frischem Wasser gefüllt worden war. Alle Anwesenden mussten von dieser Blut-Wasser-Mischung trinken, und wäre die Hexe (der Hexer) unter den versammelten Personen gewesen, wäre sie (er) sofort gestorben. Bei einer Weigerung zu trinken, wäre sie (er) als Hexe(r) entlarvt worden. Später legte man auf den “Altar” des teng einen neuen hölzernen Hammer (guri, Pl. gue), mit dem die teng-Gottheit die Hexe (den Hexer) erschlagen sollte, falls sie (er) nicht unter den Anwesenden war. Der Tod der schuldigen Person würde die gefangene Seele freisetzen. Ist die Seele bereits in Tierform verspeist, gibt es keine Mittel mehr, den Kranken noch zu retten {142}
Im Jahre 2006 konnte ich ein Erdordal (teng-nyuka) selbst in Anyenangdu Yeri (Wiaga Badomsa beobachten und dokumentieren.
In meinem Wohngehöft gab es schon seit einiger Zeit Vermutungen, dass wenigstens ein oder eine Bewohnerin dem Gehöft durch Hexerei (sakpagni) schadet und einige Monate vor dem Ordal waren zwei wichtige Personen gestorben. Am 20. Januar 2006 rief der Gehöftsherr alle Hausbewohner in den großen Innenhof seiner ersten Frau (ma-dok) zusammen, um das Ordal des Erdtrinkens durchzuführen. Obwohl es in dem beobachteten Fall mit Erde von dem tanggbain Pung Muning durchgeführt wurde, versicherte man mir, dass bei einem Ordal mit ma-bage-Erde alles genau so ausgeführt wird.
Vor dem Opfer von Hirsewasser an den Schrein seines Vaters Anyenangdu (ca. 8.00 Uhr) hielt der Gehöftherr eine lange Rede. Sie enthielt in etwa das, was mir Anamogsi auch persönlich gesagt hatte. In seinem Gehöft herrsche ‟Schändlichkeit‟ (bulorim; er vermeidet das Wort sakpagni), die zum Tode mehrere Personen geführt hat. Er sei sehr bewegt durch diese Ereignisse. Er kenne den Grund (für die Todesfälle) nicht, aber man solle nicht spekulieren und falsche Verdächtigungen aussprechen. Das teng-nyuka Ordal werde Klarheit schaffen.
Anamogsi schüttete den nicht geopferten Teil des Hirsewassers in einen großen kpalabik in der Mitte des Innenhofes, fügte dann Wasser und Erde hinzu und rührte alles zu einem dünnflüssigen Erdwasser an, aus dem später mit einer Kalebassenschale für jeden Betroffenen Flüssigkeit entnommen wurde. Er hängte sich drei Medizinhörner um und trank als erster aus einer Kalebasse. Es folgen seine Söhne dem Alter nach, dann deren Frauen mit Kindern ohne Beachtung einer Senioritätsregel, dann andere Personen, einschließlich mir. Während des Erdtrinkens wurde noch ein kleines braunes Huhn an Anyenangdu geopfert.
Als ich in einem Gespräch mit Anamogsi nach dem Ritual nach Personen fragte, die nicht an dem Ordal teilgenommen hatten (und die in besonderem Maße verdächtigt wurden), antwortete er, dass sie nicht mehr zu seiner Hausgemeinschaft gehörten (Sie hatten sich inzwischen auch ein eigenes Gehöft erbaut).
Alle Personen, die die Erde getrunken hatten, galten seither als unschuldig, da nach dem Trinken keine gesundheitliche Schäden oder gar Todesfälle eingetreten waren.

Ist ein Mensch eines natürlichen Todes, d.h. nicht durch Hexerei, gestorben, so bleibt seine Seele (chiik) auch nach der Bestattung des Körpers noch bis zur Abhaltung der Totengedenkfeier im Wohngehöft und zwar in unmittelbarer Nähe der Schlafmatte des Toten im kpilima dok (Ahnenraum). Während dieser Zeit erhält die Seele auch Nahrung von den Gehöftbewohnern. Diese nehmen jedoch die Speisen scheinbar unberührt nach einigen Minuten wieder aus dem Aufbewahrungsraum (z.B. kpilima dok) der Matte. Die angebotenen Speisen [Endnote 4] können von Tieren und nicht zu nahen Verwandten des Toten noch verzehrt werden, wenn ihnen auch angeblich alle Nährwerte von dem Toten schon entnommen worden sind. Nur Tote, die Gespenster (Sing. kok, Pl. kokta) geworden sind, essen die Nahrung auch im materiellen Sinne.

Über das Schicksal der Seele nach der Totengedenkfeier herrschen widersprüchliche Auffassungen. Einige Informanten behaupten, die Seele gehe zurück zu Gott (Naawen) oder zurück in den Himmel (wen). Ganz allgemein besteht die Vorstellung, dass die Seele in das genau lokalisierbare Totenreich [Endnote 5] der entsprechenden Klansektion wandere. Nach L. Amoak weist Naawen der Seele einen Platz im Totenreich zu. Im Totenreich nimmt die Seele auch wieder einen Scheinkörper an, denn wenn ein Verwandter zu diesem Ort käme, könnte er alle seine verstorbenen Angehörigen und Ahnen dort leibhaftig erblicken. Der neugierige Besucher müsste diesen Anblick allerdings mit seinem Leben bezahlen, denn die Toten lassen keinen lebenden Verwandten wieder aus ihrem Reich abziehen. Ein Fremder wird im Totenreich einer anderen Klangruppe gar nichts sehen. Die Annahme, dass die Seelen wieder ihren Körper (nying) annehmen, darf nicht so materiell verstanden werden, dass ein Bulo etwa nach der Totengedenkfeier annimmt, das Grab des Verstorbenen sei nun leer.
Die Seelen von Hexen und Hexern werden wenigstens für eine gewisse Zeit nach dem Tod des Körpers mit einem neuen Scheinkörper zu Gespenstern (kokta) [Endnote 5a]. Falls sie nachts einen lebenden Menschen berühren, wird dieser bald darauf sterben. Manche Bulsa, die von einem kok berührt wurden, sollen es nach G. Achaw vorgezogen haben, durch Selbstmord (Gift!) ihrem Leben ein Ende zu bereiten. Auch Gespenster (kokta) leben nicht ohne Gefahr. Sie können im Busch von Hyänen (Sing. piuk, Pl. piina) gefressen werden, und eine kleine Verletzung, z.B. an einem Dorn, kann leicht zum endgültigen Tode führen {143}.
Eine sprachliche Besonderheit bedarf noch genauerer Untersuchung. Der Begriff wen ist auch eine Bezeichnung für Sonne, Himmel, chiik ist auch der Buli-Name für Mond . Den Zusammenhang zwischen wen in den Bedeutungen Sonne und persönliches Schicksal werde ich unten nachweisen. Für einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen chíík = Mond und chíík = Seele (beide haben einen Hochton!) konnte ich bisher keine überzeugenden Beweise finden. Einige Informanten behaupten einfach, es sei ein Zufall, dass für zwei verschiedene Begriffe das gleiche Wort gebraucht werde. Die Vorstellung anderer afrikanischer Ethnien (z.B. der San in Südafrika), dass die ungeborenen Seelen sich auf dem Mond befinden, konnte ich bei den Bulsa nicht antreffen. Jedoch finde ich in der Vokabelkartei der presbyterianischen Mission Sandema unter dem Stichwort chingmarek folgenden interessanten Hinweis:
chingmarek = star (lit. scattered moon); chingmarek is connected with men’s chiisa (souls), e.g. a falling star means death.

^1.2 Wen
Wie im folgenden dargestellt werden soll, ist die Auffassung der Bulsa vom wen, einer schicksalsbestimmenden Kraft, völlig verschieden von der des chiik. Das wen kommt erst Monate oder Jahre nach der Geburt vom Himmel auf die Erde herunter; es ist immer außerhalb des Menschen und an einen materiellen Gegenstand (Lehmhügel mit Stein, drei Steine, Erde in einem Tontopf usw.) gebunden, wenn es auch diesen Sitz für kurze Zeit verlassen kann (Endnote 4a) . Im Gegensatz zum chiik beansprucht es kultische Verehrung (Opfer), es ist keinen Verfolgungen durch Hexen ausgesetzt und wird vom Tod des Träger nicht betroffen. Es tritt dem betreffenden Menschen stärker als ein Fremdes entgegen, mit dem das Ego nur auf eine übernatürliche Art und Weise verbunden ist. Nach dem Tode, besonders nach Erreichung des Ahnenstatus, wird weniger stark zwischen der Person und seinem wen unterschieden. Man sagt zum Beispiel “Ich opfere meinem Vater” (nicht dem wen meines Vaters).

1.3 Pagrem
Wenn oben angedeutet wurde, dass die Seele (chiik) stark oder schwach sein kann, so wurde mit der Stärke (pagrem) ein weiteres immaterielles Prinzip eingeführt, das sich sowohl auf die Seele als auch auf den Körper beziehen kann, da die Seele ja ein Abbild des Körpers ist und nachts noch einmal Handlungen und Erlebnisse des Körpers wiederholen kann. Folgende Unterbegriffe von pagrem scheinen mir wesentlich zu sein: kokta pagrem, kpalem pagrem, nying yogsa pagrem und wen pagrem {144}.
Kokta pagrem: Dies ist die Abwehrkraft eines Menschen gegen Gespenster (kokta) und andere böse Geister, aber auch die Fähigkeit, Gespenster zu entdecken. Alte Männer haben kokta pagrem immer in stärkerem Maße als junge Leute [Endnote 5b]. Hieraus erklärt sich z.B. die Tatsache, dass alte Männer oft dem weißen Forscher einen größeren Einblick in ihr religiöses und rituelles Leben gestatten als jüngere, selbst wenn letztere einige Jahre lang die Schule besucht haben und in anderen Bereichen recht aufgeschlossen sind. Auch der weiße Mann besitzt kokta pagrem, die nicht grundsätzlich größer oder kleiner ist als die des schwarzen Mannes. Kokta pagrem wird oft als quantitative und einteilbare Kraft angesehen, und sie kann sogar außerhalb des menschlichen Körpers liegen, wie das folgende Beispiel aus der Lebensgeschichte Ayariks (Wiaga-Tandem-Zuedema) zeigt, der seine Freundin in Chuchuliga besucht hat und sich zu nächtlicher Stunde auf den Heimweg macht:

Immediately I arrived at the Sandema chief’s farm I had a bad thought, and I became somehow very curious. I therefore looked all over here and there, but I could not find anything on the way. I moved some few yards from the scene, and I saw that some creature was standing by the road. When I wanted to pass, it attempted to stop me by walking towards me. I could not help pulling up a hand ring, which my father gave me, when I was leaving for Chuchuliga in the morning for protection. As soon as I pulled the ring, it (the creature) fell flat on the back, and I started walking very fast. I walked for about two hours, before I pulled down my ring in order to let the ghost get up, otherwise my ring would not work again, in case I might face the same trouble on the way.

Wie der Informant mir mündlich erklärte, setzte das Hochziehen des Armreifs kokta pagrem frei, die im Ring gespeichert war. Ayarik wollte den Ring jedoch nicht völlig “entladen”, da er kokta pagrem für einen weiteren Angriff eines Unholds aufbewahren wollte. Die Aufspeicherung von kokta pagrem im Ring hatte Ayariks Vater besorgt, der als Totengräber selbst über ein hohes Maß an kokta pagrem verfügte. Der Ring kann auch ein zweites und drittes Mal “aufgeladen” werden {145}.
Kpalem pagrem: Diese “kämpferische Kraft” erreicht beim jungen Mann mit voll ausgebildeten Körperkräften ihren Höhepunkt. Nach dem Besitz von kpalem pagrem wird in der Hirtengruppe der etwa 6-12jährigen Kinder der Anführer (durch Ringkämpfe) ermittelt, und alle Gruppenmitglieder erhalten in der Gruppe ihren Platz auf einer “Hackliste” nach dem Maße, in dem sie kpalem pagrem besitzen. Aber auch wer bei der Werbung um ein Mädchen andere Rivalen ausschalten kann, besitzt ein hohes Maß an kpalem pagrem. Sie kann durch magisch-medizinische Maßnahmen noch erhöht werden, z.B. durch Anbringen von Einschnitten in den Oberarm, in die eine bestimmte Medizin eingerieben wird.
Nying yogsa pagrem: Diese “Kraft des gesunden (wörtlich ‘kalten’) Körpers” äußert sich z.B. in der Arbeitskraft auf dem Felde oder in der Sexualkraft und ist eine Voraussetzung für kpalem pagrem. Sie nimmt durch Arbeit, Sexualverkehr und Kämpfe ab, und muss daher durch Aufnahme von Nahrung wieder ersetzt werden.
Wen pagrem: Dies ist die Kraft, die der Mensch von seinem “persönlichen wen” (tintueta-wen) erhält (siehe unten). Sie äußert sich vor allem in schicksalsbezogenen Lebensbereichen, etwa im Ausfall der Ernte, im beruflichen Erfolg oder in der Schule. Wenn jemand zufällig viel Geld findet, sagt man, dass er ein hohes Maß an wen pagrem besitzt. Auch Gesundheit und damit nying yogsa pagrem wird vom wen pagrem gewährt, nicht aber kpalem pagrem und kokta pagrem. Das Maß, das man an wen pagrem vom wen erhält, kann durch Opfer an das persönliche wen und durch Gehorsam diesem gegenüber positiv beeinflusst werden.
Pagrem im allgemeinen Sinne kann von Männern und Frauen besessen werden, nur kpalem pagrem tritt gewöhnlich bei Frauen in weniger hohem Maße auf.
Pagrem verschwindet mit dem Tode, nur kokta pagrem kann mitunter durch magisch-medizinische Mittel noch einige Zeit weiterbestehen, wenn der Tote selbst ein Gespenst (kok) geworden ist {146}.

2. WEN-PIIRIKA

Abb.: Ein kurzlebiges Hirsestroh-Feuer wird entfacht. Im Hintergrund (sitzend) Akapami im Festgewand. (1. Aufl. Abb. 25)
Abb.: Ein großer und drei kleine Erdbälle wurden vom Wahrsager geformt; hinter dem Lehmbällen das Opfermesser (1. Aufl. Abb. 28)

a) Eine wen-piirika Feier in Asik Yeri (25.8.1973) [Endnote 6]
Als L. Amoaks sechsjähriger Sohn Akapami kränkelte und sogar für kurze Zeit das Krankenhaus von Navrongo aufsuchen musste, ging L. Amoak zu einem Wahrsager, der herausfand, dass das wen des Kindes in einen bogluk [Endnote 7]  “herunterkommen” wollte und als Opfertier ein Huhn wünschte. Dann wurde Leander an einen zweiten Wahrsager verwiesen, den er auch einige Zeit später aufsuchte. Dieser legte das Datum für die Errichtung des wen-bogluk auf den 25. August 1973 fest und gab die Anweisung, dass L. Amoaks Frau drei Tage nach diesem Besuch gekeimte Hirse für Pito mahlen solle. Akapami durfte nicht wissen, wozu diese Vorbereitungen gut waren; er musste bis zum Morgen des Festtages in völliger Unwissenheit sein. Ein Tag vor dem festgesetzten Tag (also am 24.8.73) ging L. Amoak zu seinem Haus in Badomsa, und Ayomo Atiim, der zehnjährige amtierende yeri-nyono opferte Hirsewasser an Leanders Vater Asik, an Leanders Vatersvater Adeween, an die Großmütter (MuMu) Asiks und Adeweens, deren wenn sich bei den puuk-Töpfen im kpilima-dok aufhielten, und an Leanders Mutter, deren wen sich am Fußpfad vor dem Gehöft in oder bei einem bogluk aus zwei Steinen befand (Endnote 7a; vgl. Abb. 43, die genealogische Übersicht S. 179 sowie die Lageskizze Kap. V3d, {S. 182}). Die Hirse des geopferten Hirsewassers musste vom Vorjahre sein. Anwesend waren nur der Opferer Ayomo Atiim und Leander Amoak, der die Gebete sprach.
In der ganzen Nacht vor dem 25. August hielten sich der Wahrsager Akai Adaatiim (es war der gleiche Wahrsager, der das Datum festgelegt hatte) und sein Gehilfe Achang Akasilik in der Nähe des Gehöftes auf, und zweimal in der Nacht erschienen die beiden am Gehöfteingang. Man hörte die Rassel und die monotone Stimme des Wahrsagers, aber seine eigentliche Tätigkeit ist mir nicht bekannt geworden. Leander sagte mir, dass der Wahrsager das Haus vor bösen Geistern schützen musste. Um die Zeremonie des frühen Morgens durchführen zu können, durfte sich Akai Adaatiim nicht waschen {147}.
Noch bevor sich Anzeichen der ersten Dämmerung bemerkbar machten, es war etwa 4.30 Uhr, erschien der Wahrsager das dritte Mal an der Gehöftstür. Er klopfte mit seinem Stock gegen die Eingangskegel (zamonguuni) aus Lehm und rief dreimal:

Akapami nyin peelim a tuesi fi weni.
Akapami komm heraus zum Vorplatz (peelim), damit du dein wen bekommst.

Ein Höhepunkt der wen-piirika: Akapami hälte den großen Erdball und schaut in Richtung auf die noch verdeckte Sonne. Der Wahrsager betätigt seine Rassel (baan-kayak) und erwartet das Sichtbarwerden der Sonne, um dann den kleinen Stein in den Erdball zu drücken (1. Aufl. Abb. 29).
L. Amoak geleitete nun die Mutter und das Kind (Akapami) zum Eingang. (Es muss hier angemerkt werden, dass nicht die leibliche Mutter Akapamis nach Badomsa gekommen war, sondern Leanders erste Frau, die Mutterschaftsrechte über alle Kinder Leanders hat). In die linke Hand Akapamis hatte man Asche gestreut. Es war die Asche von gewöhnlichem Feuerholz. Die “Mutter” bedeckte nun die Augen des Kindes mit ihrer Hand, und der Gehilfe des Wahrsagers verschloss mit seiner Hand  die Augen des Wahrsagers. Achang Akasilik öffnete den mit Knüppeln verschlossenen Gehöftseingang, und der Wahrsager blies die Asche in seiner linken Hand in Richtung auf Akapami, während Akapami seine Asche in Richtung auf den Wahrsager blies. Nun wurde beiden das Gesicht freigegeben, und der Wahrsager schlug dreimal leicht mit seiner Rassel (Endnote 7b] an den Kopf des Kindes.
Noch vor Sonnenaufgang versammelten sich die Hausbewohner und Gäste vor dem Haus. Man ließ einen Stoß Hirsestroh (und Reisig?) mit heller Flamme abbrennen, ohne Holz nachzulegen (vgl. Abb. 25). Nach L. Amoak zeigte man hierdurch den Nachbarn an, dass in diesem Haus etwas Wichtiges geschehen sollte.
Der Wahrsager und ein weiterer Gehilfe Akasilik, der aus einem Nachbarhaus in Badomsa kam und nicht selbst über Wahrsagerkräfte verfügte, bereiteten nun eine Medizin. Auf dem Fußpfad, in dem später ein Erdloch gegraben wurde, zerstieß Akasilik eine weiße Faser zusammen mit Pito-Rückständen (da-binta, Sing. da-beung) [Endnote 7c]. Die Faser stammte von einem waaung-soluk Baum (Annona senegalensis), dessen Wurzeln auch in manchen Gegenden für den Namensgebungstopf (tibiik) gebraucht werden (vgl. Kap. IIIA2, S. {70}) und der von Leander als “blessed tree” oder “smooth tree” (tii saglik) bezeichnet wurde {148}.
Ein kleines lebendes Huhn, dessen weiße Farbe nach Leander Glück und Freude symbolisieren sollte, wurde zum Mörser gebracht, um später vom Wahrsager lebend zu dessen Haus mitgenommen zu werden.
Der Wahrsager hob nun mit einem scharfen Stein im Fußweg, der durch ein Hirsefeld führte, ein Loch von ca. 25 cm Durchmesser aus (vgl. Abb. 26), während Ayomo Atiim in einem Tontopf Wasser aus dem Brunnen holte. Er durfte unter keinen Umständen etwas davon verschütten, wenn nicht die Durchführung des ganzen Festes gefährdet werden sollte. Das Wasser wurde nun mit den zerstampften Fasern, die sich in einer Kalebasse befanden, und einen Teil der ausgehobenen Erde zu einem lehmigen Brei vermischt. Daraus formte der Wahrsager drei faustgroße Kugeln und eine etwas größere und legte sie in das ausgehobene Loch. Der Gehilfe hatte inzwischen einige Steine gesucht. Es waren gewöhnliche eckige Steine und nicht die runden, weißen Steine, die man in den bogluta der Ahnen findet. Der Wahrsager wählte aus den ihm angebotenen Steinen einen aus. Dann rupfte er dem weißen Hühnchen an den Flügeln einige Federn aus und steckte sie in die feuchten Lehmbälle. in die große Lehmkugel machte er ein kleines Loch, spuckte dreimal hinein und wies Akapami an, das Gleiche zu tun. Wie mir L. Amoak erklärte, hat dieser Teilritus dem persönlichen wen, in dessen bogluk sich im Gegensatz zu den Ahnen-bogluta vor dem Haus Speichel seines lebenden Besitzers befindet, seinen Namen gegeben: tintueta-wen (“Speichel”-wen; persönliches wen) [Endnote 8].
Nach der Bespeiung nahm der Wahrsager einige übriggebliebene weiße Fasern, die mit Pito-Rückständen getränkt waren, und strich damit dreimal über den Körper Akapamis: über Rücken, Nacken, Kopf, Gesicht, Brust und Bauch. Dann wartete man gespannt auf das Sichtbarwerden der Sonne, Akapami hielt dabei stehend den großen Lehmbau in seinen Händen (vgl. Abb. 29). Die Sonne war schon vorher aufgegangen, war aber bisher hinter einer Wolkendecke versteckt. Als sie genau halb sichtbar war, drückte der Wahrsager den Stein zur Hälfte in den großen Lehmball. Dies war das wichtigste Ritual des Tages, denn in diesem Augenblick betrat das wen Akapamis von der Sonnenscheibe den Stein. Der Wahrsager bewegte sein Kalebassenrassel (baan-kayak, Pl. baan-kayaksa) und sprach dabei die Worte {149}:

Akagoom zaani wa wen zaana jigi (dreimal).
Ni nyini maari zaani Akagoom wa ale wa wen zaani ka jigi.
Akagoom (gemeint ist Akapami) steht am Standort seines wen. Kommt heraus (Anrede an alle Anwesenden) und helft Akagoom, der am Standort seines wen steht.

Der Buli Text wurde von mir bei der wen-piirika auf ein Tonband aufgenommen und später von meinem Dolmetscher G. Achaw ins Englische übertragen. Obwohl die Rasseln das Verständnis etwas erschweren, besteht keine Ursache, daran zu zweifeln, dass dieser Text vom Wahrsager gesprochen wurde. L. Amoak, dem ich den Text später zeigte, behauptete jedoch, es wären die folgenden Worte gesprochen worden:

Akapami dag fi wen zaana jigi (dreimal).
Ni meena nyin maa dagi Akapami wen zaana jigi ate n zaani (dreimal).
Akapami zeig mir den Standort deines wen (dreimal)! Ihr alle, kommt heraus und zeigt mir auch den Standort von Akapamis wen, damit ich ihn (den wen-bogluk) aufstelle.

Das ausgehobene Loch im Fußpfad wird mit einer großen Kalebassenschale verdeckt. Unter der Kalebasse befinden sich die drei kleineren Lehmkugeln und das weiße Hühnchen (1. Aufl. Abb. 30)
Hierauf wurde das ausgehobene Erdloch mit einer großen Kalebassenschüssel verdeckt, unter der sich nun das lebende weiße Hühnchen und die nicht gewählten kleineren Erdkugeln befanden. Der größere Erdball mit dem Stein wurde in einer Prozession ins Innere des Gehöftes gebracht. Den Erdball selbst trug die “Mutter” des Kindes auf dem Kopf in einer Kalebasse, die nie zuvor gebraucht worden war. Am Hauseingang sprach der Wahrsager wieder (?) dreimal die Worte [Endnote 9]:

Akapami dag fi wen zaana jigi (dreimal).
Ni meena nyin maa dagi Akapami wen zaana jigi ate n zaani (dreimal).  Übersetzung: s.o.

Im Innenhof wurden die gleichen Sätze zum dritten Mal vom Wahrsager rezitiert.
Dann zeigte Leander dem Wahrsager, wo der neue bogluk aufgestellt werden sollte, und der Wahrsager drückte den feuchten Erdball auf den {150} Boden und verknetete die Seiten so, dass der neue bogluk eine halbkugelförmige Gestalt bekam. Dann zog er sein Obergewand aus und bereitete sich auf die Opferhandlungen vor.
Vor der Tötung des Opferhuhns sprachen der Wahrsager Akai Adaatim und sein Gehilfe Achang Akasilik folgende Gebete an das wen Akapamis [Endnote 9a]:

Akai Adaatiim: Ma yaali ain n zaani ni nangta po kama. Ayaalege se ka wa nyinka nin yok ngololoo, ate ti seb wa yaa ale chim nur, ate ku nala. Ate ti kan ngman wom ain wa nying tuiling ya.
Kisuk ate ku ta cheen jaa paai bena ko ate ti seb nya ale wa daam sum yuen wensie, ayaalege ain dan ka daam wa ale tom diila ate taa pa va. Nyiam ale nna. Nichanoa dan jam baa tuk ka nyiam wa noi, nyiam be ale nna. Kpiak ale nna, kpa-nubi sobluk ate wa ta jam ain wa te fu. Nyiamu nna moong (wa) noi ya. Goom due ate wa nyinka yok ngololoo ate n seb nya ka fi ale la, ate wa chim nur.

Achang Akasilik: Ain taa ale yuen diila taa yueni ka dila, biam jam boro bu boka tama me dek jigi. Alege tama me dan lak ka poi a tom taa me a yaali ka poi peentik. Ate ti nya ale biika nyinka yok nalem nyini ate wa yiti maa bo wa chaab po. Ale fi dan biak biik ate wa joe kinkangi a nyini, fi basi kama. Wa me dan sum boro wa tuesi wa kpiaka ate ti nya. Ti ka wari a gaam dila. Tama nisapo wani ale la.

Der noch feuchte Lehmball mit Stein hat als neuer wen-bogluk an einer Hauswand hinter einer Trittleiter (tiili) seinen Standpunkt gefunden; rechts neben dem neuen bogluk. die Instrumente des Wahrsagers, die auf dem hellen jadok-Stein liegen (vgl. Lageplan S. 182, Nr. 34) – (1. Aufl. Abb 31).

Akai Adaatiim: Yaa! Biik tee a nyeka ye kpeensa. Fi kpiaka ale nna. Biika nisa ale nna. Ain dan ka wensie ate fi soa nyinka tuilinka, ta yueni ka nyinka tuilinka, wa wa peenti ka fi. Wa kpiak ale nna. Kpanubi sobluk ain n vi fi zuk ate fu, fi wari ale a la, ate wa nyinka yok ngololoo, ate ti seb ain fi sum tuesi ngoa; daam ale nna ate ta ti sugri ziimu a basi ate ti nya wa nyinka a leka dii. Ti ale nya ale wa nyinka a yogsa, ate ti nya wapaala. A nya ale wa me chala a tam ate ti kan ngman gisi wa genga. Ngoa! {151}

ÜBERSETZUNG:

Akai Adaatiim: Ich wünsche, an euren Füßen (d.h, vor dem bogluk) zu stehen. Aber nur wenn sein (Akapamis) Körper kalt wird (wenn er gesund wird), wissen wir, dass er ein Mann wird, und das ist gut. Und wir hören nicht wieder, dass sein Körper heiß ist (dass er krank ist).
Heute und in hundert Jahren werden wir wissen und sehen, dass es (das wen) einst wirklich die Wahrheit gesprochen hat. Aber wenn es früher so war, was getan wird, dann folgen wir (tun wir das Gleiche). Dies ist Wasser. Wenn ein Fremdling kommt, gibt man seinem Mund Wasser (tuk nyiam: eigentlich “Wasser auffangen, das von einem Dach läuft”) Dies hier ist Wasser. Dies ist ein Huhn, ein schwarzes weibliches Huhn, das er (Akapami) bringt, um es dir (dem wen) zu geben. Hier ist das Wasser, (nimm es und) benetze deinen Mund. Schlafe gut (wörtlich “herunter”), dass sein Körper kühl wird und ich weiß und sehe, dass du es bist und dass er (Akapami) ein Mann wird.
Achang Akasilik: Ja, wir, die wir dies gesagt haben, wir sagten so (d.h. es ist wahr). Wenn es ein Übel gibt, liegt es bei uns selbst. Aber wenn dies auch wahr ist (wörtlich: wenn wir unsere Mägen zur Arbeit öffnen), dann wünschen wir auch Freude (wörtlich: einen hellen Magen) und wir sehen, dass der Körper des Kindes kühl genug wird. Er (Akapami) steht auf und ist bei seinen Spielgefährten. Wenn man (wörtlich: du) ein Kind gebärt, und es klettert über die Innenmauer des Gehöfts und kommt heraus, so erlaubt man es bestimmt. Wenn es (das wen) auch wirklich hier ist, erhält es sein Huhn, und wir werden sehen. Wir haben nichts mehr zu sagen. Es ist das Ding in unseren Händen (d.h. jetzt muss das Huhn geopfert werden).

Akai Adaatiim: Ja! Langes Reden schafft nichts Großes. Dein Huhn ist hier. Die Hand des Kindes ist hier. Wenn es die Wahrheit ist, dass du (das wen) der Grund für die Hitze des Körpers bist und wir über die Hitze des Körpers sprechen, wird die Wahrheit dir offenbar. Dies ist sein Huhn. Ein weibliches {152} schwarzes Huhn, das ich auf dich für dich lege. Es ist deine Sache, dass sein Körper kühl wird, und wir wissen (dann), dass du (das Opfer) wirklich angenommen hast. Hier ist Pito, damit wir das Blut abwaschen und wir sehen, wie sein Körper ist. Wir sehen, dass sein Körper kühl wird, und wir sehen neue Dinge. Und wir sehen auch, wie er (Akapami) herumläuft, und wir denken nicht wieder über sein (krankes) Aussehen nach. Nimm es (das Opfer)!

Nach L. Amoak, der die Niederschrift G. Achaws vom Tonband und dessen Übersetzung nachgesehen und überprüft hat, sprach Achang Akasilik auch folgende Worte [Endnote 10]:

Dila nying, Akapami nya wen jinla de, taa poli Naawen peeluk kpiongku ale te biika nying yogsa. Wensie me dan sum boro, wen pieni ale tengka, ale tangabana, ale kpilima meena, maari a te Akapami.

Deshalb sieht (sah?) Akapami heute sein wen. Wir glauben, dass der weiße große Gott (Naawen) dem Kind Gesundheit gibt. Wenn hier wirklich die Wahrheit ist, helfen der große Gott, die Erde, die tanggbana und alle Ahnen Akapami.

Abb.: Nachmittags wird dem neuen bogluk Fleisch, T.Z. und Soße durch den Wahrsager (links) geopfert (1. Aufl. Abb 32)

Nach Beendigung der wen-piirika wird in einer Wahrsagersitzung erforscht, ob alles richtig gemacht wurde.
Die hier gewählte Redeform A B A ist bei solchen Angelegenheiten durchaus üblich, d.h. gewöhnlich beginnt ein Sprecher (der Wahrsager), er wird von einem anderen (hier: dem Gehilfen des Wahrsagers) unterbrochen, und schließlich setzt der erste Sprecher seine Gedanken in einem dritten Teil fort.
Nach dem Gebet opferte der Wahrsager dem neuen bogluk Hirsewasser, danach wurde ein fettes, dunkles Huhn getötet. Nach der Enthauptung flatterte es noch längere Zeit und blieb schließlich auf einer Seite liegen, d.h. das wen hatte das Opfer angenommen [Endnote 11]. Der Wahrsager durfte von diesem Huhn nichts essen, deshalb wurde als freundliche Gabe ein Perlhuhn für ihn zubereitet, das jedoch keinerlei sakrale Funktion hatte.
Von den drei [Endnote 12] Tontöpfen mit Pito, die im Innenhof standen, wurde der kleine und mittlere für Opferzwecke dieses Tages und zur Bewirtung der Gäste verwandt, während der große dem Wahrsager als {153} Geschenk mitgegeben wurde. Aus dem kleinen Topf wurde Pito in eine Kalebasse gegossen und aus dieser Kalebasse dem wen Akapamis geopfert. Den Rest verteilte man unter die Anwesenden. Das hier geopferte Hirsebier war nicht fermentiert, um (nach L. Amoak) so die Kindheit Akapamis zu symbolisieren. Da L. Amoak kein unfermentiertes Pito mag, nahm er nicht am Opfermahl teil, während man mir eine Kalebasse Pito anbot.
Hiernach trat eine Pause von etwa einer Stunde im rituellen Geschehen ein, währenddessen die Frauen des Hauses das dunkle Huhn und T.Z., von dem der Wahrsager auch nichts essen durfte, und ein besonderes Mahl (Perlhuhn) für den Wahrsager zubereiteten.
Etwa gegen 10 Uhr morgens opferte der Wahrsager dem neuen wen-bogluk klares Wasser, T.Z., etwas Fleisch und die Leber des nun gekochten schwarzen Huhns. Danach wurde fermentiertes Hirsebier geopfert.
Der Wahrsager und sein Gehilfe zogen sich dann in den kpilima-dok zurück, um in einer vollständigen Wahrsagersitzung zu erkunden, ob alles ordnungsgemäß ausgeführt wurde. Als das Ergebnis positiv ausfiel, bedankte sich Leander beim Wahrsager für seine Bemühungen.
Zusammenfassend sollen noch einmal alle Geschenke bzw. Zahlungen aufgeführt werden, die der Wahrsager im Laufe des Tages erhalten hatte oder jetzt beim Abschied erhielt:

1 . ein Korb ungedroschener Rispenhirse (zamonta) aus dem Vorjahr,
2. das lebende weiße Hühnchen, das vom Wahrsager in seinem Haus für Opferzwecke verwandt wurde,
3. ein Teil des gekochten schwarzen Huhns, von dem etwas Fleisch und die Leber geopfert worden waren und von dem Akapami einen Schenkel bekommen hatte (der Wahrsager gab das Fleisch seiner Familie),
4. ein großer Topf Pito,
5. ein lebendes braunes Huhn, das der Wahrsager für jeden beliebigen Zweck verwenden konnte.

Abb.: Kurz vor der Verabschiedung erhält der Wahrsager (hinten links) eine festgelegte Bezahlung. Achang Akasilik hilft ihm beim Tragen der Kalebasse mit Rispenhirse (zamonta). – (1. Aufl. Abb 34)

Abschließend ließ L. Amoak in seiner Eigenschaft als Vater Akapamis den weiblichen Ahnen im kpilima dok (Abandemlie und Aguutabe), seinem Vater und Großvater vor dem Haus und seiner Mutter (2- Steine-bogluk am Weg) durch Ayomo Pito opfern {154}.
Drei Tage nach den wen-piirika Riten zeigte Leander seinem Sohn Akapami, wie er von nun an seinem wen opfern muss. Dieses Opfer wird tu-poak-laka (Öffnen der Baobab-Schale) genannt [Endnote 12a] . Seither werden alle Opfer an den neuen wen-bogluk von Akapami selbst dargebracht. Erwachsene können zwar Anweisungen geben, dürfen aber nicht mehr in die Opferhandlung eingreifen.

b) Ergänzungen durch andere Informanten
Im Gegensatz zu den Informationen über Namensgebungen herrscht bei den verschiedenen Informanten, die Auskunft über die wen-piirika gaben, eine recht große Übereinstimmung, wenn auch keiner so viele Einzelheiten berichten konnte, wie sie oben durch eigene Beobachtung, Tonband, Fotos, Notizen und Zusatzerklärungen L. Amoaks festgehalten werden konnten.
Der Zeitpunkt (August) der oben geschilderten wen-piirika kann als etwas außergewöhnlich angesehen werden. Zwar ist die Errichtung eines wen-bogluk an keine Jahreszeit gebunden, denn Krankheiten und Erziehungsschwierigkeiten können jederzeit auftreten. Aber es gibt doch einige Gründe, die diese Zeremonie für die Trockenzeit (November bis April) annehmbarer machen. Nicht nur ein für die Feldarbeit verlorener Tag spricht gegen die Regenzeit, vor allem die Notwendigkeit eines direkten Kontaktes des wen-Steins mit den Sonnenstrahlen bringt für die Regenzeit einen großen Unsicherheitsfaktor mit sich. Ich habe gehört, dass eine ganze Festgesellschaft in der Regenzeit oft stundenlang auf das Sichtbarwerden der Sonne wartet, und mitunter muss nach vergeblichem Warten die sakrale Handlung vom Wahrsager auf einen anderen Termin verlegt werden.
Wenn in der oben beschriebenen wen-piirika der Hauptanlass für die Errichtung eines wen-bogluk eine Krankheit des Kindes war, so ist dies auch nicht der Regelfall. Ebenso häufig scheinen Erziehungsschwierigkeiten der Grund für die Schaffung eines bogluk zu sein. Bei älteren Menschen können auch Misserfolge im Beruf, ständige Bedrohungen, Streit, Unglücksfälle usw. zur Errichtung eines wen-bogluk führen.
Abang, ein etwa 25jähriger Mann aus Wiaga-Kubelinsa, berichtet von den Schwierigkeiten, die er seinen Eltern bereitete, bevor {155} sein wen einen bogluk bekam. Er tötete Hühner seines Vaters zum Vergnügen. Als er einmal aufpassen musste, dass keine Tiere an die gekeimte Hirse gingen, schlug er eine Ziege, die von der Hirse essen wollte, so sehr, dass sie starb. Daraufhin ging der Vater zum Wahrsager, der herausfand, dass das wen des Jungen einen bogluk brauchte. Am Abend vor dem Festtag wollte Abang schon vom Opfer-Pito trinken, was natürlich nicht erlaubt werden konnte, da sein wen als erstes davon kosten sollte. So lief der Junge noch am gleichen Abend seinen Eltern davon zu einem Freund. Der Vater lockte ihn zurück unter dem Vorwand, dass er eine Ziege schlachten wolle und Abang müsse sie dabei festhalten. Als der Junge einen Ziegenbraten witterte, kam er zurück. Die Ziege konnte jedoch am gleichen Abend nicht mehr geschlachtet werden, und früh am nächsten Morgen hörte der Junge die Rasseln des Wahrsagers. Ascheblasen (pobsika) gibt es nach seiner Auskunft in Kubelinsa bei dieser Gelegenheit nicht, aber er erinnert sich noch gut an die drei Stockschläge (Rasselschläge?) des Wahrsagers. Der Rest der wen-piirika Riten vollzog sich in Kubelinsa ähnlich wie im Hause L. Amoaks.
Ein Informant aus Sandema-Longsa behauptet, dass das Wasser zur Herstellung des Lehmbreis stets vom Kind, das den bogluk erhält, selbst in einer Kalebasse geholt werden muss. Dabei darf das Kind nur einmal (nach anderer Information nur mit der linken Hand) schöpfen und darf kein Wasser auf dem Weg verschütten. Auch L. Amoak kennt diese Bestimmung, er meint jedoch, dass auch ein anderer (z.B. der yeri nyono) das Wasser holen kann, wenn das Kind noch zu klein oder zu ungeschickt ist.
Atiinka aus Sandema-Kalijiisa gibt in seiner Lebensgeschichte einen ausführlichen Bericht von dem Tag, an dem er seinen wen-bogluk bekam. Die Übereinstimmung mit dem oben beschriebenen rituellen Ablauf der wen-piirika im Hause L. Amoaks ist erstaunlich, wenn man bedenkt, eine wie große Variationsbreite die Namensgebungsriten im Bulsa-Gebiet haben. Sogar das Gebet des Wahrsagers an das wen des Kindes weist Ähnlichkeiten mit den Gedanken des Wahrsagers Akai Adaatiim auf {156}:

… the man… sacrificed saying that this was my personal god who has come down to me. So if he is a true god, he should help me in illness and everything I grow up to do…

Sehr aufschlussreich sind in allen Berichten über wen-piirika Feiern die Begebenheiten und Konflikte, die den Vater dazu bringen, für seinen Sohn den Wahrsager aufzusuchen. Eine Spezialstudie über Erziehungskonflikte bei den Bulsa könnte sehr gut bei den Motivationen zur wen-piirika ihre Ausgang nehmen. Atiinka berichtet aus der Vorgeschichte zur Errichtung seines wen-bogluk folgendes:

I didn’t like my father, because he always quarrelled with my mother. Because of the quarrels my mother left me and married away. The time my mother married away I took a bow and arrow that I would shoot my father to death, because he drove away my mother. All that time my father was on his look-out, because he did not really know what was in my mind.
One day in the night they gave me food which wasn’t sufficient to me, so I took my bow and arrow and aimed at him but one of his wives was watching me that she shouted out to my father to wake up; he woke up before I pushed out my arrow. Luckily it was on his tie. That very night he went to a fortuneteller and brought the news that it was my personal god which wanted to come down. That was why it was worrying me like that.

c) ERGÄNZUNGEN NACH 1974
Nach 1974 hatte ich Gelegenheit, an zehn weiteren Bulsa wen-piirika Ritualen teilzunehmen. Die meisten hiervon fanden während meines Feldforschungsaufenthaltes 1988/89 statt. Der Wahrsager Akanming, dessen Gehöft in der Nähe meines Wohngehöftes Anyenangdu Yeri lag, hatte für sich beschlossen, mich zum Wahrsager (baano) auszubilden, nachdem all seine Söhne eine solche Tätigkeit abgelehnt hatten. Er gab mit daher in seinem Wahrsager-Raum (jadok-dok) regelrechten Unterricht, in dem er mir zum Beispiel die Bedeutung der Symbolobjekte in seinem Wahrsagerbeutel (baan-yui) erklärte und in der nächsten Sitzung abfragte.
Auch die Durchführung einer wen-piirika sollte ich erlernen, indem ich an allen von ihm durchgeführten Ritualen dieser Art teilnahm. Nur drei aller 1988/89 von ihm durchgeführten wen-piirika Riten hatte ich zu seinem Ärger verpasst.
Da die im Folgenden aufgeführten wen-piirika Feiern zu einem großen Teil den oben für Asik Yeri beschriebenen glichen, enthält die folgende Aufstellung nur die äußeren Daten (Zeit, Gehöft, Anlass für das Ritual usw.) sowie Abweichungen von der ausführlich beschriebenen wen-piirika aus dem Jahre 1973.

Abb.: Leander Amoak und sein Sohn vor der pobsika

1. Asik Yeri 21.8.81: Zweite wen-piirika für Leander Amoaks Sohn Francis Afarinmonsa durch den Wahsager Akai (Badomsa). Francis hatte bereits vor einigen Jahren seinen wen-bogluk bekommen, aber nach Leanders Aussagen zeigte er noch weiter Anzeichen einer geistigen Verwirrtheit. Seine Gespräche waren konfus, er aß nichts und verlor an Gewicht.
In einer Wahrsagersitzung bei dem Wahrsager Akai stellte sich heraus, dass Francs einen zweiten wen-bogluk brauchte. Nach meinem bisherigem Kenntnisstand werden zwei bogluta dann gebaut, wenn man bei Sonnenaufgang zwei Sonnen am Himmel sieht. Hier jedoch soll der zweite Schrein wohl die Wirkung gegen die Krankheit verstärken.
Diesmal verbrachte ich die Nacht vor dem Ritual in Asik Yeri und ich hörte mehrmals draußen die Rassel eines Wahrsager. Leander sagte mir, dass Akai in der Nacht das Gehöft vor bösen Geistern schützen musste. Gegen 5

Mit der da-puusa-Flüssigkeit und den Wurzeln wird die Erde in Loch angefeuchtet. Dem weißen Hühnchen werden drei Federn ausgerupft und in die drei kleinen Erdbälle rechts neben der Kalebasse gesteckt. Oben rechts: der kleine Tontopf mit Hirsebier.
Uhr morgens hörte man dreimal Akai Stimme vor dem Haus: ‟Nyin peelim, ngoa fi wen‟ (Komm heraus und empfange dein wen). Leander antwortete das erste Mal: ‟Francis kan nyini‟ (Francs kommt nicht heraus). Das zweite Mal antwortete Leander ‟Nya ka wie le boro ate wa kan nyini‟ (Sieh, es gibt Probleme, dass er nicht herauskommt). Das dritte Mal antwortete Leander ‟Ka zaana ale boro‟ (Es gibt eine Schwierigkeit).
Die folgenden Teilriten (Herausführung, Schlag mit der Rassel am Eingang, Ascheblasen…) glichen der den oben beschriebenen.
Es hatte eine Diskussion darüber bestanden, ob die Erde für den Schrein an dem Fußpfad ausgehoben werden sollte, der zum Elternhaus von Francis’ Mutter (in Wiaga-Farinsa) oder seiner Muttersmutter (in Kadema) führt. Erst in letzter Minute bestimmte der Wahrsager, dass es der Fußpfad nach Kadema sein sollte.
Nach dem Abbrennen des Strohfeuers, der Anfertigung eines großen und drei kleiner Lehmbälle aus der ausgehobenen Erde des Loches und der waaung-soluk Wurzel-Medizin, nach dem Eindrücken des Steins usw. zogen alle ins Haus, wo auch die Riten und Opfer ähnlich wie im Jahre 1973 vollzogen wurden.

Abb.: Tu-poak-Opfer: Drei Tage nach der wen-piirika opfert Francis seinen beiden neuen Schreinen selbständig im Beisein seines Vaters.

2. Anyenangdu Yeri (Badomsa) 16.10.88: Wen-piirika für die Schwiegertochter Ap. des Gehöftherrn Anamogsi. Sie kränkelte seit längerer Zeit und besuchte zur Genesung ihr Elternhaus in Wiaga-Chiok. Dort ging ihr Vater zu einem Wahrsager, der eine wen-piirika (in Anyenangdu Yeri) als notwendig zur Heilung anordnete.
Abweichend von den bisher beschriebenen Ritualen, wurde diese wen-piirika nicht von einem Wahrsager, sondern vom Gehöftherrn und Schwiegervater der betroffenen Frau durchgeführt. Die Weiblichkeit der wen-Empfängerin fand darin ihren Ausdruck, dass dreimalige Handlungen in den früheren Riten jetzt durch viermalige Aktionen ersetzt wurden. So wurden zum Beispiel vier kleine Lehmbälle angefertigt und die junge Frau musste viermal in das Loch des feuchten Lehmballes spucken. Anamogsi gab mir auch eine einleuchtende Erklärung für die Anfertigung der kleinen und großen Lehmbälle. Es gibt zwei verschiedene Komponenten des wen: wen-biok (das böse wen) und wen-nalung (das gute wen). Das böse wen in den vier kleinen Bällen musste von dem guten wen in dem großen wen getrennt und verworfen werden (vgl. Kröger 2020).
Den wen-Stein fand Anamogsi erst nachdem schon der große feuchte Lehmball angefertigt worden war. Mit einem größeren Stein öffnete er ihn und fand darin den kleinen Stein, der fortan als Opferstein dienen sollte. Anstelle eines Abreibens des Körper mit einer Wurzelfaser und da-binta, wie es bei dem baano-wen-Ritual (Ausführung durch einen Wahrsager) üblich ist, schüttete Anamogsi viermal klares Wasser aus seiner Hand auf das Haar seiner Schwiegertochter.
Die Frau trugt ihren neuen Schrein selbst ins Gehöft, wo er in ihrem Schlafzimmer im Quartier ihres Mannes seinen Standort fand. Dort opferte ihm der Gatte ein Huhn und am Abend desselben Tages klares Wasser, Hirsebrei und gekochtes Hühnerfleisch, während Anamogsi die Gebete sprach.

Abb.: Am Fußpfad stehen ein kleiner Topf mit Hirsebier (rechts davon der Kalebassendeckel), da-buusa in einer Kalebassenschale und das Wahrsager-Besteck.

3. Awenlami Yeri (Wiaga-Longsa) 8.12.88, Ausführung durch den Wahrsager Akanming (Badomsa). Am 7.12.88 meldete Asoji, der yeri nyono von Awenlami Yeri, die wen-piirika einer Frau für den nächsten Tag in Akanmings Gehöft an.
Vor dem Gehöft Awenlami forderte mich Akanming auf, meine Taschenlampe auszuschalten. Die pobsika am Gehöfteingang führte Akanmings Sohn Ajacke mit der Frau aus. Diese Stellvertretung ist möglich, da die pobsika eigentlich nicht mit Wahrsager Akanming sondern mit seiner Rassel ausgeführt wird. Der etwas gehbehinderte Akanming kam erst später an. Die folgenden Handlungen wichen etwas von denen in Asik Yeri und Anyenangdu Yeri ab. Eine Frau brachte in einer Kalebasse einen rötlichen Rückstand (da-busing) aus der Pito-Herstellung, der mit klarem Wasser verdünnt wurde. Akanming warf eine mitgebrachte dunkelrote Wurzelfaser von einem Baum, dessen Wurzeln zum Teil bis in einen Fluss reichen, in die rote Masse. Aus einer weißen kazagsa-Faser formte er einen Standring (tuilik) für einen kleinen, mit Pito gefüllten Tontopf. Dass es sich hier um ein Ritual und nicht um eine praktisch notwendige Tätigkeit handelte, zeigt sich darin, dass diese Handlung auch bei allen folgenden von einem Wahrsager ausgeführten wen-piirika-Ritualen genau so ausgeführt wurde und der Faserring später in dem Loch mit den anderen ‟bösen‟ Dingen in dem Erdloch entsorgt wurde. Akanming sagte mir, dass er die rituelle Bedeutung dieses Ringes nicht mitteilen durfte. Vielleicht waren auch hier die bösen Bestandteile des Hirsebiers in diesen Ring gezogen.
Akanming kratzte dann den Boden auf dem Fußpfad mit einer Hacke auf und schüttete Wasser in das entstandene Loch. Er formte aus der ausgehobenen Erde eine grobe Schüssel, schüttete viermal etwas Hirsebier hinein und vermischte und verknetete dieses mit dem Lehm.

Abb.: (Vor Awenlami Yeri) Die Sonnenscheibe ist zwischen zwei Bäumen im Dunst des Morgens sichtbar geworden.

Als die Sonne hinter einer Wolkendecke sichtbar wurde, formte er aus der Erde einen großen und einen (!) kleinen Ball und steckte vier weiße Federn von einem kleinen Huhn in den kleinen Ball. Mit dem weißen Hühnchen rieb Akanming den Körper der Frau ab. Nach Akanming ging hierdurch alles Übel und alle Schuld (wa-kaasima) von der Frau in das Hühnchen über.

Abb.: Akanming reibt den Körper der Frau mit der da-buusa und dem weißen Hühnchen ab.

In den großen Ball drückte er ein Loch, und die Frau spuckte viermal hinein. Dann drückte Akanming einen Stein, den er von zu Hause mitgebracht hatte und der nach seinen Worten die Sonne (wen-bini) symbolisieren sollte, in den Lehmball.
Nach dem Zug ins Gehöft hielt Akanming den Lehmball dreimal auf den vorgesehenen Standort und drückte ihn erst beim vierten Mal fest. Vor dem Opfer eines braunen Huhns musste die Frau dessen Fuß anfassen und das Huhn musste vom Finger Akanmings etwas Hirsebier trinken. Danach opferte Akanming ein Perlhuhn und aus einer kleinen Kalebasse etwas Hirsebier. Die beiden Hühner wurden später gekocht und Stückchen ihres Fleisches und ihrer Leber zusammen mit Hirsebrei dem neuen Schrein geopfert.
Das Fleisch der beiden Hühner wurde nach festen Regeln aufgeteilt: ein Bein des Perlhuhns (kpong) erhielt Asojis Mutter, der der Innenhof gehörte, ein Bein des Huhns erhielt der Gehöftherr Asoji. Die Frau des Gehöftherrn erhielt einen Flügel des Perlhuhns. Der Gatte der Schreinempfängerin (?) erhielt einen Flügel des Huhns. Nach langen Dankesreden und dem Genuss von Hirsebier fand eine Wahrsagersitzung statt mit dem Ergebnis, dass alle Riten korrekt durchgeführt worden waren. Erst hiernach fand die Begrüßung zwischen den Gästen und Hausbewohnern von Awenlami Yeri statt. Als Bezahlung erhielt Akanming: 1. das kleine weiße Huhn (für seinen Sohn Ajacke, der es aber selbst nicht essen durfte, da es mit der Schuld der Frau beladen war), 1 Bund zamonta-Hirse, 1 Kalebasse nicht-entkörnter Erdnüsse, 1 Krug Hirsebier, den Rest der beiden geopferten Hühner, 1 Huhn als Opfer für seinen Wahrsagergeist (jadok) in Badomsa und ein Huhn für mich. Vorher schon hatte eine Frau einen großen Krug Hirsebier nach Akanming Yeri gebracht, der abends unter den Bewohnern dieses Gehöft aufgeteilt wurde.

Nach der Rückkehr in sein Gehöft opferte Akanming auf dem Dach seines Wahrsagerraums (jadok-dok) folgenden Schreinen: der irdenen Krokodilplastik (dem eigentlichen jadok-Schrein), dem wen des jadok, drei Medizinhörnern (dem Horn seines jadok, dem Tongnaab-Horn und dem Pung-Muning-Horn seines Vaters) und dem großen Medizintopf (vorne links).

4. Ateebnaab Yeri (Wiaga-Mutuensa), 30. Dezember 1988, Ausführung durch den Wahrsager Akanming (s.o.).
Am 29. Dezember konnte ich vor dieser wen-piirika an den Vortagsopfern, in denen Akanming wichtige übernatürliche Wesen seines Hauses über das Ereignis des folgenden Tages informiert, teilnehmen. Er opferte Hirsewasser (zom) an folgende Schreine: 1. an den Ahnenschrein seines Vaters Awasiboa vor dem Gehöft, 2. an das ma-wen (zwei Steinen [Endnote 12b] am Fußpfad) seiner Mutter, 3. an seine zwei Umhängehörner mit Erde des tanggbain Pung Muning (Badomsa), 4. an sein eigenes tintueta-wen, 5. an seinen Wahrsage-jadok (ngauk, Krokodil) ein Tonrelief auf dem Dach seines Wahrsageraums und gleichzeitig damit auch an dessen Zubehör (die beiden Wahrsagerrassseln, zwei gefüllte Hörner, den Wahrsagebeutel, den zugehörigen Medizintopf und andere Gegenstände).
Der yeri-nyono des Gehöfts Ateebnaab Yeri, ein Middle-School Absolvent und praktizierender Katholik, der früher in der katholischen Klinik Wiaga gearbeitet hatte, konnte als Christ an einigen Riten (z.B. an der abschließenden Wahrsagesitzung) nicht aktiv teilnehmen. Sein etwa ein Jahr alter Sohn litt unter Atemnot und Krämpfen.
Die folgenden Rituale glichen in sehr starkem Maße denen in Awenlami Yeri (Nr. 3). Kleinere Abweichungen ergaben sich durch das junge Alter des Schrein-Empfängers. Er konnte nicht in den Lehmball spucken, sondern sein Speichel wurde dreimal mit dem Finger seines Vaters in den Lehmball gedrückt. Ähnlich verfuhr man, als später der Kleine Hirsewasser trinken musste. Im Innern des Gehöftes wurde diesmal ein großes schwarzes Huhn geopfert. Auch wurde der neue Schrein vom Vater des Kindes ins Gehöft getragen. Die Begrüßung fand wieder erst nach der Wahrsagersitzung statt.
Als Bezahlung erhielt Akanming: einen großen Topf Pito, den eine Frau nach Akanming Yeri brachte, eine große Kalebasse zamonta-Hirse, ein graues Huhn, das kleine weiße Hühnchen und als freiwilliges Geschenk noch ein gekochtes Perlhuhn.
Um ca. 13 Uhr waren wir wieder in Akanming Yeri. Hier opferte Akanming noch einmal seinem jadok (mit Zubehör) auf dem Flachdach zuerst Hirsewasser und dann Hirsebier. Die Wahrsagerrasseln erhielten diesmal kein Opfer (wahrscheinlich hatte er sie vergessen).

5. Akanjoliba Yeri (Wiaga Mutuensa), 5. Januar 1989; Ausführung durch den Wahrsager Akanming. Schrein-Empfängerin: ein etwa siebenjähriges Mädchen, das unter geistiger Verwirrung litt und sich nicht normal unterhalten konnte. Dies zeigte sich in den Riten auch dadurch, dass Akanming vor Beginn der Riten am Fußpfad ihren Kopf ergriff und ihren Kopf mit einer Hand, in der er eine Medizin hielt, massierte.
(Die Ereignisse in diesem Gehöft wurden nicht wie bei anderen Gehöften durch Dias dokumentiert, sondern durch einen Video-Film).
Sowohl die vorbereitenden Opfer am 1. Januar in Akanming Yeri wie die eigentlichen Rituale in Mutuensa glichen in starkem Maße den beiden vorhergehenden (3. und 4.).
Ein kleiner etwas peinlicher Zwischenfall ging der wen-piirika voraus. Wieder hatte Akanming seinen jüngsten Sohn Ajacke und mich vorgeschickt, um schon einmal die pobsika durchzuführen. Leider hatten wir am falschen Gehöft gerasselt und der herbeigeeilte Akanming musste den aufgeregten Gehöftbewohnern den Irrtum erklären.

6. Abasitemi Yeri (Wiaga-Badomsa), 13. Januar 1989; Ausführung durch den Wahrsager und Gehöftsherrn Ayomo; Schrein-Empfängerin war seine neu vermählte blinde Ehefrau aus Kadema.
Ich wartete seit 5.20 Uhr vor dem Gehöft, als Ayomo 5.45 Uhr von der Hinterseite des Gehöfts rasselnd zum Haupteingang kam. Er holte sich etwas helle Asche von einem von einer Feuerstelle und führt am Eingang die pobsika mit seiner Frau (der natürlich die Augen nicht zugehalten wurden) durch. Das Feuer wurde diesmal nicht an dem Fußweg ausgeführt, der zum Elternhaus der Frau führte.
Ähnlich wie Akanming es tat, zerstampfte Ayomo zwei Wurzelstücke im Mörser und mischte sie mit den roten da-buusa Pito-Rückständen. Es war für mich etwas außergewöhnlich, dass er nach dem Erscheinen der Sonne erst mit der Formung von vier kleinen Lehmbällen (für die vier weißen Federn) und dem großen Ball, in den seine Frau viermal spuckte, anfing und erst im Innern des Hauses den Stein in den Ball drückte. Es entstand eine Diskussion darüber, wo der neue Schrein seinen Standort haben sollte, und die Entscheidung, ihn in Ayomos eigenem Viereckbau zu platzieren, war wieder etwas ungewöhnlich. Die Opfer entsprachen wieder der mir bekannten Durchführung: Hirsewasser, 1 dunkles Huhn, 1 Perlhuhn und Hirsebier wurden dem neuen Schrein, aber auch Ayomos Wahrsagerbeutel und der Rassel geopfert, nachdem die Frau sie gehalten oder wenigstens berührt hatte. Nach den Mittagsopfern (Wasser, Hühnerfleisch, Hirsebrei mit Sauce, Wasser und Hirsebier) fand die Wahrsagersitzung nicht etwa in Ayomos Wahrsageraum (jadok dok) statt, sondern in dem Raum des neuen Schreins. Danach erhielten folgende Schreine ein Pito-Opfer: der neue, einige Tage vorher erstellte Chamäleon-Schrein am Hauptspeicher des Innenhofe, der Wahrsagerbeutel mit der Rassel und dem jadok-Horn, die Ahnenschreine Ayomos an einer Seite des Gehöfts. Erst um 17 Uhr opferte er in der Mitte seines Innenhofes dem Pung Muning Horn und vier jadok-Schreinen. Erst danach erfolgten die Danksagungen. Begrüßungen. Bezahlungen fanden nicht statt, da alle Hauptakteure aus dem eigenen Gehöft stammten.

7. Angaung Yeri (Wiaga-Kubelinsa), 30. März 1989; Ausführung durch den Wahrsager Akanming; Schrein-Empfängerin ist eine Ehefrau (aus Kadema), die als streitsüchtig galt und mehrere Konflikte im Gehöft verursacht hatte.
Nachdem die ersten Riten ganz denen früherer wen-piirika Feiern entsprachen, fiel das Ritual des Abreibens der Frau diesmal viel ausführlicher aus. Akanming hielt das weiße Hühnchen und die da-buusa mit Wurzeln auf den Kopf der vor dem Loch stehenden Frau und sprach ein Gebet. Dann rieb er den ganzen Körper der Frau mit den Dingen in seiner Hand ab: Brust, Oberschenkel und Beine; Kopf, Hinterkopf, Rücken, Gesäß, Beine, Unterschenkel, die beiden Arme und beide Hände. Dann führte er Huhn und da-buusa um beide Füße herum. Das Huhn hatte er fest in eine Hand der Frau gedrückt. Die Frau setzte sich nun in die Hocke und Akanming reichte ihr viermal den Lehmball mit einem eingedrückten Loch. Sie spuckte jedesmal hinein, und Akanming verknetete den Ball. Erst hiernach drückte er den mitgebrachten Stein in den großen Lehmball. Danach trennte er einen Teil des großen Lehmballs und formte einen kleinen Lehmball, den er in das Loch legte, bevor er die vier weißen Federn einsteckte.
Hiernach trug die Frau den neuen Schrein unter dem Rasselgeräusch Akanmings ins Gehöft. Nach den üblichen Opfern an den neuen Schrein gingen wir zur Offenküche des Haupt-Innenhofes (dabiak), wo man uns drei Krüge mit Hirsebier zeigte. Aus dem kleineren wurde sofort ausgeschenkt, während ein Frau des Gehöft einen größeren nach Akanming Yeri brachte. Die Mittagsopfer und auch die Bezahlung an Akanming glich wieder genau den früheren wen-piirika Ritualen.

8. Atinang Yeri (Wiaga-Badomsa), 13. Februar 2001; Ausführung durch den Wahrsager Akaateba (Wohnsektion: Wiaga-Goldem; Geburtssektion: Wiaga-Zuedema); Schrein-Empfänger war ein etwa fünfjähriger Junge, ein Enkel des Gehöftherrn Atinang. Er hatte mit seiner Schleuder auf Hühner und auch auf Menschen geschossen. Nun glaubte er, dass er in dem folgenden Ritual für seine bösen Taten bestraft würde und schrie und weinte daher bei allen Riten. Die Schleuder selbst war gut sichtbar ausgestellt.
Abweichend von den oben beschriebenen wen-piirika Riten, formte Akaateba neben dem großen Lehmball zwei kleine (Akai: 3; Akanming: 1). Nach dem Opfer im Haus und vor der abschließenden Wahrsagersitzung gab man dem Wahrsager ein braunes Huhn und eine kleinere Kalebasse mit Rispenhirse. Ein großer Topf mit Hirsebier wurde vorher schon zu seinem Haus in Goldem gebracht.

9. Anyenangdu Yeri (Wiaga-Badomsa), 12. Januar 2003; Ausführung durch den Gehöftherrn Anamogsi; Schrein-Empfängerin: Anamogsis etwa dreijährige Enkeltochter.
Da alle an der Rite beteiligten im gleichen Gehöft wohnten, fand die pobsika nicht am Gehöfteingang, sondern am Eingang zum Schlafraum der Mutter des Mädchens statt. Das Erdloch wurde auf dem Vorplatz (peelim) des Gehöfts gegraben, und Anamogsi formte aus dem Auswurf einen Erdball, den er dreimal öffnet und dabei jedesmal einen kleinen Stein fand. Er formte aus der Erdmasse zwei kleine Erdbälle und einen größeren und drückte in jeden Ball einen der gefundenen Steine. Nach dem Sichtbarwerden der Sonne sollte das Kind eigentlich in alle drei Erdballen spucken, aber Anamogsi drückte nur mit seinem Finger etwas Speichel in den großen Ball. Hierauf wusch Anamogsi mit klarem Wasser seine eigenen Hände und Kopf, Hände und Füße des Kindes. Die Mutter trug nun das Kind und den neuen Schrein ins Haus. Vor den Opfern musste das Kind die Kalebasse mit Hirsewasser und das Huhn berühren. Vor 7.00 Uhr war alles beendet. Das Mittagsopfer (Fleisch und Leber des Huhns mit Hirsebrei, Ochro-Sauce und klares Wasser) fand gegen 13 Uhr statt. Von dem Rest des Hirsebreis wurde mir ein vollständiges Mittagessen serviert.

10. Anyenangdu Yeri (Wiaga-Badomsa) 5. Februar 2008; Ausführung durch einen Wahrsager; Schrein-Empfänger: Anamogsis Tochtersohn.
Das besondere an dieser wen-piirika war, dass ein junger Mann seinen ersten wen-Schrein bekam, der nicht zur Lineage des Gehöftherrn gehörte. Seine Mutter war nach einer erfolglosen Ehe in das Gehöft ihrer Eltern zurückgekehrt und hatte ihre Kinder mitgebracht (auch letzteres ist etwas ungewöhnlich, denn Kinder bleiben gewöhnlich in der Familie ihres Vaters).
Diesmal wurden die Riten nicht von Anamogsi, sondern von einem Wahrsager  in einem stark verkürzten Gesamtablauf durchgeführt. Der gesamte Ablauf wurde stark verkürzt. Es entfiel zum Beispiel die Formung der kleineren Bälle. Ich versäumte es zu fragen, ob diese Verkürzungen durch die Zugehörigkeit des Schrein-Empfängers zu einer fremden Lineage zu erklären sind.

d) Standorte der wen-bogluta {157}
Wen-Schreine von Personen der eigenen Lineage (zum Beispiel Söhne, Töchter, Enkel des Gehöftherrn) werden gewöhnlich im Innenhof der Mutter der wen-Schrein-Besitzer aufgestellt. Die bogluta von eingeheirateten Frauen finden in ihrem Schlafzimmer ihren Platz.
Es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Regel. In Leanders traditionellem Gehöft sind alle bogluta und andere Heiligtümer im Innenhof von L. Amoaks verstorbenen älteren Bruder Atiim und seiner noch lebenden Gattin vereint, wo sich auch der kpilima-dok, der früher {157} einmal Wahrsager-dok Atiims war, befindet. In Leanders eigenem Innenhof befindet sich als einziges Heiligtum das Grab seiner leiblichen Mutter. Dieses mag darin seinen Grund haben, dass die vier Ehefrauen Leanders im dem traditionellen Gehöft Asik Yeri keine eigenen Schlafräume (diina) haben und eine Errichtung von Schreinen in ihrem modernen Wohnhaus im Zentrum Wiagas wäre undenkbar.
Der Lageplan aller bogluta im Hause L. Amoaks (S. 182) gibt Auskunft darüber, wo sich die wen-bogluta lebender Personen befinden. Auf S. {185} (Kap. V3d) wurden alle wen-bogluta lebender Personen aus dem Innenhof des yeri-nyono von Amoanung-yeri in einem Lageplan aufgezeichnet. Die Standorte der wen-bogluta der anderen Gehöftsbewohner (es gibt zwei weitere Haushalte!) sind mir nur z.T. bekannt geworden, wohl gab mir der Hausherr bereitwillig Auskunft über die wena der Ahnen vor dem Haus.

e) Opfer und Zubehör der Schreine
Macht das Kind, das einen wen-bogluk erhalten hat, weiterhin Erziehungsschwierigkeiten oder kränkelt es nach wie vor, so kann der Wahrsager herausfinden, dass das wen des Kindes ein Opfer braucht, wobei er auch die genaue Art des Opfers angibt.
Sinn und Zweck eines jeden Opfers ist es, dem wen (bzw. einem anderen bogluk) Nahrung zuzuführen. Bei wichtigen Angelegenheiten (z.B. den meisten Übergangsriten) werden Tiere geopfert. Im ersten Teil einer solchen Opferhandlung (meistens vormittags) werden dem wen meistens Hirsewasser, das Blut des Tieres und (falls kein Nachmittagsopfer stattfindet) am offenen Feuer geröstetes Fleisch und Leber dargebracht. Von geopferten Säugetieren (dungsa, Sing. dung) wird morgens nur Blut geopfert. Das Fleisch und die Leber werde anschließend von Frauen im Gehöft gekocht und Teile davon nachmittags (oder mittags) zusammen mit Hirsebrei und einer Sauce demselben Schrein geopfert.
Als Opfer können folgende Flüssigkeiten, Nahrungsmittel und Tiere verwandt werden:

1. Flüssigkeiten und Nahrungsmittel:
Wasser: Es kann zur Einleitung der Opferhandlung dargebracht werden, fast immer vor der Opferung von gekochtem (gebratenem) Fleisch, T.Z. und Suppe (jenta). L. Amoak gibt für die Darbringung von Wasser folgende Erklärung: “…damit sich das wen die Hände waschen kann.” Die Bulsa waschen sich allerdings vor einer warmen Mahlzeit (Fleisch, T.Z., Suppe) die Hände mit Wasser aus einer Kalebasse.
Will der Opferer dem wen nur eine Information geben oder ein {158} Gespräch führen, so kann Wasser ohne jede andere Opfergabe dargebracht werden (” …damit das wen wach wird”). Dem gleichen Zweck dient auch das Auflegen der rechten Hand auf den Stein.
Hirsewasser (zom: Mischung aus Wasser und Hirsemehl) kann vor allen andern Opfern, aber auch allein ohne andere Opfergaben dargebracht werden. Die meisten wen wünschen sich Hirsewasser aus Körnern, die vor dem Mahlen geröstet wurden.
Blut (des geopferten Tieres)
Pito (daam): Es wird gewöhnlich nach blutigen Tieropfern an einem ganz anderen Tag dargebracht, um die von Blut verklebten Augen des Schreingeistes zu reinigen.
Suppe oder Soße wird gewöhnlich in Verbindung mit T.Z. geopfert. Nach L. Amoak werden Erdnuss-Suppen und Ochro-Suppen am häufigsten geopfert, seltener bogta (eine schleimige Suppe) und tue (Bohnensuppe). Niemals werden tueta (Bohnenblätter-Suppe) und Alefu (eine Blättersuppe, wahrscheinlich aus Südghana eingeführt) geopfert.
T.Z.  (saab) wird gewöhnlich nach dem Blutopfer in Verbindung mit dem zubereiteten Opfertier dargebracht.
Fleisch und Leber (gekocht oder gebraten) werden nur geopfert, wenn das Blut des Opfertieres bereits über den bogluk geflossen ist.
Akpeteshi (Palmbranntwein) wird erst ganz vereinzelt in neuerer Zeit geopfert.

Anmerkung: Eine schleimige bogta-Suppe kann vor die bogluta geschüttet werden, ohne dass es sich hier um ein Opfer handelt. Diese Handlung wird piirika genannt. Sie soll symbolisch alles “glätten”, d.h. Probleme sollen beseitigt werden. Bösewichte sollen auf der schleimigen Suppe ausrutschen (vereinzelte Information).

Hirsekörner werden vor der ersten Einsaat mitunter auf die Schreine gelegt. Dies gilt aber nicht als Opfer.

2. Opfertiere [Endnote 13] {158}
Huhn oder Hahn (kpiak),
Perlhuhn (kpong, männlich oder weiblich),
Hund (biak, männlich oder weiblich): nur an bestimmte Schreine (z.B. tengkuk, juik u.a.,
Ziege (buuk, männlich oder weiblich),
Schaf (posuk, männlich oder weiblich),
Rind (naab, Kuh, Kalb, Ochse, Stier),
Esel (boning): Da diese Tierart von den meisten tanggbana nicht angenommen wird, opfert man Esel ersatzweise an einen anderen Erdschrein, z.B. an einen tengkuk.

Abb.: Ahnenschrein mit einem “Messer”

Ziege, Schaf und Rind werden unter dem Namen dung, Pl. dungsa zusammengefasst. Dung wird oft ungenau mit englisch ‘animal’ übersetzt. Mitunter ist das Opfer eines dung vorgeschrieben (vgl. S. 253), wobei es dem Opferer freisteht, welche der drei Tierarten er opfern will.
Wilde Tiere und Tiere, die ursprünglich nicht von den Bulsa gezüchtet wurden (Pferd, Truthahn, Ente, Katze usw.). können nicht geopfert werden [Endnote 14].

Anmerkung: Wilde Buschtiere werden nur sehr selten geopfert. Wenn zum Beispiel ein wen ein Busch-Perlhuhn verlangt, wird dieses schon im Busch getötet und nur das geröstete Fleisch auf den Schrein gelegt.

3. Andere Gegenstäne als Beigaben 
{159} Neben den eigentlichen Opfern, die mit einem Opfermahl aller Anwesenden enden und so eine enge Verbindung der Lebenden mit den wenn der Lebenden oder Toten schaffen, kann ein wen auch noch andere Dinge des täglichen Lebens fordern. Folgende Dinge gehören wohl zu den häufigsten Wünschen der wena:
Kaurischnecken: Sie sollen dem Schmuckbedürfnis des wen entsprechen. Zwei Kaurischnecken an einem bogluk können auch die Augen des wen darstellen (Inf. auch durch R. Schott).
Eiserne Armreifen: Sie entsprechen auch dem Schmuckbedürfnis des wen. Ein Informant berichtet, dass der Ring auf seinem persönlichen bogluk das Umherschweifen der Seele (chiik) verhindern soll. Diese Einzelinformation konnte nicht durch weitere Belege gesichert werden.
Messer: Das wen eines Ahnen forderte in einem mir bekannten Fall ein Messer, um die Hausbewohner besser schützen zu können. Ein flaches Stück Eisen, das keine erkennbare Ähnlichkeit mit einem Messer hat, wird hierfür in den Lehmsockel eines (Ahnen-) Schreins eingelassen. Da das ganze Gehöft geschützt werden soll, kommt dieses Zubehör wohl nur bei Schreinen vor dem Gehöft vor.
Eine rote Mütze, Symbol eines Häuptlings, soll die Sonderstellung eines wen unter den anderen wenn kennzeichnen.
Medizin (in einem Tontopf oder lose Wurzelstücke) kann ein wen für die Erhaltung der Gesundheit seines Besitzers fordern (s. auch segrika-Medizin in einem tibiik-Topf neben dem Schrein.

Abb.: Anaanateng Guuk (Zamsa): Mit den leeren Flaschen sollen sich die Ahnen Wasser von dem nahegelegenen Teich holen.

Neben den vielleicht ältesten Schreinen des Bulsalandes  des Bulsalandes in Wiaga-Zamsa verlangten einige leere gläserne Bierflaschen, um sich von der nahegelgenen Wasserstelle Wasser zu holen (vgl. Kröger 1982, Anhang Plate 18). Ebenfalls in Zamsa trägt ein alter Ahnenschrein vor dem Gehöft in Lehm geformten kleinen Nachbildungen von Rundhäusern, wie sie in den Gehöften vorkommen. Hier können sich die Ahnen ausruhen oder vor den  Sonnenstrahlen schützen. Man sagte mir, dass es sich um ein Schlaf- und ein Esszimmer handelt.

Abb.: Ahnenschrein vor dem Gehöft Avarisi Yeri (Zamsa). In der Mitte des Schreins stehen zwei kleine Nachbildungen von Rundhäusern. Die Dornzweige sollen Tiere davon abhalten, die Aufbauten zu zerstören.

Zu den von dem Geist gewünschten Objekte kommen noch solche, die man vor oder bei Opfer gebraucht hat, z.B. das Seil, mit dem man ein Tier festgebunden hatte. Diese Anhäufung von Objekten sind vor allem typisch für Erdheiligtümer, kommen aber auch bei wichtigen Medizinschreinen vor. Am berühmten Pung-tanggbain von Kanjaga wurden Dutzende von Tongefäßen niedergelegt und haben die äußere  Erscheinungsform dieses Schreins stark geprägt.

Abb.: Pung-Tanggbain Kanjaga: Aus den abgelegten Gefäßen wurde frühere einmal geopfert.

Ayongbiik, der jüngste Sohn von L. Amoaks verstorbenem Bruder Atiim, bereitete auch nach der Errichtung eines wen-bogluk seinen Eltern weiterhin Erziehungsschwierigkeiten, was auf ein sehr starkes wen schließen ließ. Nach Wahrsageraussage verlangte das wen Kaurischmuck für seinen bogluk. Die Kaurischnecken (dreimal 2 Kauris) wurden darauf in folgender Anordnung am bogluk angebracht:

Abb.: wen-bogluk (Aufsicht) {159}

Falls das wen des Kindes weiterhin Schwierigkeiten macht, kann der bogluk sogar die rote Mütze bekommen, d.h. das wen dieses Jungen wird unter den anderen wenn des Hauses eine Art Häuptlingsstellung {160} einnehmen. Dies wäre möglich, obwohl Ayongbiik zur Zeit der Information erst zwei Jahre alt war.
Lucky Akanbe Leander (vgl. S. 65 ff., Kap. ) bekam sogleich nach seiner Namensgebung einen wen-bogluk und diesen sogleich mit drei Kaurischnecken und einem Medizintopf (tibiik) mit Wurzeln neben dem bogluk. Die Wurzeln wurden auf folgende Weise gefunden: Der Wahrsager gab L. Amoak den Auftrag, er solle in den Busch gehen, bis er an eine Wegkreuzung komme, unter der sich Wurzeln befänden. Diese Wurzeln solle er ausgraben und in einem kleinen puuk-Topf neben Akanbes bogluk stellen. Ein anderer wen-bogluk im Hause L. Amoaks besitzt Medizin in der Form von Wurzeln, die lose neben dem bogluk liegen.
Nachträgliche Darbringungen von Kaurischnecken sind meistens mit Umformungen des bogluk und immer mit zusätzlichen Opfern verbunden. So wurde z.B. der bogluk des zweijährigen Ayongbiik zerstört, pulverisiert, neu mit Wasser angerührt und neu geformt, bevor die Kaurischnecken eingedrückt wurden.
Armreifen werden jedoch mitunter nur lose über den wen-Stein gelegt, und die rote Mütze wird nie mit dem nassen Lehm verbunden. Die Armreifen und die rote Mütze können dann zeitweise von dem Inhaber des wen-bogluk oder, wenn es sich um den bogluk eines verstorbenen Ahnen handelt, von dem Opferer getragen werden. Das Tragen dieser Dinge soll auf den Träger eine heilbringende Wirkung ausüben und verleiht ihm bei seinen Bekannten hohes Ansehen.
Da die Umformung eines männlichen und weiblichen bogluk in den wesentlichen Punkten gleich ist, soll hier nicht näher darauf eingegangen werden, sondern auf die Beschreibung der Umformung eines weiblichen bogluk (S. 166 ff., Kap. V3b) verwiesen werden.

f) Das wen nach dem Tode des Inhabers
Nach dem Tode des Inhabers eines tintueta-wen-bogluk ändert sich zunächst nicht viel. Das wen bleibt unverändert im wen-Stein. Die Aufgabe des Opferns übernimmt bis zur Totengedenkfeier des Inhabers dessen jüngster Sohn oder, wenn dieser noch zu klein ist, ein anderer jüngerer Sohn {161}. Nach der Totengedenkfeier übernimmt der älteste Sohn das Amt des Opferers.
Wieder einige Jahre später kann vielleicht dem Haus ein Unglück widerfahren, und ein Wahrsager findet heraus, dass dieses Unglück durch einen Ahnen kam, der aus dem Gehöft heraus will, um vor dem Haus (yeri) in frischerer Luft oder in der Gesellschaft anderer Ahnen zu stehen.
In dem Gehöft Awaanka Yeri in Sandema-Kalijiisa-Yongsa geht der Gehöftherr einmal im Jahr nur zu dem Zweck zum Wahrsager, um sich nach den Wünschen der Verstorbenen (kpieba) und Ahnen (kpilima oder koba) zu erkundigen. In einem konkreten Fall gab ein vor Jahren verstorbener ehemaliger Gehöftherr an, dass er (d.h. sein wen) erst dann einen neuen Standort wünscht, wenn seine Enkel erwachsen sind.
Am 10. Februar 1989 konnte ich in Achumbe Yeri (Wiaga-Yisobsa) an dem tu-poak-laka (wörtlich: ‘das Öffnen der Baobab Schale’) Fest teilnehmen . Etwa zwei Jahre vorher war (ohne meine Beteiligung) der kleine tintueta-wen-bogluk von Achumbe im Innern des Gehöft vom Boden gelöst worden (nach einer Information aus einem anderen Haus ist es der älteste Sohn des Ahnen) und ein kleines Mädchen brachte ihn in einer Kalebassenschale vor das Gehöft, wo ein großer Ahnenschrein aus feuchtem Lehm gebaut wurde. Sowohl der zerkleinerte irdene Teil als auch der kleine wen-Stein wurden vorher mit dem feuchten Lehm für den großen Schrein vermischt. Der neue, runde wen-Stein (tintankori) wurde aus dem Boden von Achumbes Getreidespeicher gelöst (siehe oben) und in den neuen, noch feuchten Ahnenschrein gedrückt.
Zum 10. Februar, dem Tag der ersten Beopferung des neuen Ahnenschreins, waren viele Gäste aus dem ganzen Bulsaland erschienen. Es waren nicht nur Mitglieder der lineage einschließlich aller ausgeheirateten Töchter des Hauses (yeri-lieba) und Freunde des Hauses (z.B. der Kadema-chief), sondern die größte Gruppe (14) unter den Gästen stellten die sogenannten ‘Neffen’ (ngesingsa, Sing. ngesing) Achumbes. Unter Neffen waren hier Nachkommen Achumbes gemeinte, die mit seiner lineage nur matrilinear verwandt waren. So kamen hier Männer aus folgenden Dörfern und Sektionen: Wiaga-Kpandem-Kpalinsa, Zuedema, Gbedema (Nakpa-Yeri), Wiaga-Chiok, Wiaga-Sinyangsa-Kubelinsa, Sandema-Balansa u.a.
Jeder von ihnen hatte ein Huhn, einen Hahn oder ein Perlhuhn mitgebracht. Diese wurden hintereinander mit Nennung des Spendernamens vom Opferer des Gehöfts dem neuen Schrein geopfert, außerdem wurde eine Ziege (vom Gehöftherrn?) geopfert. Nach der Zubereitung von Hirsebrei und dem Kochen des Hühnerfleisches fanden die Mittagsopfer statt. Diesmal werden die 14 Opfergaben in Gruppen zusammengefasst dem Schrein dargebracht.
Wie ich in meiner Publikation von 1982 (S. 40-44) mit einer ausführlicheren Dokumentation dargelegt habe, sollen nach meiner Einschätzung die matrilinearen Verbindungen, deren Kenntnisse besonders leicht verloren gehen wenn die Nachkommen in anderen Dörfern leben, neu aufgefrischt werden und das Heiratsverbot wieder voll in Kraft treten.
Bei R. Schott [Endnote 15] finde ich eine interessante Notiz darüber, woher der neue Stein kommt:

…a man’s god is also any stone, but when you build your own barn of your own, you take that round stone, fix[ed] it in the middle of the barn inside. When you die, that stone is taken out from the barn by your sons and fixed on the altar of the wen, which becomes the bogluk of the sons, and the former stone of the wen is thrown away.

Am 13. Dezember 1988 baute Ayomo, der Gehöftherr von Abasitemi Yeri, seinen zentralen Getreidespeicher, der in der Regenzeit zusammengebrochen war, wieder auf. Er schuf eine Steinbasis, auf die er eine Schicht feuchter Erde legte. In diese zeichnete er mit drei Fingern ein Kreuz, dessen Scheitelpunkt er einen runden Quarz-Stein drückte, bevor er mit dem schichtenweisen Aufbau der Speicherwände fortfuhr. Er sagte mir, dass der runde Quarz-Stein einmal Jahre nach seinem Tod der wen-Stein seines Ahnen-bogluk sein werde.

Abb.: Ayomo (Abasitemi Yeri) baut einen neuen Hirsespeicher. In der Mitte des hier noch feuchten Bodens befindet sich der wen-Stein seines späteren Ahnenschreins.

Ein Ahnenschrein erhält immer einen runden Quarzstein [Endnote 15a], der früher einmal als Aufrauhstein für die Mahlsteine im Mahlraum gebraucht worden war. Der kleine Stein des nun aufgegebenen tintueta-wen-bogluk und auch dessen pulverisierte Erde werden beim Bau dem Lehmsockel des neuen  Ahnenschreins beigemischt. Auch  der persönliche Schrein einen Medizintopf  wird er neben den neuen Ahnenschrein aufgestellt.

Falls der Verstorbene keine Söhne hat, wird er keinen eigenen bogluk erhalten, denn diesem würde keiner opfern können. Der wen-Stein des Toten wird daher in den bogluk seines ältesten verstorbenen Vollbruders eingelassen, dessen Kinder noch in dem gleichen Haus sind. Der Stein soll sich so nahe bei dem wen-Stein des Vollbruders befinden, dass z.B. eine geopferte Flüssigkeit leicht auf den Nachbarstein des kinderlosen Ahnen fließen kann. So ist gewährleistet, dass das wen des Toten genug Nahrung bekommt, auch wenn der Ahne keine eigenen {162} männlichen Nachkommen hat. Falls alle Söhne der gleichen Frau eines Verstorbenen ohne männliche Nachkommen sterben, so werden ihre wen-Steine nicht zu dem eines Halbbruders gefügt, sondern finden auf dem bogluk ihres Vaters, dem ja auch von den Nachkommen der Halbbrüder geopfert wird, ihren Platz.
Wenn ein Haus keine männlichen Nachkommen mehr hat, so besteht wiederum eine Gefahr, dass den Verstorbenen nicht mehr geopfert wird. Es gibt jedoch noch die Möglichkeit, ihnen Opferspeisen zu verschaffen, indem man die bogluta der Ahnen in ein anderes Haus eines möglichst kleinen gemeinsamen Lineagesegmentes überführt. Eine solche Überführung ist 1966 von R. Schott in Sandema beobachtet worden und in seinem Buch Aus Leben und Dichtung eines westafrikanischen Bauernvolkes [Endnote 16] beschrieben worden.
Eine ständige und regelmäßige Rotation der Ahnenschreine unter all den Gehöften einer Lineage soll in dem Unterkapitel 5 über die ökonomische und soziale Bedeutung des Ahnenschreinbesitzes beschrieben werden.
Besteht gar keine Möglichkeit mehr, dem wen eines Verstorbenen durch einen Nachkommen Opfer zukommen zu lassen, so kann das wen den bogluk verlassen, um, wie L. Amoak es ausdrückt, “die Schar der bösen Geister zu vergrößern”. Es ist wohl den meisten Bulsa nicht ganz klar, zu welcher Kategorie bösartiger Geister diese wenn gerechnet werden. Eine vereinzelte Aussage, dass sie jadoksa werden, konnte nicht durch andere Informationen erhärtet werden. Auch die Andeutung L. Amoaks, dass diese wenn vielleicht lose tanggbana werden, d.h. tanggbana, die sich noch nicht in einem Felsen, Baum, Hain usw. niedergelassen haben und auch keine Opfergaben erhalten, konnte nicht bestätigt werden. Die meisten Informanten behaupten, dass das Schicksal eines wen, das keine Opfergaben erhält, ungewiss sei, dass es aber kein jadok oder tanggbain werde.

Abb.: Mobiler bogluk (Cape Coast)

g) Wen-bogluta der Bulsa in Südghana
Die Religion der Bulsa mit ihren Naturgottheiten (tanggbana), mit ihrer kultischen Verehrung der Erde (teng) und ihren fest am Erdboden verhafteten wen-bogluta ist zweifellos Ausdrucksform eines sesshaften Bauernvolkes, und ein langfristiges Fernbleiben vom elterlichen Gehöft {163} mit all seinen Heiligtümern und bogluta kann zu Störungen des kultischen Lebens führen.
Wie bereits gesagt wurde, befinden sich die wenn lebender Personen nicht im menschlichen Körper, sondern sind an einen bestimmten wen-bogluk gebunden. Dieser bogluk braucht jedoch eine ständige Versorgung durch die lebende Person, auf die er durch Krankheiten, Unglücksfälle usw. Einfluss nehmen kann. So sind sofort Schwierigkeiten zu erwarten, wenn der Inhaber des bogluk diesen für längere Zeit verlässt, um etwa im Süden Ghanas eine Arbeit anzunehmen, denn kein anderer kann in einem solchen Fall seinem wen opfern. Forderungen des wen in Bezug auf diesen (Opfer, Kaurischmuck, Umformung usw.) können gewöhnlich nicht mehr erfüllt werden, wenn zwischen dem wen-bogluk und seinem Besitzer eine Entfernung von 2-3 Tagesreisen liegt. Dieser kann jedoch versuchen, sich einen “Ersatz-bogluk” für sein eigenes wen oder für die wenn von Vorfahren zu schaffen, zumal wenn er plant, sein ganzes Leben lang oder wenigstens viele Jahre in Südghana zu verbringen. Solche bogluta werden nach den Anweisungen eines Wahrsagers [Endnote 17] im Süden hergestellt, und der Wahrsager sagt auch, welche Opfer ihnen darzubringen sind.
Ein etwa 50jähriger Bulo aus Cape Coast (gebürtig aus Gbedema) zeigte mir nach langen Verhandlungen die beiden bogluta, die er im Süden angefertigt hatte. Es handelte sich um seinen eigenen wen-bogluk und den seines verstorbenen Vaters. Der Schreinbesitzer wohnte in einer Baustelle, die vom Bauunternehmer aus finanziellen Schwierigkeiten aufgegeben war. Das einzige Zimmer mit Decke war sein Schlafzimmer, in dem neben dem Bett, zwischen Kisten, Eimern und Gerümpel versteckt, der Hausherr schließlich zwei bogluta fand, die lose auf dem Erdboden standen. Zusammen mit einigen Knochen von geopferten Hunden und Schafen, die eigentlich auf den bogluta liegen sollten, gab er mir diese in die Hand. Beide bogluta zeigten frische Blutspuren und mit Blut an den wen-Stein geklebte Hühnerfedern. Der persönliche wen-bogluk hatte etwa die gleiche Größe wie die am Erdboden befestigten Gegenstücke in Nordghana. Der bogluk des Vaters war aber nur um eine Kleinigkeit größer als der des persönlichen wen, d.h. viel kleiner als die bogluta verstorbener Personen im Norden. Bogluta verstorbener Personen werden in Südghana nie vor das Haus gestellt {164}.
Der Hausherr in Cape Coast hatte zur Zeit meines Besuches keine Pläne, nach Gbedema zurückzukehren. Falls dies jedoch geschähe, würde er die Tierknochen und die Steine der beiden bogluta mitnehmen und an einem sicheren Ort aufbewahren. Opfer würden jedoch nur noch den ursprünglichen bogluta, die aus Erde des Bulsa-Landes geformt wurden, dargebracht.
Ein anderer Bulo (Nr. 30 der genealogischen Übersicht auf S. {183}), der als Polizist in einer Einzimmer-Dienstwohnung der zentralen Polizeiwache von Cape Coast wohnte, verwahrte zwei wen-bogluta mit frischen Opferspuren unter seinem Bett. Die bogluta waren fast kugelförmig und hatten nur eine kleine Standfläche (vgl. Abb. 1). Die Steine dieser bogluta und die Erde stammten aus Cape Coast. Der Polizist pflegte hier den wenn seines Vaters und Großvaters (VaVa) zu opfern. Von seinem persönlichen bogluk in Sandema hatte er sich nur den Armreif mitgebracht, dem er in Cape Coast opferte und auch zeitweise trug. Da jedoch ein solcher Armreif seiner Meinung nach schlecht zu einer Polizeiuniform passte, trug er ersatzweise einen Fingerring, der ebenso wie der Armreif aus drei verschiedenfarbigen, gedrehten Metalldrähten bestand.
Es muss hier angemerkt werden, dass die Verdopplung eines wen-bogluk auch ohne moderne Einflüsse in der Gesellschaft der Bulsa schon immer möglich war. Wenn in einem Gehöft nach dem Tode des Vaters die Söhne sich ihre eigenen Wohnstätten errichten, kann in manchen Teilen des Bulsa-Landes jeder Sohn sich einen wen-bogluk seines Vaters vor das Gehöft stellen. Er besorgt sich einen Teil der Erde vom ursprünglichen bogluk und lässt sie von einem Wahrsager mit Erde und einem neuen wen-Stein von seinem eigenen Grundstück zu einem neuen wen-bogluk ergänzen. Nur der älteste Sohn opfert dem ursprünglichen bogluk seines Vaters, alle anderen Söhne opfern den Nachbildungen.
Eine Information, dass manche Bulsa ihren persönlichen wen-bogluk aus dem Norden mit in den Süden nehmen, andere nur den Stein lösen und ihn im Süden mit Erde umgeben, konnte ich nicht bestätigt finden, Der oben erwähnte etwa 50jährige Mann aus Gbedema beteuerte sogar, dass so etwas ganz unmöglich sei.
Weibliche wen-bogluta im Süden sind meinen Bulsa-Informanten nicht bekannt {165}.

h) Funktion und Bedeutung der wen-piirika-Riten und des persönlichen wen

1. Die wen-Riten sind ein sehr wichtiger Bestandteil religiösen System der Bulsa. Denn sie sind Voraussetzung für eine funktionierende und nachhaltige Ahnenvererehrung über Generationen hinaus, denn nur wer zu Lebzeiten einen wen-bogluk erhalten hat, kann Ahne werden, nachdem sein sein wen in dem ….. genannten Ritual vor dem Gehöft in einem großen Ahnenschrein transferiert wurde.
2. Das tintueta-wen nimmt in der Religion der Bulsa eine Mittlerstellung zwischen dem individuellen Besitzer und dem allmächtigen, ewigen Himmelsgott (Naawen) ein. Letzterer ist für Opfer und die Bitten der Menschen nicht direkt zugänglich, sondern muss durch über natürliche Vermittler kontaktiert werden. Das tintueta-wen ist ein Teil des allmächtigen Gottes, und kann von seinem irdischen Besitzer direkt um Hilfe gebeten werden.
3. Es mag in dem noch recht kleinen Sample von elf dokumentierten wen-piirika Riten aufgefallen sein, dass unter den zum rituellen Handeln auslösenden Zuständen geistige Verwirrungen eine recht große Zahl einnehmen. Nun wird der Kranke einen ganzen Tag lang Mittelpunkt in der Gehöftgemeinschaft und fühlt, dass alle ihm helfen wollen. Die Möglichkeit, sich seine persönlichen Problemen in der folgenden Zeit einem anderen zu vermitteln und ein persönliches Verhältnis zu einer übernatürliche Macht aufzubauen, ist durch seine Kontakte zum tintueta-wen gegeben. Er kann ohne Anweisung seines Vaters oder des Gehöftherren Bitt- und Dankopfer darbringen, wenn er auch normalerweise den Gehöftherrn darüber informiert. Durch Handauflegen auf den Stein oder durch Überschütten des bogluk mit klarem Wasser (durch beides wird das wen aufgeweckt) kann er rein persönliche Anliegen vortragen, zum Beispiel vor einer wichtigen Klausur in der Schule, bei Konflikten mit Freunden oder Klassenkameraden, oder auch, um wenn er sich um ein junges Mädchen bewerben will.
4. Durch die wen-piirika erhalten charakterliche Schwächen (z.B. Streitsucht) oder einzelne böse Taten (das Töten von Hühnern mit der Fletsche) eine ganz außergewöhnliche Deutung und Bewertung. Sie werden weder bestraft, noch wird ihnen verziehen, sondern dem Täter wird jede moralische Verantwortung genommen. Der Verursacher und damit verantwortlich war nämlich das wen der Person, das durch die Probleme seine Verehrung in einem Schrein erzwingen wollte.
5. Durch das Abreiben des Körpers mit dem weißen Hühnchen geht jedes Übel, das Anlass für eine wen-piirika war, vom Menschen in das Hühnchen über, das hiermit eine Funktion wie die des Sündenbocks im Alten Testament übernimmt (vgl. Azognab). Auch wenn diese Übertragung vom modern-wissenschaftlichen Standpunkt aus als eine Täuschung angesehen wird, so bleibt doch der ‟Placebo‟-Effekt, das heißt der Empfänger glaubt ein wirksames Heilmittel für seine Probleme erhalten zu haben.

Es bleibt die Frage, wie die rituellen Akteure auf eine wirkungslose wen-piirika reagieren, das heißt was soll man tun, wenn die Probleme bleiben oder sich noch verschlimmern. Mit Hilfe eine Wahrsagers werden weitere Maßnahmen beschlossen. Muss man vielleicht die ganze Feier wiederholen, weil ein Fehler gemacht wurde? Verlangt das tintueta-wen bestimmte Opfer, ein bestimmtes Zubehör (Kauris, einen Eisenring usw.) oder einen zweiten bogluk? Oder kommen die anhaltenden oder erneuten Schwierigkeiten von einem ganz anderen übernatürlichem Wesen, das einen Schrein verlangt (z.B. von einem juik)?

3. WEN-RITEN WEIBLICHER PERSONEN {165}
a) Weibliche wen-bogluta
Die Errichtung eines wen-bogluk für Mädchen vollzieht sich in ähnlicher Weise wie für Jungen, nur werden rituelle Handlungen, wie z.B. die Stockschläge, Rezitationen usw. nicht dreimal (männliches Prinzip) sondern viermal (weibliches Prinzip) wiederholt.
Allerdings kommt es sehr selten vor, dass junge, unverheiratete Mädchen schon einen eigenen bogluk haben. Dies geschieht nur, wenn sie durch ein äußerst ungewöhnliches Benehmen auffallen oder außergewöhnlich viele Probleme verursachen. Nach L. Amoak handelt es sich häufig um Mädchen, die einen tanggbain als Schutzgeist (segi) haben, aber längst nicht alle tanggbain-Mädchen haben ihren eigenen wen-bogluk.
Der bogluk eines unverheirateten Mädchen wird nach der Heirat losgelöst und zerstört. Bei Bedarf kann die jungverheiratete Frau im Hause ihres Gatten einen neuen wen-bogluk bekommen. Alle Zeremonien für die Errichtung eines solchen bogluk werden dann noch einmal ausgeführt. Allerdings gibt es vereinzelte Informationen (z.B. G. Achaw, L. Amoak), dass in manchen Teilen des Bulsa-Landes Mädchen nach ihrer Heirat ihren wen-bogluk nicht zerstören, sondern als ganzes mit in das Haus des Gatten nehmen.
Im Normalfall bekommt eine Frau ihren ersten bogluk im Hause ihres Gatten. Von L. Amoaks vier Frauen hatte z.B. keine einen bogluk, bevor sie Leander heiratete, während sie heute alle einen eigenen bogluk besitzen. Auch von Leanders drei Töchtern hat keine einen bogluk, fast alle Söhne opfern jedoch ihrem tintueta-wen.
Mädchen oder Frauen können zwar wen-bogluta in Stand halten, d.h. sie können sie bei Verwitterungserscheinungen mit einer neuen Lehmschicht bestreichen oder auch mit Ornamenten verzieren, aber sie dürfen ihnen niemals in dem Sinne opfern, dass sie eine Libation über den Stein gießen oder ein Opfertier töten. Allerdings sollen sie bei allen Opfern an ihr eigenes wen anwesend sein. Für das unverheiratete Mädchen opfert der Vater, für die verheiratete Frau der Gatte {166}.
Verlässt eine verheiratete Frau ihren Mann, so wird sie ihren wen-bogluk gewöhnlich vom Boden lösen, an einem geheimen Ort zerstören und die Reste beseitigen, damit ihr ehemaliger Gatte diese nicht für Schadenzauber verwenden kann [Endnote 18]. Kehrt die Frau ins Elternhaus zurück, so kann sie dort keinen neuen wen-bogluk bekommen, denn eine einmal verheiratete Frau kann nur im Hause ihres Gatten einen bogluk besitzen. Heiratet eine geschiedene Frau einen anderen Mann, so kann dieser ihr jedoch einen neuen bogluk verschaffen.

Abb.: Aus dem zerstoßenen Lehm des alten bogluk formt Leander Amoak einen neuen Schrein. Seine Frau Atigsidum gießt aus einer Kalebasse Wasser hinzu (1. Aufl., Abb. 36)

b) Umformung und Schmuck eines weiblichen wen-bogluk
Die Wünsche eines weiblichen wen-bogluk nach Schmuckgegenständen (Ringe, Kaurischnecken) oder nach Umformung werden im gleichen Maße respektiert wie bei männlichen bogluta.
Am 5. Januar 1974 konnte ich im Hause L. Amoaks an der Umformung eines weiblichen bogluk teilnehmen. Leanders erste Frau Atigsidum klagte seit längerer Zeit über Magenschmerzen, und außerdem war ihr sonst gutes Verhältnis zu den Kindern der anderen Frauen gestört. Der Wahrsager fand heraus, dass ihr wen eine Umformung seines bogluk wünschte, und als Schmuck oder “Krönung” (so L. Amoak) beanspruchte es vier Kaurischnecken. Da Atigsidum mit viel Geschick den Gesamthaushalt Leanders geführt hatte und mitverantwortlich an dem Wohlstand und Gedeihen seiner großen Familie war, hatte sich ihr wen als sehr stark erwiesen.
So zogen L. Amoak, Atigsidum und fast [Endnote 19] alle Kinder von Leanders vier Frauen am frühen Morgen nach Asik Yeri, ihren traditionellen Gehöft in Badomsa. Ayomo Atiim opferte hier in Anwesenheit Leanders und Atigsidums den beiden weiblichen Ahnen Abandemlie und Aguutalie im kpilima-dok und Leanders leiblicher Mutter [Endnote 20] vor dem Haus Hirsewasser. Danach begaben sich L. Amoak, Atigsidum und alle Kinder in den kpilima-dok, an dessen hinteren Wand der bogluk Atigsidums stand. Leander und Atigsidum hockten direkt neben dem bogluk. Diesem opferte Leander Hirsewasser, und anschließend tranken alle Anwesenden von dem Rest. Mit einem Stein zerstieß nun Leander den bogluk, und seine Frau gab aus {167} einer Kalebasse klares Wasser hinzu. Aus dem lehmigen Brei knetete er eine Kugel, setzte sie genau an der alten Stelle wieder auf den Boden und verstrich die Seiten zu einem halbkugelförmigen Erdhügel. Der alte Stein erhielt seinen Platz wieder in der Mitte des Lehmballs. Dann drückte Leander die vier Kaurischnecken, die er auf dem Markt gekauft hatte, kreuzförmig um den Stein, so dass in der Aufsicht folgendes Bild entstand:

Abb.: wen-bolguk mit Kauris

Der neue Schrein hat seinen Platz an der Stelle des alten gefunden, und derselbe wen-Stein wird von L. Amoak eingedrückt (Aufl. 1, Abb. 37)
Da die Kaurischnecken auch die Augen des Schreins sind, hat dieser jetzt eher die Möglichkeit, ein Auge auf die Angelegenheiten von Atigsidums großer Familie zu werfen.

Nach dem Einstecken der Kauris wurde noch einmal Hirsewasser geopfert und der Rest von den Anwesenden getrunken. Leander tötete daraufhin ein mittelgroßes, braunes Huhn und ließ das Blut über den Stein fließen. Das Huhn flatterte auf und blieb “richtig”, d.h. auf einer Seite, liegen. Atigsidums wen hatte das Opfer angenommen. Ein Perlhuhn wurde getötet und sein Blut geopfert, aber man ließ das Perlhuhn nicht aufflattern, sondern trug es sofort mit dem anderen Huhn zur Zubereitung hinaus.
Hiernach wurde eine Pause von etwa fünf Stunden eingelegt, währenddessen die Frauen des Hauses T.Z. und die beiden Hühner zubereiteten. Am Spätnachmittag gingen Leander, Atigsidum und einige Kinder wieder in den kpilima-dok, und Leander opferte dem wen Atigsidums Wasser, Fleisch des Huhns und Perlhuhns und T.Z., indem er die Nahrungsmittel auf den neuen bogluk legte. Dann wurde noch einmal Hirsewasser geopfert. Das restliche Fleisch und der zubereitete Hirsebrei wurden nun im Innenhof von allen Anwesenden – auch einige Nachbarn waren inzwischen erschienen – verzehrt. Ein Stückchen Fleisch legte man in den nun leeren kpilima-dok, wo sich die Seelen (chiisa) von drei verstorbenen Ahnen, für die noch keine Totengedenkfeiern abgehalten worden waren, bei ihren Schlafmatten befanden (vgl. Lageplan, Kap. S. 182, Nr. 42 – 44).
Hiermit waren die rituellen Handlungen des Tages abgeschlossen. Leander erklärte mir, er hoffe, dass nun die Harmonie in seinem Haus wieder hergestellt sei und dass Atigsidum alle Kinder (Leanders) als ihre eigenen betrachten werde.

Abb.: Der neue bogluk hat als Schmuck vier Kaurischnecken erhalten. L. Amoak opfert ihm ein dunkles Huhn. Fast alle Kinder Leanders und seine Frau (rechts) haben im kpilima-dok Platz gefunden.

c) Errichtung eines weiblichen wen-bogluk (ma-wen) vor dem Haus
Nach dem Tode einer verheirateten Frau oder nach dem Tode ihres Gatten kann dem irdenen wen-bogluk der Frau nicht mehr geopfert werden [Endnote 21] . Erst nach der Totengedenkfeier der Frau und ihres Gatten können die hinterbliebenen Söhne ihrer Mutter wieder einen bogluk errichten. Diesmal wird er jedoch nicht mehr als kleiner Lehmhügel, sondern in der Form von zwei Steinen an der rechten Seite des Weges aufgestellt, der vom Haus des Gatten zum Elternhaus der verstorbenen Frau führt (vgl. Abb. 43). Dies soll nach Möglichkeit in den sehr frühen Morgenstunden geschehen, nach Apatanyin (Sandema-Yongsa) bei Sonnenaufgang.
Nach Apatanyin (Sandema-Kalijiisa-Yongsa) soll dieses früh am Morgen, möglichst bei Sonnenaufgang geschehen. Nach einer noch unbestätigten Information werden zu dieser Neuerrichtung des weiblichen Schreins, ähnlich wie bei der ‟Ausführung‟ eines männlichen tintueta-wen-bogluk alle ‟Neffen‟ (d.h. matrilineare Verwandte) der Frau eingeladen und lassen dem neuen Schrein je ein Huhn oder Perlhuhn opfern. Vom Gehöftherrn wird ein Schaf oder eine Ziege geopfert.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt kann der alte Lehm-bogluk zerstört werden, und auch der Stein hat nun keinerlei Bedeutung mehr, da das wen in den neuen bogluk übergegangen ist. Wenn dieser einmal bei einer Namensgebung als Schutzgeist gewählt wird, erhält er einen Namensgebungstopf (tibiik), der von dieser Zeit an in vielen Gehöften bei den drei Steinen bleibt. Dem neuen bogluk, der auch ma-wen-bogluk (bogluk des wen der Mutter) genannt wird, wird vom ältesten Sohn der verstorbenen Frau geopfert, und das Amt des Opferers vererbt sich in männlicher Linie. Erst wenn alle männlichen Nachkommen der Frau ausgestorben sind, kann der bogluk in das Haus einer ihrer Töchter überführt werden, wo ihm der Gatte ihrer Tochter oder ein Sohn der Tochter opfert.
Als z.B. L. Amoaks Mutters Mutter (MuMu) in Sinyansa-Bachinsa keine männlichen patrilinearen Nachkommen mehr hatte, die ihrem bogluk opfern konnten, holte Leander den bogluk aus zwei Steinen zu seinem Haus und stellte ihn neben den bogluk seiner eigenen Mutter. Dieses Ritual erinnert an die Ausführung (……) eines männlichen tintueta-wen vor das Gehöft, denn auch hier erscheinen alle materilinearen Verwandten (“nephews”) mit einem Huhn, das dem neuen Schrein geopfert wird.

Abb.: 3×2 Steine in der Aufsicht

{169} Durch diese Überführung ist es möglich, dass das wen von Leanders Großmutter (MuMu) von allen Opfergaben, die Leander dem wen seiner Mutter zukommen lässt, seinen Teil abbekommet. Der bogluk aus drei Steinen (ma-wen) wird nie im gleichen Haus die Form eines ma-bage (vgl. S. 183 ff.) erhalten, denn wie unten nachgewiesen werden soll, befinden sich diese beiden bogluta derselben Person stets in verschiedenen Häusern. Nach der Überführung des ma-bage wird das ma-wen zerstört oder ohne weitere Opfer sich selbst überlassen.

d) Überführung eines ma-bage
Am 16. August 1973 konnte ich an der Überführung eines ma-bage aus dem Hause Leander Amoaks zum Haus des Häuptlings von Fumbisi teilnehmen. Lange vor dem festgesetzten Tag war es zwischen den beiden Gruppen zu Verhandlungen gekommen. Auch der Häuptling von Gbedema musste um Erlaubnis gefragt werden, denn in seinem Haus hatte die Tochter der Frau gelebt, deren ma-bage überführt werden sollte. Die Überführung musste besonders sorgfältig geplant werden, denn vor einigen Jahren, als Leanders älterer Bruder Atiim noch yeri-nyono war, hatte man schon einmal die gleiche Überführung durchgeführt. Sie erwies sich jedoch als verfrüht, denn das wen der zu jener Zeit noch lebenden Mutter des Fumbisi-Häuptlings vertrug sich nicht mit dem wen der Ahnin. Die Häuptlingsmutter starb kurze Zeit nach der Ankunft des ma-bage, während das wen des ma-bage wieder nach Badomsa zurückkehrte. So musste die Überführung mit allen Ritualen wiederholt werden.
Am Vortage (d.h. am 15. August) des Festes erschien in Vertretung des Fumbisi-Häuptlings dessen Neffe Agiisimi im Hause Leanders. Er wurde begleitet von der Schwester, den beiden Söhnen und einer Frau des Häuptlings. Die Gruppe brachte einen großen Topf Pito mit, einen Widder, drei Hühner und ein Perlhuhn. Die Schwester des Häuptlings hatte schon vor einiger Zeit einen puuk-Topf [Endnote 22] mit Deckel (vgl. Abb. 42) bei einer Töpferin in Auftrag gegeben. Mit diesem Noppentopf (L. Amoak nannte ihn auch englisch scabies pot), von zwei Kalebassen umkleidet, kam die Schwester in sehr früher Morgenstunde mit den anderen Begleitern auf wenig benutzten Fußpfaden nach Badomsa. Sie durfte auf dem ganzen Weg kein Wort sprechen, andernfalls hätten alle {170} geplanten rituellen Handlungen an einem anderen Tag wiederholt werden müssen. Sobald sie jedoch in Leanders Haus angekommen war und der puuk-Topf an einem sicheren Ort gebracht worden war, durfte sie sich wieder mit anderen Personen unterhalten.
Am frühen Morgen des 16. August trafen von überall her Gäste ein, auch die Ältesten von Badomsa waren vertreten, nur einige nahe Verwandte Leanders, die zudem noch in der Nachbarschaft wohnten, ließen bis 16 Uhr auf sich warten, sodass die Durchführung in Frage gestellt wurde. Wie ich später erfuhr, herrschte in der Verwandtschaft Leanders Streit, und ein Teil der Verwandten hatte sich geweigert, mit ihren Kontrahenten zusammen an einem Fest teilzunehmen. Erst nachdem Leander sie in ihrem Gehöft aufgesucht hatte, ließen sie sich überreden zu kommen. Nach ihrem Eintreffen entstand eine lange Diskussion darüber, wer wen zuerst begrüßen musste. Die Begrüßungen vollzogen sich in Gruppen (Haus Leanders, Nachbargehöft, Fumbisi-Gruppe usw.), wobei jede Gruppe jede andere begrüßen musste.

Abb.: Ayomo opfert dem bogluk Asiks. Alle Teilnehmer nehmen eine hockende Gebetshaltung ein. Vorn rechts (neben dem Topf mit Hirsebier) die Schwester des Fumbisi-Häuptlings (1. Aufl., Abb 29).

Schließlich hockten sich Leander und Ayomo Atiim vor den bogluta Asiks und Adeweens nieder, und Ayomo opferte den Ahnen Hirsewasser, dessen Rest von ihm und Leander getrunken wurde. Dann tötete Ayomo ein dunkles Huhn mit dem traditionellen Eisenmesser und ließ das Blut auf die Steine der beiden bogluta und auf den Namensgebungstopf (tibiik) Asiks laufen. Er rupfte dem Huhn einige weiche Federn aus und klebte sie mit Blut auf die wen-Steine. Nun flatterte das Huhn auf und blieb nach einiger Zeit tot auf einer Seite liegen. Leander gestand mir später, dass er in diesem Augenblick starkes Herzklopfen hatte, denn nachdem alle Schwierigkeiten beseitigt worden waren, wollte er nicht wegen einer falschen Sterbelage des Huhns den ganzen Tagesablauf in Frage gestellt sehen. Als nächstes Opfer erhielten die beiden bogluta Pito, und der Rest des großen Tontopfes machte seine Runde in der ganzen Festversammlung. Auch mir als Fremdling wurde etwas angeboten. Während das Huhn am offenen Feuer von einigen Kindern gebraten wurde, zogen Ayomo, Leander, die Schwester des Fumbisi Häuptlings und einige andere Personen ins Haus, wo Ayomo den ma-baga (Pl. von ma-bage) von Abandemlie und Aguutalie [Endnote 23] in zwei puuk-Töpfen Hirsewasser und dann Pito opferte. Man zog wieder vor das Gehöft und Ayomo legte gebratenes Hühnerfleisch als Opfer auf die bogluta Asiks {171} und Adeweens, der Rest des Huhns wurde von den Anwesenden verzehrt.
Nun rüstete man zum Aufbruch. Einige Kinder fingen ein dunkles Huhn, das den Fumbisi-Leuten lebend zu Opferzwecken mitgegeben wurde. Die Schwester des Häuptlings hatte die beiden Kalebassen, in denen sich ein leerer puuk-Topf befand, aus ihrem Versteck geholt und trug sie nun auf dem Kopf. Sie stand abseits der Gruppe, und ihr Gesicht war der Festgesellschaft abgekehrt, denn von nun an bis zu ihrer Ankunft in Fumbisi durfte sie wieder kein Wort sprechen.

Abb.: An einer Stelle wurde die Grasnarbe entfernt und Ayomo opfert unter Aufsicht von Leander Amoak der Erdestelle, der später Erde entnommen wird, Hirsewasser; vorn links der puuk-Topf in einer Kalebassenschale; im Hintergrund das Schaf, das später geopfert wird (1. Aufl., Abb. 41 und Titelbild).

Auf schmalen Fußpfaden zog die Gesellschaft zum tanggbain von Sinyansa-Badomsa, dem Hügel Pung Muning (roter Fels), etwa 2 km von Leanders Haus entfernt. An einer Stelle des Hügels, wo früher einmal das Gehöft Adeween Yeri, das Wohngehöft der Ahnin gestanden hatte, wurde die Grasnarbe mit einer Hacke abgehoben, sodass in einem kreisförmigen Flecken (ca. 1 m Durchmesser) die Erde sichtbar wurde. An dieser Stelle opferte Ayomo zuerst Hirsewasser, dann ein Huhn und Perlhuhn, wobei er das Hirsewasser und das Blut der Hühner in die lockere Erde fließen ließ. Zwei Männer schlachteten das Schaf, das die Fumbisi-Leute immer mit sich geführt hatten. Das Blut wurde von der Halsschlagader in einer Kalebasse aufgefangen. Die letzten Blutstropfen des Schafes ließ man auf die besagte Erdstelle fließen. Zum Schluss opferte Ayomo Pito, und der Rest wurde den Anwesenden in Kalebassen gereicht. Die Hühner wurden sofort gebraten und das Schaf enthäutet. Einige Nachbarn Leanders entleerten Magen und Därme des Schafes, zerteilten das Fleisch und steckten alles in den abgezogenen Schafsbalg. Nur ein kleiner Teil des Widders wurde hier bereits verteilt. Ich bekam z.B. schon jetzt ein kleines Stückchen rohes Fleisch zugeteilt.
Während all dieser Zeit standen die Kalebassen mit dem leeren puuk-Topf offen neben der Opferstelle. Nun stopfte Leander Erde, die vom geopferten Hirsewasser, Blut und Pito feucht war, in das kleine Loch des puuk-Topfes. Als der Topf voll war, wurde er mit einem kleinen Deckel verschlossen. Inzwischen hatte man die beiden Hühner gebraten, und sie wurden von den Anwesenden verzehrt. Dann stellte Leander den puuk-Topf in die größere Kalebasse, gab ihnen durch drei Stöckchen einen festeren Halt und verschloss die größere Kalebasse mit der kleineren {172}.
Es folgten die Verabschiedungen und gegenseitige Danksagungen. Die Schwester des Fumbisi-Häuptlings konnte alle Fragen und Aufforderungen nur mit “hmmm” [= ja] beantworten. Die Fumbisi-Leute zogen nach Sonnenuntergang ab, wobei die Schwester des Häuptlings den puuk-Topf in den beiden Kalebassen auf ihrem Kopf trug. Die Gruppe ging die ganze Nacht hindurch, um den etwa 25 km langen Weg bis Fumbisi zurückzulegen.

Abb.: Auf wenig benutzten Fußpfaden transportiert die Fumbisi-Gruppe den puuk-Topf (1. Aufl. Abb. 40).

Am nächsten Morgen nahm Leander die Aufteilung des restlichen Schafsfleisches mit einem traditionellen, gebogenen Messer in seinem Badomsa-Haus vor. Keiner außer ihm durfte das Fleisch vorher berühren, geschweige denn aufteilen. Lunge, Schenkel, Herz, Magen und Rippen wurden genau in zwei Teile geteilt. Einen Teil bekam der teng-nyono von Sinyansa-Badomsa, der dem tanggbain Pung Muning opfert, der andere Teil war für Leander selbst. Ein Teil der Innereien (z.B. die Därme) wurde in drei Teile aufgeteilt. Der dritte Teil war für Leanders nahen Verwandten (z.B. für die Familie Atiims) bestimmt.
Nach einigen Tagen stattete Leander (in meiner Begleitung) dem Fumbisi-Häuptling einen offiziellen Besuch ab. Er erkundigte sich, ob die Gruppe glücklich heimgekehrt sei (Es hatte während der ganzen Nacht geregnet). Den Aufbewahrungsort des ma-bage wollte mir der Häuptling nicht zeigen, da die ganze Angelegenheit noch zu “frisch” sei. Der puuk-Topf steht heute aber wahrscheinlich in einem dok und wird bei rituellen Handlungen auch einen Teil der Opfer erhalten.
Neben dem puuk-Topf liegt mitunter ein Horn (bage) des Widders, der bei der ma-bage Zeremonie  geopfert wurde. Auch in dem Horn befindet sich gewöhnlich Erde. Nach Anagunsa (Sandema-Yongsa) wird diesem Horn immer zusammen mit dem ma-bage geopfert.  Es wird jedoch nie getragen. Auch darf ihm nicht am selbsen Tag wie männlichen Ahnen geopfert werden. Weibliche wen-Schreine sind sehr gefährlich. Anagunsa, der mir bereitwillig Auskunft über seine männlichen Ahnen gegeben hatte, verweigerte jede Aussage über weibliche Ahnen, da er sonst “nachts nicht schlafen könne”.

Es ist zweifelhaft, ob der weibliche bogluk wegen dieses Horns seinen Namen (ma-bage) erhalten hat. wie einige Informanten behaupten, denn der Tontopf mit Inhalt wird als ma-bage bezeichnet, nicht das Horn [Endnote 24] {173}.
Die Häuser L. Amoaks und des Fumbisi-Häuptlings haben durch die ma-bage Überführung nicht nur ihre freundschaftlichen Beziehungen verstärkt, sondern auch ihre verwandtschaftlichen neu bekräftigt. Kein Bewohner des einen Hauses oder auch ein fremder Teilnehmer (z.B. der europäische Forscher) darf nun eine Frau aus dem anderen Haus heiraten; sichtbares Beweisstück der verwandtschaftlichen Beziehungen in weiblicher Linie ist der ma-bage {175}.

TEILNEHMER AN DEN MA-BAGE RITEN IM HAUSE ADEWEEN-YERI

1. Genealogie

2. Namen zur Genealogie (Teilnehmer in kursiv)

1. Awiag (Urahn Wiagas)
2. Asinyanga (Urahn Sinyansas)
3. Adorang
4. Abadoming (Urahn Badomsas)
5. Awuling
6. Abadom-Gbana
7. Achang
8. Ayok
9. Ayarik
10. ?
11. Agbana
12. aus Wiaga-Farinsa
12a. Atenvuuk
13. Ayueboa
14. Adeween
15. Asanduok
16. Atoalinsi (Siniensi)
17. Ataninanya
18. ? (heiratete Gbedema Häuptling)
19. Asik
20. Akankisi
21. ?
22. Yeri nyono von Abaapik Yeri (kpagi von Badomsa)
23. Awaasiboa
24. Apiung
25. ?
26. Atiim
27. Achinpore
28. Atigsidum
29. L. Amoak
30. Afulanpok
31. Ataba
32. Abagduok
33. Akasilik
34. Akanming
35. verstorbener Fumbisi Häuptling Azankoba
36. Ayomo
37. Ayongbiik
38. Akapami
39. Akiak
40. Apiining
41. Achang Akasilik
42. Asaaluk
43. Aniung Aneok, matrilinear mit Leander verwandt
44. Akachaanlie (trug ma-bage)
45. Akanko (Akangamko), erkrankter Fumbisi Häuptling
46. ?
47. ?
48. Akpanjok
49. Achonsanab
50. Agisimi
51. Akanyaba
52. Azuera
53. ?
54. Ayomo Ayuali (vertritt den in Kumasi lebenden Nachkommen Azueras)

{176} Abschließend soll die verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Haus, das sich den ma-bage holte (hier: das Gehöft des Fumbisi Häuptlings) und dem Haus, von dem er geholt wurde (hier: Adeween-yeri in Badomsa) anhand genealogischer Übersichten verdeutlicht werden.

Abb.: Genealogie

Zum besseren Verständnis ist es notwendig zu wissen, dass der (lebende) Fumbisi-Häuptling sich nur wegen einer plötzlichen Krankheit durch seinen Neffen Agisimi vertreten ließ. Der Häuptling wollte eigentlich selbst den ma-bage seiner Urgroßmutter aus deren Elternhaus in sein Haus holen. Diese Urgroßmutter war des Häuptlings Vaters Mutters Mutter (VaMuMu). Diese eigenartige Mischung von Patri- und Matrilinearität gilt allgemein für die Überführung eines ma-bage [Endnote 25]. Zwar sagte man mir, dass der lebende Fumbisi-Häuptling die Überführungsriten nur an Stelle seines verstorbenen Vater ausgeführt habe, und in diesem Fall besteht eine reine matrilineare Verbindung zur Ahnin, aber keineswegs hätte der verstorbene Häuptling die Überführung zu Lebzeiten selbst ausführen können, da er “mit der Verstorbenen noch zu nahe verwandt war (L. Amoak)”.

Nach einer späteren Information (1979) kann die Erde auch aus dem Haus der Mutter oder sogar vom eigenen Feld genommen werden.

Als Schema für die Überführung eines ma-bage erhält man also:

Abb.: Genealogie

{177} Es ist für die Überführung völlig gleichgültig, wie viele Generationen in männlicher Linie in dem ehemaligen Elternhaus der Urgroßmutter (VaMuMu) inzwischen gelebt haben.
Wird der ma-bage einer Frau geholt, deren wen in einem Drei-Steine-bogluk (ma-wen) verehrt wird, so wird nach der Überführung des ma-bage der ma-wen-bogluk abgetragen oder sich selbst überlassen, ohne dass ihm weiter geopfert wird, denn das wen der Frau befindet sich nach der Überführung nur noch im ma-bage.
Wie bereits angedeutet, besitzt das Haus Adeween-yeri im kpilima-dok auch selbst mehrere (5) ma-baga, die alle von Personen der Patrilinie des Hauses aus verschiedenen Sektionen des Bulsa-Landes herbeigeholt wurden. In den folgenden Schemata soll das verwandtschaftliche Verhältnis zwischen der Ahnin, deren ma-bage überführt wurde, und dem Veranlasser der Überführung noch einmal an fünf Beispielen dargestellt werden.

Abb.: Genealogie {177}

{178} Die oben aufgeführten genealogischen Einzelskizzen lassen sich, wie unten, zusammenfassen. Dabei beziehen sich die Zahlen in Klammern auf die genealogische Übersicht auf S. 179 und auf den Lageplan von Adeween-yeri (S. 182).

Abb.: Genealogie

Fragt man nach dem Sinn und Zweck der Überführung eines ma-bage, so erhält man gewöhnlich die Antwort, dass durch diese Riten ein weiterer wichtiger Ahnengeist der Hausgemeinschaft eingegliedert wird, und er kann ihr zu Wohlstand, Gesundheit und Glück verhelfen.
Etwas überrascht war ich, als ich von G. Achaw die Auskunft bekam, dass durch diese Riten vielleicht nur die Heiratsverbote erneuert werden, die in weiblicher Linie oft nach 2-3 Generationen nicht mehr beachtet werden, da die Verwandtschaft der MuMu oder der MuMuMu dem jungen Ehekandidaten mitunter nicht mehr bekannt ist.
Ich möchte mich seiner Auffassung anschließen und die ma-bage Riten neben anderem als eine Erneuerung der verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Lineages der in das eigene Haus eingeheirateten Frauen ansehen, soweit diese als Ahninnen der z.Z. lebenden Hausbewohner gelten können

Abb.: Genealogie Adeween-Yeri {179}.

Eine weitere Funktion der ma-bage-Schreine, deren Erde für ein Hexenordal (teng nyuka) benutzt werden kann wurde bereits oben (S. 2, Kap V,1) beschrieben.

4. WEN-SCHREINE IN DEN GEHÖFTEN

ADEWEEN-YERI  (WIAGA-BADOMSA)

a) Genealogische Übersicht Adeween Yeri {179}
b)  Namen zur genealogischen Übersicht und zum Lageplan Adeween  Yeri {180}

ba) männliche wena:

1. Ayarik
2. Agbana
3. Adachoruk [Endnote 25a]
4. Atendaang (Bruder von Adaachoruk)
5. Ageng
6. Adeween
7. Abonwari
8. Asik
8a. Achesik
9. Akanvuk
9a. Apaadivari
10. Atiim
11. L. Amoak
12. M. Abaala
13. Ayomo
14. Ayongbiik
15. J. Anamboro
16. Akapami
17. L. Akanbe
18. Afarinmonsa
19. Atongka

Abb.: Nachdem Ayomo (links stehend) den ältesten Ahnen des Gehöfts Hirsewasser geopfert hat, trinkt L. Amoak von dem Rest aus einer Kalebasse.

bb) weibliche wena (ma-baga):

20.?
21. “Mutter der Akasilie”
22. ?
23. Aguutalie (Wiaga-Guuta)
24. Abandemlie (Wiaga-Bandem)
25. geboren in Wiaga-Chiok
26. Adankunlie (Wiaga-Bachinsa)
27. Atigsidum (Wiaga-Yisobsa)
28. Adaminyiini (Sandema-Abilyeri)
29. Afulanpok (Wiaga-Yimonsa)
30. Atoalinpok (Wiaga-Farinsa)

Abb.: Opfer an einen ma-bage im Ahnenraum

bc) jadoksa (s. Lageplan)

31. jadok waab (Wahrsager-bogluk Adeweens)
32. bunoruk (Chamäleon-Relief am Getreidespeicher)
33. jadok yuk (yuk = Waran, Tontopf mit Deckel auf dem Dach des Hauses; die dazugehörige Astgabel mit Hörnern und Kalebassen befindet sich im kpilima-dok)
34. Stein, den man von den Ahnen ererbt hat, über dessen Bedeutung man aber nichts mehr weiß (erhält Opfer); der Stein stammt von einem tanggbain in der Nähe Kademas
35. jadok auf dem Dach des Hauses: ein weißer, runder Stein {181}

Abb.: Opfer an einen Chamäleon- jadok-Schrein, der die Form eines Reliefs am zentralen Hirsespeicher hat (Liste Nr. 32)

bd) tiim-bogluk:

36. nipok-tiim: 2 Töpfe und 1 Stein mit Eisenring (Die Astgabel mit verschiedenen Gegenständen befindet sich im kpilima-dok.)

Abb.: Ayomo opfert dem nipok-tiim von Adeween-yeri. Die Astgabel mit Anhängseln zwischen den Gefäßen befindet sich gewöhnlich im Ahnenraum und wird nur bei Opfern zu den beiden Gefäßen im Innenhof gestellt (Nr. d,36 der Liste, 1. Auflage Abb44); rechts neben Ayomo das Grab Asiks (Liste Nr f,40)

be) teng:

37. Stelle, an der dem teng geopfert wird. Das mit Erde gefüllte Horn (teng) befindet sich im kpilima-dok.

Abb.: In der Mitte des Haupt-Innenhofes opfert Ayomo einem teng-Horn des Gehöfts (Liste e,37; 1. Auflage Abb. 46)

bf) Gräber:

38. Akorum (Asiks Gattin)
39. Abonwari (wen: Nr. 7; Grab ohne Leichnam; vgl. S. 354, Anm. 5)
40. Asik (wen: Nr. 8) Im Innenhof oder außen?
41. Adankunlie (wen: Nr. 26)

bg) Chiisa (Schlafmatten mit den “Seelen” verstorbener Personen; alle im kpilima-dok)

42. Abonwari (wen: Nr. 7; Grab: Nr. 39)
43. Atiim (wen: Nr. 10)
44. Akanzaliba (ToSo von Nr. 6); seine Matte ist in Adeween Yeri, weil seine Familie sich nicht um ihn gekümmert hatte; seine Familie kann aber die Totengedenkfeier für sich fordern

Abb.: Vor einem Opfer informiert L. Amoak die Seele des eigentlichen Gehöftherrn Abonwari, die sich in seiner Totenmatte im Ahnenhaus aufhält.

bh) sonstige:
45. Stelle, an der Erde für Akapamis wen-bogluk ausgehoben wurde (vgl. S. 148 ff.) {184}

c) Lageplan Adeween Yeri (Badomsa) {182

AMOANUNG YERI  (SANDEMA- KALIJIISAY-YONGSA)
a) (Abb.: ) Genealogie {183}

b) Namen zur genealogischen Übersicht und zu den Lageplänen Amoanung Yeri

1. Asam (Urahn Sandemas und Bruder Awiags, vgl. genealogische Übersicht S. 174, Nr. 1)
2. Agoluk
3. Asajik
4. Ayong (Urahn Yongsas)
5. Abese
6. Afetuik
7. Amobana
8. Ajiak
9. Asiadi
10 Anyaribe
11. Ayomo
12. Amoanung (Erbauer des Hauses Amoanung-yeri)
13. Ateng
14. Akajoluk
15. Akonlie
16. Awarikaro
17. Akamaboro
18. Awaabil
19. ?
20. Anyalape
21. Achimalie
22. Angang
23. Asinieng
24. Abalansa
25. Atankunlie
26. Adocta
27. Azonglie
28. Apatanyin
29. Abamagsimi
30. Abenab
31. Asagi
32. Abankunlie
33. Akankpewen
34. Apogma
35. Afenab
36. (aus Siniensi)
37. Asiensalie
38. Kofi
39. Afua
40. Talata
41. noch ohne Namen
42. Baba
43. Comfort
44. Alice
45. Timothy
46. Mary
47. Azangbiok
48. Awatie
49. Martin Assibi
50. Kwabena
51. Angawomi
52. Assibilie
53. Kwabena
54. Lariba
55. Aguare
56. Talata
57. Achipagrik
58. Aghana
59. Anamoanung (Amuning)
60. Akuruma
61. ?
62. ?
63. Adocta (in Siniensi)

c) Lagepläne Amoanung Yeri {185}
Abb.: Bogluta lebender Personen im Innenhof des yeri-nyono (Lageplan)

Abb.: Ahnenschreine vor Amoanung Yeri (bei kusung) {186}

(3) ANYENANGDU YERI ( BADOMSA)

Bogluta und andere sakrale Gegenstände und Orte

a) Census Anyenangdu Yeri 1997
Anmerkung: Der vorliegende, genealogisch gegliederte Census von Anyenangdu Yeri beinhaltet die während meiner Aufenthalte im Gehöft lebenden Personen, die nach Südghana ausgewanderten Personen, deren Rückkehr erwartet wird, und die Verstorbenen, die für die soziale Struktur des Gehöftes von Bedeutung sind, deren Schreine oder Gräber sich noch im Gehöft befinden oder die in der vorliegenden Arbeit Erwähnung gefunden haben. Frauen, die ihren Ehemann aus Anyenangdu Yeri verlassen haben, sowie ausgeheiratete Töchter wurden nur aufgenommen, wenn Kinder von ihnen im Gehöft sind oder Töchter und Kinder aus anderen Gründen für das Gehöft oder für diese Arbeit eine gewisse Relevanz haben.
Nach der Namensnennung erscheint, soweit bekannt, in Klammern eine wörtliche Übersetzung des Namens (Die Endung -lie, hier stets mit “Tochter” übersetzt, kann auch als Suffix zur Geschlechtsbestimmung aufgefasst werden). Alle Geburtszahlen ohne Monatsangaben wurden geschätzt (bei einer großen Unsicherheit in der Schätzung erscheint ein “ca.” vor der Jahreszahl).
Worterklärungen:
segi: der Schutzgeist (z.B. Ahn oder Erdgeist) einer lebenden Person, dem diese Person bei der Namensgebung (segrika) dargebracht wurde. Bei dieser Gelegenheit erhielt die betroffene Person ein Ziegenhorn (bage), gefüllt mit Erde des betreffenden Schreins.
tanggbain-Horn (bage): Ziegenhorn, gefüllt mit Erde des Erdheiligtums (tanggbain) Pung Muning, das einer Person zu Schutzzwecken verliehen wird.
wen: persönlicher Schrein (tintueta-wen-bogluk) einer (lebenden) Person in der Form eines etwa 10 cm hohen Lehmhügels im Wohnquartier (s. 14.2.1, S. 804)
jadok: Lehmplastik des jadok-Tieres neben dem persönlichen wen-Schrein (s. 14.2.3, S. 806)
juik: Mungo-Schrein einer lebenden Person im Gehöft (s. 14.2.5, S. 807f.)
Abkürzungen: * geboren, † gestorben, ∞ verheiratet mit, w = weiblich, m = männlich, • = Enkel Anamogsis; N.N. = Name nicht bekannt; Unterstreichung: Ehefrauen Anamogsis; Fettdruck: Söhne und Töchter Anamogsis

ABADOMGBANA (gbana, “Felle”, der Name des Vaters wurde hier in verkürzter Form vor den Eigennamen gesetzt), Sohn des Badomsa-Sektionsgründers Abadoming (dessen Schrein in Amieruk Yeri, Badomsa, steht), Vater von Abagomsi; der Ahnenschrein Abadomgbanas steht vor Anyenangdu Yeri (Foto 2; Genealogie: Fig. 2.57, S.139 und Fig. 2.58, S. 140)
ABAGOMSI, Sohn von Abadomgbana, Vater von Atiim, Ahnenschrein vor dem Gehöft
ATIIM (“Medizin”), Sohn von Abagomsi, Vater von Asueri, Ahnenschrein vor dem Gehöft
ASUERI, Sohn von Atiim, Vater von Aluechari; Ahnenschrein vor dem Gehöft
ALUECHARI, Sohn von Asueri, Vater von Anyenangdu, Ahnenschrein (Foto 133) vor dem Gehöft, sein Sakralhorn segi-bage mit Erde von Asueris Ahnenschrein im dalong; segi: Asueri
ANYENANGDU: Gehöftgründer von Anyenangdu Yeri; *zwischen 1885 und 1894 (er war bei einem Überfall des Sklavenjägers Babatu drei Jahre alt), 1973 (Grab in Quartier E: Foto 4); segi: Asueri, wen und jadok (waa-kpieng) in Agbieras Innenhof; 2 Sakralhörner: tinangsa-bage und segi-bage (Foto 179); seine 1. Totenfeier: 3.-6. März 1991; seine Mutter: Amogaang aus Wiaga-Wabilinsa; sein Vater: Aluechari
∞ 1. Awenlie (Anamogsis Mutter aus Wiaga-Yisobsa), ihr Ahnenschrein (ma-wen) vor dem Gehöft, ihr Grab an der äußeren Gehöftmauer
∞ 2. Akamba, sie lebte 1997 in Wiaga-Farinsa; 1991 wurde sie zur Totenfeier Anyenangdus eingeladen (nicht erschienen)
∞ 3. N.N., bei Anyenangdu Yeri begraben

ANAMOGSI Awomanyoro (Fotos 16, 133 und 177), Sohn Anyenangdus und Awenlies (s.o.), *ca. 1925, seit 1973 amtierender Gehöftherr, 2 wena, jadok-Schreine: Chamäleon, Schibutterbaum und Schildkröte?, tanggbain-Horn, juik; Anamogsi ist teng-nyono (Erdpriester) vom Pung Muning tanggbain (Erdheiligtum), kpagi (elder) aller Nachkommen von Abadomgbana (s.o.) und tiim-nyono (Heilkundiger, spezialisiert auf kikiruk-Geburten)
∞ AGBIERA (Foto 22), *ca. 1930 in Wiaga-Bachinsa, Heirat vor 1957, wen und jadok (bunoruk) in ihrem Schlafraum
Akanyigseba, w, stirbt kurz nach Anyenangdu (1973), unverheiratetes Mädchen; ihre Totenfeier wurde 1991 zusammen mit der von Anyenangdu abgehalten
Akanpaabadai (“erreicht den Tag nicht”, Fotos 133 und 147), m, *vor 1957 (er war bei der Gehöftgründung 10 Monate alt); zwei wena, 2 ngandoksa (bunorta und waa-kpieng), tanggbain-Horn, juik (Foto 176)
∞ (vor 1984) Ajimi, die zwischen 1984 und 1986 das Gehöft verlässt
•Angmanya (“hinwegnehmen [und] sehen”), m, *ca. 1982, segi: Awenlie (Anamogsis Mutter), Angmanya lebt im Gehöft
∞ Ajadoklie (Foto 36), *ca. 1960 in Fumbisi-Kasiesa, wen und tanggbain-Horn; Töpferin
•Amaaboro (“helfen und leben”), m, *1982, kein wen
•Azakopo (“steht auf dem Weg”), m, *1983 segi: Aluechari; wen und tanggbain-Horn
•Akanchainlie, w,*1985, segi: Aluechari, 1994 und 1997 nicht im Gehöft
•Akanchainfiik, w, kein wen, *1988, 13.10.1988 (Lungenentzündung, Grab im tampoi, Bestattung dokumentiert)
•Junge *Dez.? 1990, 1990 oder 1991 (mit 4 Wochen)
•Ayaakanapo (“Liebe mit dem Mund”) Ajuik (“Mungo”), m , *Juni 1994, ist stumm (taubstumm?)
•Amiliani, w, *8.2.98
∞ Abas(i), (“verlassen”), *1965 in Gbedema, ist 1994 bei ihren Eltern in Gbedema (juik nach ihrer Rückkehr in ihrem Schlafzimmer), 1997 im Gehöft
•Apaaribil, *1987, segi: Pung Muning, tanggbain-Horn, vor 1994
•Sohn, *Mai 1994, 1995 (namenlos)
•Sohn (Foto 176), *Ende 1996, 1997: noch namenlos, trägt aber schon juik-Fell
∞ Akanjaglie (“Tochter Kanjagas”, Fotos 141 und 181), *1965 in Kanjaga-Jiningsa; ihre doglie 1997: Adaamkwota (“ein viertel Hirsebier”), Kanjaga-Jiningsa
•Abaangmami (“sie tadeln mich”) oder Akanjodum, m, *1987, segi: Agbana
•Ajuikbil (“kleiner Mungo”), m, *1990, segi: juik; wen, tanggbain-Horn
•Awencharuk (“Gottes Anteil”), m, *1993
∞ Asuemlie (“Tochter eines Hasen”, Foto 4), *1973 in Kanjaga-Jiningsa, doglie und Vollschwester von Akanjaglie, kein wen
Asuemlies doglie 1994: Akpangkadi (“dem nahe”), 1997 nicht mehr im Gehöft
•Ajowiepo (“in Schwierigkeiten eintreten”), w, *1991
•Laadifiik, w, *1994, 1997 noch kein Buli-Name, juik
•Ajuipok, w und •Ajuilie, w, Zwillinge, *15.11.97, segrika 10.1.98: juik
Abuntalie (“Tochter eines Steins, d.h. Tochter des tanggbain Pung Muning”), w, heiratet nach Wiaga-Longsa, segi: tanggbain Pung Muning
Akabaasim (“keine Gesundheit”), w, heiratet nach Wiaga-Kubelinsa (hat eine Tochter)
Apagratoa (“ist stark und tapfer”), w, heiratet nach Wiaga-Longsa
Asimi (“gegen mich”), m, *1973, segi: Aluechari, wen, zuletzt Wohnraum E45; Auszug vor 1994 (in Takoradi house-keeper)
∞ (Januar 1994) Frau aus Wiaga-Mutuensa, diese verlässt ihn vor 1997 wieder
∞ N. N. (Ehefrau Anamogsis)
Ababy, m, stirbt mit 1 1/2 Jahren namenlos, erhielt 1991 als erster männlicher Enkel Anyenangdus die Totenfeier eines Erwachsenen (in Verbindung mit Anyenangdu)

∞ ACHIOKLIE (“Tochter Chioks”), *ca. 1930 in Wiaga-Chiok, wen, tanggbain-Horn; 1 boosuk-Schlangen-jadok
Assibi (“Samstag”), w, ∞ Sandema (lebt dort)
•Awensaglie (“Gott-lehrt-Tochter”) Martha, w, 1994 und 1997 im Gehöft, Abuluk Primary School, P6 (1997)
Aka(a)yabisa (“liebt Kinder nicht”, Foto 153), m, *vor 1957; segi: ma-bage von Atiims Mutter; wen, tanggbain-Horn, juik
∞ (ca. 1983) Abachoba (“sie drängen sie [zum Streit”]) oder Abachinsalie (“Tochter Bachinsas) aus Wiaga-Bachinsa; verlässt das Gehöft ca. 1985
•Lamisi, m, jung; erster Enkel Anamogsis., daher Erwachsenengrab an der Gehöftmauer
∞ Awunlie (“Tochter Gottes”), *ca. 1961 in Wiaga-Kubelinsa, tanggbain-Horn
•Anmoatibanyaka (“nicht nahe [genug] um es zu sehen”, Foto 167], m, *1984, wen
•Ajopai, w, *1986, segi: Aluechari
•Akisiyong (“ein anderes Tabu”), m, *1989; 24.1.89: poi nyatika (Schwangerschaftsritual)
•Talata (“Dienstag”), w, *1993, 5.8.1994
••Zwillinge, *15.11.97
∞ Achiiklie (“Tochter des Mondes”), *1970 in Wiaga-Mutuensa, wen, nach 1993 (?) einige Jahre im Süden; 1997 wieder im Gehöft
•Alakpingsi, m, *1990 (1994 im Gehöft)
•Mädchen (1997 noch namenlos), *1995 oder 1996
∞ Awiinya (“ruf und sieh”), *1965 in Wiaga-Yisobsa, Schulbildung, verheiratet 1989-1990
∞ Kenkenni (“die Jüngere”), *1978 in Sandema-Bilinsa
•Akanligmi (“schließ mich nicht ab”), m, *Anfang 1995
•Mädchen, *1996 (1997 noch namenlos)
Angmeentemi (“zwing mich nicht”), w, ∞ in Kokofu (Aschanti)
Aparik (“Mauer”, Fotos 58, 59 und 156), m, *1974, wen, jadok (bunorta), segi: tanggbain Pung Muning; bage-Horn? seit 1994 in Kumasi, Südghana

∞ AKUMLIE (“Tochter des Todes”), *ca. 1930 in Siniensi-Zungdem, wen, jadok (bunorta), tanggbain-Horn
Asuebisa (“anfüllen mit Kindern” oder “Kinder Asueris”), m, *1955 (ältester lebender Sohn Anamogsis), segi: Asueri; wen, jadok (bunorta, Foto 172), tanggbain-Horn
∞ Akanyaaminyaka (“wünschen nicht meinen Anblick”) oder (Kurzform) Akaaminyaka (Foto 21), *1960 in Wiaga-Bachinsa, wen, tanggbain-Horn
•Ajokpilung (“das Totenreich betreten”), m, *1981, segi: tanggbain Pung Muning; wen
•Akansang (“verfolgt nicht”), m, *1984, segi: Asueri, 26.2.1996 an Masern und (vorausgehender?) Cholera, begraben im Viehhof
•Aka(n)yaayega (“liebt nicht viele”), m, *1987, segi: Aluechari, wen,
•Maami (engl.), w, *1990, überlebender Zwilling (Junge: •Paapa, stirbt kurz nach der Geburt), 1997 noch kein Buli Name
•Sunday, *24.7.1994, 1997 noch kein Buli Name
∞ Asakpawie (“Angelegenheit der Hexe”: zwei Geschwister starben vor ihr durch Hexerei) oder Ayaakaalie, *1965 in Sandema-Pungsa, wen-Schrein vor ihrem Auszug um 1990 zerstört (1997 nicht zurück)
•Anbiaba (“hat sie nicht geboren”), m, ist im Gehöft segi: Aluechari
•Alimsi (“warte”), w, *1986
•Assibi (“Samstag”), w, *1991
∞ Azekadi (“wusste nicht, dass es so ist”), *1965 in Sandema-Nyansa, heiratet vor 1984, verlässt das Gehöft vor 1986
Awenyiini (“nur Gott”, Kurzform Anyiini, Fotos 37 und 39), w, *ca. 1963, sega: Aluechari und tanggbain Pung Muning, von beiden ein Sakralhorn (bage); gilt (wegen übernatürlicher Kräfte) als weiblicher yeri-nyono des Gehöfts, Töpferin
Abawomba (“sie hören auf sie”), m, *1969, wen, 1994 mit Frau und Kindern in Südghana (garden boy in Accra), jadok (bunorta, Foto 172)
∞ Mary, *1970 in Sandema-Yongsa
•Akajaalie (“Habenichts-Tochter”), w, *1987, segi: Aluechari
•Asiateba (“stimmt mit ihnen überein”), m, *zwischen 1990 und 1993
Aleeti (engl. “late”) Abangdisapo (“wann vergessen?”, Fotos 16, 34, 37, 153 und 156), m, *1978, segi: Aluechari, wen (Foto 172)
∞10.10.97 Talata von Akannyavari Yeri, Wiaga-Sichaasa
Akanbolukum (“ist nicht beim Tod”, Foto 16), m, *1972, segi: tanggbain Pung Muning, wen (Foto 172)
Lamisi (“Donnerstag”, Foto 37), w, *1979, segi: Aluechari; 1997: Abuluk Junior Secondary School, Form 2
Awalingkame (“wirklich versuchen”), w, *1960, kehrt oft ins Elternhaus zurück
∞ nach Kadema
∞ nach Farinsa
•Akaasidi (“verdirbt es”), m, *1978, ist seit früher Kindheit im Gehöft
∞ nach Tankansa
•Akanmeapoti, w, *1987, nicht im Gehöft
Atalebabe (“wo [wird er] sie verlassen?”), w, ∞ nach Uwasi (hat eine Tochter)

∞ AYABALIE sen.(“Tochter des Marktes”), aus Wiaga-Zuedema, Auszug vor langer Zeit
∞ Mann aus Gbedema (dort 2 Kinder)
Adaanlie (“Tochter des Hirsebiers”), lebt in Sandema
∞ Mann aus Sandema-Bilinsa
•Akok (“Gespenst”), m, lebt in Sandema
•Mädchen, lebt in Sandema
•Yaw (“Donnerstag”, Twi), m, häufig in Anyenangdu Yeri, ständiger Wohnsitz Sandema
•Janet, w, 1997: Form 2 der Sandema Secondary School (Internat), lebte 1997 in der schulfreien Zeit in Anyenangdu Yeri
Aka(ba)wai (“habe keine von ihnen”, Foto 46), w, *1955, wen
∞ Mann aus Apok-Yeri (Yisobsa, z.Z. in Südghana)
•Yaw (“Donnerstag”, Twi) Williams Emmanuel Akumjogbe (“wo versagt der Tod?”), m, *1973 (1994-1998 im Gehöft), später in Südghana
∞ 1994 Jelia Asimbisalie (“Tochter Fumbisis”) aus Fumbisi
Adungkalie (“Tochter des Tiers”), w, *15.10.97 (1999 noch keine segrika)
•Kwaku (“Mittwoch”, Twi) Agbiak, m, in Südghana
•Diana Lamisi (“Donnerstag”) Asiuklie (“Tochter der Straße”), w, *1981, Töpferin, St. Martin’s Junior Secondary School, Form 2
•Kofi (“Freitag”, Twi), m, *1984 (kein Buli-Name, keine segrika, kein wen), Schule nur bis P3, z.Z. Hilfe beim Ackerbau
•Atamangbe (“wo verstecken [vor Hexen]?”), m, *1988
•Akudomlie (“es-schmerzt-Tochter”) Rosemon, w, *1990

∞ ASIUKPIENLIE, (“Tochter der großen Straße”, Fotos 21 und 34) *ca. 1950 in Gbedema-Jaksa-Dabomsa, wen, jadok (bunorta), tanggbain-Horn,
Anyebokatoa (“das Leben Machen ist hart”), Kurzform Atoa (Fotos 17, 47 und 177), m, *1970, segi: tanggbain Pung Muning, wen, wuri-jadok (2 Warane), juik (Foto 175)
∞ Apuyiilalie (“Hör-auf-zu denken-Tochter”) , *1970 in Wiaga-Wabilinsa, wen
•Amugribadek (“täuschen sich selbst”), m, *September 1990
••Zwillinge, *11.1.98, 11.1.98
∞ Ayomalie (“Tochter eines Sklaven”), *1977 in Fumbisi-Kasiesa, wen, jadok (bunorta)
•Anamboro (“leiden und leben”), m *1993?, 1995
•Akannurubawie (“nicht die Probleme eines Mannes”), m, *1993?, zwischen 1994 und 1997
Akanmaami (“hilft mir nicht”, Foto 184), Kurzform Amaami, m, *1973; segi: tanggbain Pung Muning, wen, jadok (bunorta), Auszug vor 1994 (Koforidua)
Achiviepo (“in Scham”), m, *1976, segi: tanggbain Pung Muning, wen, jadok bunorta, tanggbain-Horn, Auszug 1995 (Arbeit in Kakao-Plantage in Bibiani)

Akumjaab (“Wesen des Todes”, Fotos 5 und 34), w, *1984, segi: tanggbain Pung Muning, 1994 in Südghana, 1997 im Gehöft, Schülerin
Adeboalie (“was-essen-Tochter”), w, *1986, segi: Aluechari

∞ AKANKONURBA (“tötet keine Leute”) Siniensi-Zungdem, doglie von Akumlie; wen, tanggbain-Horn, juik
Awen(le)biisi (“Gott spricht”), Kurzform Abiisi (Fotos 47 und 184), m, *1969, segi: tanggbain Pung Muning, wen; 1994 Auszug nach Nangoodi bei Bolgatanga (Goldmine), 1997 zurück,
∞ 1990 Yaa Ababorokadila, verlässt ihn wieder, keine Kinder; Abiisi 1997 nicht verheiratet
Awentemi (“Gott gab mich”, Foto 156), m, *1963, segi: Asueris Mutter; wen, Auszug 1995 (Arbeit in Kakao-Plantage bei Bibiani), 1997 im Gehöft
Laadi, w, *1975, Schülerin, am 17. Juli 1994 kath. getauft, wen; Auszug 1995 (maid servant in Kumasi), 1997 im Gehöft, St. Martin’s Junior Secondary School Wiaga, Form 2 (1997)
Adiilie (“Tochter des Zweifels”), w, *1977, segi: Anamogsis Mutter Awenlie, wen, Abuluk Primary School Wiaga, P2 (1997)
Atengkabiik (“Kind der Erde”), m, *1981, segi: Anamogsis Mutter Awenlie, wen
Apagrimka (“Stärke fehlt”, Foto 167), m, *1985, wen, 1997 Abuluk Primary School (Wiaga-Sinyansa)
Atani (“Montag”), w, *1987, wen

∞ AGOALIE (“Tochter des Busches”), *ca. 1930 in Sandema-Nyansa, wen, jadok (bunoruk), tanggbain-Horn, kinderlos, Kinder aus einer früheren Ehe starben; war 1988/89, 1994 und 1997 Köchin des Autors; doglieba: Azuma und Ayabalie jun. (s.u.)

∞ ABATUILIE *ca.1940 in Fumbisi-Kasiesa-Batinsa, tanggbain-Horn, 1986 im Gehöft, das sie danach verlässt; kehrt am 23.9.1988 zurück; 1994 und 1997 nicht im Gehöft

∞ MAAMI, *1968 in Sandema-Longsa, Auszug ca. 1985, Akankonurbas doglie
Asiakdila (“dem zustimmen”), w, *1982, lebt bei Akankonurba
Atigilie (“Tochter des tigi-Festes”, Foto 171), w, *1985, lebt bei Akankonurba

∞ AZUMA (“Freitag”, Foto 139), *1970 in Sandema-Kobdem, wen, tanggbain-Horn, jadok (bunoruk); doglie von Agoalie
Azumas doglie 1994: Anaamalie (1997 nicht mehr im Gehöft)
Azumas doglie 1997: Atindaanlie (aus Sandema-Kobdem)
Agoabe (“wo schlafe ich?”), m, *1987, segi: tanggbain Pung Muning, wen, 1997: Abuluk Primary School Wiaga-Sinyansa, P3,
Akpibengeba (“stirb, bleibe und verlasse sie”), w, *Juli oder August 1990, wen
Anyediki (“ruhig machen”), Kurzform Adiki oder Asiki, w, *1993, 1.11.1998

∞ AYABALIE jun. (“Tochter des Marktes”, Foto 139), Sandema-Nyansa, wen, tanggbain-Horn, juik; doglie von Agoalie; Ayabalie hat 1989 doglie Afaalie, die vor 1994 das Gehöft wieder verlässt
Abenibadek (“bleiben bei sich selbst”, Foto 168), w, *1986, segi: tanggbain Pung Muning, wen, 1994 und 1997 nicht im Gehöft (doglie)
Ababeniba (“sie verweilen bei sich”, d.h. hier: “sie verschwenden ihre Zeit”), w, *1988; segrika: 17.9.88: tanggbain Pung Muning, zwischen 1989 u. 1994
Anako (“schlag und töte”) Kwame (“Samstag”, Twi), m, *1990, segi: Anyenangdu, wen
Anyasiokbe (“wo finde ich einen Bruder?”), m, *5. Juli 1994

∞ AKANNYEANYIN (“kann nicht tun und verlassen”), doglie von Ayabalie, heiratet Anamogsi zwischen 1989 und 1994, danach Auszug, wen noch im Gehöft
Anyamlie, w, (1994 nicht im Gehöft)

∞ AYOMPOK (“Frau eines Sklaven”), *1975 in Fumbisi-Kasiesa, war doglie von Abatuilie;
Ayompok hatte bereits in Fumbisi einen wen-Schrein, erhielt in Anyenangdu Yeri einen neuen
Anyetebanya (“tue es, so dass sie es sehen”) oder Agbambil oder Agbong (“Flachdach”), m, *1993, segi: tanggbain Pung Muning, tanggbain-Horn, wen
Atogsawana, m, *1995, tanggbain-Horn

∞ (ca. 1995) AKANZABWAI (“verachtet keinen”), *1978 in Wiaga-Chiok; doglie von Achioklie
Mädchen, *14.1.99, noch ohne Namen

1997 lebte auch Abajaasalie (Ajaanlie genannt), die betagte Tochter Abasitemis, in Anyenangdu Yeri. Sie war 1995 aus Abasitemi Yeri (amtierender yeri-nyono Ayomo Ayuali) ausgezogen und von Anamogsi aufgenommen worden. Am 27.3.1995 wurde sie im jadok-gobika-Ritual zur Wahrsagerin initiiert. Man stellte jedoch später fest, dass hierbei ein Fehler unterlaufen war, so dass es wiederholt werden muss.

b) Gehöftplan  Anyenangdu Yeri 1994 (Abb.:)

c) Namen der Schreine Anyenangdu Yeri  (Anmerkungen zur  Karte)

1. tintueta-wen: Awentemi (Akankonurbas Sohn)
2. tintueta-wen: Adiilie (Akankonurbas Tochter)
3. tintueta-wen: Laadi (Akankonurbas Tochter)
4. tintueta-wen: Awenbiisi (Akankonurbas Sohn)
5. tintueta-wen: sein Besitzer ist ein nicht mehr im Gehöft lebendes Kind
6. tintueta-wen: Apagrimka (Akankonurbas Sohn)
7. tintueta-wen: Atani (Akankonurbas Tochter)
8. tintueta-wen: Atengkabiik (Akankonurbas Sohn)
9. tintueta-wen: Akankonurba (Anamogsis Ehefrau); das wen besaß 1986 einen Armreif, der 1994 nicht mehr vorhanden war
10. an der inneren Zimmerwand hängend: Akankonurbas juik (Mungo-Schrein) mit einer Kalebassenschale und einer lila geflochtenen Hüftschnur
11. tintueta-wen: Akumlie (Anamogsis Ehefrau)
12. tibiik: Akumlies wen-Medizin in einem Keramikgefäß
13. bunoruk-jadok: Akumlies Chamäleon-Schrein
14. an der Wand hängend: Akumlies juik mit einer Dawa-dawa-Schote und einer lila Hüftschnur
15. tintueta-wen: Asuebisa (Akumlies ältester Sohn)
16. bunorta-ngandoksa: Asuebisas zwei Chamäleon-Schreine
17. tintueta-wen: Abawomba (Akumlies Sohn)
18. bunorta-ngandoksa: Abawombas zwei Chamäleon-Schreine
19. tintueta-wen: Akanbolukum (Akumlies Sohn)
20. tintueta-wen: Aleeti (Akumlies Sohn)
21. tintueta-wen: Ajokpilung (Akaaminyakas Sohn)
22. an der Wand: bage: Aleetis Horn mit Erde von Aluecharis Ahnenschrein
23. tintueta-wen: Aka(n)yaayega (Akaaminyakas Sohn)
24. tintueta-wen: Akaaminyaka (Ehefrau Asuebisas)
25. tibiik: Akaaminyakas wen-Medizin in einem Tongefäß mit Extrakt aus den Wurzeln des diniensidi-Baumes: Mittel gegen Zwillingsgeburten (sie hatte zuvor Zwillinge geboren), s. Nr. 63
26. tintueta-wen: Atoa (Asiukpienlies Sohn)
27. wuri-ngandoksa: Atoas zwei Waran-Schreine
28. tintueta-wen: Akanmaami (Asiukpienlies Sohn)
29. bunorta-ngandoksa: Akanmaamis zwei Chamäleon-Schreine
30. ein länglicher bogluk (?)
31. tintueta-wen: Achiviepo (Asiukpienlies Sohn)
32. bunorta-ngandoksa: Achiviepos zwei Chamäleon-Schreine
33. tintueta-wen: Apuyiilalie (Atoas Ehefrau)
34. tibiik: Apuyiilalies wen-Medizin (keramischer Noppentopf)
35. tintueta-wen: Asiukpienlie (Anamogsis Ehefrau)
36. bunorta-ngandoksa: Asiukplienlies zwei Chamäleon-Schreine
37. tintueta-wen: Ayomalie (Atoas zweite Frau)
38. bunorta-ngandoksa: Ayomalies zwei Chamäleon-Schreine
39. tintueta-wen: Anyetebanya (Ayompoks Sohn)
40. tintueta-wen: Ayompok (Anamogsis Ehefrau)
41. tiim-bang: Anamogsis Armreif für magische Zwecke (erhält Opfer)
42. tintueta-wen: Asimi (Agbieras Sohn)
43. + 44. tintueta-wena: Zwei persönliche Schreine von Akanpaabadai (Sohn Anamogsis)
45. tibiik: Akanpaabadais wen-Medizin in einem cheng-Gefäß
46. waab-jadok: Akanpaabadais Schlangen-jadok (waa-kpieng, ‘Python’)
47. bunorta-ngandoksa (an Speicherwand): zwei Chamäleon-Schreine Akanpaabadais
48. (an Speicherwand) bage: Akanpaabadais Horn mit Erde von Pung Muning (zu Akanpaabadais wen, s. Nr. 43/44
49. jubiik: Tierschwanz (zu Akanpaabadais wen)
50. tintueta-wen: Angmanya
51. + 52. tintueta-wena: zwei persönliche wen-Schreine Anamogsis
53. teng-bage: Anamogsis Horn mit Erde vom tanggbain Pung Muning; gehört zum wen-Schrein
54. tinangsa: ein loses Bündel Medizinwurzeln; gehört zum wen-Schrein Anamogsis
55. tibiik: Anamogsis wen-Medizin
56. bunoruk-jadok: Chamäleon-Schrein Anamogsis
57. jadok: Anamogsis (Lehm-) jadok mit einem hellen, kleinen Schildkrötpanzer
58. cham-jadok: Anamogsis Schibutterbaum-Schrein mit einem kleinen, lebenden Schibutter-baum-Steckling (Wurzel mit Erde in einer PVC-Tüte)
59. tibiik: eine weitere Medizin Anamogsis in einem keramischen Gefäß
zu Nr. 60-75: s. auch Kapitel 14.2.9 (S. 811ff.) und Fig. 14.11 (S. 817)
60. tintueta-wen: Anyenangdu (verstorbener Vater Anamogsis)
61. wen-tibiik: Anyenangdus wen-Medizin in einem keramischen Noppentopf
62. wa-kpieng-tonga (-jadok): Anyenangdus Schlangen-jadok; darüber an einem Nagel (an der dalong-Wand): zwei eiserne Armreifen und eine Schnur mit einem Stück Schlangenhaut
63. biam-tiim (Geburtsmedizin) oder kikiruk-tiim (Medizin gegen Unholde und Zwillinge): großes Tongefäß mit Wurzelstücken und Wurzelextrakt des diniensidi-Baumes; s. auch Fig. 14.11, S. 817
64. Anamogsis juik mit Hüftschnur, Hirsekolben, Kalebassenschale und Dawa-dawa-Schote
65. bunorta-ngandoksa von Anamogsis Mutter Awenlie: zwei Lehmreliefs auf dem Boden
66. nipong-tiim-Schrein: keramisches kampiuk-Gefäß mit Medizin auf einem Lehmpodest; an der Wand: Baobab-Schale mit nipok-biaroba-tiim (Geburtsmedizin für Frauen) gehört wohl zum nipong-tiim
67. Anyenangdus tinangsa-bage: Tierhorn mit Medizin
68. Anyenangdus segi-bage: Namensgebungshorn mit Erde von Aluecharis wen-Schrein
69. Aluecharis segi-bage: Namensgebungshorn mit Erde von Asueris wen-Schrein
70. jom-tiim: Medizin, die dem Bad der Witwen am 2. Tag der juka-Totenfeier beigesetzt wird
71. ma-bage (Noppentopf): Anyenangdus Mutter Amogaang, bzw. Anyenangdus MuMu
72. ma-bage (Noppentopf): Aluecharis Mutter bzw. MuMu
73. ma-bage (Noppentopf): Asueris Mutter bzw. MuMu
74. ma-bage (Noppentopf): Atiims Mutter bzw. MuMu (das Gefäß befindet sich auf dem Flachdach des dalong)
75. nipok-tiim: von dem tibiik-Gefäß waren 1994 nur noch einige Scherben und eine Astgabel vorhanden; die Medizin soll das Davonlaufen verheirateter Frauen verhindern
76. tintueta-wen: Agbiera (Anamogsis erste Frau)
77. tibiik mit takabi (Scherbe): keramisches Gefäß mit wen-Medizin (Agbieras)
78. bunorta-ngandoksa: Agbieras zwei Chamä-leon-Schreine
79. juik ohne Beiwerk: es ist Akanpaabadais juik, das sich z.Z. im Schlafzimmer Asuemlies befindet, da ihre jüngste Tochter Laadifiik (einige Wochen alt) gerade ein juik verliehen bekommen hat (Opferstelle: Schrein 117)
80. tintueta-wen mit tordiertem Eisenreif: Ajadoklie (Akanpaabadais Ehefrau)
81. tintueta-wen: Awencharuk (Akanjaglies Sohn)
82. tintueta-wen: Ajuikbil (Akanjaglies Sohn)
83. tintueta-wen: Achioklie (Anamogsis Ehefrau)
84. teng-bage: Achioklies Horn mit Erde vom tanggbain Pung Muning; es gehört zu ihrem wen
85. tibiik: Achioklies wen-Medizin
86. boosuk-jadok: Achioklies Vipern-Schrein in Form eines Lehmreliefs
87. juik von Achioklies jadok (auch 2. jadok genannt)
88. tintueta-wen: Akayabisa (Achioklies ältester Sohn)
89. tintueta-wen: Aparik (Achioklies Sohn)
90. bunorta-ngandoksa: Apariks zwei Chamäleon-Schreine
91. tintueta-wen: Anmoatibanyaka (Awunlies und Akayabisas Sohn)
92. tintueta-wen mit eisernem Armreif an der Wand: Agoalie (Anamogsis Ehefrau)
93. tinangsa: drei Bündel loser Medizinwurzeln; gehören zu Agoalies wen (s. auch Fig. 14.9, S. 837)
94. bunoruk-jadok: Agoalies Chamäleon-Schrein
95. tintueta-wen: Akawai (geschiedene Tochter Anamogsis, die in das väterliche Gehöft zurück-gekehrt ist)
96. tintueta-wen mit vier Kaurischnecken und einem Eisenreif: Ayabalie (Anamogsis Frau)
97. an der Wand hängend: Ayabalies juik mit 1 Kalebassenschale, 1 Hirsekolben, 1 Pfefferschote und 1 lila Hüftschnur
98. tintueta-wen mit zwei Kaurischnecken: Abenibadek (Ayabalies Tochter)
99. tintueta-wen: Anako (Ayabalies Sohn)
100. tintueta-wen: nicht-stationärer Zement-bogluk: Akannyeanying (Anamogsis geschiedene Frau)
101. teng-bogluk: Stein vom tanggbain Pung Muning in einer Astgabel (“watchman”)
102. ma-wen (Ahnenschrein) von Anamogsis Mutter Awenlie
103. ma-wen (Ahnenschrein) von Abadomgbanas Mutter
104. ma-wen (Ahnenschrein) von Abagomsis Mutter
105. tibiok-tanggbain: Opferstein unter einem Baobab (hier ein tibiok, d.h. ‘böser Baum’)
106. wen (Ahnenschrein): Aluechari (Anyenangdus Vater)
107. wen (Ahnenschrein): Asueri
108. wen (Ahnenschrein): Atiim
109. wen (Ahnenschrein): Ayarik
110. wen (Ahnenschrein): Anyam
111. wen (Ahnenschrein): Abagomsi
112. wen (Ahnenschrein): Abadomgbana
113. hinter dem kusung-dok: tengkuk (Erdschrein), ein Stein aus der Nachbarschaft des Gehöfts
114. Opferstelle (Stein) von Akankonurbas juik (zuerst opferte Anamogsi; als Abiisi alt genug war, übernahm er die Opfertätigkeit)
115. Opferstelle (Stein) von Akumlies juik; ihr Sohn Asuebisa opfert
116. Opferstelle (Stein) von Anamogsis juik
117. Opferstelle (Stein) von Ayabalies juik
118. Opferstelle (Stein) von Akanpaabadais juik
119. tintueta-wen: Agoabe (Azumas Sohn)
120. tintueta-wen: Akpibengeba (Azumas Tochter)
121. tintueta-wen: Azuma (Anamogsis Frau)
122. bunoruk-jadok: Azumas Chamäleon-Schrein
123. teng-bage: Azumas Horn mit Erde vom tanggbain Pung Muning
124. teng-bage: Agoabes Horn mit Erde vom tanggbain Pung Muning
125. teng-bage (Horn) Ayompoks
126. teng-bage (Horn) von Ayompoks Sohn Anyetebanya
127. tintueta-wen: Achiiklies (Akayabisas Frau)
128. nicht im Lageplan: Erdheiligtum (tanggbain) Pung Muning (ca. 500 m westlich vom Gehöft)
Die juik-Schreine von Akayabisa (Achioklies Sohn) und Atoa (Asiukpienlies Sohn) sind nach der “Inventarisierung” von 1994 errichtet worden:
A: Opferstelle (Stein) von Akayabisas juik
B: Opferstelle (Stein) von Atoas juik

Gräber in Anyenangdu Yeri

a) Anyenangdus Grab
b) Grab von Anyenangdus Mutter Amogaang
c) Grab von Anamogsis Mutter Awenlie
d) Grab einer anderen Ehefrau Anyenangdus
e) Grab Lamisis, des ersten Enkels Anamogsis (Sohn von Akayabisa und seiner nicht mehr im Gehöft lebenden Frau Abachoba)

5. DIE ÖKONOMISCHE UND SOZIALE BEDEUTUNG DES BESITZES EINES AHNENSCHREINS
Auf die religiöse Bedeutung der Ahnenverehrung wurde bereits mehrfach hingewiesen. Die Ahnenverehrung, in Verbindung mit den männlichen Ahnenschreinen vor dem Gehöft, hat jedoch auch eine ökonomische und soziale Bedeutung, wie ich es in meinen Publikationen von 1982 und 2003 dargelegt habe.
An dem Besitz eine männlichen Ahnenschreins hängen nämlich exakt festgelegte weitere Besitzansprüche. Der Opferer, das heißt normalerweise der Gehöftsherr, hat mit dem Schrein auch allen Land- und Viehbesitz des Ahnen übernommen. Ahnenland macht normalerweise den weitaus größten Teil des Landbesitzes eines Gehöftes aus. Außerdem ist der Opferer (Gehöftsherr) das Oberhaupt (kpagi) all der Nachkommen des betreffenden Ahnen.
Stirbt dieser Schreinbesitzer, so tritt der männliche Nachkomme des Ahnen mit größter Seniorität die Nachfolge und Erbschaft an, das heißt der älteste lebende männliche Nachkomme der ältesten Generation wird der neue Opferer und damit auch der neue Besitzer des Ahnenlandes und Ahnenviehs (einschließlich dessen Nachkommenschaft) und gleichzeitig wird er neuer kpagi. Lebt dieser Nachkomme, zum Beispiel als nächstältester Bruder des Verstorbenen im gleichen Gehöft, so ändert sich nichts an den Standorten der Ahnenschreine. Lebt er jedoch in einem anderen Gehöft, so werden die Ahnen (genauer gesagt der wen-Stein) in das Gehöft des Nachfolgers transferiert, wo man ihnen einen ähnlichen Schrein mit einem neuen Lehmsockel und den alten Steinen errichtet. Damit geht auch das Ahnenland und Ahnenvieh (in früherer Zeit auch die Sklaven bzw. deren Nachkommen) in den Besitz des neuen Opferers über.
Besteht eine Lineage etwa aus 50 Gehöften, wie es in Wiaga-Badomsa der Fall ist, so wechselt der Schreinbesitzer mit jedem Todesfall des Vorgängers. So ist es möglich, dass der Schrein mit dem anhängendem Land- und Viehbesitz durch alle 50 Gehöfte der Lineage rotiert. Ein armes Gehöft kann in relativ kurzer Zeit zum reichsten Gehöft der Lineage werden. Durch die Übernahme des kpagi-Titels gewinnt der Opferer Ansehen, Macht und in vielen Dingen auch eine Weisungsberechtigung an andere.
Die Übernahme von Schrein, Besitz und Ansehen erfolgt nicht ganz so unerwartet, wie es zunächst erscheinen mag. Selbst sehr junge Männer wissen genau, wann sie das hohe Amt und den Besitz übernehmen können und wer in ihrer Lineage oder ihrem Lineage-Segment vor ihnen darauf Anspruch hat (Siehe Genealogie mit Kennzeichnung der vergangenen oder zukünftigen Übernahme des Schreins, in Kröger 1982: 56).
Es soll hier nur kurz darauf hingewiesen werden, wie wichtig eine Kenntnis dieses Besitzwechselss nach dem Senioritätsprinzip für die Planung von landwirtschaftlichen Entwicklungsprojekten im Bulsaland ist.

6. KONFLIKTE DER CHRISTLICHEN SCHÜLERGENERATION MIT IHREN VÄTERN {187}

Einige Jahre nach ihrer Einschulung werden die meisten Bulsa-Jungen und -Mädchen Christen. Zu dieser Zeit haben sehr viele Jungen schon ihren persönlich wen-bogluk [Endnote 26]. Während die Weißen Väter in Wiaga das Tieropfer als eine zwar veraltete (alttestamentarische), aber keineswegs gotteslästerliche Opferhandlung ansehen, fordern viele katholische Lehrer und die Missionare der presbyterianischen Kirche vom Neubekehrten eine völlige Absage an alle heidnischen Bräuche und Opfer [Endnote 26a].
Andrerseits war ich immer wieder erstaunt, wie wenig Widerstand der neuen christlichen Lehre von Seiten der traditionellen Religion geleistet wird. Zwar hat es kein Vater gerne, wenn sein Sohn Christ wird, aber fast immer wird der Entschluss des Sohnes oder der Tochter respektiert. Man hat eher den Eindruck, dass der aggressivere Teil die jüngere, christlich gewordene Generation ist. Mein junger Informant aus Wiaga Kubelinsa (vgl. S. 154) begnügte sich nach seiner Taufe nicht damit, das Opfern einzustellen, sondern hielt seinem Vater vor, dass sie alle noch ihren Glauben an die alten Götter aufgeben und zur Kirche kommen würden. Der Vater konnte dem gegenüber nur erwidern, dass er (der Sohn) sich alle Folgen seines Verhaltens selbst zuschreiben müsse. Die Furcht vor den unmittelbaren Folgen eines bestimmten rituellen Verhaltens scheint überhaupt eine größere Rolle zu spielen als weltanschauliche Überlegungen.
Der folgende Ausschnitt aus der Lebensgeschichte Ayariks (Wiaga Tandem-Zuedema) weist in der Kompromisslosigkeit des Jungen und der Hilflosigkeit des Großvaters wohl typische Züge der oben angedeuteten Konfliktsituation auf:

When I went home from my parents to my grandfather, he offered me a god (bogluk), and this god was always in front of my room, and I was sacrificing it, but when I went to school, it came to a time that we were doing our religious studies, when our teacher told us that anyone of us who had a god should destroy it and be attending church, because it was {188} meaningless to kill fowls for a stone. That day evening when I reached home, I took my god and threw it away during the absence of my grandfather, but when my grandfather noticed it, he asked me, and I told him I had destroyed it, but he put it back again [Endnote 27] and asked me to kill a goat for it, and I refused. From this time he asked my brother to do it for me, and when my brother did it, I knew that I was still the one, and so I destroyed it again and again. He asked me why, and I told him I was ready to do all such things, because I wanted to become a Catholic, and so my grandfather kept cool and never brought the god back to me again up to today. And so at present I am a Catholic altogether with my family, and I don’t think I shall ever kill a fowl for a stone any more, neither any of my children.

Andere Väter scheinen schon zu wissen, dass ihr Sohn mit dem Schulbesuch auch gewöhnlich seinen alten Glauben aufgibt. So schreibt ein junger Mittelschulabsolvent aus Siniensi in seiner Lebensgeschichte:

So in class 4 (Primary) I told my father that I wanted to be going to Church and leave the sacrificing. He allowed me, because he knew that once someone is in school he does not sacrifice.

Wenn ältere Christen mitunter ihren persönlichen wen-bogluk wieder neu errichten, so geschieht dies durchaus nicht immer nur auf Drängen des Vaters. Fragt man einen solchen Christen, warum er seinen ehemals zerstörten bogluk wieder neu errichtet hat und seinem wen wieder regelmäßig (d.h. wenigstens zweimal im Jahr) opfert, so erhält man oft die Antwort: “I was forced”. Gemeint ist weniger der Zwang durch den Vater, sondern durch das eigene wen, dessen Vorhandensein nach meinen Erfahrungen auch von vielen praktizierenden Christen nicht geleugnet wird.
Ein Beispiel für den Zwang durch das eigene wen wurde mir am Fall eines etwa dreißigjährigen christlichen Bulo in Takoradi (Südghana) klar. Er hatte keinen Erfolg mehr im Beruf, kränkelte häufig, hatte große finanzielle Schwierigkeiten und musste dauernd von anderen {189} Bulsa hören, dass hierdurch seine eigenes wen Forderungen nach einem bogluk anmelde. Schließlich ging er selbst zu einem Wahrsager, der die Vermutungen der Freunde bestätigte. Beim nächsten Besuch in seinem Heimatdorf Sandema ließ er seinem wen einen neuen bogluk errichten, dem er seitdem opfert, ohne seinen christlichen Glauben aufgegeben zu haben.
In einem anderen Fall beugte sich ein christlicher Schüler dem vereinten Drängen seines Vaters und seines persönlichen wen:

So my father was happy all the time with me, but he became annoyed with me any time that he wanted to do sacrifices. I always refused to help in sacrifices, when he asked me to do something, and (I) told that I was not to do sacrifices again. I was baptized in 1969 by the Roman Fathers. I was then in Middle School. Six months after my baptism I became very sick of stomach, they tried to cure me but they failed. So one day at dawn I was in bed, when I heard some strange man calling my name saying that I should wake up and get my personal “god”. I did not know what to do. My father said, if the man asked me to do anything, I should do it, otherwise I would die from my sickness. That it was because of that that I was sick. So I got my personal god that day…
A week later I recovered and started my schooling (again). My father told me not to go to church on Sundays again but I refused. Again I refused to do sacrifices. In a year’s time I became sick again. My father told me that I had been against the house-gods, that is why they want to kill me. So I should sacrifice all the house-gods. I did it. Not long (after) I became well. From that time up to now I do sacrifices to Builsa gods (bogluk) and other things.

Typisch für die in diesem Abschnitt abgehandelte Konfliktsituation erscheint mir in dem Ausschnitt der Lebensgeschichte die Besorgnis des Vaters, dass sein Sohn sich durch Vernachlässigung der “Hausgötter” einen gesundheitlichen Schaden zuziehen könnte. Auch der Informant selbst befürchtet vor allem, dass ihm die vernachlässigten wenn aus Rache durch Krankheit und einen frühen Tod strafen. Aus diesem Grunde und nicht aus Gehorsam zu seinem Vater, hat er auch wohl seine Opfertätigkeit wieder aufgenommen [Endnote 28] {190}.

7. WEN-VEREHRUNG UND SONNENKULT

Schon den frühen Erforschern der Gur-sprechenden Völker fiel auf, dass die Bezeichnungen für Gott und Sonne bei vielen ethnischen Gruppen identisch sind. Mitunter finden sich auch in der frühen Literatur einige oft vage Aussagen über einen bestehenden Sonnenkult. Schon L.G. Binger [Endnote 29] schreibt 1892 über die autochthone Bevölkerungsschicht der Mossi:

Ils sont fétichistes, mais ont eu pour culte le soleil, qui porte encore aujourd’hui le même nom que Dieu: ils l’appellent Wouidi.

E. Funke [Endnote 30] glaubt in Hinsicht auf unsere Fragestellung in Nordtogo zwei verschiedene Kreise erkennen zu können: einen nordwestlichen Kreis, in dem die Wörter für Sonne und Gott zum gleichen Sprachstamm gehören, und einen nordöstlichen Kreis, in dem dies bei den Wörtern für Himmel und Gott der Fall ist. Zum nordwestlichen Kreis, der heute zum größten Teil in das Staatsgebiet Ghanas fällt, rechnet er die folgenden Ethnien: Dagarti, Kusasi, Mossi, Mamprussi, Dagomba, Moba und Konkomba. Funke glaubt auch schon ein Bestreben entdeckt zu haben, “den Gottesnamen vor einer Identifizierung mit dem Himmel bzw. der Sonne zu bewahren”, und zwar meint er, dass dieses Bestreben “von Norden nach Süden immer mehr zunimmt” (Funke, S. 162).
L. Tauxier [Endnote 31] beruft sich 1924 in der Frage, ob die Mossi die Sonne verehren, auf Binger [Endnote 32], Desplagnes [Endnote 33] und auf eigene Werke. Er glaubt selbst, dass Ouendé wohl ursprünglich ein Sonnengott und atmosphärischer Gott war, durch den Einfluss des Islams jedoch schließlich nur noch als höchster Gott verehrt wurde (S. 33):

C’est ainsi que, peu à peu, Ouendé est devenu de plus en plus un dieu suprême, quoi qu’il semble n’avoir été, au début, qu’un dieu-atmosphère d’abord séparés, puis qui fusionnèrent, avec prédominance de l’élément divinité-soleil.

Auch für R.S. Rattray [Endnote 34] steht fest, dass die sprachlichen Entsprechungen für Himmelsgott und Sonne identisch sind:

In both the Mole and the Kasen’-Isal groups, the word used for
the Sky-God is practically identical throughout. (In some of {191} the dialects the word Na or Nab’ (Chief) is prefixed). The root of the word used by all these tribes for the Supreme Being is we. The word undoubtedly means simply ‘the sun’.

Rattray (1969) macht jedoch darauf aufmerksam, dass die höchste Gottheit von den Menschen als Himmelsgott, nicht aber als Sonnengott betrachtet wird :

(S. 43) Wene is the Sky-God not the Sun-God. ‘The Sun falls in the evening time, but He is always there’, said an informant, whom I was questioning on this subject.
(S. 308, Nankanse) Yini, himself, is far, and we cannot get him, only some of hi power. The sun is the son of Yini.

Zu ähnlichen Erkenntnissen ist J. Zwernemann [Endnote 35] in neuerer Zeit (1961) gekommen. Im Abschnitt über die Mossi (S. 245) bringt er ein aufschlussreiches Zitat aus dem Werke von R.P.G. Alexandre [Endnote 36], aus dem hervorgeht, dass die Mossi gewöhnlich einen begrifflichen Unterschied zwischen der Sonne (wintoo) am Himmel und dem Gott Wende machen, während in bestimmten Opferformeln die Eigenschaft Wendes als “Sonnengott” noch durchscheint:

…que le Roi Soleil reçoive l’eau de la sortie (lever) (l’eau est versée à l’est) … que le Roi Soleil reçoive l’eau des son coucher (on verse l’eau à l’ouest).

Nachdem J. Zwernemann den Gottesbegriff bei mehreren “Volta-Stämmen” (tribus voltaïques) ausgiebig untersucht hat, kommt er zu dem Schluss:

L’association terminologique de dieu à ciel ou à soleil est confirmée par nos sources. Dieu demeure au ciel ou dans le soleil… Souvent on indentifie le dieu et le ciel, peut-être on l’identifie même au soleil: le rituel de certains sacrifices mosi nous incite à formuler une telle conclusion [Endnote 37].

Für die Bulsa bin ich in der hier diskutierten Frage zu folgenden Ergebnissen gekommen:
1. Wie bereits früher festgestellt wurde (Rattray, S. 45) lassen sich die Bezeichnungen für Gott (bzw. Himmel, Sonne, Schicksalsmacht) in vielen Gur-Sprachen auf den gleichen Wortstamm zurückführen, der {192} nach Rattray (S. 42) we lautet, nach D. Westermann auf eine paleo-sudanische Wurzel *qui oder *quia zurückgeht [Endnote 38]. Auch das Buli-Wort wen lässt sich sprachlich wohl ohne jeden Zweifel in diese Gruppe einfügen.
2. Auch in der Buli-Sprache weist das Wort wen mehrere Bedeutungen auf: Gott (als höchstes Wesen meistens in der Form Naawen), persönliche Schicksalsmacht eines lebenden oder toten Menschen (die in einem wen-bogluk verehrt werden kann), Himmel, Sonne und Jahreszeit.
3. Die Bulsa setzen die Begriffe Gott und Sonne nicht in dem Sinne gleich, dass die Sonne als Naawen bezeichnet wird oder Naawen als Sonnengott angesehen wird. Auch wird der Begriff wen gewöhnlich in Wortzusammensetzungen für die sichtbare Sonne angewandt [Endnote 38a]. Für diese sind die Wörter kantueng, wentueng  [Endnote 39]   (Sonne, Sonnenhitze, heißeste Zeit des Tages) oder wenbiri (def. wenbini;  biri = Samenkorn? Bedeutung: Sonnenscheibe) gebräuchlich.
4. Auch die Bulsa gebrauchen als Bezeichnung des höchsten Wesens gerne den Begriff Naawen, während wen häufiger für die in einem bogluk verehrte Kraft gebraucht wird. Der Begriff Naawen (aus nab wen) bereitet sprachlich einige Schwierigkeiten. Er wird gewöhnlich mit king of heaven oder chief of heaven übersetzt. In der Zusammensetzung nab wen würde jedoch normalerweise nicht wen sondern nab Genetiv sein, der in der Buli-Sprache der Genetiv durch Voranstellung gekennzeichnet wird. Nab wen hieße in Buli eigentlich “wen des Häuptlings” [Endnote 40]. Solange das Vorhandensein der Form na(b)wen nicht anderweitig erklärt werden kann, ist E. Funkes Deutung dieses Namens nicht ganz abzuweisen. Er erklärt die in mehreren Gur-Sprachen vorkommende Verbindung des Gottesnamen mit dem Wort na als Ergebnis eines Fremdeinflusses. Über den “westlichen Kreis” Nordtogos (vgl. S. 190) schreibt er [Endnote 41]:

Die dort mit einer mohamedanischen Oberschicht versehenen Volksstämme fügen dem “Sonne-Gott” gedeuteten Worte das Wort “na” hinzu, welches “Ältester, Herr” heißt… Auf solche Weise will man der leicht entstehenden, irrigen Auffassung vorbeugen, als huldige man einer Sonnen- bzw. Himmelsverehrung. Man hat darum die Haussa kopiert, welche stets von “Ubangidji Allah” oder Allah “Ubangidji” (Herr Gott) reden {193}.

Wurde bisher im wesentlichen die Ableitung einer Verbindung des höchsten Wesens mit der Sonne anhand sprachlicher Kriterien versucht, so soll im folgenden auch ein Zusammenhang im kultischen Bereich nachgewiesen werden. Vor allem Autoren des frühen 20. Jahrhunderts haben wiederholt versucht, religiöse Erscheinungsformen in weltweitem Maßstab auf eine originäre Sonnenverehrung der Primitivvölker zurückzuführen. Leider bauten Wissenschaftler wie L. Frobenius [Endnote 42] und P. Ehrenreich [Endnote 43] ihre Theorien vorzugsweise auf Mytheninterpretationen auf, denen man heute nicht mehr uneingeschränkt zustimmen kann. Da eine Mytheninterpretation sinnvoll erst dann einsetzen kann, wenn wenigstens die Grundlagen der religiösen Anschauungen und Kulte der betreffenden ethnischen Gruppe bekannt sind, soll hier ein Beitrag zur Frage der Sonnenverehrung gegeben werden, der auf Beobachtungen kultischer Ausdrucksformen beruht.
Eine Verbindung des als göttlich verehrten wen mit der sichtbaren Sonne zeigt sich bei den Bulsa wohl am sinnfälligsten in den Höhepunkten der wen-piirika-Riten (vgl. S. 148, Kap. V2a). Wie bereits beschrieben, drückte der Wahrsager den wen-Stein genau zur Hälfte in den Erdball, als die aufgehende Sonne genau zu einer Hälfte “aus der Erde” aufgetaucht war. Auch wenn nicht von Bulsa die Deutung gegeben worden wäre, dass der Stein die Sonne symbolisiert und der Lehmball die Erde, fiele es dem aufmerksamen Beobachter auf, dass hier ein Naturgeschehen auf ritueller Ebene nachvollzogen wird. Hinzu kommt, dass als wen-Steine, gerade bei größeren bogluta, gerne kugelrunde weiße Quarzsteine gewählt werden, die auch in ihrer Form und Farbe gut die Sonne darstellen können.
Außerordentlich wichtig für ein Verständnis des wen-Begriffes ist jedoch die Aussage der Informanten, dass bei dieser rituellen Handlung mit den ersten Sonnenstrahlen das persönliche wen vom Himmel (bzw. von der Sonne) herabsteigt und von nun an seinen Platz im Stein hat. Das wen kann nicht vom Himmel herabkommen, wenn die Sonnenstrahlen den wen-Stein nicht direkt berühren, etwa weil sich eine Wolkendecke zwischen Sonne und Stein befindet [Endnote 44].
Während das persönliche wen, als es noch in der Sonne war, schon Einfluss auf den menschlichen Partner nehmen konnte, z.B. ihn durch Krankheiten plagen oder durch gehäufte Unglücksfälle Schwierigkeiten bereiten konnte, ist erst nach dem Herabsteigen des wen eine enge Wechselbeziehung zwischen dem Menschen und seinem wen möglich, da der Inhaber erst jetzt auf alle Wünsche seines wen eingehen und all seine eigenen Wünsche dem wen offenbaren kann.
Wie bereits in der Beschreibung der wen-piirika angedeutet wurde, besteht ein weiterer wichtiger Höhepunkt der Festtagsriten in der Vermischung des menschlichen Speichels mit der Erde, und hieraus leitet sich auch der Buli-Name tintueta-wen (Speichel-wen) für das persönliche wen ab. Der neue bogluk entsteht also aus der Mischung von drei Elementen: dem wen, das von der Sonne kommt, Materialien der Erde (Lehm, Stein, Wasser) und dem Speichel, der eine enge Verbindung zum Inhaber des neuen bogluk herstellt.
Die Herstellung einer gedanklichen Assoziation zwischen “Speichel” und “Sonne” scheint nicht mehr erforderlich zu sein, jedoch gibt es Anzeichen bei anderen Völkern Afrikas, dass Speichel und Sonne in einem kultischen Zusammenhang stehen können. Es soll daher hier auf einige interessante Phänomene in anderen afrikanischen Kulturen hingewiesen werden.
Bei H. Baumann [Endnote 45] findet man in den Ausführungen über afrikanische Solarkulte einen Hinweis, dass die Sonnenverehrung bei einigen ostafrikanischen Völkern in Gebeten, Anrufungen und auch im kultischen Bespucken bestehen kann.
Über die Masai schreibt H. Fokken [Endnote 46]

Das Morgengebet pflegen alle Erwachsenen zu sprechen, alte Männer, Krieger und Frauen. Sie erheben sich vom Lager und spützen der aufgehenden Sonne etwas Speichel entgegen…

Für Westafrika oder gar für die Gur-Völker konnte ich keine entsprechenden Angaben finden.
Wenn die wen-Zeremonien Reste eines früher vielleicht ausgeprägteren Solarkultes aufweisen, so ist die Frage erlaubt, ob in den heutigen {195} religiösen Ausdrucksformen der Bulsa weitere Anzeichen für eine Sonnenverehrung zu finden sind. Leider konnte ich mich mit dieser Aufgabenstellung in meiner Feldforschungstätigkeit nur noch wenig befassen. Es können daher hier nur einige Hypothesen, Fragestellung und Anregungen für weitere Forschungen gegeben werden. Der religiöse Sprachgebrauch, Gebetsformeln, Gottesbezeichnungen usw. müssten daraufhin untersucht werden, ob sich Reste (survivals) eines Solarkultes finden lassen, auch wenn den augenblicklichen Religionsträgern eine Beziehung zur Sonnenverehrung nicht mehr bewusst ist [Endnote 47].
Von R. Schott [Endnote 48] ist bereits darauf hingewiesen worden, eine wie große Verehrung und Scheu die Bulsa dem Chamäleon entgegenbringen. Während Ahnen-bogluta immer auf dem Erdboden stehen, befinden sich die bogluta von Chamäleon-jadoksa entweder in 1 – 2 m Höhe in der Form eines Flachreliefs an den Getreidespeichern [Endnote 49] (vgl. Abb. 47) oder auf der Lehmbrüstung eines Flachdaches. Bei den Ost-Ewe repräsentiert das Chamäleon nach Le Heriseé die Sonne. Es wurde vom “Sonnengott” Lissa in den Wald gesetzt, um die Menschen daran zu erinnern, dass er (Lissa) jeden Abend in ähnlicher Weise wie das Chamäleon sein Gewand (den Abendhimmel) färben kann. Zu dieser Mythe bemerkt H. Baumann: “Hier haben wir den Schlüssel für die solare Auffassung des Chamäleons [Endnote  50]… ” Auch bei anderen afrikanischen Gruppen kann das Chamäleon die Sonne vertretene [Endnote 51], bei den Bulsa versäumte ich es jedoch, der Frage nach einem Bezug des Chamäleons zur Sonne nachzugehen.
Nicht zuletzt müssten die Mythen der Bulsa und ihrer Nachbarstämme auf Sonnenmotive hin untersucht werden. Wenn auch die Sammlung der Bulsa-Mythen und Erzählungen noch nicht abgeschlossen ist [Endnote 52], so lässt sich doch wohl heute schon sagen, dass die Ausbeute nicht sehr groß sein wird, falls man sich nicht der großzügigen Auslegung mancher Autoren anschließen will und Zwillingsmythen, Wanderschaftsmythen, Verschlingungsmotive usw. rein kosmologisch interpretiert [Endnote 53]. Häufig zitiert worden ist die von A.W. Cardinall [Endnote 54] überlieferte Mythe der Dagomba, dass Wuni (vgl. Buli wen) ein kreisrundes Gehöft besitzt (Gehöft = Sonne), das von einem Markt (Hof der Sonne) umgeben ist. In dem Gehöft lebt ein Widder [Endnote 55], der durch verschiedene Tätigkeiten {196} Donner, Blitz, Regen und Wind erzeugen kann.
Wie bereits erwähnt kann der Stein eines wen-bogluk als Abbild der Sonne gedeutet werden, der irdene Unterbau soll die Erde repräsentieren. L. Amoak, der mir diese Erklärung gab, fügte aber sogleich eine zweite hinzu. Mitunter bezeichnen Bulsa auch den wen-Stein als Kopf des bogluk, das Erdfundament als seinen Körper. Wie schon beschrieben, können zwei eingedrückte Kaurischnecken die Augen des wen-bogluk darstellen (vgl. S. 159). Auch hier könnten sich interessante Untersuchungen anschließen. Haben sich vielleicht anthropomorphe Heiligtümer anderer Völker Westafrikas  aus Formen entwickelt, die den wen-bogluta der Bulsa glichen? Oder sind die wen-bogluta Abstraktionen aus anthropomorphen Darstellungen [Endnote 55] ? Ein Eingehen auf solche Fragestellungen würde jedoch den gesetzten Rahmen dieser Arbeit sprengen.
Nach R.S. Rattray [Endnote 56] werden die Erdhügel (Buli: wen-bogluta) bei den Nankanse (Gurense) auch als Haus für einen Geist (S. 325: home for a spirit) aufgefasst. Rattray schreibt (S. 325):

The actual spirit is in (or ‘is’) the axe, bangle … the conical clay mounds into which such objects are built are regarded rather as the ‘compound’ or ‘quarters’ in which the spirit may wander in greater ease and comfort.

Eine solche Deutung ist mir bei den Bulsa nie als Erklärung für die Form der wen-bogluta gegeben worden. Bei den wen-bogluta der Bulsa fehlt auch stets das von Rattray in diesem Zusammenhang erwähnte Loch im unteren Teil des Erdhügels, das dem Hauseingang entsprechen soll (vgl. auch Rattray, S. 216). Für die Wahrsager-bogluta, die in ihrer Form stärker an die von Rattray beschriebenen kegelförmigen Heiligtümer der Nankanse (Gurensi) erinnern und auch gewöhnlich ein Loch (einen “Eingang”) im unteren Teil des Lehmkegels haben, ist jedoch bei den Bulsa der Begriff jadoksa dok (Haus der jadoksa) neben anderen Bezeichnungen üblich. Häufig sind diese bogluta mit kleinen, 10 – 20 cm hohen Lehmmauern umgeben, die als Mauern des Bulsa-Gehöfts (yeri) und ihre Unterbrechung an der Vorderseite als Gehöfteingang gedeutet werden (Information: L. Amoak) {197}.
R.S. Rattray bringt auch (S. 540) eines Hypothese über den Ursprung der Ahnen-“bogluta”:

Among the Nabdam and Talense, these flat-topped mounds often mark the actual graves, upon which the sacrifice is made. This indeed, is, I believe, the origin of all these shrines, even where, as in many cases, they are now distinct from the actual burial place.

Bei den Bulsa ließen sich keine Beweisstücke für R.S. Rattrays letztgenannte Hypothese finden {198}.

 

ENDNOTEN (WEN-RITEN) {358}

1  1960: 187-196

2  J.B. Christensen (1954: 93) schreibt über eine bestimmte “Seele” des Menschen, die Fanti (Südghana) sunsum nennen: “[sunsum] may leave the body at night and roam about, and dreams are said to be activities of the sunsum…” Die sunsum-Seele kann auch nach Fanti-Auffassung von Hexen (Hexern) angegriffen werden.

3 Es muss erwähnt werden, dass ein einziger Informant behauptet, dass die Seele (chiik) nur in traumlosen Nächten den Körper verlässt, während ein Traum beweist, dass sie im Körper ist.

4 Für das Darbringen von Speisen an die Seelen Verstorbener wird das Buli-Wort kaabi (=opfern) gebraucht. Man ist sich jedoch darüber klar, dass es sich hier um eine andere Art von “Opfer” handelt als die, wie sie z.B. den wena dargebracht werden. Chiisa erhalten keine blutigen Tieropfer, sie können aber tierische Nahrung erhalten, die niemals den wena geopfert wird, z.B. gekochtes Entenfleisch {359}.

4a Wena können ihren Schrein vorübergehend verlassen, zum Beispiel um Kontakt zu anderen wena aufzunehmen. Auch wurde mir gesagt, dass man möglichst an Markttagen nicht opfern soll, weil die wena dann auf dem Markt sind. Die verwandtschaftlichen Beziehungen der wena sind unabhängig von denen der menschlichen Besitzer. Der Mutter eines  wen kann zum Beispiel ein eigener Schrein in Form eines weiteren kleinen Lehmhügels neben dem wen-Schrein errichtet werden. Er hat keine besondere Beziehung zum Schrein der Mutter des Besitzers. Von den anderen übernatürlichen Mächten  können nur jadoksa eigen wena haben.

5 Mehrere Totenorte verschiedener Bulsa-Klansektionen werden von R. Schott in seinem Aufsatz ‘Kisuk-Tiere der Bulsa’ genannt. A.W. Cardinall (1931: 34) nennt Pilimpico als Totenort von Sandema, und ein geheimnisvoller Pfad soll direkt vom Marktplatz Sandema zur Stadt Pilimpico führen.

5a Vgl. Aduedem 2018.

5b  D. Tait schreibt über die Konkomba (1961: 223f.), dass dort böse Buschgeister sich ihre Opfer genau aussuchen. “It is noteworthy that most persons so attacked are either in adolescence or in young adulthood.”

6 Piirika wurde mir mit “coming down of the wen” übersetzt. Das Verb piiri scheint nur in diesem speziellen Sinne gebraucht zu werden, eine sprachliche Beziehung zu dem homophonen Verb piiri (aufblasen) besteht angeblich nicht.

1986 erhielt ich eine vereinzelte Information, dass in dringenden Fällen wenn eine wen-piirika verschoben werden muss, eine vorläufige wen-piirika in sehr stark vereinfachter Form durchgeführt werden kann. Sie hat den Namen wen-dungka.

7 Als bogluk werden alle jene materiellen Heiligtümer oder Schreine bezeichnet, denen man Opfer darbringt (englische Übersetzung oft “shrine” oder “god”). Während der Begriff wen (bzw. jadok, tiim usw.) eher ein geistiges Prinzip beinhaltet, bezieht sich bogluk auf die äußere Form des Gegenstandes (z.B. eines kleinen Lehmhügel mit Stein, eines gefüllten Medizintopfes, einer Rassel usw.), dem geopfert wird.

7a   Über die Anzahl der Steine eines ma-wen konnte ich keine letzte Klarheit erhalten. Deutlich sah ich diesen Schrein in der Form von einem, aber auch von zwei Steinen. Vor Adeween-yeri stehen drei Steine, von denen wohl einer keine Bedeutung hat. Gelegentlich hörte ich, dass der zweite Stein das wen der MuMu repräsentiert. Hiergegen spricht, dass Leander Amoak, als alle patrilinear männlichen Nachkommen seiner MuMu in Wiaga-Bachinsa ausgestorben waren, den Schrein in Form von zwei Steinen in sein eigenes Gehöft überführte, sodass ich bei späteren Besuchen am Standort des ma-wen vier (oder mehr) Steine vorfand.

7b  Der Wahrsager Akanming schlug meistens mit seiner Rassel, mitunter auch mit seiner Hand, in der sich eine bestimmte Medizin befand auf den Kopf der Rituanden, vor allem wohl dann, wenn es sich um eine Geistesstörung handelte.

7c  Da-binta ist ein Niederschlag bei der Hirsebierproduktion, der als “Hefe” für die nächste Herstellung verwendet wird und daher kein reines Abfallprodukt. In späteren wen-piirika-Ritualen verwendete Akanming für eine ähnlich aussehende rote Masse das mir bis dahin nicht bekannte Wort da-bu(u)sa, das als reines Abfallprodukt bezeichnet wurde und höchstens an Hühner verfüttert werden kann. Einige Informanten behaupteten dass da-binta und da-bu(u)sa dasselbe wären.

8  Tintuek, Pl. tintueta, “Speichel”. Eine sprachliche oder inhaltliche Verbindung zu tintueta (Pl.) = “Asche”, besteht nach meinen Informationen nicht.

9  Leider hatte ich mein Tonbandgerät während des Einzugs nicht eingeschaltet, so dass ich nur die Version L. Amoaks wiedergeben kann, über deren Korrektheit starke Zweifel bestehen. Möglicherweise wurde der bereits zitierte Satz wiederholt, aber hierfür fehlt ebenfalls ein Beleg. Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass der Wahrsager laufend einen “falschen” Namen (Akagoom) für Akapami gebraucht hat.

9a  Auch der folgende Text wurde von mir auf ein Tonband aufgenommen und von G. Achaw übersetzt.

10  Ich glaube nicht, dass ich versäumte, diesen Teil aufzunehmen. Es ist viel wahrscheinlicher, dass L. Amoak selbst in dem Gebet auch Begriffe wie Naawen (Hochgott), kpilima (Ahnen), teng (Erde) und tanggbana erwähnt haben wollte und sie in einem Zusatzteil zusammen mit dem Namen seines Sohnes Akapami in den Text einfügte.

11  Wenn ein Huhn nach dem Blutabfluss sofort auf dem Bauch liegend verendet, gilt das Opfer als nicht angenommen, und die Riten des {360} Tages müssen zu einem späteren Termin wiederholt werden.

12  Auch hier soll die Zahl 3 das männliche Geschlecht Akapamis symbolisieren.

12a  Eine zerbrochene Baobab-Schale (tu-poak)  gebrauchte man früher statt einer Kalebassenschale zum Opfern. Auch heute noch benutzt man die Scherbe einer Baobabfrucht, wenn man einem ma-bage nach der Fehlgeburt einer Frau opfert.

12b  Die ma-wena, die ich in Bulsa Gehöften gesehen habe, bestanden entweder aus einem einzigen oder aus zwei Steinen. Auch Schreine aus mehr als zwei Steinen konnte ich beobachten, aber man sagte mir, dass die anderen (angeblich) keine Bedeutung hätten. Einige Besitzer von zweisteinigen ma-wena sagten mir, dass der zweite Stein für die Mutter der Ahnin (MuMu des menschlichen Besitzer) bestimmt ist. Andere leugneten dies und behaupteten, dass die Mutter der Ahnin auch dann ihren Anteil eine Opfers erhält, wenn der bogluk nur aus einem Stein besteht.

13  Vgl. R. Schott, 1973/74: 285.

14  Nach R.S. Rattray (1960: 182) kann bei den Nankanse (Gurensi) dem Himmelsgott (Sky-God) auch eine Fledermaus geopfert werden, die als “brown room guinea-fowl” bezeichnet wird.

15  Unveröffentlichte Feldnotizen 1966/67:189f.

15a Nur vor dem Gehöft  Ameeruk Yeri  in Wiaga-Badomsa fand ich in den Ahnenschreinen vor dem Gehöft Eisenbolzen statt runder Steine. “Die Ahnen hatten es so gewollt”.

16  S.25-28 und Abb. 33-42.

17  In vielen Städten Südghanas (z.B. in Cape Coast) gibt es keine Bulsa-Wahrsager. In einem solchen Fall sucht man einen anderen Wahrsager aus Nordghana auf (sie werden im Süden oft fälschlich als Frafra-Wahrsager bezeichnet). Ein Akan-Wahrsager Südghanas kann niemals einem Bulo Anweisungen über wen-Angelegenheiten geben.

18  Ebenso wird auch verfahren, sobald ihr Gatte gestorben ist. Falls die Frau nach der Totengedenkfeier wieder heiratet, erhält sie von ihrem neuen Gatten – eventuell im gleichen Haus – einen neuen bogluk.

19  George Awenawie, der die St. Martin’s Middle School (Wiaga) besuchte, entzog sich der Opferfeier.

20  Wären L. Amoak und Ayomos Vater Atiim nicht Söhne derselben Mutter (Adankunlie), hätte L. Amoak das Opfer an Adankunlie selbst darbringen müssen.

21  Vgl. R.S. Rattray (1969: 509), der über das Schicksal eines weiblichen “bogluk” (Isal: dema) bei den Isala berichtet.

22  Ein puuk, Pl. puusa, ist ein kugelförmiger Tontopf mit einem kleinen Deckel und vielen Noppen (vgl. Abb. 42). Er kann nie auf dem Markt gekauft werden, sondern muss bei einer Töpferin in Auftrag gegeben werden. Da seine Herstellung angeblich nicht ungefährlich (?) ist, sind gewöhnlich nur alte Töpferinnen, “die den Tod nicht fürchten” bereit (Inf. Th. Achaab aus Kalijiisa-Choabisa, 1973/74 wohnhaft in Fumbisi), einen solchen Topf herzustellen. Der Name pùùk (Tiefton!) könnte sprachverwandt sein mit púúk (Hochton!), Pl. púúsa {361} (=Bauch, Empfängnis, Schwangerschaft), wenn beide Wörter auch verschiedene Tonhöhen haben. Die zahlreichen Noppen sollen nach L. Amoak die zahlreiche Nachkommenschaft der betreffenden Frau andeuten. Andere Informanten können keine Deutung hierfür geben. Eine Sprachverwandtschaft mit puuk, Pl. puuta (=Blume) ist wenig wahrscheinlich (unterschiedliche Klassen!). Ich selbst glaube, dass der keramische Noppentopf ein Skeuomorph der Noppenkalebasse in einem anderen Material ist. Hierfür spricht im Erscheinungsbild auch der kleine keramische Deckel, der dem eine geschlossenen Noppenkalebasse entspricht. Außerdem wird auch die Noppenkalebasse recht häufig für sakrale und außergewöhnliche Handlungen verwendet.

23  Nr. 23 und 24 der genealogischen Übersicht S. 179.

24  Ich vermute, dass in dieser Wortzusammensetzung (ma-bage) das Wort bage noch nicht zur Bedeutung “heiliges Horn” verengt worden ist (bage kann heute nur für sakrale Tierhörner verwandt werden, sonst gebraucht man die Bezeichnung nyiili, Pl. nyiila); inhaltlich nähert es sich damit dem Begriff bogluk, mit dem es vielleicht etymologisch verwandt ist. Vgl. Schlussteil, S. 309.

25  Es muss erwähnt werden, dass ich anderslautende Auskünfte von jüngeren Informanten erhalten habe, z.B. dass der ma-bage stets der bogluk der MuMu oder der VaVaMu des Überführers ist. Mir scheint jedoch die oben dargelegte Version am verlässlichsten zu sein, zumal sie sich an mehreren konkreten Beispielen bewahrheitet hat. Dass es bei den ma-bage Riten lokale Varianten gibt, wird von allen Informanten abgestritten.

25a Da Adachoruk keine männlichen Kinder hatte die ihm heute opfern , dürfte er eigentlich keinen eigenen Schrein haben.  Der Opferer seines Vaters Agbana gibt ihm jedoch einen Teil der Opfergaben. Leander begründet diese Ausnahmestellung damit, dass ein großer Teil des Landes von Adeween Yeri diesem Ahnen gehört. Nach einiger Zeit, wenn sein Schrein zerfallen ist, wird man jede Opfertätigkeit an ihn einstellen.

26  Ich vermute, dass die Eltern in jüngster Zeit zu einer besonders frühen wen-piirika ihres Sohnes drängen, da sie in einem fortgeschrittenen Alter Schwierigkeiten und Opposition erwarten, zumal wenn ihr Sohn durch Schulbildung und Christentum beeinflusst worden ist.

26a  Die nach Drucklegung der ersten Auflage im Bulsa District neu gegegründeten Kirchen und Sekten vertreten häufig einen noch strengeren christlichen Standpunkt.

27  Der Großvater (VaVa) suchte den Stein und den Lehmteil des bogluk und formte ihn neu.

28  Man vergleiche hiermit die Lebenserfahrungen L. Amoaks (S. {303f.}), dessen wen seine Forderungen anmeldete, indem es der Ehe Amoaks Fruchtbarkeit versagte.

29   1892: 492.

30   1917: 161 -63.

31  Nouvelles notes sur le Mossi et le Gourounsi, S. 30-33.

32  Binger, 1892: 492.

33  Louis Desplagnes, 1907. {362}

34  Rattray 1969: 42.

35   1961: 245.

36   1953: 441.

37   1961: 268.

38  Berlin, 1927.

38a Allerdings sagt man “Kan jam ale weni n puusi ya”. Komme nicht vor Sonnenaufgang.

39  Das Mole-Wort wintoγo (‘sichtbare Sonne’, vgl. S. 190f.) hat vielleicht den gleichen Wortstamm wie das Buli-Wort wentueng.

40  Nach E. Haaf (1967: 21) kommen im Kusal die beiden Formen nabwin und widnam als Bezeichnungen für den Hochgott vor.

41   1917: 162.

42  Frobenius 1904.

43  Ehrenreich 1906: 536-610.

44  Hierzu passt auch, dass das rituelle Subjekt zwei wen-bogluta erhält, wenn der Wahrsager glaubt, zwei Sonnen am Himmel zu sehen. Vgl. auch H. Baumann 1955: 286, der auf eine Textstelle bei C.K. Meek (A Sudanese Kingdom. An Ethnological Study of the Jukun-speaking Peoples of Nigeria, New York, 1931, S. 187) hinweist. Meek schreibt: When the annual rites are due to be performed (at sowing time) the priest goes to the chief and announces that he has seen two suns. For it is believed that there is at this time an annual change of suns, discernible only by the priest…

45  Baumann 1955: 283f.

461   917: 244. Hinweis auf dieses Zitat durch H. Baumann 1955: 284.

47   Eine spätere Untersuchung könnte sich etwa mit folgenden Fragen befassen: Warum erhält Naawen sehr häufig das Attribut peeluk (hell, {363} weiß); L. Amoak:.. “weil Naawen ohne Sünde ist.”)? Besteht ein sprachlicher oder begrifflicher Zusammenhang zwischen wen-puusika (Sonnenaufgang) und puusi (begrüßen, beten, anbeten)? Wie kann der Buli-Begriff tintankori (Pl. tintankoa) für die wen-Steine erklärt werden? Bestehen vielleicht sogar sprachliche Zusammenhänge zu kori (Osten) oder zu koori (sich ehrfürchtig verbeugen)? Leander Amoak verneint die letztgenannte Vermutung.

48  Schott 1970: 67f. und ‘1973: 439f.

49  Buli, bui, Pl. bua oder bue.

50  Baumann 1955: 261; Le Herissé (L’ancien royaume du Dahomey, moeurs, religion, histoire, Paris, 1911) wurde nach H. Baumann frei zitiert. Vgl. auch J. Herbert und M. Guilhem,1967: 139-164.

51   Z.B. bei den Kwiri: vgl. H. Baumann 1955: 270; Baumanns Quelle ist: D. Schüler, ‘Die Sprache der Bakwiri,’ Mitt. Sein. f. Orient. Sprachen, Jg. 11 (1908), 3.Abt., S. 174 – 218.

52  Veröffentlichungen von Bulsa-Mythen in: R. Schott, 1970. Neuere Publikationen: Schott, 1993, 1996 und 2006. Weitere unveröffentlichte Mythen befinden sich in R. Schotts Nachlass.

53   L. Frobenius, 1904 und P. Ehrenreich, 1906.

54  Cardinall, 1931: 23.

55  Vgl. J. Zwernemann, 1959: 433 – 459.

56  Man beachte z.B. die Lehmfiguren vor den Gehöften der Lobi (H. Himmelheber, ‘Figuren und Schnitztechnik bei den Lobi, Elfenbeinküste,’ Tribus, 15 (1966: 63-87) und die Du-legba-Figuren der Ewe, die oft nur wenig ausmodelliert werden und als Augen mitunter Kaurischnecken haben. Vgl. hierzu: Dzagbe Cudjoe-Calvocoresse, ‘A Preliminary Investigation into the Du-legba cult of the Volta Region Ewe,’ National Museum of Ghana Occasional Papers, 6-8, 1974: 54-63.
Auch die langhalsigen Komaland Terrakotten waren wahrscheinlich Steckfiguren, die in einen Lehmsockel gesteckt wurden (vgl. Kröger 1988, 2010, 2013/14, 2016 und Scheutz 2016)

57  Rattray, 1969.{364}

 

KAPITEL VI:   BESCHNEIDUNG

1. EINLEITUNG ZU KAPITEL VI

1.1 Fragen zur Terminologie
Nach 1978, mit dem Anwachsen der Literatur über weibliche Beschneidungen, hat sich der Name Female Genital Mutilation (FGM) für alle Typen der weiblichen Genitaloperationen allgemein mit der folgenden Definition durchgesetzt:
Partial or total removal of the external female genitalia or other injury to the female genital organs for non-medical reasons (WHO, UNICEF and UNFPA 1997).
Aber auch gegen diesen Begriff (FGM) gab es Bedenken. Zum Beispiel argumentierte die afrikanischen Feministin Obioma Nnaemeka 2005, dass dieser Begriff “introduced a subtext of barbaric African and Muslim cultures and the West’s relevance (even indispensability) in purging it (Endnote 1a)”.
Der immer noch häufig (auch von Nnaemateka) gebrauchte Begriff “female circumcision” bzw. “weibliche Beschneidung” (auch von mir in der 1. Auflage) wird vor allem von Feministinnen abgelehnt, da er eine zu große Äquivalenz der männlichen und weiblichen Beschneidung ausdrückt. Die weibliche Beschneidung übertrifft in ihrer Grausamkeit und ihrem Ausmaß die männliche Beschneidung bei weitem, und ihre physischen und psychischen Nachwirkungen sind viel gravierender.
Für die Bulsa-Beschneidungen passt, auch nach neueren Definitionen, der Name “Exzision”, der in Wikipedia (S. 5) unter Typ II als “removal if the clitorial glans and inner labia” definiert wird. Mit Bezug auf die Entfernung der “outer labia” erhielt ich von Bulsa unterschiedlich Auskünfte. Knudsen (1994: 148 konnte jedoch solche Operationen bei den Bulsa beobachten.

1.2 Methodische Schwierigkeiten bei der Materialsammlung
Bereitet die Teilnahme an anderen Riten der Bulsa dem Fremden schon Schwierigkeiten, so steigern sich oft Misstrauen, Angst, Schüchternheit und Minderwertigkeitsgefühle der Betroffenen, wenn man an einer Beschneidungszeremonie teilnehmen will oder ein Mädchen nach ihrer eigenen Beschneidung fragt. Ein Teil der Zurückhaltung mag auf den Geschlechtsunterschied des männlichen Forschers und der weiblichen Befragten zurückzuführen sein, ein anderer Teil darauf, dass die Exzision unter dem Präsidenten Kwame Nkrumah verboten wurde (Siehe Endnote 33). Am schwersten wiegt jedoch wohl der kulturelle Unterschied zwischen dem europäischen Beobachter und Fragesteller und dem Bulsa-Mädchen. Die Mädchen wissen, dass es in Europa keine Exzisionen gibt und die meisten Europäer diese Praxis als grausam und barbarisch betrachten.
So war es mir auch (vor 1978) nicht möglich, die Beschneidungsaktivitäten in ihrem ganzen Ablauf zu beobachten. Ich konnte nur durch kurze Ausschnitte einen Einblick gewinnen, der eher dazu geeignet war, die allgemeine Atmosphäre und Begleitumstände (Ort, Zeit, Personenanzahl usw.), als einzelne rituellen Handlungsabläufe genauer kennen zu lernen.
Die unten aufgezeichneten ethnographischen Daten sind neben den fragmentarischen Eigenbeobachtungen durch verschiedene Arbeitsmethoden gewonnen worden.

1. Am ergiebigsten war das mündliche Interview, dem sich jedoch nur drei beschnittene Mädchen (die Schülerinnen Azuma und Felicia und die Analphabetin Aguutalie [Endnote 1b]) nach anfänglichem Zögern stellten {199}, dann aber ohne große Scheu auch die intimsten Fragen beantworteten, entsprechende Lieder auf das Tonband sangen und Körperstellungen und rituelle Handlungen ohne besondere Aufforderung demonstrierten.

2. Mehrere Mädchen waren zwar bereit, über ihre Beschneidung zu berichten, wollten sich aber nicht direkt dem Fremden in einem mündlichen Interview stellen. So musste ich drei junge männliche Bulsa instruieren, mit beschnittenen Mädchen in Kontakt zu treten. Die Mädchen wurden aufgefordert, einen freien schriftlichen Bericht über ihre Beschneidung niederzuschreiben oder, falls sie nicht schreiben konnten, in Buli auf mein Tonband zu sprechen. Außerdem sollten sie vierzehn Standardfragen2 beantworten. Diese Fragen zielten größtenteils auf äußere Fakten der Beschneidung (Ort der Beschneidung, Zeit, Alter, Anzahl der Mädchen, verheiratet oder ledig, Begleitung, Beschneider usw.). Nur die beiden letzten Fragen sollten Einstellungen der Mädchen zu ihrer Beschneidung stellen. So kamen fünfzehn freie Berichte und fünfzehn ausgefüllte Fragebögen in meinen Besitz. Es ist mir klar, dass gerade die Fragebögen nur einen begrenzten wissenschaftlichen Wert haben, da die fünfzehn Interviewten keineswegs durch ein echtes random sample ermittelt werden konnten [Endnote 2], und gerade die Aussagen über die persönliche Einstellung stark verfälscht sein können, da sich ja wohl besonders die Mädchen einem Interview stellten, die über ihre Exzision keine tiefe Beschämung empfanden. Es soll daher auch hier kein Versuch einer quantitativen Auswertung gemacht werden.

3. Zur Ergänzung wurden auch männliche Personen, die etwa als klassifikatorische Väter oder Brüder des beschnittenen Mädchens an der Exzision teilgenommen haben, interviewt und zur Abfassung eines Berichts aufgefordert {200}.

4. Bei der einzig von mir vollständig beobachtete Beschneidung (1988) hatte ich den Eindruck, dass ich kein größerer Störfaktor war. Mein Begleiter, der Gehöftherr, bestand darauf, dass ich meine Kamera mitnahm. Ich habe jedoch meine fotografischen Aufnahmen auf die der Operation folgenden Riten beschränkt und bin zum Teil explizit hierzu aufgefordert worden.
Nach der Ankunft im Wohngehöft der beiden Frauen bedankten sich ihre Ehemänner einzeln bei mir für meine “Hilfe” (maaka).

2. EXZISION IM BULSA-LAND
Folgende Beschneider (ngarido, Pl. ngaridoba) führen meines Wissens zur Zeit (1974) Beschneidungen im Bulsa-Gebiet aus:

1. Ein älterer Bulo aus Chuchuliga, dem in Zeiten des Hochbetriebes ein jüngerer Mann aus Chana hilft.
2. Eine islamische Kantussi-Frau (etwa 40-50jährig) aus Chana Katiu.
3. Ein jüngerer Mann aus Bolgatanga.

Die Kantussi-Frau aus Katiu gab Auskunft über ihr “Amt” und ihre Arbeit. Das “Amt” des Beschneiders bzw. der Beschneiderin ist in ihrer Familie erblich. Sie erbte es von ihrem Vater und wird es an das fähigste ihrer Kinder weitergeben. Sie beschneidet Jungen (circumcisio der Vorhaut), Mädchen (Klitoridektomie) und schneidet Stammesnarben. Bei den Bulsa verrichtet sie jedoch nur Mädchenbeschneidungen in der Zeit von Anfang Oktober bis April, vornehmlich aber im Oktober.
Diese Zeitangaben stimmen in etwa mit den Aussagen der anderen Informanten überein. Die fünfzehn befragten Mädchen gaben folgende Auskunft über den Monat, in dem sie beschnitten wurden: Oktober: 2, November: 3, Dezember: 5, Januar: 1, Februar: 2, März: 1, weiß nicht: 1.
Als ich Ende Dezember (1973) in Fumbisi an einer Beschneidung teilnehmen wollte, sagte mir der Beschneider, dass die meisten Mädchen dieser Beschneidungsperiode (Trockenzeit) bereits beschnitten seien {201} und nur noch wenige erwartet würden.
Für das passende Alter der zu beschneidenden Mädchen (kaliak, Pl. kalaasa) gibt es keine genauen Richtlinien, jedoch liegt es wohl meistens zwischen körperlicher Reifung und erster Hochzeit. Von den Mädchen, die mir Auskunft gaben, war das jüngste zur Zeit der Exzision 12, das älteste 17 Jahre alt. Das 17jährige Mädchen betonte, dass es das älteste der Beschneidungsgruppe war. Ein Mädchen aus Sandema-Kori erhielt von seinen Eltern zunächst nicht die Erlaubnis zur Beschneidung, da es noch zu jung sei. Es lief allein zum Beschneider, die Eltern folgten später, und der Beschneider überzeugte die Eltern, dass ihre Tochter schon das rechte Alter habe. Dieses Beispiel zeigt, dass auch bei den Bulsa selbst oft unterschiedliche Auffassungen über das richtige Beschneidungsalter bestehen.
Aus dem Beispiel geht auch hervor, dass der Anstoß zur Beschneidung meistens vom Mädchen selbst ausgeht. Wenn auch die Eltern ihrer Tochter immer wieder zur Beschneidung raten und mitunter sogar Druckmittel anwenden, ist die Haltung des Mädchens selbst letzthin entscheidend. Andererseits wird kein Beschneider eine Exzision durchführen, wenn nicht klassifikatorische Eltern oder Angehörige des Hauses erscheinen und ihre Zustimmung geben. Ein einziger Fall ist mir bekannt, bei dem der Beschneider nicht die Ankunft der Begleitergruppe aus dem Hause des Mädchens abgewartet hat. Azuma aus Wiaga-Chiok lief zu einem Gehöft in Chuchuliga, in das eine Frau ihres Hauses (in Chiok) eingeheiratet hatte. Als ihre Verwandten aus Chiok (eine andere Frau ihres Vaters und ein Bruder) auf sich warten ließen, wurde Azuma schon vor deren Ankunft mit Zustimmung der “Tante” aus Chuchuliga beschnitten.
Wenn das Mädchen schon verheiratet ist, wird auch der Gatte und der yeri-nyono des Hauses eine Einwilligung zur Beschneidung geben müssen. Ist es als doglie (vgl. S. {41} und {388}) im Hause der Schwester des Vaters, so geht der Anstoß mitunter auch von dieser Frau aus, und ohne ihre Zustimmung ist eine Beschneidung nicht möglich.
Zur Motivierung ihres Beschneidungswunsches werden von den betroffenen Mädchen folgende Aussagen gemacht:

1. Meine Mutter wurde beschnitten, meine Großmutter wurde beschnitten, es war bei uns immer so. Deshalb möchte auch ich beschnitten werden {202}.
2. Wenn man beschnitten ist, wird man nicht mehr von Männern und beschnittenen Frauen beschimpft, dass man eigentlich ein Mann sei, d.h. nur durch die Beschneidung kann man eine richtige Frau werden[Endnote 3].
3. Ein beschnittenes Mädchen wird leichter einen Mann zum Beischlaf (vor und in der Ehe) bekommen.
4. Ich möchte von anderen (unbeschnittenen) Mädchen verschieden sein.
5. Wenn man beschnitten ist, wird man später eine leichte Geburt haben.
6. Wenn ich beschnitten bin, werde ich später die Begräbnisfeier einer Frau bekommen und nicht die eines Mannes, wie es bei unbeschnittenen Frauen der Fall ist [Endnote 3a].

Die Beweggründe 2 und 3 sind natürlich miteinander verwandt, denn wegen der größeren Weiblichkeit ziehen manche Bulsa den Verkehr mit beschnittenen Mädchen vor. Dieser Doppelgrund scheint meines Erachtens auch der wichtigste Beweggrund neben dem rein traditionalistischen ersten zu sein.
Das oben erwähnte Mädchen aus Sandema-Kori, das vorzeitig gegen den Willen der Eltern zum Beschneider lief, hatte es so eilig, weil es heiraten wollte. Sie wagte jedoch nicht, unbeschnitten zu heiraten, da sie einmal in ihrem Haus zufällig mitangehört hatte, wie ihr Bruder eine seiner Frauen beschimpfte, dass sie ja eigentlich ein Mann sei, weil sie nie beschnitten wurde. Gegen Ende ihres Berichtes beschimpft meine Informantin ihrerseits alle unbeschnittenen Mädchen:

Those girls going about after men and have not been excised, these are stupid girls to me. If I were a man, I would not use my penis on them at all {203}.

(2022) Wenn oben behauptet wurde, dass der Anstoß zur Beschneidung fast immer von den Mädchen ausgeht oder zumindest mit ihrer völligen Zustimmung geschieht, so ist mir doch ein Fall bekannt geworden, dass ein schulentlassenes Mädchen von ihren Eltern zu dieser Operation gezwungen wurde.
Atani (Name geändert) bezichtigte einen verheirateten Mann der sexuellen Belästigung. Der Mann bestritt dieses nicht nur, sondern bat ein tanggbain den Schuldigen in diesem Konflikt zu bestrafen. Diese Handlung wurde als Fluch (kaka) angesehen. Atani benahm sich hiernach wie ein Junge und nahm an ihren Spielen teil und zerschlug den ganzen Töpfe-Vorrat ihrer Mutter. Diese bestrafte ihre Tochter hiernach mit einer erzwungenen Exzision, auch wenn man Angst hatte, dass sie hiernach wegen des Fluchs am tanggbain sterben könnte. Nach der Beschneidung traten bei ihr starke Blutungen auf. Wie sich nach dem Besuch eines Wahrsagers (baano) und der Untersuchung einer lokalen Hebamme herausstellte, lag der Grund für die Blutungen in einer Schwangerschaft, die in einer Fehlgeburt endete. Starke Beschwerden (zum Beispiel Schwindel) blieben auch danach bestehen. Hierauf nahm der beschuldigte Mann durch das pirintika- [revoking] Ritual seinen Fluch zurück und auch Atani unterzog sich diesem Ritual und bekannte, dass sie den Mann zu Unrecht beschuldigt hatte.

3. AUSFÜHRUNG DER BESCHNEIDUNG
Haben sich Mädchen zur Beschneidung (ngarika) entschlossen, so können sie diesen Beschluss ihren Eltern mitteilen. Häufig laufen sie jedoch ohne Benachrichtigung der Eltern allein oder mit Freundinnen zu dem Haus, bei dem die Beschneidungen vorgenommen werden sollen. Die Eltern erfahren dann von anderen, wo ihre Tochter ist. Wurden sie rechtzeitig durch ihre Tochter selbst informiert, so sollen sie die Nachricht einen Tag geheim halten, dann stellen sie mit Nachbarn, die oft auch Verwandte sind, eine Gruppe zusammen, die am Beschneidungstag die Bezahlungen vornehmen und dem Mädchen seelische und körperliche Unterstützung geben wird.
Die Information, dass jedes Nachbarhaus einen Mann und eine Frau stellen muss, konnte nicht allgemein bestätigt werden, es scheint sogar so zu sein, dass die meisten Begleiter aus dem eigenen Hause kommen. Obwohl die Antworten der Mädchen nach ihren Begleitern oft nicht sehr exakt sind (… some wives of my father…), kann man annehmen, dass jedes Mädchen etwa 5-10 Begleiter hat. Zu einer Beschneidung eines einzelnen Mädchens in Fumbisi, bei der ich für kurze Zeit Zuschauer aus der Ferne sein durfte, waren jedoch etwa 20 nur weibliche Verwandte des Mädchens gekommen.
In einem 1988 in Kadema beobachteten Fall begleiteten von den 18 verheirateten Frauen eines bestimmten Gehöftes neun die Beschneidungsgruppe, darunter eine hochschwangere Frau. Außerdem hatten sich zwei jüngere Männer, die nach meiner Beobachtung kaum eine Funktion bei der Beschneidung hatten, der Gruppe angeschlossen. Der Gehöftherr des Wohngehöfts der Mädchen meldete vor dem Betreten des Beschneidungshauses das bevorstehende Ereignis beim Häuptling von Kadema an.
Folgende Verwandtschaftsbezeichnungen für die Begleiter wurden von den unverheirateten Mädchen genannt: Eltern, Mutter, andere Frauen des Vaters, Bruder, Schwester, Frau des Bruders, “Onkel”, “Tante”.

Nur ein Mädchen erwähnte einen Nichtverwandten, nämlich den Freund ihres Bruders. Ist das Mädchen schon verheiratet, und dies ist bei 7 der 15 befragten Mädchen der Fall, so ist es möglich, dass nur die Schwiegermutter und andere Bewohner aus dem Haus und der Nachbarschaft des Gatten zur Beschneidung gehen, jedoch keine Blutsverwandte des Mädchens.
Die Auskunft der Beschneiderin von Katiu, dass die Eltern längere Zeit vor der Beschneidung ihre Tochter mit einem Huhn bei ihr anmelden, kann nicht allgemein gelten, denn es geschieht, wie gesagt, recht häufig, dass das Mädchen ohne Wissen der Eltern allein oder höchstens mit {204} Freundinnen, die auch beschnitten werden sollen, zum Beschneider läuft. Ich glaube, dass hierdurch nicht nur die Selbständigkeit des Entschlusses und die tapfere Haltung des Mädchens ausgedrückt werden sollen, ich sehe auch eine wichtige Trennung (séparation im Sinne van Genneps [Endnote 3b]) des Mädchens aus seiner bisherigen sozialen Umwelt, in die es nach der Beschneidung schrittweise wieder eingegliedert wird (agrégation), wenn auch sein eintägiger Aufenthalt in einem fremden Gehöft, weit entfernt von allen Verwandten, nur ein schwaches Abbild einer Seklusionszeit sein mag.
Wenn bisher gesagt wurde, dass die Mädchen zum Hause des Beschneiders laufen, so ist hiermit nicht immer ein Haus im Heimatort des Beschneiders gemeint. Vielmehr reist der Beschneider, vor allem wenn er sonst außerhalb des Bulsa-Gebietes wohnt, in ein Dorf und wird dort als Gast in einem Gehöft aufgenommen. In Fumbisi-Baansa hatte z. B. der Beschneider aus Bolgatanga für einige Monate beim Sektionsältesten Aufnahme gefunden. Auch die Mädchen wohnen dann von ihrem Eintreffen bis zur Beschneidung bei diesem Gastgeber. Falls am nächsten Morgen die Verwandten erscheinen, werden die Mädchen gewöhnlich sofort beschnitten. Allerdings möchte man die Beschneidung möglichst in den kühlen Stunden des Frühmorgens durchführen, und zu spät eintreffenden “Eltern” und Verwandten kann zugeredet werden, doch am nächsten Morgen wieder zu kommen oder bis zum nächsten Morgen zu warten. Die Beschneidungen finden gewöhnlich nicht vor 7 Uhr und selten nach 11 Uhr morgens statt.
Die eingetroffene Verwandtengruppe verhandelt nach der Begrüßung über das Entgelt des Beschneiders. Wenn auch von Informanten immer wieder behauptet wird, dass die Frage der sexuellen Unberührtheit erst kurz vor der Beschneidung gestellt wird, so muss doch logischerweise die Klärung hier schon erfolgen, denn die Zahlungen richten sich nach dem Ausgang dieser Frage. Da die Verwandten oft von weit her kommen, wird diese Angelegenheit mitunter schon zu Hause diskutiert worden sein, denn sie müssen wissen, welche Dinge sie mitzubringen haben. Obwohl Zuschauer schon an den mitgebrachten Tieren erkennen können, ob das Mädchen schon Sexualverkehr gehabt hat, findet die Besprechung mit dem Beschneider gewöhnlich ohne viele Zuhörer statt. Ein Informant sagt, dass sich der Beschneider, die Verwandten und das {205} Mädchen zu diesem Gespräche in eine leere Hütte (dok) zurückziehen.
Über die Art und Höhe der Bezahlung gehen die Auskünfte meiner Informanten auseinander, und es scheint auch örtliche und zeitliche Unterschiede zu geben. Ich wollte die Frage nach der Bezahlung in die Reihe der Standardfragen an die beschnittenen Mädchen aufnehmen, aber meine männlichen Helfer rieten ab. Diese Frage sei sehr unhöflich und würde den Mädchen große Verlegenheit bereiten, da es indirekt die Frage nach ihrer sexuellen Unberührtheit sei.
Hier sind die unabhängig eingeholten Auskünfte über Bezahlungen an den Beschneider:

1. Bezahlung für Jungfrauen:
Aguutalie, eine beschnittene Frau aus Kadema: 1 schwarzes Huhn, 1 Korb Kolbenhirse, 40 Pesewas
Azuma, eine beschnittene Schülerin aus Wiaga-Chiok: 1 schwarzes Huhn, 2 Korb Hirse.
Agaalie, eine Frau aus Wiaga, die zur Zeit ihrer Beschneidung in Sandema-Abilyeri verheiratet war: 1 Korb Kolbenhirse und Mehl
L. Amoak (Wiaga-Badomsa): 1 schwarzes oder braunes Huhn, 1 Hacke, 1 Korb ungedroschener Kolbenhirse, 1 Cedi (früher 20 Pesewas)
G. Achaw (Sandema-Kalijiisa): 1 weißes Huhn und Beigaben (Hacke, Tabak usw.)
R. Asekabta (Sandema-Abilyeri): 1 schwarze Huhn, 1 Korb ungedroschener Kolbenhirse
Augustin Akanbe (Sandema-Balansa): 1 schwarzes Huhn, 1 Korb Hirse, 50-70 Pesewas (früher 2-4 Pesewas)
Charles (Sandema-Balansa): 1 schwarzes Huhn, 1 Korb Hirse, 1 Hacke, ca. 1 Cedi.
Ali (Sandema-Balansa): 1 dunkles Huhn und Geld {206}

2. Bezahlung für deflorierte Mädchen (in der Ehe oder vorher):

Aguutalie: 1 schwarzes und 1 weißes Huhn, 1 Korb Kolbenhirse, 2 Cedi
Azuma: 1 weißes Huhn u.a.
L. Amoak: 1 schwarzes und 1 weißes Huhn, 1 Korb ungedroschener Kolbenhirse, 1 ungebrauchte Kalebasse, 1 Hacke, 2 Cedi (früher 50 Pesewas)
G. Achaw: 1 schwarzes Huhn und andere Dinge
R. Asekabta: 1 weißes Huhn, 1 Hacke, 1 Cedi
Augustin Akanbe: 1 schwarzes und 1 weißes Huhn, 1 Korb ungedroschener Hirse
Charles: 1 schwarzes und 1 weißes Huhn, 1 Korb Hirse, 1 Hacke, 2 Cedi
Ali: 1 weißes Huhn und andere Dinge

3. Bezahlung, wenn das Mädchen schon in der Ehe oder vorehelich ein Kind geboren hat:

Aguutalie: 2 schwarze Ziegen, 1 schwarzes und 1 weißes Huhn, 1 Korb Hirse
L. Amoak: 1 Schaf, 1 schwarzes und 1 weißes Huhn, 1 Korb ungedroschener Hirse, 1 Hackenblatt, 2 Cedi
G. Achaw: 1 Schaf u.a.
Charles: 1 Schaf, 1 Korb Hirse, 6 Cedi {207}

4. Bezahlung, wenn das Mädchen ein wiedergeborener Ahne oder eine wiedergeborene Ahnin ist:

Beschneiderin von Chana-Katiu: zusätzlich “one animal” (Ziege, Schaf oder Rind)

Man ist geneigt, den Aussagen L. Amoaks den größten Glauben zu schenken, zumal sie sich mit mehreren anderen Aussagen decken. Er hat nicht nur an vielen Beschneidungen teilgenommen, sondern lässt auch seine eigenen Töchter beschneiden, d.h. er muss selbst Zahlungen leisten, während andere männliche Informanten als Christen und z.T. als starke Gegner von Beschneidungen (G. Achaw) bei ihren Beobachtungen eher die Grausamkeit und die Gefährlichkeit der Operation im Auge hatten als finanzielle Dinge, die für sie selbst nie akut werden.
Ein beschnittenes Mädchen (Agaalie) erwähnt in ihrem Tonbandbericht bezeichnenderweise nur den Korb Hirse und Mehl, nicht aber das zu aufschlussreiche Hühnergeschenk. Azuma aus Wiaga-Chiok, die nicht nur einen Bericht über ihre Beschneidung gegeben hat, sondern sich auch persönlich einem Interview gestellt hat, gibt eine Erklärung dafür, dass man gemeinhin annimmt, ein defloriertes Mädchen zahle ein weißes und ein schwarzes Huhn:

lf you go to the ngadoa’s house and you have not slept with a man, he (the ngadoa) will excise you with a black fowl, but if you have slept with a man, he will excise you with a white fowl. lf your parents ask you, you may be shy to tell the truth. So they will take a black fowl and a white fowl to the house so that if any man has slept with you, they give the white fowl, but if no man slept with you, they give the black fowl.

Es mag aufgefallen sein, dass diese Erklärung auch zutrifft, falls die Eltern erfahren, dass sie ein schwarzes und ein weißes Huhn zahlen müssen. So muss die Frage zunächst offen bleiben. Nimmt man an, dass die Hacke, die Kalebasse, Tabak, Mehl, Geld usw. nur Beigaben sind, die von Zeit zu Zeit und von Ort zu Ort variieren können, so stellt sich für die Bezahlung folgendes Schema heraus:

1. Jungfrauen: 1 schwarzes Huhn, 1 Korb Hirse, Beigaben.
2. Deflorierte: 1 weißes (und ein schwarzes?) Huhn, 1 Korb Hirse, Beigaben
3. “Mütter”: 1 Schaf (dafür evtl. 2 Ziegen), 1 weißes und 1 schwarzes Huhn, 1 Korb Hirse, Beigaben {208}

Beschneidung in Fumbisi 1974
Einige Mädchen erwähnen noch, dass dem Beschneider mit der Bezahlung auch weiße Pflanzenfasern gegeben wurden, die sie selbst kurz nach ihrer Beschneidung als “Kleidung” zurückbekamen. Der weiße Hirsestab wird gewöhnlich vom Beschneider oder seinem Gastgeber gestellt. Die geschenkten lebenden Tiere können vom Beschneider zu jedem Zweck verwandt werden, nicht etwa nur zu Opferzwecken.
Ist das Mädchen schon verheiratet, so werden alle Zahlungen durch ihre Schwiegereltern geleistet. Dafür bringen später die Eltern des Mädchens Geschenke nach ihrer Wahl und ihrem Vermögen in das Haus der Schwiegereltern, da es ja eigentlich die Aufgabe der Eltern war, ihre Tochter beschneiden zu lassen. Agaalies Mutter brachte Schibutter, Salz, Dawa-dawa, 1 Perlhuhn und eine Matte in das Haus des Gatten. Es können aber auch andere Dinge sein (Pito, Mehl, Hirse).
Vor dem Gang zum Beschneidungsbaum wurden nach einer Beobachtung (1988) von einer alten Frau der Besuchergruppe Bargeld eingesammelt. Über die Verwendung des Geldes und die Höhe des eingesammelten Betrags ist mir nichts bekannt.
Nachdem die Bezahlungen des Beschneidungstages durch die Verwandten oder Schwiegereltern erfolgt sind, wechseln die Mädchen, die in Stoffkleidung gekommenen sind, diese gegen einseitige Blätterkleidung vor dem Gesäß aus, und die ganze Gruppe zieht vom Gehöft zu einem Schattenbaum, unter dem die Operation durchgeführt werden soll. Sie findet immer unter einem Baum, nie etwa unter einem Schattendach (kusung) statt. Bei der Beschneidung in Fumbisi (Januar 1974) lag er über 100 Meter, in Kadema (1988) etwa 30 Meter vom Gehöft entfernt. Die Art des Baumes ist wohl nicht bedeutsam, er soll nur Schatten spenden. Unter folgenden Bäumen haben meine Informanten z.B. Beschneidungen gesehen oder selbst erlebt: Akazie, Mangobaum, Baobab, Kapok, ninang-Baum.
In der Nähe des Baumes gräbt der Beschneider oder sein Gehilfe 1-2 (oder mehr) etwa 30 – 40 cm tiefe Löcher gegraben, gewöhnlich vom Gehilfen des Beschneiders oder vom Beschneider selbst. Azuma aus Chiok berichtet, dass in Chuchuliga alle Beschneidungen eines Jahres vor dem gleichen Loch ausgeführt werden. Wenn dieses mit Blut gefüllt ist, wird das Blut mit einer Kalebasse in ein zweites Loch geschöpft. Nachdem auch dieses Loch voll ist, wird es mit Erde zugeworfen. Nach anderen Informationen werden Mädchen nur dann vor dem gleichen Erdloch beschnitten, wenn sie aus der gleichen Sektion kommen, anderenfalls wird für die Beschneidungen ein weiteres Loch gegraben. Allgemein lässt sich jedoch sagen, dass Blut und die abgeschnittenen Körperteile nicht in dem Loch begraben werden, in das sie nach der Operation geraten {209}.
Nach diesen Vorbereitungen setzen sich nun alle Mädchen in eine Reihe und warten. Der Beschneider fordert sie auf, sich lang hinzulegen “als ob sie gestorben wären”. In früherer Zeit mögen es oft mehr als zehn gewesen sein, die 15 Informantinnen geben uns folgende Teilnehmerzahlen (sie selbst eingeschlossen): 3, 3, 3, 4, 4, 4, 4, 5, 6, 8, 10, 20, (3 Informantinnen geben hierüber keine Auskunft). In Fumbisi-Baansa waren in der Zeit vom 23. Dezember 1973 bis zum 8. Januar 1974 nur drei Mädchen beschnitten worden und diese stets einzeln.
Mitunter setzt man die Mädchen so, dass das jüngste Mädchen zuerst beschnitten wird, mitunter aber auch so, dass das älteste Mädchen, das auch die Anführerin ist, als erste behandelt wird. Andere Mädchen berichten, dass die Reihenfolge bei ihrer Beschneidung willkürlich war, während Aguutalie aus Kadema behauptet, dass das Alter (die Seniorität?) ihrer Väter für die Reihenfolge der Beschneidungen maßgebend war [Endnote 3c].
Die Stille der in einer Reihe wartenden Mädchen wird plötzlich unterbrochen durch den schrillen Schrei (wuliing [Endnote 4]) einer Frau. Es ist gewöhnlich die Begleiterin des Mädchens, das zuerst beschnitten wird. Sofort springt das Mädchen auf, zerschneidet seine Hüftschnur und hüpft einige Mal hoch in die Luft. Die Erklärung L. Amoaks, dass diese Sprünge ein Zeichen von Tapferkeit und Stolz sind, kann allein nicht ganz befriedigen. Das Mädchen setzt sich nun mit gespreizten Beinen vor das Loch. Ist das Loch nahe genug am Baum, kann es sich an den Baum anlehnen. Sonst streckt es den Oberkörper etwas nach hinten, sodass die Hände den Boden erreichen und sich dort abstützen können [Endnote 5]. Azuma berichtet, dass ihre “Tante” aus Chuchuliga sich mit dem Rücken gegen den ihren setzte, so dass Azuma sich anlehnen konnte. Ich selbst (F.K.) sah (1988), dass ein Mädchen ihre Arme um den Hals der Beschneiderin legte.
Zeigt ein Mädchen Widerstand, so wird es an jeder Seite von zwei Begleitern an den Armen gehalten. Nur wenn Mädchen sich stark sträuben, werden sie mitunter an den Baum gebunden. Kurz vor der Beschneidung wird meistens noch einmal die Frage der sexuellen Unberührtheit des Mädchens aufgerollt, obwohl die Zahlungen schon geleistet sind. Manche Informanten schreiben dem Beschneider seherische Kräfte zu. Er sage es dem Mädchen ins Gesicht, wenn sie entgegen früheren Aussagen doch schon Verkehr gehabt hätte. G. Achaw erlebte es, dass ein Mädchen sich wohl zu Unrecht beschuldigt fühlte, sexuellen {210} Kontakt mit einem Jungen gehabt zu haben. Aus ihrer sitzenden Stellung heraus gab die Beschuldigte dem Beschneider einen Tritt, dass er längs über auf den Rücken fiel (Ein ähnlicher Fall wird unten für eine andere Beschneidung beschrieben). Diese Beleidigung des Beschneiders musste erst durch Sonderzahlungen der Begleiter wieder in Ordnung gebracht werden, bevor das Mädchen beschnitten werden konnte.
Ein anderer Informant sagt, dass der Beschneider das Mädchen in der Nabelgegend berührt. Wenn es daraufhin uriniert, hat es schon Geschlechtsverkehr gehabt. Am zuverlässigsten scheint mir die Beschreibung L. Amoaks zu sein. Der Beschneider schmiert dunkle Holzkohlenasche auf den Nabel des Mädchens und weiße Asche rund um die Vagina. Dann drückt er den Unterleib des Mädchens. Wird hierbei ein Sekret aus der Scheide ausgeschieden, so ist das ein Zeichen, dass die so Behandelte schon Geschlechtsverkehr hatte.
Die beiden weiter oben angeführten Behauptungen sind leicht als Missverständnisse zu entlarven. In der ersten Aussage, dass der Beschneider aus einer übernatürlichen Sicht heraus zu seinem Ergebnis kommt, ist wahrscheinlich der Zusammenhang zwischen dem Drücken des Unterleibes und der Jungfernprobe nicht erkannt worden, und auch die eventuell eintretende Ausscheidung kann ein entfernter Beobachter nicht sehen. Im zweiten Fall ist die flüssige Ausscheidung wohl fälschlich als Urin gedeutet worden.
Felicia aus Wiaga-Sinyangsa-Sichaasa sagt in dem Bericht über ihre Beschneidung auch zuerst, dass der Beschneider sofort sehen kann, ob ein Mädchen Verkehr hatte oder nicht. Auf Nachfragen gab sie jedoch eine ähnlich Deutung wie L. Amoak und bezeichnete das ausgeschiedene Sekret als (englisch) starch, worunter sie männlichen Samen versteht.
Eine Überprüfung der sexuellen Unberührtheit durch Untersuchung des Hymens scheint den Bulsa unbekannt zu sein oder wenigstens bei dieser Angelegenheit nicht angewandt zu werden.
In einem mir bekannten Fall hat der männliche Beschneider nicht einmal die vorhandene Schwangerschaft der Untersuchten erkannt.
Spätestens nach der Überprüfung der schon früher abgegebenen Aussage über die Jungfernschaft des Mädchens stimmen die umstehenden Verwandten und Nachbarn Lieder an, um dem Mädchen Mut zu machen. Der Gesang wird fast ohne Unterbrechung bis kurz vor dem Abzug der Gruppe fortgesetzt. Von den gesungenen Liedern zitieren fast alle Informantinnen und Informanten das folgende Lied als das wichtigste {211}:

Weerik nan biak boa? Biaka ka dek biika.
Weerik nan biak boa? Kpajari yaa yogni [Endnote 6]?
Was gebärt ein Leopard? Er gebärt sein eigenes Kind.
Was gebärt ein Leopard? Ein Aardvark oder eine Zibetkatze?

Die beiden Zeilen dieses Liedes werden laufend wiederholt. Azuma aus Wiaga-Chiok berichtet, dass bei ihrer Beschneidung folgendes Lied gesungen wurde:

Gbangni, gbangni, gbangni-biak biika, ate biika wman (= ngman?) chim boa?
Der Löwe, Löwe, Löwe gebärt ein Kind, und was wird dieses Kind (wieder?)?

Dieses Lied wird nach ihren Angaben nur gesungen, wenn das Mädchen sich tapfer zeigt. Falls es Angst zeigt, können die Frauen folgendes Spottlied singen:

Waaung gberi biak pok; yida la koa waaung.
Ein Affe hat Geschlechtsverkehr und gebärt eine Frau; die Furcht (oder: die Wollust) tötet einen Affen.
Oder: Ein Affe hat Geschlechtsverkehr mit der Frau eine Hundes…

Der Beschneider, der schon einige Zeit vorher die Klitoris des Mädchens mit einer Medizin eingerieben hat, holt nun mit einer gekrümmten Nadel (goatik pein) oder mit einem Angelhaken die Klitoris aus der Scheide und schneidet sie mit einem Messer [Endnote 7] oder mit einer Rasierklinge ab. Der Beschneider von Chuchuliga hat sich die Fingernägel an Daumen und Zeigefinger wachsen lassen, sodass er die Klitoris ohne zusätzliches Instrument greifen kann.
Die Beschneidungstätigkeiten unter dem Baum haben nach meiner Beobachtung (1988) etwa 10 Minuten gedauert.
Fast alle befragten Mädchen haben die Operation als äußerst schmerzhaft empfunden, und mehrere der Informantinnen geben zu, dass sie laut aufgeschrien, geweint oder sogar versucht haben, sich zu befreien, obwohl Schmerzesäußerungen oder sogar Widerstand als sehr schändlich angesehen und sofort durch Drohungen und Beschimpfungen der Verwandten begegnet werden. Auch auf der Tonbandaufzeichnung von R. Schott (Exzision in Fumbisi, Dezember 1974) werden die Lieder der Frauen zweimal durch die Schreie der beiden Mädchen unterbrochen {212}. Ein Mädchen aus Sandema-Nyansa berichtet von ihrer Beschneidung [Endnote 8]:

At first I was not afraid, but his first and second cuts were very painful. So I pushed him down and wanted to run away, but the crowd held me and brought me back, and my mother-in-law abused me that I was a fearful girl. After this I wanted to try my best but failed, because the pain was too much. And as I have pushed the man down, I (he?) was angry and was doing things so angrily. When he had finished cutting I was very dizzy and could not stand at all or sit down.

Als die Erzählerin am nächsten Morgen von einer Nachbarsfrau untersucht wurde, erlebte sie eine weitere unangenehme Überraschung:

When the dresser opened the sore, she said it was not well cut and so it must be cut again. She had to clean the blood only and they had to call the man back to come and cut. At the second cut I fainted. People thought I had died and everybody was worried. Water was poured over me for about 20 minutes’ time. I began to breathe and they took me into the room.

Die Schmerzesäußerungen der zuerst beschnittenen Mädchen haben oft Einfluss auf die Angstgefühle der anderen wartenden Kandidatinnen. Aus diesem Grunde beschneidet man wohl gerne das älteste und daher vielleicht tapferste Mädchen zuerst, damit die anderen nicht durch Schmerzesäußerungen verängstigt werden. Oder man beginnt mit dem schwächsten Glied der Kette, dem jüngsten Mädchen, damit es nicht durch Schmerzesäußerungen von Vorgängerinnen ganz eingeschüchtert werden kann. Ein Mädchen aus Sandema-Kalibisa berichtet:

I was the first to be excised. In fact I could not help [stand it?]. The pain was very severe, very painful, in such a way that I could not lay [lie] down and allow to be cut. So my brothers had to hold me and I was crying. So as the two other girls got to know it was painful, they started to run away and their relatives had to chase them back {213}.

Schließlich soll hier noch eine Teilstelle aus dem englischen Bericht einer Schülerin aus Kadema-Chansa wiedergegeben werden:

We got up early in the morning and the man told us to get ready. He dug a hole and asked us whether we had (had) contact with a man or not. Only one (of four) girl had (had) contact with a man and they asked her to pay.
First of all they called upon one girl from Fumbisi to circumcision her, but that girl was afraid. So they held her arms and legs and she was weeping and they told her she should
stop weeping, but the excision man took a hook and [I was] afraid and I started weeping. My parents shouted upon me. Then the man called me to come, so I lay down under (in front of) the hole and I was weeping. So my mother told [me] I should stop weeping. The excision man took a hook and held my circumcision [clitoris]. The visitors were singing and dancing, jumping and clapping their hands. I saw the circumcision [clitoris] jumping and blood float and fill the hole …

Diesen Aussagen gegenüber – und sie könnten noch um einige weitere der gleichen Art vermehrt werden – klingt der folgende Bericht Agaalies [Endnote 9], einer begeisterten Befürworterin von Exzisionen, nicht ganz glaubwürdig:

And she was excising me. And when I was excised I did not feel any pain. When they were singing a song I was enjoying it. And the people were surrounding me and it was nice. When they were singing the songs, I also took part in singing. I was laughing all the time. lt is not painful, not even a bit…

Gewöhnlich wird den Mädchen verboten, nach der Operation in das Erdloch zuschauen. Es handelt sich hier wohl nicht um ein echtes Tabu, sondern man will ihnen wahrscheinlich den Anblick ersparen. Die Schülerin aus Kadema-Chansa schaute z.B. in das angefüllte Erdloch, wie der Ausschnitt aus ihrem Bericht gezeigt hat. Azuma sagte, dass sie unmittelbar nach ihrer Beschneidung nicht in das Erdloch schauen durfte, jedoch schon bei der Beschneidung anderer Mädchen war es ihr wieder erlaubt.
Das beschnittene Mädchen wird nun aufgerichtet und mit kaltem Wasser übergossen. Auch über die Wunde selbst schüttet man kaltes Wasser {214}, was als sehr schmerzhaft empfunden wird. Dann gibt man der Beschnittenen kaltes Wasser zu trinken, mitunter auch Kolanüsse zum Essen. Gestützt auf die nachbarlichen Helfer wird sie an ihren alten Platz in der Reihe der Mädchen gebracht. Falls sie sich besonders tapfer gezeigt hat oder sogar versucht hat mitzutanzen, drückt man ihr auch Münzen oder Geldscheine auf die nasse Stirn.
Agaalie berichtet, dass die Beschneiderin aus Chana-Katiu nach der Beschneidung Hirsewasser in den Mund nahm und in vier verschiedene Richtungen ausspuckte [FK: Dies war ein erstes gaasika Ritual, siehe 6.4.3 und 1. Auflage, S. {222, 330f. und 389}]. Dann wies sie die beschnittenen Mädchen an, das Gleiche zu tun. Dieses [gaasika] Ritual wird an dieser Stelle des rituellen Ablaufs auch von Felicia (Wiaga-Sichaasa) erwähnt, während einige Informantinnen bestreiten, dass diese Zeremonie schon unter dem Beschneidungsbaum ausgeführt wurde, aber auch R. Schott hat sie im Dezember 1974 in Fumbisi zusammen mit der spiralförmigen Umkreisung des Körpers durch eine Kalebasse (vgl. S. 222) gesehen.
Dieses Ritual fand nach meiner Beobachtung von 1988 etwa 10 Meter vom Beschneidungsbaum statt. Vor dem Trinken aus der Kalebasse bewegte man diese viermal um den Körper des Mädchens und nach dem Ritual wurde der Körper des Mädchens mit klarem Wasser überschüttet (d.h. gewaschen).
Immer erhalten die Mädchen vom Beschneider einen Stock aus einem Hirsehalm, der ngabiik kinkari [Endnote 10] genannt wird. Dieser Stock muss weiß sein und aus einem Hirsefeld geschnitten worden sein, bevor man Feuer angelegt hat und die Halme angekohlt sind. Keineswegs dient er dem Mädchen als Stütze auf ihrem beschwerlichen Heimweg, denn der Stab darf den Erdboden nicht berühren und darf nur in der rechten Hand getragen werden. Felicia drückt es folgendermaßen aus:

When the man said that we shouldn’t put the stalk on the ground, it means wa kisi kama [it is forbidden, taboo] that you should hold the thing and bring forth a boy or girl.

Agaalie berichtet, dass die Beschneiderin, bevor sie den Stock überreichte, an Agaalie die Frage stellte, ob sie einen Jungen oder ein Mädchen wünsche, und sie antwortete: “Beides” [Endnote 11]. Dies geschah viermal, dann warf ihr die Beschneiderin den Stock zu. Aguutalie (Kadema) erhielt den Stock mit der Bemerkung des Beschneiders, dass dies nun ihr Kind sei; Felicia warf man auch den Stock zu, sie musste ihn dreimal wieder zurückgeben und durfte ihn erst beim vierten Mal behalten.
Die Mädchen, die bisher unbekleidet waren, legen jetzt ihre traditionelle Beschneidungstracht (gaaba, gaba) an. Sie besteht aus einem weißen Faserbüschel (kanlieng, Pl. kanliengsa), das mit einer Schnur so um {215} den Hals gelegt wird, dass die knapp 1 m langen Fasern auf dem Rücken liegen (vgl. S. {216}). Nach einer vereinzelten Information sollen diese das auf den Rücken gebundene Kind symbolisieren. Der vordere Teil des Körpers und der Unterleib bleiben also unbekleidet. Kommen die Mädchen auf ihrem Heimweg durch einen größeren Ort, so legen sie sich ein Tuch (gatiak) um ihre Hüften. Sonst wird Kleidung als schädlich betrachtet, da sie den freien Blutfluss hindert. Erst nach einigen Tagen, wenn die Wunde schon etwas verheilt ist, legt das Mädchen die Kordel der gaaba um ihre Hüften, sodass die weißen Fasern von hinten über die Schamteile nach vorn gelegt werden und die Enden in der Nabelgegend wieder unter die Hüftschnur gesteckt werden können. Dieser Faserschurz wird getragen, bis er schmutzig ist. Dann wird er nach G. Achaw durch ein ca. 20 cm breites, aus den gleichen Fasern geflochtenes Band ersetzt, das vorn und hinten unter die Hüftschnur gesteckt wird. Andere (z.B. Aguutalie) sagen, dass nach etwa 2-3 Wochen die alte Faserkleidung durch eine neue gleicher Art ersetzt wird.
Vor dem Abzug der einzelnen Gruppen vom Beschneidungsort kann der Beschneider den Mädchen noch eine Holzkohle-Schibutter-Medizin mitgeben, die den Mädchen später in ihren Gehöften auf den Nacken, auf die Stirn, auf die Brust, zwischen dem großen und nächstfolgenden Zehen und zwischen Daumen und Zeigefinger geschmiert werden soll.
Kurz vor dem Abmarsch schreit der Beschneider: “Baribee saratata” [Endnote 12] und alle Mädchen laufen (nach einer Information) in Richtung auf ihr eigenes Gehöft, gefolgt von der Erwachsenengruppe. Aguutalie (Kadema) musste auf diesen Ruf hin viermal um das Erdloch laufen, während man von Felicia verlangte, dass sie einmal vom Beschneidungsort zum Gehöft des Beschneiders und zurück laufen musste, bevor sie den Heimweg antreten durfte.
In der 1988 beobachteten Beschneidung fiel der Ruf der Beschneiderin aus. Die beiden Mädchen liefen auch nur eine kurze Strecke und kehrten dann zu ihrem Ausgangspunkt zurück.
Auf dem Heimweg werden Kriegsgesänge und andere Lieder angestimmt. Die Mädchen sollten eigentlich ohne jede Hilfe nach Hause gehen, doch ein Mädchen aus Sandema-Balansa berichtet, dass sie von drei Männern getragen wurde, als sie nicht mehr gehen konnte. Azuma ist stolz darauf, dass alle vier Mädchen ihrer Sektion nach der Beschneidung allein ohne fremde Hilfe von Chuchuliga nach Wiaga gehen konnten [ca. 25 km]. Mein Angebot an die Beschneidungsgruppe in Fumbisi, das Mädchen und einige ältere Frauen den über 10 km weiten Weg nach Wiasi {217} in meinem Wagen zu transportieren, wurde lachend und ohne Diskussion abgelehnt. Kommt eine Gruppe auf dem Heimweg jedoch an einem Haus vorbei, in dem ein Verwandter wohnt, so kann man hier Rast machen und dem beschnittenen Mädchen wird T.Z. oder andere Nahrung angeboten, die nicht unter das Speiseverbot fällt.
In dem von mir 1988 beobachteten Fall verließ die Gruppe um 15.40 Uhr das Beschneidungshaus und kam nach einem Fußmarsch von etwa 6 km um 17.15 Uhr in ihrem Wohngehöft an.

Abb.: Leanders Zeichnung {216}

{217} ANMERKUNGEN ZUR ZEICHNUNG {S. 216}
Die Zeichnung wurde von Leander Amoak auf meinen Wunsch hin angefertigt. Es wurde in der Darstellung übersehen, dass das beschnittene Mädchen den Hirsestab nur in der rechten Hand halten soll. Die Anordnung des Faserbüschels und der Schnüre (in L. Amoaks Zeichnung ein Band oder zwei Schnüre?) weicht etwas von der Art ab, wie sie bei einem Exemplar der Sammlung des Seminars für Völkerkunde der Universität Münster zu sehen ist. Dort sind 15 Einzelstränge des Faserbüschels in zusammen 15 Knoten mit zwei dünnen, gedrehten Schnüren (miisa, Sing. miik) verbunden (s. Skizze unten!).

Auch Knudsen  erwähnt ein weißes “fibre loin wear” und fügt eine Abbildung bei (S. 152). Der obere verflochtene Teil ist wieder
Nach 1978 scheinen einige Veränderungen, die vor allem hygienisch-medizinische Maßnahmen betreffen, in die Beschneidungsprozedur eingedrungen zu sein. Moderne Desinfektionsmittel scheinen häufiger Anwendung zu finden. Eine Bulsa Beschneidung in Accra wurde im Inneren eines Hauses ausgeführt, und nach der Operation bediente man sich blutstillender Medikament und einer örtlichen Betäubung.
Eine Informantin Knudsens sagt: “Thus my friend and I bought our cotton wool, iodine, penicillin ointment and all that we would need…”

4. DAS MÄDCHEN IM ELTERLICHEN UND SCHWIEGERELTERLICHEN GEHÖFT

4.1 Pobsika und Speisetabus
Bevor das beschnittene Mädchen das Gehöft ihrer Eltern oder ihres Gatten betritt, müssen sich alle Personen, die es nicht sehen darf, in ihren Zimmern (diina) verstecken. Zu den Tabu-Personen des unverheirateten Mädchens gehören ihr nächstjüngerer Bruder bzw. ihre nächstjüngere Schwester und ihre leiblichen Eltern. Wenn die Beschnittene verheiratet ist, besteht außerdem für ihren Gatten ein Sichtverbot [Endnote 12a]. Auch andere Personen können unter dieses Tabu fallen. Azuma durfte auch ihre Großmutter nicht sehen, nach anderer Information kann auch der Medizinmann (tiim-nyono) aus der Nachbarschaft zu den tabuierten Personen gehören, ebenso alle Männer, die mit einer Witwe Geschlechtsverkehr hatten, bevor die Totengedenkfeier des verstorbenen Gatten abgehalten worden war. Außerdem darf die Beschnittene alle Tabu-Personen einer Wöchnerin der Nachbarschaft nicht sehen, bis die Wöchnerin mit diesen Personen Asche geblasen hat. Ein Informant behauptet, dass die Beschnittene nur dann ihre Eltern nicht sehen darf, wenn sie die Erstgeborene ist.
Das Sicht-Tabu mit den Personen des eigenen Hauses wird gleich nach dem Eintreffen des Mädchens in ähnlicher Form wie nach der Geburt durch Ascheblasen (pobsika) aufgehoben, nur soll diesmal unbedingt weiße Asche benutzt werden, und nach einigen Informanten soll möglichst genau viermal geblasen werden.
Es treten auch sofort nach der Beschneidung eine Reihe von Speisetabus auf, und zwar darf das Mädchen keine Nahrung zu sich nehmen {219}, die als “schwarz” (sobluk) bezeichnet wird
(s.u.) [Endnote 13].

4.2 Behandlung der Wunde
Am Beschneidungstag muss das Mädchen heißes Kräuterwasser trinken, um dadurch den Blutfluss aufzuhalten. Auch darf sie nur sehr heiße Nahrung essen. Eine in der Behandlung von Wunden erfahrene Frau (fobro, Pl. fobroba) wird aufgesucht. In jeder Sektion gibt es mehrere solcher Frauen, so dass gewöhnlich eine Frau aus der nahen Nachbarschaft mit einem Huhn oder einem anderen Geschenk meistens für den nächsten Morgen bestellt werden kann.
Die Behandlung der Beschneidungswunde vollzieht sich in mehreren Phasen. Um ein Bild der möglichen örtlichen Variationsbreite zu geben, sollen hier vier detaillierte Berichte verkürzt wiedergegeben werden.

1. Bericht: Azuma aus Wiaga-Chiok.
a) Sie musste nach der Beschneidung drei Tage im dalong sitzen, ohne dass die Wunde behandelt wurde.
b) Am 4. Tag kam eine Nachbarin (fobro), öffnete die Wunde und wusch sie mit heißem Wasser aus, in dem vorher die Medizinwurzeln und Blätter gekocht worden waren.
c) Posidi-Blätter [Endnote 14] wurden auf die Wunde gelegt. Sie brannten wie Pfeffer. Nach jeder Behandlung ging Azuma wieder in das Innere des Hauses, damit die Wunde nicht dem Wind ausgesetzt wurde. Sie durfte nicht sitzen, sondern musste stets liegen.
d) titibi-Blätter (Combretum sp.)
e) schwarze bagta-Erde
f) Als die Wunde fast verheilt war, übernahm Azuma selbst die Behandlung, und zwar wusch sie die Wunde mit heißem Wasser aus und legte cham poli (Blätter junger Schibutterbäume) auf {220}.
Hätte Azumas persönlicher wen-bogluk Einspruch gegen die Beschneidung eingelegt, hätte er gleich nach der Rückkehr Azumas in das Gehöft durch Opfer versöhnt werden müssen

2. Bericht: Aguutalie aus Kadema.
a) Die Wunde wurde von der Nachbarin (fobro) häufig ausgewaschen, Watte [Endnote 15] und eine schwarze Medizin (geriebene Holzkohle und Schibutter?) wurden aufgetragen.
Dauer dieser Phase: 4 Tage
b) Ein Brei aus gemahlenen posidi-Blättern und kaltem Wasser wurde in die Wunde gedrückt.
Dauer dieser Phase: ca. 3 Wochen (bis die Wunde klein wurde).
c) Schinuss-Öl und Watte wurden knapp eine Woche lang aufgetragen.
d) Als die Wunde hell geworden war, wurde schwarzer Schlamm (bogta) vom Fluss geholt. Dies konnte nur geschehen, als der Mond im Zenit stand. Zur gleichen Zeit wurden Blätterrollen des blackberry-Strauches [Endnote 16] (ngara vaata) auf die Wunde gelegt.
Dauer der bagta-Behandlung: 3-4 Tage. Die Behandlung mit ngara vaata dauerte noch einige Tage länger an.
e) Blätter des Schibutterbaumes wurden von Aguutalie selbst geholt und selbst aufgelegt, “um die Vagina zu schließen”. Hiernach durfte sie wieder Blätterkleidung tragen. Das erste Faserbüschel war bereits drei Wochen nach der Beschneidung durch ein ähnliches ausgewechselt worden.

3. Bericht: Robert Asekabta, Sandema-Abilyeri, wohnhaft in Sanderna-Suarinsa
a) Man sammelt Blätter der posidi-Pflanze, rollt sie zwischen den beiden Händen zu einer kleinen Rolle und drückt sie so lange bis sie weich werden. Diese Rolle wird auf die Wunde gelegt.
b) Die Wunde wird mit heißem Wasser behandelt, in dem titibi-Blätter (Pl. titiba, lat. Combretum glutinasum oder Combretum ghasalense) gekocht wurden.
c) Wenn die titibi-Blätter keinen Extrakt mehr hergeben, werden sie durch Blätter des Schibutterbaumes ersetzt.
d) Geben diese Blätter auch keinen Saft mehr ab, werden sie durch Blätter des blackberry-Strauches (ngaab, ngaarik) ersetzt.

4. Bericht: Leander Amoak, Wiaga-Sinyangsa-Badomsa
a) Die Holzkohle-Schibutter-Medizin des Beschneiders wird in den ersten Tagen aufgetragen.
b) Die Wunde wird mit Watte und heißem Wasser dreimal täglich behandelt.
Dauer dieser Phase: 1 Woche (z.T. Überschneidung mit Phase a).
c) Die Wunde wird mit posidi-Blättern behandelt.
Dauer dieser Phase: ca. 2 Wochen.
d) Nachdem die Wunde fast verheilt ist, wird schwarze Erde (bagta) vom Fluss gesiebt und zweimal täglich auf die Wunde gelegt.
Dauer dieser Phase: 4 Tage.
e) Frische Blätter junger Schibutterbäume (cham poli) werden gestampft, zu kleinen Rollen geformt und auf die Wunde gelegt.

5. Wundbehandlung 1988

Die Frau, die die Wunden der beiden Frauen behandelte, konnte mir die Bestandteile der Medizin nicht nennen, da die Beschneiderin diese der Besuchergruppe in fertiger Form mitgegeben hatte.
Zur Therapie gehörte auch, dass die beiden Frauen ständig, zum Beispiel durch Gänge um das Gehöft in Bewegung blieben. Hierbei hielten sie ihren Hirsestab in der rechten Hand. Er diente nicht als Gehhilfe, allerdings berührte er mitunter auch den Boden. Diebeiden Frauen holten zum Beispiel auch selbst das Wasser für ihr Bad und reinigten die nach dem Erhitzen des Wasser verrußten Töpfe.
Die erste Wundbehandlung führte eine ältere Frau aus einem Nachbargehöft durch, die auch in einer schmerzhaften Prozedur die Scheidenwände trennte. Die folgenden, anfangs täglichen Waschungen und Wundbehandlungen (auch im Viehhof) wurden von Frauen des eigenen Gehöfts vollzogen. Auch hierbei verzogen die beiden Frauen mitunter vor Schmerz ihr Gesicht. Die Wundbehandlerin wusch auch jedesmal, zum Teil mit Seife, Arme, Beine, Rumpf und Haare der beiden Frauen. In den Zeiten zwischen diesen Behandlungen wurde jedoch auch viel gelacht und gesungen (mitunter bis nach 21 Uhr).
Der Behandlungsort ist entweder der Viehhof (nankpieng, Pl. nankpiensa) oder der freie Platz (peelim, Pl. peelita) am Gehöfteingang (nach Azuma am tampoi). Dort wird ein tiefes Loch gegraben, in das eventuell noch Blut fließen kann und in das man auch die blutige Watte wirft. Die Pflanzenblätter werden jedoch nicht fortgeworfen, sondern später in getrockneter Form im Viehhof verbrannt. Das Mädchen muss dann nach R. Asekabta viermal über das Feuer springen. G. Achaw und ein beschnittenes Mädchen aus Kadema sagen, dass mit den Blättern auch die weißen Fasern verbrannt werden, während L. Amoak und ein beschnittenes Mädchen aus Wiaga- Sinyangsa-Sichaasa behaupten, dass man die Fasern in einen Baum hängt. Es sind dies nicht mehr die ersten weißen Fasern, die das Mädchen am Beschneidungstag erhielt, denn diese werden je nach Heilung der Wunde nach 2-3 Wochen gegen neue ausgewechselt. Erst nach diesem Wechsel dürfen beschnittene Mädchen nach Auskunft Aguutalies das Gehöft verlassen.
Bei der von mir am 16.12.1988 im Viehhof beobachtete Verbrennung der Blätter und Fasern wurden die viermaligen Sprünge über das Feuer nicht durchgeführt. Dagegen deuteten die beiden Frauen durch leichte Bewegungen einen Tanz an.

4.3 Gaasika und ponika
Es herrscht Einigkeit bei den Informanten, dass mit dem durch die Blätterverbrennung angedeuteten Abschluss der Wundbehandlungen eine Ritenfolge abgehalten wird, die mit dem Namen gaasika bezeichnet wird. In der Beschreibung der gaasika, wie sie an dieser Stelle des rituellen Ablaufs ausgeführt wird, weichen die Berichte in einigen Teilhandlungen voneinander ab, weniger jedoch dadurch, dass verschiedenartige Riten ausgeführt werden, sondern vor allem durch Auslassungen bzw. Anfügen von rituellen Teilhandlungen. Es soll daher hier versucht werden, eine möglichst ausführliche Beschreibung der gaasika-Riten zu geben, auch wenn in einigen Teilen des Bulsa-Landes der rituelle Ablauf nur stark verkürzt stattfindet.
Für den abschließenden Festtag werden von den Frauen des Hauses Speisen bereitet, die dem Mädchen bisher zu essen versagt waren, also z.B. Pito, eine schwarze Fischart (jum sobli), Bohnenkuchen, eine kleine Bohnenart (tue), Ziegenfleisch, dazu auch T.Z. und ein Huhn oder Perlhuhn. Die gaasika-Zeremonie wird auf dem freien Platz (peelim) am Hauseingang, nach Azuma am Abfallhaufen (tampoi) von der Frau, die die Wunde behandelt hat, am beschnittenen Mädchen ausgeübt. Die oben genannten Speisen werden in vier Kalebassen, nach anderer Information in einem Tontopf (cheng) vor das aufrecht stehende Mädchen gestellt. Die Frau (fobro) nimmt nun viermal Speise in den Mund, spuckt sie, wie oben bereits beschrieben, viermal in verschiedene Richtungen und fordert das Mädchen auf, das Gleiche zu tun. Danach legt das Mädchen beide Hände mit den Innenflächen nach oben auf den Kopf, und die Frau stellt ihr den Essnapf auf die Hände, wo er einige Zeit bleibt, während die Nachbarin dem Mädchen folgende Worte zuflüstert:

Ma gaasika yabsa [Endnote 17] gaasim daa biam gaasimoa.
Ich führe die gaasika der Beschnittenen (der Klitoris) aus, nicht die gaasika der Geburt.

Dann nimmt die Frau den Napf und führt ihn in vier Spiralen um den Körper des Mädchens nach unten. Am Unterleib des Mädchens (Felicia: ” .. .inside my legs … “) kommt der Napf wieder zur Ruhe und wird dann weiter spiralförmig nach unten geführt, wo er auf den Füßen noch einmal einige Zeit verweilt. Nach dieser Zeremonie darf das Mädchen die vorher verbotenen Speisen wieder essen, und Azuma berichtet auch, dass sie sofort mit dem Topf in einem Raum verschwand, um dort zu essen. Nach anderer noch nicht überprüfter Aussage soll den Hausgöttern zuerst von diesem Essen geopfert werden, worauf der Rest an alle Anwesenden, das Mädchen eingeschlossen, verteilt wird. Ein noch verbleibender Rest und auch wenigstens ein Krug Pito nimmt die Helferin (fobro) als Entgelt mit in ihr Haus.
Meine Informanten sind sich selbst nicht klar darüber, ob die Haarschur (ponika), die meistens wohl nach dem Aufheben der Speisetabus folgt (nach einige Informanten vorher), ein Teil der gaasika-Riten ist. Jedenfalls ist sie eng mit diesen verbunden und wird gewöhnlich am gleichen Tag ausgeführt. Eine Haarschur ohne Speiseriten wird von Aguutalie aus Kadema als verkürzte gaasika bezeichnet.
Große lokale Unterschiede scheint es bei der Einordnung der gaasika in den rituellen Ablauf zu geben, wenn auch fast alle Berichte darin übereinstimmen, dass nach dem Abschluss der Wundbehandlung, d.h. nach dem Verbrennen der Blätter oder nach der letzten bagta-Behandlung, gaasika und ponika stattfinden. Die meisten Informanten und Informantinnen behaupten, dass schon am Beschneidungstag eine verkürzte gaasika mit ponika durchgeführt wird. Während die Haarschur immer im Gehöft stattfindet, kann die (Speise-)gaasika schon, wie oben (S. 214) beschrieben, unter dem Beschneidungsbaum vollzogen werden.
Aguutalie aus Kadema sagt, dass es bei ihrer Beschneidung drei gaasika-Rituale gab, wenn auch die letzte nur aus einer Haarschur bestand.
1. Die erste gaasika wurde am Beschneidungstage im Gehöft gleich nach den pobsika-Riten und der Haarschur, die sofort schon in Kreuzform geschnitten wurde, mit Bohnen, Ziegenfleisch und mud-fish ausgeführt. Diese gaasika hob das Speiseverbot der oben genannten Dinge auf.
2. Nach der Verbrennung der Blätter, als die Wunde fast ausgeheilt war, wurde eine zweite gaasika mit Pito und Bohnenkuchen ausgeführt, die auch die beiden letzten Speiseverbote aufhob. Sie war jedoch nicht mit einer Haarschur verbunden.
3. Nach der vollständigen Ausheilung der Wunde, als diese auch nicht mehr mit klarem Wasser ausgewaschen zu werden brauchte und die letzte Faserkleidung beseitigt worden war, wurden Aguutalie die Kopfhaare noch einmal in Kreuzform geschoren.

Abb.: Kopfrasur (Aufsicht, {224})

Aguutalies Aussage, dass ihre Haare schon am Beschneidungstag in Kreuzform geschnitten wurden, weicht von fast allen anderen Berichten ab, in denen betont wird, dass die erste Rasur eine Totalrasur ist. Erst in der zweiten Rasur werden zwei sich kreuzende Streifen (naa-vuuk, Pl. naa-vuuta, ‘cattle drift’) in das kurze, nachgewachsene Haar geschnitten, die abweichend von der sonst gleichen Rasur nach Fehlgeburten auch Seitenstreben haben können, so dass in der Aufsicht ein Muster entsteht, wie es hier abgebildet wird [Endnote 17a].
Die Rasuren werden von einer Person ausgeführt, die sich auf Haarschneiden versteht, nicht etwa ausschließlich von der Wundbehandlerin.
Falls ein Bulsa-Mädchen, das im gleichen Jahr beschnitten wurde, nach der Beschneidung gestorben ist, werden nach einer Information im ganzen Bulsa-Land keine gaasika-Zeremonien mehr ausgeführt.
Nach den letzten Zeremonien ist das Mädchen wieder voll in die Gesellschaft eingegliedert, wenn auch mit einem anderen Status und veränderten Rollenerwartungen. Als heiratsfähige Frau geht sie zum Markt, und man erwartet wieder einen vollen Arbeitseinsatz von ihr. Sie darf, wenn verheiratet, mit ihrem Gatten Geschlechtsverkehr haben. Falls sie nicht verheiratet ist, wird man ihr vorehelichen Verkehr nicht so stark verübeln wie einem unbeschnittenem Mädchen [Endnote 18).
Zum Zeichen ihres neuen Status – sie ist nun voll heiratsfähig – wird auch ihre Kleidung verändert. Sie soll von nun an vorne und hinten Blätter tragen und nicht nur hinten, wie es bei kleinen Mädchen üblich war. Diese Unterscheidung in der Kleidung ist heute jedoch kaum noch festzustellen, denn junge Mädchen, ob beschnitten oder unbeschnitten, tragen heute nach den ersten Anzeichen der Pubertät durchweg Stoffbekleidung.
Gewöhnlich einige Monate nach den eigentlichen Beschneidungszeremonien vollzieht sich noch ein eigenartiges Nachspiel. Wenn die Regenzeit die Flüsse anschwellen lässt, geht das beschnittene Mädchen mit ihrem Hirsestab (ngabiik kinkari), der ihr vom Beschneider gegeben wurde, zu einem Fluss, der auch in der Trockenzeit nicht ganz austrocknet. Sie wirft den Stock hinein und sagt dabei:

Nyiam ta biik a taam yoo!
Das Wasser trägt das Kind fort, o weh!

Hiernach holt sich das Mädchen den Stock wieder und wirft ihn ein zweites und drittes Mal hinein, wobei sie jedesmal die gleichen Worte sagt. Beim vierten Mal lässt sie das Wasser den Stock forttragen und geht nach Hause. Dieser Brauch wird vom beschnittenen Mädchen allein ausgeführt. Es braucht kein bestimmter Tag zu sein. Aguutalie berichtet, dass dieses Nachspiel in Kadema erst ausgeführt wird, wenn die Beschnittene ihr erstes Kind geboren hat. In der Zwischenzeit bleibt der Stock im Strohdach eines dok ihres Elternhauses aufbewahrt.

(2022) Ergänzend zu den Ausführungen der 1. Auflage ist nach einer Beschneidung von verheirateten Frauen der Besuch ihrer Mütter im Gehöft der Ehemänner zu erwähnen. In einem bekannten Fall erfolgte der Besuch der einen Frau 12 Tage nach ihrer Beschneidung, die Mutter der anderen Frau kam nach etwa einem Monat.
Beim Abschied werden die Mütter ähnlich beschenkt, wie es nach der Heirat einer ihrer Töchter. Zum Beispiel erhielt eine Mutter einen busik-Korb, gefüllt mit Hirsemehl, einem toten Perlhuhn und einer Flasche Akpeteshi (fn 88,154a).

4.4 Übergangsriten und Beschneidungen (1922)
Im Vergleich zu anderen Übergangsriten sind Beschneidungen an religiösen Ritualen arm. Den folgenden Behauptungen Knudsens (S. 47) kann ich in Bezug auf die Bulsa Beschneidungen nicht zustimmen:

…the basic principle that guides rites of passage rituals among Ghanaian ethnic groups, including female circumcision or girls puberty rituals, is based on traditional belief in the Creator or in the Sky-God who operates through gods and ancestors.

Wahrsagerbefragungen vor der Beschneidung scheinen sehr selten zu sein und mitunter auch gar nicht durchführbar zu sein, wenn die Mädchen ohne Wissen ihrer Eltern zu dem Gehöft eines Beschneiders laufen. Auch hier stimmen meine Beobachtungen und Informationen bei den Bulsa nicht mit der folgenden Behauptung Knudsens überein (S. 47):

Thus, cosmological consultation through divination precedes all circumcision operations or puberty rites. This is true in all the three case studies [including Bulsa] I have described in this book.

Auch Opfer an die Ahnen und an andere Schreine gehören wohl nicht überall zum notwendigen Ritual von Beschneidungen. Ein Informant aus Sandema Kalijiisa berichtet, dass die für die beschnittenen Mädchen tabuisierten Speisen zum Teil den Schreinen des Gehöfts geopfert werden und der Rest von allen (außer den beschnittenen Mädchen) gegessen wird (fn 73,39a).
Andererseits habe ich von mehreren Gehöften gehört, dass dort die Ahnen die Exzision verbieten.
Aus Gbedema erfuhr ich, dass (einige? alle?) Beschneider einen eigenen mobilen bogluk haben, dem sie opfern, wenn bei einer Beschneidung Komplikationen auftreten (fn M18a).
Ohne Zweifel sind jedoch einige unten aufgeführte Riten und auf magischen Vorstellungen basierende Verhaltensweisen fest in den Beschneidungsablauf integriert.

4.4.1 Tabus
Zu den für die beschnittenen Mädchen tabuierten Speisen werden in verschiedenen Informationsquellen erwähnt

1. Hirsebier: vgl. 1. Auflage S. {222}; Information aus Sandema Kalijiisa (fn 73,37b)
2. jum-soblik oder jum-goaling (Clarias lazera? Wels? mudfish, black fish): 1. Auflage: S. 222, Wiaga-Badomsa (fn 136a), Sandema-Kalijiisa (73,77b), Sandema-Kalijiisa (Achaw, fn 73,29)
3. pobla (Bohnenkuchen): 1. Auflage, S. {222}; Sandema-Kalijiisa (73,29)
4. tue (kleine Bohnenart): 1. Auflage, S. {222}; Wiaga-Badomsa (88,136a), Sandema-Kalijiisa: 73,29a,
5. Ziegenfleisch: 1. Auflage, S. {222}; Wiaga-Badomsa (fn 88, 136a), Sandema Kalijiisa (fn 73, 77b), Sandema-Kalijiisa (Achaw, 73,29a)
6. buura (Neri, Egusi): Wiaga-Badomsa (fn 136a)
7. Hühnerfleisch: Sandema-Kalijiisa (Achaw, fn 73,29a), Perlhuhnfleisch ist wohl erlaubt
8. Hühnereier [Endnote 13]?
9. Schafsfleisch?

Der Genuss der genannten Speisen, die auch als dangta (Schmutz) bezeichnet werden, könnten Komplikationen bei der Ausheilung der Beschneidungswunden verursachen
Knudsen (1994: 166) erwähnt auch, dass die Mädchen auch eine Zeitlang kein neugeborenes Baby sehen dürfen (“they had just lost theirs”).

4.4.2  pobsika (Ascheblasen)
Die Aufhebung eines weiteren Sichttabus durch das pobsika-Ritual findet nach einer Information aus Badomsa (fn 88,136a) für verheiratete Frauen in (oder vor) ihrem Wohngehöft gleich nach ihrer Beschneidung mit ihrem Gatten statt.

4.4.3  ponika (Kopfschur)
Zu diesem Ritual konnte ich nach 1974 keine wesentlichen neuen Informationen sammeln. Bei einer beobachteten Beschneidung wurde den Mädchen 25 Tage nach ihrer Beschneidung, kurz vor der Blätterverbrennung der Kopf völlig kahl geschoren. Die in der ersten Auflage beschriebenen Muster (S. {223-224}) konnte ich in der Form, wie sie die Abbildung auf S. 224 zeigt, weder beobachten noch erhielt ich neue Informationen darüber. Es ist möglich, dass sie in neuerer Zeit durch eine einfache Kopfrasur ersetzt wurde.

4.4.4 gaasika
Die Ausführung der gaasika wurde oben als ein abschließendes Ritual nach dem Verbrennen der Blätter beschrieben (1. Auflage, S. {221-224}), in Badomsa (1988) findet es erst in der Regenzeit statt. Nach eigenen Beobachtungen (fn 88.135a) und durch Feldnotizen von R. Schott (fn 73,328a) findet jedoch eine gaasika gleich nach der Beschneidung statt. In beiden Fällen wurde die Kalebasse (mit Hirsewasser oder klarem Wasser?) viermal um den Körper der Mädchen bewegt, bis diese die Flüssigkeit in den Mund nahmen und vielmal in verschiedene Richtungen ausspuckten und erst dann von ihr tranken.
Meine in der 1. Auflage geäußerte Vermutung (S. {330-331}), dass das gaasika-Ritual ein Speisetabu aufhebt, konnte durch neuere Informationen (nach 1974) nicht allgemein bestätigt werden. Für die erste gaasika gleich nach der Beschneidung war eine solche Aufhebung nicht erkennbar. In der zweiten gaasika, nach der Ausheilung der Wunden und Beendigung aller Aktivitäten befinden sich die verbotenen Speisen (zusammen mit Wasser) in der Kalebasse und dürfen danach wieder von den Beschnittenen verzehrt werden.

5. EXZISION UND GEBURT
Wenn viele Autoren, die sich mit Problemen der Beschneidung auseinander setzen, einen engen Zusammenhang zwischen Beschneidung und größerer sexueller Freizügigkeit bzw. Heiratsfähigkeit gesehen haben [Endnote 19], so muss man auch in Hinsicht auf die Bulsa zugeben, dass dieser Zusammenhang ohne Zweifel besteht. Wenig wird jedoch in der einschlägigen Literatur [Endnote 20] über das Verhältnis von Exzision und Geburt bzw. Gebärfähigkelt gesagt. Es kann daher nicht entschieden werden, ob andere ethnische Gruppen die Sinngebung der Exzision als eine vorweggenommene Geburt nicht kennen oder ob diese Deutung von Ethnographen weniger klar erkannt worden ist. Bei den Bulsa sprechen viele Faktoren für eine solche Sinngebung.
Folgende Teilriten und Vorstellungen über die Exzision stellen eine Verbindung zur Geburt und ihren Riten, wie sie bei den Bulsa üblich sind, her:

1. Der Name für unbeschnittene Mädchen (kaliak, Pl. kalaasa) bezeichnet auch (beschnittene) Frauen, die noch kein Kind geboren haben.
2. Die Eltern des Mädchens müssen besonders hohe Zahlungen an den Beschneider leisten, wenn das Mädchen schon ein Kind geboren hat.
3. Kurz vor der Beschneidung stimmen die Begleiter ein Lied über die Geburt eines Leoparden, Löwen oder Affen an.
4. Bei der Beschneidung hat das Mädchen die gleiche Körperstellung wie eine gebärende Frau. Sie wird auch anschließend wie diese mit Wasser übergossen.
5. Die weiße Faserkleidung (gaba), die Mädchen nach ihrer Beschneidung tragen, wurde früher auch von Frauen nach der Geburt eines Kindes getragen.
6. Der Hirsestab, den man dem Mädchen nach der Beschneidung übergibt, wird als ihr Kind (biik) bezeichnet.
7. Bevor der Stock übergeben wird, fragt man die Beschnittene, ob sie einen Jungen oder ein Mädchen wolle {226}.8. Wenn der Stock später in einen Fluss geworfen wird, klagt das Mädchen: “Nyiam ta biik a taam, yoo!” (Das Wasser trägt das Kind fort, oh weh!)
9. Ein Hirsestab spielt auch bei Geburtsriten eine Rolle. Nach der Geburt muss die Frau rituell aus dem Gehöft herausgeführt werden. Dabei trägt sie einen Hirsestab, den man aus einem Strohdach gezogen hat.
10. Der Hirsestab steht symbolisch für die Klitoris, aber auch für das bei der Beschneidung geborene “Kind”, wie er auch bei der Entsorgung dieses Stabs genannt wird. Eine ähnliche Information erhielt auch Knudsen für die Bulsa (S. 149: …she grabbed the stick which is also a symbol for a child)
11. Nach der Beschneidung muss das Mädchen (im Gehöft) mit den gleichen Verwandten Asche blasen (pobsi) wie eine Wöchnerin, nämlich mit den leiblichen Eltern, dem nächstjüngeren Geschwister und eventuell mit dem Gatten.
12. Das beschnittene Mädchen muss die Sicht-Tabus einer Wöchnerin aus der Nachbarschaft respektieren.
13. Das beschnittene Mädchen soll, genau wie eine Wöchnerin, Speisen mit viel katuak (spice produced from water filtered through ashes) zu sich nehmen.
14. Bei der gaasika-Zeremonie sagt die Nachbarin: “Ich führe die gaasika einer Beschneidung (oder der Klitoris) aus, nicht die gaasika einer Geburt.”
15. Nach den gaasika-Riten trägt das Mädchen die gleiche Haarfrisur wie eine Mutter oder ein Vater, wenn diesen das erste Kind gestorben ist.
16. Es besteht der Glaube, dass ein beschnittenes Mädchen später eine leichte Geburt hat.
17. Eine unbeschnittene Frau erhält, ebenso wie eine Frau, die keine Kinder geboren hat, die Totenfeier eines Mannes. Knudsens Bulsa Informantin äußert sich so: “Also when I die, I shall be buried like a proper women”. Vielleicht ist diese Tatsache für eine Unbeschnittene, keine richtige Frau zu sein, in der folgenden Äußerung Knudsens enthalten (S. 45): “Technically, in some communities, an uncircumcised girl has no cultural status among her people”.

Einige der aufgeführten Übereinstimmungen sind nicht sehr überzeugend. Sie können auf Zufall beruhen (Leopardenlied) oder durch die Handlung selbst bestimmt sein, die sich nur so zweckmäßig ausführen lässt (Körperstellung, Kühlung des Körpers durch Überschütten mit Wasser) {227}.
Die übrigen Übereinstimmungen sind jedoch so signifikant, dass sie eine Erklärung verlangen. Bei den Bulsa ist es üblich, die Klitoris eines Mädchens als sein Kind (biik) zu bezeichnen. Damit erhält die Beschneidung den Funktionswert einer Geburt. Diese Sichtweise bleibt, sodass alle folgenden Handlungen bis zur Aussetzung des “Kindes” im Fluss als dramatischer Ablauf einer vorweggenommenen Geburt angesehen werden können. Ein wichtiger Schritt in diesem Ablauf ist die Ersetzung des Klitoris-Kindes durch das Stock-Kind, wobei die notwendige Gemeinsamkeit zwischen Klitoris und Stock ihre phallische Form ist. Während dem Mädchen ein (lebloser) Ersatz für die in einem Erdloch begrabene Klitoris gegeben wird, nimmt die soziale Umwelt an dem Mädchen Riten vor, die nach dem Tod eines Kindes ausgeführt werden (gaasika, kreuzförmige Haarrasur usw.), obwohl sich das Ersatz-Kind (der Stock) noch im Gehöft befindet.
Knudsen drückt diesen Sachverhalt für die Bulsa und Frafra so aus (S. 171):

The major public ceremony… comes after six months and their symbolic children have to be exchanged for real children. The millet stalks are then thrown into rivers, while the girls mourn, hoping for real children later on.

Erst viel später löst sich das Mädchen von dem Stock, der symbolhaft für die Klitoris und das erstgeborene Kind steht. Es ist das erste Mal, dass das Mädchen nicht nur Handlungen an sich erduldet, sondern selbst Handlungsträgerin wird. Sie spielt die ihr zugedachte Rolle im dramatischen Ablauf mit, wenn sie weiterhin den Stock als ihr Kind bezeichnet. Auch muss auffallen, dass es sehr leicht gewesen wäre, den brennbaren Stock im gleichen Feuer, in dem die Blätter am letzten gaasika-Tag verbrannt wurden, mitzuverbrennen und ihn so völlig zu vernichten. Die gewählte Art, den Stock loszuwerden, hat aber eher den Charakter einer Aussetzung (Das Wasser trägt das Kind fort, oh weh!), bei der für das “Kind” noch eine Überlebenschance besteht.
Es kann nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, eine vollständige und endgültige Erklärung des oben geschilderten dramatisch-rituellen Ablaufs zu geben, da hierzu intensivere Einzeluntersuchungen auch bei Nachbargruppen notwendig wären. Erst recht soll hier nicht versucht werden, mit den neuen Fakten einer einzigen ethnischen Gruppe in die bisherige wissenschaftliche Diskussion [Endnote 21] über den Sinn der Beschneidungen einzusteigen und erneut für oder gegen einzelne Theorien Stellung zu nehmen, zumal gerade über die hier aufgezeigten Zusammenhänge zwischen Exzision und Geburt nur wenige Aussagen zu finden sind {228}.
Erwähnenswert für unsere Thematik scheinen mir jedoch einige Gedanken S. Freuds zu sein, die sich mit den Beziehungen zwischen Penis bzw. Klitoris und Kind beschäftigen. Freud glaubt, dass beim kleinen Mädchen aus der Erkenntnis der Klitorisminderwertigkeit der Wunsch nach dem Penis entsteht. Dieser Wunsch hat zuerst narzisstischen Charakter (Klitoris als Penisersatz), dann wird er auf den Penis des Vaters übertragen.

Erst später wandte sich die Libido des kleinen Mädchens dem Vater zu, und dann wünscht sie sich anstatt des Penis ein Kind [Endnote 22].

Auch das Kind wird nach Freud von der Frau als Penisersatz angesehen.

Es ist so, als ob diese Frauen begriffen hätten – was als Motiv unmöglich gewesen sein kann – dass die Natur dem Weibe das Kind zum Ersatz für das andere gegeben hat, was sie ihm versagen musste [Endnote 23].

Gerade diese letzte Aussage erinnert sehr stark an die oben beschriebenen rituellen Handlungen der Bulsa, in denen dem Mädchen, das gerade die auch von den Bulsa als phallisch gedeutete Klitoris [Endnote 23a] verloren hat, ein phallisches Symbol (ein Hirsestab) gegeben wird und dieses Symbol als Kind (biik) bezeichnet wird. Freud findet ein gemeinsames sprachliches Symbol für die Begriffe Penis, Kind und weibliches Genital:

Es kann nicht gleichgültig sein, dass beide, Kind und Penis in der Symbolsprache des Traumes wie in der des täglichen Lebens durch ein gemeinsames Symbol ersetzt werden können. Das Kind heißt wie der Penis das “Kleine”. Es ist bekannt, dass die Symbolsprache sich oft über den Geschlechtsunterschied hinaussetzt. Das “Kleine”, das ursprünglich das männliche Glied meinte, mag also sekundär zur Bezeichnung des weiblichen Genitals gelangt sein [Endnote 24].

Auch in Buli hat im Worte biik die Wurzel bi wohl die Bedeutung klein (vgl. bilik = klein). Wenn ich auch nicht allen Aussagen S. Freuds folgen kann, so ist es durchaus denkbar, dass auch die Bulsa bei den Beschneidungsriten unbewusst ähnlichen Gedanken folgen. Die Riten mögen dem Mädchen helfen {229}, den Verlust der Klitoris seelisch zu verschmerzen, indem man der Beschnittenen sofort als Ersatz ein “Kind” (biik) in der Form eines Stockes gibt; es soll dem Mädchen die rein weibliche Rolle, die es von nun an zu spielen hat, klar vor Augen führen.

Ergänzung 2022: Für meine Interpretation, dass die Klitoris auch die übertragene Bedeutung “Kind” (biik) hat und die Beschneidung einer vorweggenommenen Geburt entspricht, hatte ich 1973-74 nur relativ wenige Belege. Christiana Knudsen ist jedoch in ihren eingehenden Untersuchungen bei den Bulsa und anderen Ethnien zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.
Ohne Bezug auf die Bulsa [für ganz Nordghana?] schreibt sie (S. 198):

The clitoris, symbolically supposed to be a child, is analogous to a man’s ‘child’, the penis, the precious masculine characteristics in a woman. When the clitoris is sacrificed [F.K. to the Sky-God?] the feminine characteristics dominate…

Nach der Beschneidung erhält das Bulsa-Mädchen ein “Ersatzkind”, den Hirsestab (S. 148f.):

…After that a woman handed a millet stick, about one metre long, to the circumciser and she in turn threw it at the circumcised girl after she had asked a question and the girl had answered… Later on I heard that she [the excised girl] made a wish for children, while she grabbed the stick which is also a symbol for a child.

Für die Frafra und Bulsa berichtet Knudsen (S. 171):

The major public ceremony… comes after six months and their symbolic children have to be exchanged for real children. The millet stalks are then thrown into rivers, while the girls mourn, hoping for real children later on.

Andere Riten, wie sie hier im Kapitel über die Geburt beschrieben wurden, finden nach Knudsen bei den Bulsa auch nach der Beschneidung statt. Das von ihr auf S. 151 beschriebene Ritual, in dem das beschnittene Mädchen viermal Hirsewasser aus einer Kalebasse trinkt und den Trank in vier verschiedene Richtungen wieder ausspuckt, entspricht dem gaasika-Ritual (siehe  4.3). Ein Ascheblasen (pobsika) wird von dem beschnittenen Bulsa Mädchen nach Knudsen (S. 153) mit bestimmten Personen im Gehöft ausgeführt.

6. EINSTELLUNG DER BESCHNITTENEN MÄDCHEN ZUR EXZISION {239}
Um eine gültige Aussage über die Einstellungen der beschnittenen Bulsa-Mädchen – eventuell in verschiedenen Lebensaltern, in verschiedenen Positionen (Schülerin – Analphabetin) usw. – machen zu können, müsste ein echtes Sample von Mädchen und Frauen befragt werden. Ich glaube, dass eine solche Untersuchung nur von einem Team instruierter, möglichst weiblicher Bulsa durchgeführt werden könnte. Jedenfalls ginge sie weit über den Rahmen dieser Arbeit hinaus.
Trotzdem habe ich an 15 aussagebereite, beschnittene Schülerinnen und Schulabsolventinnen die folgende Frage gestellt: “What do you think about your excision today?” Keineswegs sollen hier die Antworten quantitativ ausgewertet werden, doch mag es angebracht sein, exemplarisch einige mögliche Einstellungen wiederzugeben, die vielleicht auch einmal für eine spätere quantitative Untersuchung von Nutzen sein können.

6.1 Positive Einstellung zur Exzision
Für eine positive Einstellung zur Beschneidung sind neben dem Bericht des Mädchens aus Sandema-Kori, aus dem bereits zitiert wurde (S. {202]), die Ausführungen Agaalies bezeichnend. Wie oben bereits an einem Zitat gezeigt wurde (S. {213}), wird ständig versucht, die negativen Seiten (Schmerz, Gefahr usw.) herabzuspielen. Hierin unterscheidet sie sich von anderen Informantinnen, die trotz des zugegebenen großen Schmerzes, den sie erlitten, Beschneidungen befürworten und stolz darauf sind, dass sie beschnitten sind.
Agaalie äußerst sich im Schlussteil ihres Tonbandberichtes, der einige Male durch lautes Lachen unterbrochen wird {230}:

Since my mother is excised, I must also be excised. lf I am not excised I am a coward. As I am excised today and I am sitting down like this I am very happy. lt is very nice. As my mother is excised, it looks that I am now also a woman.

Ein Mädchen aus Sandema-Balansa-Bagubsa schreibt in ihrem Bericht:

I was very happy. I am still very happy that I was excised, because it was from the old days that a girl should be excised.

Azuma (Wiaga-Chiok) äußert sich in einem mündlichen Interview folgendermaßen:

Since I did excision, if they say I should do it again, I will like it. Excision is helping people. lf you are excised and then you go to any place and die or you do anything, they will always perform the funeral or whatever is wrong, correctly. Now if they talk of excision, I like it.

Eine andere Schülerin aus Wiaga-Chiok schreibt:

After my excision I am very fat, (fatter) than (at) the time (when) I was not yet excised. I am very glad to say that (at) the time I was not yet excised, my friends who were excised, laughed at me. And I also was very thin, but now I am very fat.

6.2. Indifferente Haltung
Einige der befragten Mädchen nehmen heute eine indifferente Stellung zu ihrer Beschneidung ein. Oder wollen sie ihre wahre Einstellung nicht zeigen? Wenn sie selbst einmal Töchter haben, sollen diese Töchter selbst entscheiden, ob sie beschnitten werden wollen oder nicht. Sie selbst wollen ihnen weder zureden noch abraten.

6.3. Ablehnende Einstellung zur Exzision
Zwei der befragten Mädchen lehnen Beschneidungen heute entschieden ab. Beide hatten Schwierigkeiten bei ihrer ersten Geburt und führen diese auf ihre Exzision zurück.
Ein Mädchen aus Sandema-Kalibisa hatte schon vor der Beschneidung eine ablehnende Haltung {231}:

I was not happy to be excised, but my parents forced me. I lost two of my children and I was told that it was because of the excision. So I am not happy.

Folgende Einstellung hat ein Mädchen aus Sandema-Kandem:

I would not like to be excised again, after all I heard that the excision makes women to become older in undue time, because they have lost much blood, and when you give birth you have to lose more blood. So I don’t think that if I were not excised I would have liked to be excised again. I wish I had not done it.

Die etwa 30jährige Aguutalie äußert sich in einem Gespräch, dass sie damals nach ihrer Beschneidung sehr stolz war, doch heute denkt man anders darüber. Ihre Töchter sollen selbst darüber entscheiden, ob sie sich der Exzision unterziehen. Aguutalie selbst würde sich heute nicht mehr beschneiden lassen.

7. EXZISION UND SCHULE
Im Schuljahr 1972/73 waren von den 42 Schülerinnen der Sandema Continuation Boarding School 3 beschnitten, im Schuljahr 1973/74 war es nur noch ein Mädchen. An der St. Martin’s School (Wiaga) waren im Schuljahr 1972/73 von 92 Schülerinnen 11 beschnitten, im folgenden Schuljahr gab es bei fast gleichbleibender Schülerinnenzahl (87) nur noch 4 beschnittene Mädchen, von denen 3 in der Abschlussklasse waren. Als G. Achaw im Jahre 1960 sein Examen an der Sandema Middle Boarding School machte, waren nach seiner Aussage fast alle Mädchen spätestens ab Form 3 beschnitten.
Welche Gründe mögen die Schülerinnen gerade in jüngster Zeit abhalten, sich beschneiden zu lassen? Talata, eine Schulabsolventin, legt ihre Einstellung im folgenden Bericht dar:

I was not excised, because there is no difference between the excised and the unexcised. Whether you have been excised or {232} not, you still have to give birth alright. And I have been hearing that those that have been excised, often found it difficult to bring forth, because sometimes the circumciser may make a mistake, and when the mistake happens, then the sore will not heal alright and may block up the hole of the birth contractor. At this (if this happens) you have to go to hospital. An operation may take place. This is a trouble you have invited for yourself. So to me, I would say that every girl at the age of excision should not agree to her parents or husband, when she is asked to leave the school and be excised. I was asked to leave the school and be excised by my parents, and I refused. They did all that they could in order to get me out of the school and be excised but failed. At that time I was in form four at the age of 15 years. In September 1972, when we were on holidays, I went to Tamale to spend my holidays there. That was to help me escape from my parents not to see me to be excised. And when the vacation was over, I came back to Sandema. I have (had?) a boy friend, a teacher, who taught me in form one. He wanted to marry me, and he has (had?) been visiting my parents with drinks and money. And my parents told him that they will excise me before (they) allow me to marry him. But as I refused to do so, my boy friend told me that he would not marry me, again because I did not take the advice of my parents. lt will be the same with him when he marries me. I will not take his advice too. So I told him that I do not worry about it. You are not the only man in the world. lf you don’t marry me, I will get a (another) husband. I disagreed (with) him and (I, he?) went away shamely (ashamed).

Die psychische Situation, in der sich die Informantin entscheiden musste, sollen in einem Diagramm veranschaulicht werden (s.u.) {233}

Abb.: Diagramm

{234} Die durch einen durchgezogenen Pfeil gekennzeichneten Einwirkungen (Angst vor gesundheitlichen Schäden, sexuelle Befriedigung und “Versorgtsein”, Gehorsam gegen die Eltern und die traditionelle Gesellschaft) mögen auch bei einem nicht durch die Schule oder die europäische Kultur beeinflussten Mädchen Entscheidungen mitbestimmen. Durch den Einfluss der Schule erhalten jedoch diese Motivationen eine Verstärkung oder eine Abschwächung (gestrichelte Linien). Die Angst vor einer gesundheitlichen Schädigung wird durch den Schulbesuch verstärkt. Die Motivation mancher Analphabetinnen, dass die Exzision eine leichte Geburt bewirkt, ist in ihr Gegenteil verkehrt worden, die Geburt kann schwieriger und gefährlicher werden [Endnote 25]. Einen Ausweg bietet nicht mehr eine Juju-Medizin oder Opferhandlungen, sondern das Krankenhaus. In einem Streitgespräch über diesen Punkt mit Analphabeten wird Talata leicht siegen, denn nur sie kann eine medizinische Erklärung für ihre Behauptung geben (Blockierung der Geburtshöhle durch eine Beschneidungswunde). Sie hat ihr Wissen, oder doch wenigstens ihre modern-medizinische Denkweise aus dem Hygiene-Unterricht der Schule.

Talatas durch medizinische Gründe gewonnene Einstellung gegen die Beschneidung muss zwei Gegenkräften standhalten: dem Druck ihrer Eltern und der traditionellen Gesellschaft und ihrem Wunsch, den geschätzten Freund zu heiraten. In ihrer Abwehr kommt ihr wieder die Schule zur Hilfe. Talata hat gar keine Zeit für eine Beschneidung, denn sie muss ja jeden Morgen zur Schule gehen. Darum drängen ihre Eltern sie zunächst, die Schule zu verlassen, wenn auch nicht ganz klar wird, ob sie die Schule für immer verlassen soll oder nur zum Zweck der Beschneidung. Die kommenden Ferien scheinen eine Kompromisslösung (Beschneidung ohne Unterrichtsverlust) zu bringen. Aber wie die meisten anderen Schülerinnen und Schüler verlässt Talata auch in kurzen Ferienzeiten das Bulsa-Land. Als Schülerin mit Englischkenntnissen, mit einem größeren Bekanntenkreis außerhalb des Heimatdorfes und mit “besseren” Umgangsformen ist es ihr eher möglich, dem elterlichen Wirkungskreis zu entfliehen.
Größere Schwierigkeiten wird Talata gehabt haben, auf die Ehe mit einem geschätzten Mann zu verzichten. Ihre eigene Abwehrformulierung (You are not the only man in the world. lf you don’t marry me, I will get another husband) klingt nicht nur sehr emanzipiert, sondern {235}
auch ausgesprochen europäisch, fußt aber auch auf der Tatsache, dass in einer polygynen Gesellschaft Frauen keine Schwierigkeiten haben, einen Mann zu finden. Als Mädchen mit Schulbildung wird Talata außerdem mit Leichtigkeit einen anderen gebildeten (educated) Mann zum Gatten bekommen.
Die bisher diskutierten Motivationen und Gegenmotivationen mögen für eine ganze Generation von Schülerinnen, die zur Beschneidung gedrängt werden, zutreffen. Unser Beispiel wird jedoch noch dadurch verkompliziert, dass Talatas Bewerber Lehrer ist, sogar ihr eigener früherer Lehrer, durch den Talata in das Leben an der Middle School eingeführt worden ist. Dieser Lehrer, von dem man erwartet, dass er die “moderne” Ansicht zur Beschneidung vertritt, wie es auch bei den meisten Lehrern der Fall ist, wird plötzlich ein Exponent der traditionellen Gesellschaft und verbündet sich mit den Eltern des Mädchens. Wie der Bericht Talatas zeigt, konnte jedoch auch diese Verbindung ihren einmal gefassten Entschluss nicht ändern.
Wenn auch die meisten männlichen Schulabsolventen sich in Gesprächen abfällig über Exzisionen äußern, sprechen doch einige Tatsachen dafür, dass viele immer noch ein beschnittenes Mädchen als Sexualpartnerin vorziehen [Endnote 26]. Auf eine direkte Frage an einen Gesprächspartner, ob er lieber ein beschnittenes oder unbeschnittenes Mädchen heiraten würde, erhält man oft die Antwort, dass es ihm (dem Informanten) persönlich gleich wäre, dass jedoch die meisten Schüler lieber ein beschnittenes Mädchen heiraten würden.
Lehrer an Mittelschulen versuchen in ihrer Rolle als Lehrer gewöhnlich nicht, auf die Entscheidung der Schülerin einen Einfluss zu nehmen, und meistens ist auch ihr Wissen darüber, welche Mädchen beschnitten sind, sehr gering. Als ich in einer Versammlung des Lehrerkollegiums das Gespräch auf die Exzision brachte, wusste keiner der sechs männlichen Lehrer die Namen der beschnittenen Schülerinnen der Schule, nur der Direktor konnte ein Mädchen nennen, das aus dem gleichen Dorf kam wie er selbst. Ein Lehrer aus Südghana, der schon einige Jahre bei den Bulsa arbeitete, sagte, dass er erst vor kurzer Zeit erfahren habe, dass es Exzisionen in Nordghana gibt.
Fragt man andere Schülerinnen, warum sie sich nicht beschneiden ließen, so erhält man oft die Antwort, dass sich nur Analphabetinnen {236} beschneiden lassen. Sie selbst sähen keinen Sinn darin. Die Unbeschnittenheit ist also fast schon ein Statussymbol für Schülerinnen geworden, während sie früher ein Kennzeichen für “Feiglinge” war.
Es mag auch eine Rolle spielen, dass viele der Schülerinnen längere Zeit im Süden Ghanas gelebt haben und wohl alle Schülerinnen einer Middle School den Süden sehr gut durch Besuche und längere Aufenthalte kennen. Im Süden gilt jedoch der Brauch einiger nördlicher Ethnien, ihre Mädchen zu beschneiden, als barbarisch, und von der südlichen Hauptstadt aus wurde dieser Brauch verboten.
So mag man vielleicht die Frage stellen, warum sich überhaupt noch Schülerinnen beschneiden lassen. Mehrere (unbeschnittene) Mädchen gaben mir übereinstimmend die folgenden beiden Gründe: auf Druck ihrer Eltern hin und um für viele männliche Bulsa begehrenswerter zu sein [Endnote 27]. Falls nur diese beiden Gründe ein Mädchen zur Beschneidung bewegt haben, besteht gewöhnlich kein Grund mehr, stolz auf die eigene Beschneidung zu sein oder sie offen zu bekennen. Wie aber einige angeführte Zitate (vgl. S. {230}) zeigen, können gerade Schülerinnen zu außerordentlich heftigen Verfechtern der Exzision werden. Dann werden in der Rechtfertigung auch alle alten Argumente wieder benutzt (Es war schon immer so; unbeschnittene Mädchen sind eigentlich Männer; Beschneidung verschafft eine leichte Geburt usw.).
Ein Schüler der St. Martin’s Middle School (Wiaga) berichtet, dass in seiner Klasse (Form 3) drei Mädchen hintereinander in den Jahren 1971, 1972 und 1973 beschnitten wurden. Als sie jeweils nach einer Zeit des Fehlens wieder in die Klasse kamen, hat man ihnen dort ein herzliches Willkommen bereitet. Zotige Bemerkungen oder Hänseleien wären ganz undenkbar gewesen. Vielmehr beschimpften diese drei Mädchen die unbeschnittenen Schülerinnen der Klasse, dass sie Feiglinge seien.
Aus dem bisher gesagten wird klar, dass die meisten Schülerinnen ein stark emotional aufgeladenes Verhältnis zur Exzision haben. Die meisten unbeschnittenen Mädchen finden die Beschneidung “primitiv” und nutzlos, sie ist eine Sache der Analphabeten. Einer Schülerin kann man höchstens eine Exzision nachsehen, wenn sie zu stark von ihren Eltern oder ihrem zukünftigen Gatten gedrängt wird. Ihren beschnittenen Mitschülerinnen gegenüber äußern jedoch die Unbeschnittenen ihre Meinung meistens aus {237} Höflichkeit nicht. Ein Teil der beschnittenen Schülerinnen mag dieses Schweigen aus Höflichkeit als Affront empfinden und daher selbst aggressiv werden, wie das Beispiel aus Wiaga zeigt. Obwohl ich persönlichen Kontakt zu zwei der erwähnten beschnittenen Schülerinnen hatte, war es mir doch nicht möglich zu ergründen, ob ihre polemische Haltung einer inneren Überzeugung entsprach oder ob sie nur als Schutzmaske gebraucht wurde.
Ein anderer Teil der beschnittenen Schülerinnen empfindet eine tiefe Scham über ihre Beschneidung. Dies zeigte sich mir besonders, als ich einer Schülerin der Sandema Boarding School, mit der ich vorher schon lange Gespräche über andere Themen (Stammesnarben, Schülerfreundschaften usw.) geführt hatte und die überall als jungenhaft ausgelassen und sehr aufgeschlossen galt, einige Fragen über ihre Beschneidung stellen wollte. Sie bekam einen Weinkrampf und konnte kein Wort sprechen. Obwohl ich auf die Information verzichtet habe, ist sie mir seitdem aus dem Wege gegangen.
Auch eine andere der drei beschnittenen Schülerinnen der Sandema Boarding School hat jedes Gespräch über ihre eigene Beschneidung vermieden, obwohl sie mir bei meinem Besuch der Beschneidungsfeier in Fumbisi als Dolmetscherin geholfen hat und allgemeine Fragen über den Ablauf von Beschneidungsfeiern ohne große Scheu beantwortet hat. Die drei Schülerinnen, die verschiedenen Klassen angehörten, waren untereinander nicht befreundet, jede hatte ihre eigenen Freundinnen. Wenigstens zwei von ihnen können als keineswegs traditionalistisch gesinnt bezeichnet werden. Sie zeigten einen starken Hang zu allem, was südghanaisch oder europäisch war. Ein Mädchen sprach sogar sehr abfällig über die traditionelle Kultur der Bulsa und würde gerne in Europa wohnen {238}.

8. JUNGENBESCHNEIDUNG
Beschneidung der männlichen Vorhaut (amputatio praeputii, circumcisio totalis) gab es früher bei den Bulsa nicht. Ausgenommen waren natürlich die wenigen Moslems, die ihre Söhne schon in den ersten Lebenswochen beschneiden ließen. Wenn heute die Jungenbeschneidung gerade bei der jungen Schülergeneration immer populärer wird, so liegt der Grund hierfür wohl weniger in einem islamischen Einfluss, sondern in Einwirkungen der südlichen Akan-Völker, soweit sie die Zirkumzision ausüben. Die heute beschnittenen Bulsa haben auch sehr häufig eine längere Zeit im Süden gelebt oder haben die Absicht, sofort nach dem Examen für längere Zeit in den Süden zu ziehen.

Warum wollen sich diese Jungen beschneiden lassen? Ein etwa 30jähriger unbeschnittener Bulo, der selbst lange Zeit im Süden war, gab eine kurze, aber keineswegs unzutreffende Antwort auf diese Frage. “They want to chase girls. And many girls like it” [Endnote 28]. Wenn auch manche Jungen und Männer auf hygienische Gründe für eine Zirkumzision hinweisen, so scheint mir doch die Aussicht, durch die Beschneidung eine größere Auswahl an weiblichen Sexualpartnern zu haben, der wichtigste Beweggrund zu sein. Hierfür spricht auch, dass mehrere Bulsa Schülerinnen (allerdings mit Süd-Erfahrungen) spontan behaupteten, dass sie lieber einen beschnittenen Mann heiraten würden, und die Aussage älterer Bulsa, dass beschnittene Männer von keiner Bulsa-Frau geheiratet würden, scheint heute überholt zu sein.
Ayarik, der bei seinen Eltern in Kumasi aufgewachsen ist, dann aber zu seinem Großvater nach Wiaga-Tandem geschickt wurde, um den Bulsa-Traditionen und der Bulsa-Sprache nicht ganz entfremdet zu werden, berichtet folgendes über seine Beschneidung:

One day I came to Mampong to visit my brother. There I had two Ashanti friends. These friends were able to convince me to have my bath with them. They were able to realize that I was not circumcised. After bathing they asked me why such a thing has been with me. So I told them: “It is not usually done {239} in our town”. They told me, if I went back, I should do it or I could not find a Fanti or Ashanti girl to have intercourse with me.
So when I was in the North [Endnote 29] I went to Navrongo Hospital. I had to pay 2.10 Cedis. My father sent me the money, but he did not know what I was doing. My grandfather did not know. He sent my younger brother when I had my bath and he told my grandfather. My grandfather said: “You are the only one in our family.” He was not happy about it. He said, if my wife should bring forth a child, I should not circumcise it. Because my grandfather told me, he did not like it, I did not do it with my boy [Endnote 30] . lf the child grows up, he can do it if he likes…
I had to do it [Endnote 31], because it was not good for me to be in that form of life. And today they have seen that it is true and I have seen that many of my tribe now try to circumcise, and it is good for every man.

Ayariks Klasse in der St. Martin’s Middle School von Wiaga hatte zur Zeit seiner Beschneidung (1965) 36 Jungen und 4 Mädchen. Von den 36 Jungen hatten sich 6 als Schüler beschneiden lassen, 4 im Süden, 2 (Ayarik eingeschlossen) im Krankenhaus von Navrongo. Von den 4 Mädchen waren 3 beschnitten.
G. Achaw, der 1960 die Abschlussprüfung der Sandema Middle Boarding School ablegte, sagt, dass bei seiner Schulentlassung 2 Jungen seiner Klasse beschnitten waren; sie wurden deswegen häufig gehänselt. Da G. Achaw noch mit vielen Schülern seiner Klasse in Verbindung steht, kann man seiner Aussage einigen Glauben schenken, wenn er behauptet, dass etwa 3/4 der Jungen seiner Klasse heute (1974) beschnitten sind. In neuerer Zeit werden bei den Bulsa auch unbeschnittene Jungen/Männer beleidigt, indem zum Beispiel ihr Penis (und auch die ganze Person?) als yoari fuok (wörtlich: Penis mit einer Tasche) bezeichnet werden.
Durch diese und andere Aussagen kann man zu der Vermutung kommen, dass die Mädchenbeschneidung (Exzision) sich im Rückzug befindet, die Zirkumzision bei den Bulsa aber wohl in letzter Zeit stark an Boden gewonnen hat.
Vergleicht man die im Krankenhaus durchgeführte Jungenbeschneidung [Endnote 32] mit der Exzision, wie sie bei den Bulsa durchgeführt wird, so fallen auf fast allen Gebieten diametrale Gegensätze auf {240}:

1. Jungenbeschneidung ist legal, Mädchenbeschneidung durch den Staat verboten.
2. Die Jungenbeschneidung beruht auf einem Fremdeinfluss jüngster Zeit, die Exzision hat bei den Bulsa eine lange Tradition und ist in ihrem sozialen und religiösen System verankert [Endnote 32b].
3. Das Elternhaus leistet gewöhnlich Widerstand gegen den Wunsch eines Jungen zur Beschneidung, während das Mädchen oft von den Eltern zur Beschneidung gedrängt wird.
4. Die Sexualoperation des Jungen vollzieht sich fast schmerzlos in einer Narkose, während die Schmerzen des Mädchens am Rande des Erträglichen liegen.
5. Die Entfernung der männlichen Vorhaut wird ohne große Gefahr für spätere gesundheitliche Schäden unter relativ hygienischen Bedingungen ausgeführt, während bei Exzisionen ein tödlicher Ausgang (in der Trockenzeit 1973/74 waren es zwei) oder lange und schwere Komplikationen nicht außergewöhnlich sind.
6. Die Jungenbeschneidung wird im Krankenhaus der Distriktshauptstadt oder in einer Stadt Südghanas ausgeführt, die Exzision in ländlicher Umgebung im Kreise von Verwandten.
7. Die Abtrennung der männlichen Vorhaut wird von einem wissenschaftlich ausgebildeten Arzt vorgenommen. Der Arzt gilt ebenso wie der Lehrer als Exponent der modernen von Europa beeinflussten Kultur. Die Exzision wird von Vertretern der traditionellen Kultur, versehen mit reichlichem rituellen Beiwerk, durchgeführt.
8. Es ist vielen Bulsa sogar bekannt, dass die Zirkumzision auf der Erde eine recht starke Verbreitung gefunden hat. Sie wird mit den Hochreligionen Islam und Judentum verbunden, und einige wissen sogar, dass die Zirkumzision aus hygienischen Gründen in den Vereinigten Staaten stark verbreitet ist. Die Exzision dagegen wird von gebildeten Bulsa gedanklich mit rückständigen afrikanischen Stämmen assoziiert [Endnote 33].

Fragt man sich nach den Gemeinsamkeiten der beiden Sexualoperationen in ihrem sozialen Zusammenhang, so bleibt als einziger wichtiger Faktor die Tatsache, dass beide Operationen dem Behandelten größere sexuelle Gratifikationen verschaffen können. Bei der Einordnung in eine Wertskala würde fast jeder Bulo den beiden Beschneidungen wohl einen recht unterschiedlichen Stellenwert zuweisen {241}.

 

ENDNOTEN (BESCHNEIDUNG)

1a Nnaemateka 2005: 30-33, nach Wikipedia Female Genital Mutilation, p. 19-20.

1b Um die Anonymität der Mädchen zu wahren, wurden die Namen der Hauptinformantinnen verändert.

2 Mein anfänglicher Versuch, alle beschnittenen Mädchen der Sandema Continuation School und der St. Martin’s Middle School Wiaga zu interviewen, glückte nicht, da die Verweigerungsrate in Sandema 100 % betrug. In Wiaga stellten sich (1974) von den 4 beschnittenen Schülerinnen 3 einem Interview. Ein Grund für die Verweigerungen in Sandema mag darin gelegen haben, dass ich selbst an der Schule unterrichtete.

3 Vgl. F.R. Lehmann, ‘Bemerkungen zu einer neuen Begründung der Beschneidung,’ Sociologus, N.F., 7 (1957), S. 57-74.

3a Diese Begründung wurde zwar nur einmal von einer Informantin genannt, spielt aber wahrscheinlich trotzdem eine große Rolle, wenn man in Betracht zieht, eine wie große Bedeutung die Bulsa einer “standesgemäßen” Bestattungsfeier zumessen. Eine ältere unbeschnittene Frau erhält, ebenso wie verheiratete Frauen, die in ihr Elternhaus zurückkehrten und dort auch starben, nicht etwa die aufwändige Bestattungsfeier eines alten Mannes, sondern die eines Jugendlichen, und auch nur jüngere Leute nehmen vor allem an einer solchen Feier teil (Inf. Ayarik aus Tandem-Zuedema).

3b Les Rites de Passage, S. 13 f.: Étant donnée l’importance de ces passages, je crois légitime de distinguer une catégorie spéciale de Rites de Passage, lesquels se décomposent à l’analyse en Rites de séparation, Rites de marge et Rites d’agrégation. Ces trois catégories ne sont pas également développées chez une même population ni dans un même ensemble cerémoniel.

3c Nach P. Mercier (‘The Social Role of Circumcision among the Besorube,’ American Anthropologist, 53. 1951: 335) werden bei den Besorube (Nord-Dahomey) Jungen “according to the seniority of their lineages within the clan” beschnitten.

4 Wuliing: ein schriller, heller Schrei, der von Frauen auf Festen, bei Reden, bei der Ausführung von Riten usw. als Zeichen erhöhter Erregung, als Zustimmung oder zur Andeutung eines Höhepunkts in einer Handlungsfolge ausgestoßen wird.

5 Es ist die gleiche Stellung, wie sie bereits für die gebärende Frau beschrieben wurde.

6 Weerik (Sandema Dialekt: yuerik) wird von Bulsa oft fälschlich mit “lion” übersetzt. Das Fell der Zibetkatze (Viverra civetta) hat Ähnlichkeit {365} mit dem eines Leoparden. Dem Ameisenbären (Orycteropus afer) schreibt man große Ausdauer, Kraft und List zu.

7 Früher war es stets das kleine traditionelle Messer poning, das auch für andere Rasuren (ponika) verwandt wird, nicht das große Messer gebik, das z.B. zum Schlachten von Tieren gebraucht wird.
Die Benutzung eine Hakens (small metal hook) wird auch von Knudsen (1994:148) für die Bulsa bestätigt.

8 Der folgende Bericht, den die Schülerin mündlich in Buli abgab, wurde versehentlich von meinem Helfer Augustine Akanbe sofort ins Englische übertragen, ohne dass er zuerst den Buli-Text transkribierte.

9 Agaalie (Name geändert!) sprach den Text in Buli auf mein Tonband. Übersetzung: G. Achaw.

10 Dieser Ausdruck wurde von mehreren Bulsa unabhängig mit “future baby” übersetzt, ohne dass der Begriff ngabiik ganz geklärt werden konnte.
kinkari = Hirsestock, biik = (männliches) Kind, nga = ? Deutungen: Partikel für “Zukunft”? Kurzform von ngari = beschneiden’! Kurzform von nga(a)ng = Rücken, Enkel?

11 Originaltext: Ate wa ta kinkari a jam ate wa ja a yueni ain ma yaalika nidoa yaa nipok ate n yueni ain ba meena. – Übersetzung: Und er hielt den Hirsestock und sagte, ob ich einen Jungen oder ein Mädchen wünsche und ich sagte, dass ich sie beide (wünsche).

12 Baribee = Klitoris (bee angeblich sprachverwandt mit biik; Kurzform? Es kann aber auch bie, ‘Kern’ bedeuten); saratata oder sasasa oder sarr ruft man Hunden zu, wenn sie auf etwas angesetzt werden (deutsch etwa: “Fass!”). Die Mädchen sollen fortlaufen, damit die Klitoris nicht wieder zu ihrem alten Platz zurückkehrt.

12a Nach anderen Informationen besteht für die verheiratete Frau auch zu den Eltern ihres Mannes ein Sichtverbot. 1988 unterzogen sich die beiden beschnittenen Frauen nur (einzeln) einer pobsika mit ihrem jeweiligen Ehemann, da ihre Blutsverwandten ja in einem anderen Gehöft wohnten. Möglicherweise wurden dort noch einige pobsika-Riten nachgeholt.

13 Das früher für Bulsa-Frauen allgemein verbindliche Speiseverbot von Hühnern und Hühnereiern wird heute nur noch wenig respektiert.

14 Posidi (Pl. posa) ist eine 10-20 cm hohe Pflanze aus der Familie der Compositae. Hauptwachstumszeit ist angeblich die Trockenzeit.

15 “Watte” wird aus den Früchten des Kapok-Baumes (Buli: gong, Pl. gongsa; lat. Ceiba pentandra; engl. silk- cotton tree) gewonnen. Die Watte dieses Baumes wird auch von menstruierenden Frauen als “Tampon” gebraucht {366}.

16 Vitex Cienkowskii (nach L. Melançon – A. Prost, Dictionnaire Buli – Français). Besteht eine sprachliche Verbindung zwischen ngara (Pl.; eigentlich: Früchte des genannten Baumes) und ngari (beschneiden)?

17 Yabi(i)k (Pl. yabsa) heißt eigentlich “Klitoris”, kann aber auch für die Beschneidungswunde und für das “recently excised girl” gebraucht werden. Eine häufige Bezeichnung für ein beschnittenes Mädchen ist sukuuk (Pl. sukuusa, Hausa?). Knudson (S. 146) nennt beschnitttene Bulsa Mädchen auf S. 246 sekusa, an anderer Stelle (S. 162) serawa.

17a Knudsens Bulsa Informantin sprich sehr ungenau von einem “special hair shaving with patches”.

18 Es gilt als ein schlimmes Vergehen, wenn das Mädchen zwischen Beschneidung und (letzter) gaasika Geschlechtsverkehr hatte, denn hierdurch wird kann sich auch die Helferin (fobro) eine Augenkrankheit zuziehen.

19 Z.B.: V. Popp in: V. Popp (Hg.): Initiation, Zeremonien der Statusänderung und des Rollenwechsels, Eine Anthologie (Frankfurt, 1969), S. 8. Vgl. auch van Gennep, Les Rites de Passage, S. 93 ff.

20 In der ethnographischen Literatur Westafrikas scheinen ausführliche Beschreibungen von Exzisionen nicht sehr zahlreich zu sein. Gerade über die den Bulsa benachbarten Stämme erscheint in der einschlägigen Literatur (s. Einleitung und Literaturverzeichnis!) gewöhnlich nur ein kurzer Hinweis über das Vorhandensein oder Fehlen der Exzision.
Nach dem Erscheinen der ersten Auflage dieses Buchs sind zahlreiche neue Publikationen erschienen. In der Neuauflage wurden allerdings nur Werke berücksichtigt, die sich auch wenigstens kurz mit den Bulsa Beschneidungen befassen (zum Beispiel Dinslage 1981 und Knudsen 1994). Ein Vergleich der Beschneidungsriten anderer Ethnien sowie ihre Neuwertung muss einer späteren Publikation vorbehalten bleiben.

21 Vgl. B. Bettelheim (1954), J. Brown (1963), F. Bryk (1931), F. Herrmann (1961), Ad. E. Jensen (1933), F.R. Lehmann (1957). Nähere Angaben s. Literaturverzeichnis!

22 S. Freud, ‘Das Tabu der Virginität,’ Gesammelte Werke, Bd. XII, 1940ff: 176.

23 S. Freud, ‘Über Triebumsetzungen, insbesondere der Analerotik,’ Gesammelte Werke, Bd. X, 1940ff: 405.

23a Ayarik (Tandem-Zuedema) schrieb mir in einem Brief: I have ever heard that when a girl does not cut the clitoris and she marries, it seems she is also having a penis and that means she is not yet a woman until the clitoris is cut off that she becomes a woman.

24 S. Freud, ‘Über Triebumsetzungen,’ S. 404.

25 F.R. Lehmann (Sociologus 1957: 68) schreibt dazu: “Von Missionsseite erhielt ich auch über die Dschagga am Kilimandjaro die Auskunft, dass durch die Beschneidung der weiblichen Personen die inneren Schleimhäute der Vulva durch Vernarbung unelastisch werden können, was zu Schwierigkeiten bei Erstgebärenden und zum Tod der Erstgeburt führen kann.” {367} Ähnliche Aussagen macht E. Haaf (Die Kusase, S. 51). Diese Behauptungen treffen vor allem zu, wenn auch die Labien beschnitten werden.
Eine Bulsa Krankenschwester berichtete mir, dass die Vagina durch Beschneidungsnarben unelastisch werden und daher die Geburt erschweren. Andererseits wird eine Geburt nach einer Beschneidung weniger schmerzhaft.

26 Eine entsprechende Untersuchung zum Beispiel an den Middle Schools, steht noch aus. Bei einer von mir durchgeführten Fragebogenaktion an diesen Schulen baten mich einige Lehrer und Direktoren, Fragen nach der Beschneidung auszulassen, da ich dadurch die Schüler(innen) in Verlegenheit brächte.

27 Dies sind zwei Argumente, die auch in den Überlegungen Talatas eine sehr große Rolle spielen.

28 Mit “it” ist die Beschneidung der Vorhaut gemeint.

29 Ayarik ging zu jener Zeit (1965) zur Middle School und war 16 Jahre alt.

30 Untergruppen der Fanti und Aschanti beschneiden ca. 2 Wochen nach der Geburt. Ayariks Sohn war z.Z. der Information 3 Monate alt. Knudsen (S. 29) schreibt, dass (nach William Bosman?) die männliche Beschneidung nur bei den Ga vorkommt.

31 Gemeint ist seine Beschneidung (“it”).

32 Nur relativ wenige Bulsa-Jungen gehen zu einem Moslem, der sich auf Jungenbeschneidungen versteht. Für diesen Ausnahmefall gelten die unten aufgestellten Thesen nur teilweise.

32a Die Behauptung einiger Bulsa, dass die Exzision (schon vor 1974) in den Acts of Ghana (zentrale Gesetzessammlung) als illegal erklärt worden sei, konnte nicht bestätigt werden (Inf.: Justizbeamte des High Court, Accra). Nach E. Haaf (Die Kusase, S. 51) ist sie durch die Gesundheitsbehörden verboten worden.
1994 wurden durch den Act 484 weibliche Beschneidungen für ganz Ghana verboten und unter Strafe gestellt.

32b Dies zeigt sich zum Beispiel darin, dass [2022: angeblich] unbeschnittene Frauen nicht die Bestattungsfeier einer erwachsenen Frau erhalten.

33 Auch die Ausübung der männlichen Beschneidung ist in vielen Ländern umstritten. In Deutschland legalisierte der Bundestag am 12. Dezember 2012 die “nicht-therapeutische Vorhautentfernung an Jungen aus jeglichem Grund”.
Auf der Wikipedia website über “Female Genital Mutilation” werden im Abschnitt über die “male circumcision” (S. 21) auch die Einstellungen einiger großer medizinischer Organisationen so erwähnt: “The positions of the world’s major medical organizations range from the view that elective circumcision of male babies and children carries significant risks and offers no medical benefits, to a belief that the procedure has a modest health benefit that outweighs small risks.

 

KAPITEL VII:  BRAUTWERBUNG UND EHE

1. HEIRATSVERBOTE
Heiratsverbote nehmen in der Sozialordnung der Bulsa eine außerordentlich wichtige Stelle ein, und es wurde mir öfters versichert, dass eine Übertretung eines eindeutigen Heiratsverbots zu den schändlichsten Dingen gehört, die sich ein Bulo vorstellen kann.
Oft wurde mir als eine Art Regel genannt, dass Personen, die zusammen einem Ahnen oder einer Ahnin opfern, nicht untereinander heiraten können. Diese Regel gilt allerdings nicht, wenn die Ahnen/Ahninnen vor sehr langer Zeit gelebt haben. So kann ein Mann aus Wiaga-Kubelinsa eine Frau aus dem Gehöft Abapik Yeri (Wiaga-Badomsa) heiraten, obwohl Kubelinsa in diesem Gehöft der Mutter Abadomings (des Sektionsgründers von Badomsa) opfert.

a) Heiratsverbote großer Gruppen
Hierunter verstehe ich Verbote, die ein einzelnes Individuum mit Segmenten seiner Lineage oder mit Gruppen, die sogar über eine Klansektion hinausgehen, gemeinsam hat. Auch Heiratsverbote eines einzelnen, bezogen auf eine größere geschlossene Gruppen, etwa eine andere Klansektion, sollen hierzu gerechnet werden. Die Abgrenzung zu den unten aufgeführten “individuellen Heiratsverboten” ist natürlich fließend und wurde hier eher aus arbeitstechnischen Gründen vorgenommen. Im folgenden seien die wichtigsten Heiratsverbote großer Gruppen aufgeführt:
1. Ein Bulo darf sich keine Frau aus der Klansektion seines Vaters, d.h. seiner eigenen Klansektion, nehmen. Der vieldeutige Begriff der “Sektion” (englisch section oder division, Buli dok oder yeri) bedarf einer näheren Klärung. Folgende soziale Einheiten können unter diesem Begriff verstanden werden {242}:
Exogame Klansektionen. Hier handelt es sich meistens um die patrilinearen Nachkommen eines Lineagegründers, der vor etwa 7-10 Generationen gelebt hat und nach dem diese Sektion gewöhnlich ihren Namen erhalten hat (z.B. Kalijiisa nach Akaljiik). Eingliederungen kleinerer fremder Lineages (assimilated oder attached lineages im Sinne von M. Fortes) [Endnote 1], die z.B. ihren Ursprung auf einen Sklaven zurückführen, sind in gewissen Grenzen möglich (vgl. S. {254}).
Örtliche Zusammenfassungen. Äußerlich sind diese “Sektionen” oft schon daran zu erkennen, dass ihr Name sich nicht von einem Gründer ableiten lässt, sondern eher beschreibenden Charakter hat, z.B. Yipaala (neue Häuser), Yisobsa (dunkle Häuser), Yimonsa (rote Häuser), Belezuk (am Fluss), Goluk (Tal) usw. Natürlich können solche örtlichen Einheiten auch Klansektionen sein.
Verwaltungseinheiten. Wahrscheinlich erst unter der britischen Kolonialverwaltung wurden innerhalb der einzelnen Ortschaften Verwaltungssektionen unter einem kambon-naab (Englisch sub-chief oder headman) geschaffen. In diesen wurden oft mehrere exogame Klansektionen zusammengeschlossen, besonders wenn diese recht klein waren. Folgende Verwaltungssektionen Sandemas bestehen zum Beispiel aus zwei oder mehr exogamen Einheiten (in einem solchen Fall meistens Subsektionen genannt), die zum großen Teil untereinander innerhalb der gleichen politischen Einheit (section) heiraten dürfen:

BALANSA. Subsektionen: Akuri-yeri, Anyabasi-yeri, Apaaba-yeri, Bagunsa, Banyinsa, Banyimonsa, Daborinsa, Sanwasa, Yiriwiensa.

BILINSA. Subsektionen: Bilinmonsa, Bilinsobsa, Farinsa, Pungsa, Tankunsa. – Bilinsa-Pungsa und die Sektion Sandema-Fiisa heiraten nicht untereinander. Ein Mann aus Fiisa heiratet nicht einmal die Tochter einer Pungsa-Frau.

KALIJIISA. Kalijiisa ist erst seit einigen Jahren in zwei exogame Einheiten aufgeteilt, nämlich in Choabisa, die Sektion der Schmiede, und in Kalijiisa im engeren Sinne.

KANDEM. Subsektionen: Kanwaasa und Tolensa.

KORI. Subsektionen: Apaisibasi, Belingmai, Kanaansa, Katuensa, Kori (im engeren Sinne).

Auch in Wiaga bestehen einige Verwaltungssektionen (z.B. Chiok, Sinyansa, Tandem und Yisobsa) aus mehreren exogamen Klansektionen (vgl. Tabelle ‟Heiratssystem Wiagas‟, Kap. VII,1a, S. 248).
Andererseits besteht (oder bestand) oft ein Heiratsverbot zwischen politisch voneinander unabhängigen Sektionen, weil das verwandtschaftliche Verhältnis dieser Gruppen untereinander noch als zu nah betrachtet wird. In Sandema war zum Beispiel bis vor etwa 1950 eine Heirat zwischen den Sektionen Kalijiisa, Kobdem und Longsa verboten, und auch heute noch zögern viele Männer, innerhalb dieser Dreiergruppe zu heiraten. In Wiaga hat es “zur Zeit der Großväter” ein Heiratsverbot zwischen Yisobsa und Farinmonsa gegeben, das in neuerer Zeit einseitig aufgehoben wurde. Während viele Farinmonsa-Männer sich keinen Skrupel daraus machen, eine unverheiratete Frau aus Yisobsa zu heiraten, hält sich Yisobsa noch weiter an das Heiratsverbot (Stand 1974).
In Wiaga-Sinyangsa bestand noch vor etwa 1950 ein Heiratsverbot zwischen ihren (Sub-) Sektionen, von denen sich das zwischen solchen mit einem gemeinsamen Ahnen (Badomsa, Kubelinsa und Mutuensa) am längsten gehalten hat. Heute heiraten fast alle Sektionen untereinander. Allein zwischen Kubelinsa und Mutuensa, das manchmal als Subsektion von Kubelinsa bezeichnet wird, besteht weiterhin ein Heiratsverbot.
In Sandema Kalijiisa bestand ein Heiratsverbot unter allen Subsektionen, auch mit der später eingewanderten Schmiede-Subsektion Choabisa. Auf der Totengedenkfeier eines alten Mannes, verkündete ein Elder, dass fortan auch Ehen zwischen Choabisa und den anderen Subsektionen Kalijiisas geschlossen werden dürften. Diese Ankündigung brauchte mehrere Jahre bis sie allgemein akzeptiert wurde. Als sich ein junger Mann aus Choabisa um ein Mädchen einer anderen Kalijiisa-Sektion bewarb, erregte es vor der Ablehnung allgemeine Heiterkeit, dass hier ‟jemand seine Schwester heiraten wollte‟.

2. Ein Bulo darf auch gewöhnlich keine Frau aus der Klansektion seiner Mutter heiraten. Falls eine Frau der mütterlichen Sektion jedoch außerhalb des Sektionslandes (z.B. im Süden Ghanas) aufgewachsen ist und auch dort mit ihrem Mann leben wird, so ist eine Heirat erlaubt, wenn die Ehefrau und die Mutter des Bräutigams nicht aus einem zu kleinen gemeinsamen Lineagesegment stammen. Heiraten aus den Sektionen der VaMu (Vatersmutter)[Endnote 2], der MuMu, der VaVaMu, der VaMuMu und MuMuMu werden oft auch als unerlaubt angegeben, in der Praxis beschränkt man sich jedoch häufig, besonders wenn es sich um große Sektionen handelt, auf ein mehr oder weniger großes Lineagesegment dieser Sektion.
Heiratseinschränkungen beziehen sich mitunter auch auf Gruppen, mit denen – auch nach europäischen Begriffen – keinerlei Blutsverwandtschaft besteht. So kann ein Bulo (A) nicht ohne weiteres ein Mädchen (B) aus dem Hause seines VaVaFrVa heiraten (vgl. genealogische Skizze!), da die Eltern des Mädchens nie ihre Einwilligung dazu gäben. Er (A) kann sie (B) gegen den Willen der Eltern entführen, muss aber in Kauf nehmen, dass bei einer späteren Trennung der Ehe die Frau (B) {244} mit ihren Kindern in ihre Elternhaus zurückkehrt und, falls sie einen anderen Mann (C) heiratet, wird der Gatte A noch größere Schwierigkeiten haben, seine Kinder zurückzubekommen, da er nicht auf die Hilfe seiner Schwiegereltern zählen kann.

Abb.: Genealogie

Häufig ist man sich nicht darüber einig, ob ein Bräutigam noch mit seiner Braut in weiblicher Linie für eine Heirat zu nahe verwandt ist, und es entstehen lebhafte Diskussionen. Wer recht hatte, zeigt sich oft erst nach einigen Jahren Ehezeit, wenn etwa keine Kinder geboren werden oder die Ehe von anderen Unglücksfällen getroffen wird. Entdeckt man nachträglich, dass man mit einer nahen matrilinearen Verwandten, z.B. einer Enkeln der gleichen Großmutter, verheiratet ist, so wird die Ehe gewöhnlich aufgelöst, es sei denn, dass in dieser Ehe schon Kinder gezeugt wurden. Es darf hier jedoch nicht der Eindruck entstehen, als ob Heiraten in eine Matrilineage nur in Hinsicht auf den eventuell ausbleibenden Kindersegen gemieden würden. Es wurde mir mehrmals versichert, dass man solche Ehen auch als unmoralisch ansieht.
Keine Diskussion, ob eine Ehe mit einer Verwandten in weiblicher Linie möglich und erlaubt ist, kann entstehen, wenn das Haus des Bräutigams einen ma-bage aus dem Haus der Braut geholt hat. Die Brautleute, besonders wenn sie von der Erde dieses Schreines gegessen haben, würden sofort sterben und weitere Schicksalsschläge könnten die beiden Häuser treffen (vgl. S. 178).

3. Waren bisher als Gründe für Heiratsverbote zwischen größeren Gruppen nur zu nahe verwandtschaftliche Beziehungen angeführt worden, so soll nun die Feindschaft (dachachrini) zwischen zwei Gruppen als Hinderungsgrund, eine “Tochter” (daughter, Buli lie), d.h. eine Angehörige der anderen Sektion zu heiraten, zur Sprache kommen. Sind die sozialen Beziehungen {245} zwischen zwei Sektionen zum Beispiel durch einen Mordfall einmal gestört, so können sie auch durch weitere feindliche Handlungen, wie die Heirat einer Frau einer dritten Sektion, die bereits in der verfeindeten Sektion verheiratet war, nicht mehr verschlechtert werden, wenn auch solche Heiraten dazu beitragen, die schlechten Beziehungen zwischen den beiden Sektionen zu verewigen. Heute ist etwa in Wiaga der genaue Anfangsgrund für die schlechten Beziehungen zwischen zwei Sektionen oft vergessen, und man verweist nur auf Fehden vergangener Zeit. Die genaue Unterscheidung von Sektionen, aus denen man gar nicht heiraten darf, aus denen man “Töchter” (lieba, Sing. lie), schon verheiratete Frauen (pooba, Sing. pok) oder “Töchter” und (oder) “Ehefrauen” heiraten darf, hat in Wiaga zu einem komplizierten Heiratssystem geführt, das in einer Tabelle (unten) dargestellt werden soll. Wenn ein Heiratsbewerber feststellt, dass er aus einer bestimmten Sektion “Töchter” oder dort verheiratete Frauen heiraten kann, so schließt die Heirat einer “Ehefrau” nicht nur für ihn, sondern auch für sein Haus, mitunter für seine ganze Sektion die Heirat einer “Tochter” aus der anderen Sektion wenigstens für die Zeit seiner Ehe mit dieser Frau aus, denn die Beziehungen zwischen den beiden Lineages haben sich verschlechtert, nachdem ein Mitglied einer Sektion einer anderen Sektion eine Ehefrau geraubt hat und zur ehelichen Untreue verführt hat.
Mitunter müssen die Ältesten (kpaga, Sing. kpagi) einer Sektion eingreifen und einen Angehörigen ihrer eigenen Linie zum Nachgeben zwingen, wie das folgende Beispiel zeigt. Im Jahre 1966 heiratete ein Mann aus Wiaga-Yimonsa eine in Sinyansa (Bachinsa?) verheiratete Frau. Später führte ein junger Mann aus der gleichen Sinyansa Sektion eine “Tochter” Yimonsas, wahrscheinlich gegen den Willen der Sinyansa-Sektion, als Braut heim. Hieraufhin veranlassten die Ältesten Yimonsas, dass die “Ehefrau” an die Sinyansa Sektion zurückgegeben wurde.
Wenn andererseits jemand eine “Tochter” einer Sektion N. heiratet, so folgt daraus, dass kein anderer seiner Sektion in nächster Zeit eine “Ehefrau” aus der Sektion N. heiraten darf, wenn er die vorher geschlossene Ehe und die Möglichkeit weiterer Eheschließungen nicht gefährden will
{246}.
Wie die Beispiele gezeigt haben, sind die Heiratsmöglichkeiten zwischen den Sektionen einer Ortschaft (z.B. Wiaga) nicht starr festgelegt, sondern können zeitlichen Veränderungen unterliegen. Fortgesetztes Heiraten von “Ehefrauen” aus einer Sektion vereitelt für lange Zeit die Heirat von “Töchtern”. Haben sich zwei Sektionen mehrfach schon verheiratete Frauen (einer jeweils dritten Sektion) weggenommen, so kann für die folgende Zeit nur schwerlich eine Heirat zwischen echten Angehörigen der beiden Sektionen zustande kommen.
Obwohl für die nachfolgende Tabelle (in den Jahren 1973-74) ausschließlich ältere oder von Amts wegen kundige Männer (z.B. fast alle kambon-nalima Wiagas) jeweils über ihre eigene Sektion von Clement, dem inzwischen verstorbenen Sohn des Wiaga-Häuptlings Asiuk, nach meinen Anweisungen befragt worden sind, weist die Übersicht doch noch zahlreiche Widersprüche auf. Diese Widersprüche erklären sich neben einigen anderen Gründen daraus, dass in vielen politischen Sektionen die Zahl der “fremden Häuser”, d.h. Verwandtschaftsgruppen, die nicht zur Hauptlinie der Sektion gehören, sehr groß ist und immer wieder in den Interviews politische Sektion mit Klansektionen als Personenverband (Lineage) verwechselt worden ist. Mitunter wird auch ein Heiratsverbot mit einer Sektion konstatiert, weil der Informant persönlich mit dieser Sektion in weiblicher Linie verwandt ist (Die älteren Männer sollten allerdings durch meinen Helfer auf diesen Irrtum aufmerksam gemacht werden).
Wie das oben angeführte Beispiel Yisobsa-Farinmonsa (Kap. VII, 1a; S. 243) zeigt, kann auch nicht automatisch auf eine Fehlinformation geschlossen werden, wenn die Tabelle ergibt, dass die Sektion A zwar aus der Sektion B heiratet, nicht aber die Sektion B aus der Sektion A. {247}

Anmerkungen und Abkürzungen zu den folgenden Tabellen (Heiratssytem Wiagas):
Die direkten Aussagen der Informanten finden sich jeweils in den senkrechten Sektionsspalten.

D (für daughters): Aus dieser Sektion werden nur “Töchter” (yeri lieba, Töchter des Gehöfts oder der Lineage) geheiratet.
W (für wives): Aus dieser (verfeindeten) Sektion heiratet man nur verheiratete Frauen (die geburtsmäßig natürlich aus einer dritten Sektion stammen).
DW Aus dieser Sektion (z.B. aus verschiedenen Sublineages) werden “Töchter” und/oder “Ehefrauen” geheiratet.
D- Aus dieser Sektion werden “Töchter” nur mit Einschränkung, d.h. nicht aus allen Subsektionen oder Teilen geheiratet.
W- Nur aus bestimmten Teilen (Subsektionen) dieser Sektion werden verheiratete Frauen geheiratet.
– Aus dieser Sektion heiratet man weder “Töchter” noch “Ehefrauen” (aus Gründen einer zu nahen Verwandtschaft).

Abb.: Heiratsystem Wiaga {248}

{249} In Sandema kennt man ein so komplexes System von Heiratsbeziehungen nicht. Sektionen, die nur “Ehefrauen” voneinander heiraten, scheinen sehr selten zu sein. Mir ist nur das Paar Kobdem-Kori bekannt. Sektionen, die gerade erst ihr gegenseitiges Heiratsverbot aufgegeben haben (z.B. Kalijiisa, Kobdem, Longsa), heiraten nur “Töchter” voneinander. Sonst scheint es die Regel zu sein, dass aus einer anderen Sektion “Ehefrauen” oder “Töchter” geheiratet werden können, je nachdem ob die Beziehungen zwischen den beiden Sektionen gerade feindlich oder freundlich sind.
Auch Mordfälle und Fehden haben auf die Dauer in Sandema nicht zu Heiratsverboten zwischen ganzen Sektionen geführt. In Kalijiisa hat vor längerer Zeit ein Angehöriger dieser Sektion einen Mann aus Chuchuliga getötet. Man sagte mir, dass in der ersten Zeit nach dem Totschlag die beiden betroffenen Sektionen als Ganzes nicht untereinander heirateten. Heute besteht dieses Verbot nur noch zwischen den Häusern des Totschlägers und des Getöteten.
Es wäre noch genauer zu untersuchen, ob es einen Zusammenhang zwischen Scherzbeziehungen und Heiratsverboten aus Feindschaft gibt. In Sandema besteht im Gegensatz zu Wiaga ein ausgeprägtes System von Scherzbeziehungen (gbieri v. oder – mit Beleidigungen – ale chaab leka v.n.) zwischen einzelnen Sektionen. Wie mir häufig versichert wurde, sind auch Scherzbeziehungen aus ehemaligen Feindschaften oder Fehden hervorgegangen. Für diese Behauptungen spricht auch das Scherzverhältnis zwischen Bulsa und Zabarima, der Ethnie des berüchtigten Sklavenjägers Babatu [Endnote 3]. In einem Fall von Scherzbeziehungen zwischen zwei Sandema Sektionen geht der Ursprung angeblich auf einen Mordfall zurück. Die Annahme, dass in Sandema sich ehemalige Feindschaften in Scherzbeziehungen ausdrücken, in Wiaga jedoch durch Heiratsverbote von “Töchtern” bzw. durch erlaubte Heiraten von “Ehefrauen”, kann im Augenblick noch nicht bewiesen werden [Endnote 4].
In den meisten kleineren Bulsa-Dörfern, wie z.B. Siniensi, Kadema, Gbedema und Kanjaga, ist es gar nicht erlaubt, aus dem gleichen Dorf die Frau eines anderen zu heiraten. Ein junger Mann aus dem Hause des Häuptlings von Siniensi erklärte mir, dass ein kleines Dorf mit nur wenigen Sektionen es sich nicht erlauben kann, Streit unter seinen Bewohnern aufkommen zu lassen. Falls ein Mann aus Siniensi eine in Siniensi {250} verheiratete Frau gegen die Vorschrift geheiratet hat, muss er sie entweder zurückgeben oder mit der Frau Siniensi verlassen. Auch Fremde des Dorfes dürfen aus keiner Sektion eine schon verheiratete Frau heiraten, wenn sie ihren Wohnsitz in Siniensi behalten wollen.
Da die Häuptlinge von Sandema und Wiaga sich mit allen Lineages ihres Dorfes gut verstehen wollen, besteht auch für sie das Verbot, Ehefrauen aus dem eigenen Dorfes zu heiraten.
In Uwasi dürfen von den angeblich älteren Sektionen nur “Ehefrauen” aus den Sektionen geheiratet werden, die sich später als Fremdlinge in Uwasi niedergelassen haben (Angmong-yeri, Wasik, Achang-yeri). Ähnlich ist es in Doninga, wo nur aus Yipaala-Kong, einer Sisala-Subsektion, “Töchter und Ehefrauen” von den übrigen Sektionen geheiratet werden.
Auch in Wiesi (Wiasi) und Fumbisi heiratet man aus den meisten anderen Sektionen nur “Töchter”, doch gibt es in beiden Ortschaften auch Sektionen, aus denen man sich nur verheiratete Frauen oder “Ehefrauen” und/oder “Töchter” nimmt, ohne dass diese Sektionen eindeutig als fremde Gruppen nachgewiesen werden konnten.
Zu den Heiratsverboten aus Feindschaft mussten in früheren Zeiten auch Heiraten aus verfeindeten ethnischen Gruppen gerechnet werden. Andere Stämme mussten als potentielle Feinde angesehen werden, und eine Heirat war riskant. Trotzdem war Heiraten mit Personen aus anderen Ethnien auch früher wohl keine große Seltenheit. M. Fortes4a erfuhr bei seinen Feldforschungen, dass sich der Tallensi Bangam Teroog vor 50-60 Jahren aus seiner Heirat nach Sandema begeben hat und auf dem Wege dorthin überall Verwandte traf, die ihn aufnahmen.
Die nördlichen Sektionen Sandemas (z.B. Kalijiisa) haben schon immer häufig Kasena-Frauen aus Chana geheiratet, und Männer aus Chana haben sich oft Frauen aus diesen Bulsa Sektionen genommen, wie auch aus der statischen Übersicht von Kalijiisa-Yongsa (S. 257) hervorgeht.

4. Auch aus Gründen, die man vielleicht als politisch-rituell bezeichnen kann, sind Heiraten zwischen bestimmten Gruppen verboten.
Vor einigen Jahren bewarb sich Robert Asekabta, ein Verwandter des Sandemnaab (Abilyeri), um ein junges Mädchen aus Suarinsa-Niima. Es war Robert bekannt, dass seine Familie mit Suarinsa weder verwandt noch verfeindet war. Trotzdem musste ihn sein Vater aufklären, dass er dieses Mädchen nicht heiraten könne, da Männer der Subsektion Suarinsa-Niima an der Einsetzung des Häuptlings beteiligt sind. Da das Häuptlingshaus schon von Suarinsa-Niima eine “Tochter” [Endnote 5], nämlich {251} das Häuptlingstum, erhalten habe, könne ein Mitglied des Häuptlingshauses nicht noch eine andere “Tochter” aus der gleichen Subsektion fordern.

b) Individuelle Heiratsverbote

Neben den Exogamievorschriften ganzer Gruppen hat der Einzelne noch Heiratshindernisse zu beachten, die sich aus seiner einzigartigen Stellung im Verwandtschaftssystem ergeben.
1. Ein Mann soll nicht zwei Töchter desselben Vaters und derselben Mutter heiraten, wenn diese in der Geburtenreihenfolge direkt hintereinander geboren wurden [Endnote 5a]. Ist dies trotzdem geschehen, so müssen die beiden Ehefrauen eine ganze Reihe von Vorschriften beachten. Sie dürfen z.B. nicht zur gleichen Zeit ihren Wohnraum ausfegen und müssen verschiedene Eingänge zum Gehöft benutzen. Hatte die Mutter dieser beiden Töchter eine Totgeburt zwischen den Geburten der beiden Mädchen, so bleibt das genannte Heiratsverbot bestehen. Falls ein Kind, das zeitlich zwischen zwei Töchtern geboren wurde, jedoch eine Zeitlang gelebt hat und dann als Baby starb, so tritt das oben beschriebene Heiratsverbot nicht in Kraft.
Auch zwei Vollschwestern, die andere lebende Geschwister in der Geburtenreihenfolge zwischen sich haben, sollen möglichst nicht den gleichen Gatten heiraten. G. Achaw glaubt den Grund darin zu sehen, dass sonst die Verpflichtung des Gatten dem schwiegerelterlichen Haus gegenüber zu groß wird. Eigentlich müsste er seinen Schwiegereltern zweimal im Jahr bei der Feldarbeit helfen (für jede Frau einen Tag); dies geschieht jedoch in einem solchen Fall nur sehr selten. Auch falls etwa die Totengedenkfeier des Vaters der beiden Schwestern abgehalten wird, gerät das Haus, aus dem die beiden Schwestern stammen, ins Hintertreffen, denn der Gatte der beiden Schwestern wird nur einmal seinen Beitrag zur Totengedenkfeier leisten. Aus diesem Grunde wird es nicht einmal gern gesehen, wenn zwei Männer aus der gleichen Sektion zwei Vollschwestern heiraten, denn bei einer Totengedenkfeier werden die beiden Gatten als Abordnung der gleichen Sektion unter dem gleichen Schattenbaum sitzen und ihren Beitrag nur einmal leisten. G. Achaw (Kalijiisa-Yongsa) hatte schon große Schwierigkeiten, die Zustimmung der Eltern seiner Braut zur Heirat zu bekommen, da ein Mann aus Kalijiisa {252}-Choabisa eine Schwester des Mädchens geheiratet hatte, obwohl Choabisa eine “fremde” Subsektion ist und heute sogar aus Yongsa heiraten kann.
2. Ein Mann und seine Schwester, die in der Geburtenreihenfolge ihm unmittelbar folgt, dürfen nicht eine Tochter und einen Sohn der gleichen Eltern heiraten (Inf.: G. Achaw).
3. Ein Mann darf nicht eine Tochter aus einer anderen Ehe einer Frau seines Vaters heiraten, wenn er zusammen mit diesr Tochter Mädchen aufgewachsen ist. Falls dieses Mädchen in der Familie ihres Vaters aufgewachsen ist, kommt eine Heirat gewöhnlich nicht zustande, da die beiden Familien verfeindet sind (vgl. Kap. VII, 1a; S. 244).
4. Nach der Durchführung eines ma-bage-Rituals besteht zwischen den Familien des gastgebenden Gehöft und denen der Gäste seitdem ein Heiratsverbot (Vgl. Kap. V,3d; S. {169-173}.

c) Übertretung eines Heiratsverbots: ein Beispiel

Die Nichteinhaltung eines eindeutigen Heiratsverbots ist keine Privatsache, kein Fehltritt, den man nach einigen Jahren vergessen könnte. Eine solche Übertretung ist nach L. Amoak “the only mortal sin we Bulsa know”. Das Leben der ganzen Gruppe ist im wörtlichen Sinne bedroht. Dies soll an einem Fall von kabong (Pl. kabonsa) in Wiaga-Sinyansa-Badomsa dargestellt werden, in dessen Geschichte mich L. Amoak eingeweiht hat. Kabong ist eine besonders schwere Variante des Ehebruchs.
Etwa um das Jahr 1950 heiratete ein gewisser Asiok aus Badomsa die Ehefrau eines Ayamaasa aus Siniensi. Die Frau stammte aus Kubelinsa und hätte vor ihrer Heirat mit Ayamaasa einen Badomsa-Mann heiraten können.
Das verwandtschaftliche Verhältnis zwischen Asiok und Ayamaasa kann wie folgt dargestellt werden:

Abb.: Genealogie

{253}Die Siniensi-Familie ist in weiblicher Linie mit den Nachkommen Ayariks verwandt, und schon die Kinder von Ayariks Tochter kamen nach Badomsa, um in der Sektion ihrer Mutter zu leben. Erst Ayamaasas Vater hat Badomsa wieder verlassen, um in die Sektion seiner Patrilinie zu ziehen. Die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Asiok und Ayamaasa sind so, dass Asiok wohl ohne größere Schwierigkeiten eine Tochter Ayamaasas hätte heiraten können, aber eine Ehefrau aus einer Linie zu heiraten, mit der man durch eine Frau verwandt ist und die außerdem noch in einer Familie (z.B. Akanming) in der eigenen Sektion wohnt, gilt als kabong. Akanming meldet dieses Vorgehen daher auch zugleich Anmang, dem Ältesten der Ayarik-bisa, der dem wen Ayariks zu opfern hat. Anmang (er war damals angeblich schon über 100 Jahre alt) schickt seinen Sohn Adiak zu Ataba mit der Forderung, sein Sohn Asiok solle sofort die Frau zurückgeben. Ataba jedoch reagiert nicht, erlaubt seinem Sohn, die Frau zu behalten und macht sich dadurch mitschuldig. “This in fact became family adultery, and it is a dirty affair [Endnote 5b] within our ancestor[s]” (L. Amoak). Anmang stirbt bald (eines natürlichen Todes), und die bogluta Ayariks und Agbanas gehen an den nächstältesten der Linie Ayarik-bisa, und das ist Ataba. Ohne das Vergehen bereinigt zu haben, opfert er Ayarik und Agbana. Als Folge ist er drei Tage später gelähmt und stirbt nach einer Woche. Die wena werden an den nächstältesten der Linie (Ayarik-bisa) weitergegeben, es ist Atiim (Leanders Bruder). Als die Brüder Atabas Atiim die bogluta Ayariks und Agbanas bringen, informieren sie ihn nicht, was in ihrer Familie geschehen ist. Atiim opfert den wena und stirbt nach einigen Tagen. L. Amoak tritt nun an die Stelle seines Bruders Atiim. Er sucht einen Wahrsager auf und erfährt erst von ihm, in welch einer gefährlichen Lage er ist. Er stellt alle Opferhandlungen an Ayarik und Agbana ein, versammelt die Ältesten aus Ayariks Linie, die Familie Asandioks gesteht die Schuld ein, und sie versprechen, die Frau zurückzuschicken. Nachdem dies geschehen ist, opfert L. Amoak (durch seinen Neffen Ayomo Atiim) Hühner und Hirsewasser – alles wird von Asandioks Nachkommen gestellt – als Sühneopfer. Die Ahnen Ayarik und Agbana lehnen jedoch dieses Opfer ab. Der Wahrsager findet heraus, dass Hühner und Hirsewasser für ein so schweres Vergehen nicht genügen. Die Ahnen verlangen ein größeres Tier (dung, Pl. dungsa), d.h. eine Ziege, ein Schaf oder ein Rind. Die {254} Nachkommen Asandioks erklären sich bereit, ein dung für das Sühneopfer zu stellen. Nach L. Amaoks letzten Information (1980?) wird die Angelegenheit bald vollkommen bereinigt sein.

d) Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Heiratsverbote aus folgenden vier Gründen bestehen können:

1) verwandtschaftliche Nähe,
2) Feindschaft,
3) politische Verflechtung,
4) lokale und emotionale Nähe.

Zu 1) Nur aus dem ersten Faktor hat sich ein echtes Tabu entwickelt, das bei Nichtbeachtung automatische Sanktionen (Missgeburten, Streit, Unglück usw.) und Sanktionen der Sektion (Ausschluss) nach sich zieht.
Zu 2) Heiraten zwischen verfeindeten Familien sind für die Bulsa schlecht denkbar, denn ein Heiratsvertrag soll bei ihnen Freundschaften zwischen Familien und Sektionen verstärken oder neue freundschaftliche Beziehungen schaffen. Von einem heiratswilligen Sohn erwartet man, dass er nicht nur Freundschaften, sondern auch Feindschaften seines Vaters oder seiner Gruppe respektiert.
Zu 3) Heiratsverbote aus Gründen politischer Verflechtung sind mir nur durch den oben beschriebenen Fall (Abilyeri – Suarinsa-Niima) bekannt. Weitere Nachforschungen über ähnliche Vorstellungen in anderen Häuptlingshäusern wären gewiss lohnenswert.
Zu 4) Der vierte Faktor hat mitunter nur eine modifizierende Wirkung, etwa wenn ein Mann eine entfernte Verwandte aus der Sektion der Mutter im Süden Ghanas heiraten darf, nicht aber in der Sektion seines Vaters, in der seine Mutter lebt oder gelebt hat.
Eine eigenständige Bedeutung bekommt dieser Faktor, wenn Fremdlinge auf dem Territorium einer Sektion siedeln. In Kalijiisa-Yongsa gibt es zwei Häuser, deren Vorfahren vor langer Zeit (Ende des 19. Jahrhunderts?) aus dem Süden des Bulsa-Landes kamen und in der Zeit kriegerischer Auseinandersetzungen hier angesiedelt wurden. Sie {255} respektieren auch heute noch andere Totemtiere (fiok-Affe statt waaung-Affe) [Endnote 6] . Trotzdem darf keiner aus Yongsa in diese oder aus diesen Häusern heiraten.
Dieses Heiratsverbot bei einer Neuansiedlung tritt nicht unmittelbar nach dem Umzug in Kraft. Man sagte mir, dass etwa nach dem Tod des letzten Hausbewohners, der die Neuansiedlung noch leiblich miterlebt hat, die Zeit für ein Heiratsverbot mit der Gastsektion gekommen sei. Ohne Zweifel spielt jedoch die emotionale und auch wohl politische Bindung der Hausbewohner eine Rolle. Die zwei Häuser in Yongsa hatten nach ihrer Neuansiedlung jeden Kontakt mit ihrer Heimatsektion verloren, und sie wissen heute (angeblich) nicht mehr, aus welcher Sektion sie kamen. Heute betrachten sie es jedenfalls als eine Beleidigung, wenn man ihnen gegenüber behauptet, sie seien keine Ayong-bisa. Die drei Absplitterungen vom Häuptlingshaus (Sandema-Abilyeri), die in Suarinsa eine neue Wohnsektion gefunden haben, betrachten sich jedoch noch ganz als Angehörige von Abilyeri, und man hält es hier für sehr unwahrscheinlich, dass es je zu einer Heiratserlaubnis mit der Wohnsektion Suarinsa kommen wird.
Das Prinzip der lokalen und emotionalen Nähe als Hinderungsgrund für eine Heirat wird nicht immer eingehalten. Wenn auch die Heirat einer geschiedenen Frau des Vaters durch den Sohn zu Lebzeiten des Vaters ganz undenkbar wäre, so dürfen doch die Söhne nach dem Tod und der Totengedenkfeier des Vaters dessen Frauen heiraten, soweit es sich nicht um die eigene leibliche Mutter handelt oder um eine Frau aus der Sektion der eigenen Mutter. Die lokale und auch emotionale Nähe zwischen dem Sohn und den Frauen des Vaters zeigt sich nicht nur im Zusammenleben, sondern auch darin, dass der Sohn diese Frauen nicht nur Mutter (ma) genannt hat, diese Frauen haben oft auch mütterliche Funktionen ihm gegenüber ausgeübt.
Für den seltener eintretenden (und in der Lineage auch sehr umstrittenen) Fall, dass ein Vater die Frau des verstorbenen Sohnes heiratet, ist mir ein Beispiel in Sandema-Kalijiisa bekannt geworden.
Auch wenn ein kleines Mädchen als doglie in ein Haus geholt wird [Endnote 7] und fast wie Geschwister mit den gleichaltrigen Kindern des Hauses aufwächst, um später einem dieser Kinder zur Frau gegeben zu werden, wird eine Ehe geschlossen, obwohl vorher schon emotionale Beziehungen {256} nichtsexueller Art bestanden, die mit echten verwandtschaftlichen Bindungen zu vergleichen sind.
Bei den Bulsa gibt es keine vorgeschriebenen oder besonders empfohlenen Heiratsverbindungen, wie z.B. die Kreuzbasenheirat (cross-cousin-marriage) bei vielen Akan-Völkern. Dennoch zeigen genealogische Untersuchungen folgende beiden Tendenzen bei der Partnerwahl:
1. Es besteht in polygamen Ehen eine Tendenz, mehr als eine Frau aus der gleichen Sektion zu nehmen. In vielen der untersuchten Fälle mag es wohl so sein, dass sich eine ältere Ehefrau ein jüngeres Mädchen aus ihrer Familie oder Verwandtschaft als Hausgehilfin (doglie) geholt hat, um sie dann später ihrem Mann als Ehefrau anzubieten. Gegen diesen Brauch sprechen die oben (Kap. VII, 1a; S. 251) angeführten Gründe, besonders wenn die Frauen aus dem gleichen Haus kommen. Von den 69 in Yongsa eingeheirateten Frauen[Endnote 8] kommen zum Beispiel 5 aus Abil-yeri, die vor einigen Jahren noch alle im gleichen Hause Abiako-yeri wohnten. Von einer dieser Frauen ist mir bekannt, dass sie als doglie kam. Im Hause Akumkadoas stammen von den vier Frauen des Hausherrn drei aus der gleichen Sektion in Siniensi. Ist es ein Zufall, dass die drei aus Wiaga nach Yongsa eingeheirateten Frauen alle aus der Sektion Chiok stammen?
2. M. Fortes hat für die Tallensi nachgewiesen [Endnote 9], dass Frauen vorzugsweise aus geographisch nahen Gebieten geheiratet werden und dabei auch Stammesgrenzen übersprungen werden [Endnote 9a]. Diese These soll am Beispiel Yongsa für eine Bulsa-Subsektion überprüft werden. Wie ich zu spät bemerkt habe, eignet sich Yongsa nicht besonders gut für eine repräsentative Untersuchung und zwar aus folgenden Gründen:
a) Mehr als die anderen Sektionen Sandemas haben sich die Männer Kalijiisas, und hier wohl besonders Yongsas, dem Kola-Handel gewidmet und kommen so häufiger als die jungen Männer anderer Sektionen in weit entfernte Gebiete.
b) Eine Untersuchung, ob Yongsa-Männer vorzugsweise Frauen aus angrenzenden Sektionen heiraten, lässt sich schlecht durchführen, da Yongsa im Süden und Südwesten an Sektionen (Kobdem und Longsa) grenzt, aus denen Kalijiisa noch vor einigen Jahrzehnten keine Frauen heiraten durfte, und auch heute noch scheuen sich die meisten Männer vor {257} eine solche Ehe einzugehen. Im Nordwesten, Norden und Nordosten grenzt Yongsa an andere Subsektionen der großen Sektion Kalijiisa, die im Norden durch einen etwa 8 km breiten Buschstreifen von Chana getrennt ist. Im Westen schließen sich an Yongsa einige wenige Häuser der Subsektion Kalijiisa-Chariba an, an die sich weiter im Westen eins der größten unbewohnten Savannengebiete des Bulsa-Landes anreiht. Nur im Südosten grenzt Yongsa an Bilinsa-Tankunsa, aus dem Yongsa-Männer heiraten dürfen. Die folgende Übersicht gibt Aufschluss darüber, aus welchen Ortschaften und Sektionen sich die Yongsa-Männer ihre 69 Frauen genommen haben (Stichtag: 1. Juli 1974).

A) Bulsa: 56 (Frauen)
1. Sandema: 36
a) Bilinsa: 14
Tankunsa: 7
Pungsa: 4
Bilinmonsa: 2
Bilinsobsa: 1
b) Balansa: 6
c) Abil-yeri: 5
d) Nyansa: 4
e) Suarinsa: 3
f) Fiisa: 2
g) Kandem: 1
h) Kalibisa: 1
2. Siniensi: 9
3. Chuchuliga: 4
4. Wiaga (-Chiok): 3
5. Fumbisi: 1
6. Gbedema: 1
7. Uwasi: 1
8. Kadema: 1

B) Kasena:
Chana: 13

Trotz der oben dargelegten Bedenken hat die Untersuchung Yongsas folgende Ergebnisse erbracht:
1. Über 60 % aller in Yongsa eingeheirateten Frauen kommen aus der gleichen Ortschaft Sandema {258}
2. Die ethnische Grenze (Bulsa-Kasena) hat sich augenscheinlich als geringeres Hindernis erwiesen als die großen Entfernungen zu anderen Bulsa-Ortschaften: Kunkwa, Kanjaga, Doninga und Wiesi sind gar nicht vertreten, Fumbisi, Uwasi, Gbedema und Kadema nur durch je eine Frau.
3. Die einzige an Yongsa angrenzende Sektion, aus der ohne Einschränkungen auch in der Vergangenheit Frauen geheiratet werden konnten (Bilinsa), rangiert an der Spitze aller Sandema-Sektionen. Innerhalb Bilinsas ist es Tankunsa, die unmittelbar an Yongsa angrenzende Subsektion, aus der anteilmäßig die meisten Frauen Bilinsas von Yongsa-Männern geheiratet wurden. Aber auch innerhalb Yongsas hat das Haus, das direkt an der Grenze zu Tankunsa liegt (Amoanung-yeri), am stärksten aus dieser Subsektion geheiratet (3 Frauen).

2. BRAUTWERBUNG UND EHESCHLIESSUNG

a) Eheschließung ohne Werbung [Endnote 9b]

Eine Ehe kann fast ganz ohne Werbung zustande kommen, so z.B. wenn eine verheiratete Frau ein junges Mädchen aus ihrer Verwandtschaft als Hausgehilfin (doglie) in ihr Haus holt und sie später ihrem Gatten oder eventuell einem anderen Mann des Hauses zur Frau gibt. Wie bereits geschildert wurde (Kap. 1,3: S. 41), kann eine solche Vollmacht der verheirateten Frau über eine jüngere Verwandte rituell begründet sein, etwa wenn die Zeremonien des Hüftschnuranlegens bei einer Schwangeren ausgeführt wurden. Aber auch allein die Tatsache, dass der Ehefrau eine junge Verwandte hilft, verschafft ihr Vollmachten über das Mädchen.
Voraussetzung für die Gründung einer neuen Eheverbindung ist natürlich die Zustimmung des Gatten, aber hier wird selten ein ‟Nein” kommen, wenn der Mann bereit ist, polygam zu leben. Auch das Mädchen selbst kann den Wunsch äußern, lieber einen anderen Mann des Hauses zu heiraten. Respektiert man diesen Wunsch nicht, so muss man damit rechnen, dass das Mädchen in sein Elternhaus zurückläuft {259}, was auch geschieht, wenn es einen Mann aus einer anderen Sektion heiraten will. In einem mir bekannten Fall wurde von den Eltern des zurückgekehrten Mädchens kein weiterer Druck ausgeübt, den Kandidaten der Vatersschwester zu heiraten.
In Yongsa-Abiako-yeri hat die Frau eines über 70jährigen Hausherrn eine etwa 3-4jährige Verwandte aus ihrer Sektion ins Haus geholt. Man denkt zwar nicht an eine spätere Heirat mit dem Hausherrn, aber die Ehe mit einem seiner erwachsenen Söhne, die sich heute wenig um das Kind kümmern, wird nicht ausgeschlossen.

b) Kennenlernen und Werbung (lie-yaaka oder dueni deka)

In der traditionellen Gesellschaft der Bulsa gibt es vor allem zwei Begebenheiten, bei denen man selbst nach einem Heiratspartner eigener Wahl Ausschau halten kann:

1. große Feste, zu denen auch Vertreter anderer Lineages und Sektionen erscheinen,
2. Märkte.

Unter großen Festen sind hier z.B. Erntefeste [Endnote 10], Totengedenkfeiern großer Persönlichkeiten und Hochzeiten zu verstehen. Die ältere Generation hat gegen den Nebenzweck dieser Veranstaltungen als Heiratsmarkt gewöhnlich nichts einzuwenden. Auf der Totengedenkfeier eines großen Kriegers in Sandema-Choabisa sprach ein alter Mann in einer Rede den Wunsch aus, es mögen alle anwesenden Junggesellen bei dieser Feier eine Ehepartnerin finden. Dass bei Hochzeiten und den sich anschließenden Besuchen leicht weitere eheliche Verbindungen zwischen den beiden Klansektionen geknüpft werden, soll unten noch gezeigt werden.
Als eigentlicher Treffpunkt der heiratslustigen jungen Leute gilt jedoch der in den meisten Bulsa-Ortschaften alle drei Tage stattfindende Markt. Hier mag es vorkommen, dass ein junger Mann häufiger schon voller Bewunderung ein Mädchen beobachtet hat, das er noch nicht näher kennt.
Folgende Eigenschaften unbekannter Mädchen, die Bewunderung, Zuneigung und Heiratswünsche erwecken, wurden häufig von männlichen Informanten genannt {260}:

1. Schönheit,
2. körperliche Stärke und Arbeitsfähigkeit,
3. Gesundheit,
4. Tauglichkeit zur Geburt und Kinderaufzucht (breite Hüften und nicht zu kleine Brüste).

Allgemein lässt sich sagen, dass ein gesund aussehendes, starkes und nicht zu dünnes Mädchen mit ausgeprägten weiblichen Merkmalen auch als schön empfunden wird. Als besondere Schönheitsmerkmale gelten eine hellbraune (moanung) Haut und eine kleine Lücke zwischen den oberen Schneidezähnen.
Es kommt durchaus vor, dass sich ein junger Mann spontan in ein Mädchen verliebt, ohne dass er seine Beweggründe genau beschreiben kann. Als Beispiel hierfür soll ein Teil aus der Lebensgeschichte eines 20jährigen Mannes aus Wiaga-Yisobsa-Guuta zitiert werden:

Now the last and most interesting is Agnes … from Kanjaga . . I got to know this girl at a native dance in Accra, the capital city of Ghana. They were dancing in the name of a new chief who was selected to look after the Bulsas in Accra. As the marvellous drums were in action, this girl jumped in and started dancing. All the around people were so surprised that every Tom, Dick and Harry was clapping hands und placing money on her forehead. I was compelled to pull out a Cedi and place it on the girl’s forehead as it is done according to our traditional activities. So on that very evening I started to bring love matters with the girl. She also became interested in me, and we started corresponding each other through letters … Although I am not yet married, I cherish my hope that sooner or later I shall marry. My mind is telling me that my future wife will be Agnes.

Einige junge Bulsa betonen, dass es eine Überwindung kostet, ein unbekanntes Mädchen anzusprechen, und manchmal fühlen sie sich zu schüchtern, sich dem verehrten Mädchen zu nähern. Auch ein Anknüpfungspunkt für ein Gespräch bietet sich nicht immer an. G. Achaw glaubt, dass es ein guter Trick ist, dem Mädchen einen Fehler nachzuweisen {261}, etwa dass sie den Bewerber angerempelt hat, dass sie nicht gegrüßt hat oder etwas Ähnliches. Falls der Bewerber zu schüchtern ist, kann er auch seine Freunde bitten, ihm zu helfen. G. Achaw schreibt:
I went and told my companions and showed them the girl, and they called her and spoke to her, because it is not my companions who are after her and as such they don’t fear her. When my companions spoke with her, they found out that she was a girl who was shy to speak. She could not stand before many people to speak.

Augustine Akanbe beschreibt ein erstes Gespräch, wie es ein Bewerber auf dem Markt führen kann. Obwohl es in der Darstellung fast als Norm hingestellt wird, mag es doch starke autobiographische Züge tragen.

He will have to ask the girl: “Are you a daughter of the house where you come from? Or are you a wife to that house?” The girl will not answer him at first, but put a return question to him: “What do you mean by that? Do you want me to be a daughter of that house or do you want me to be a wife of that house?” The man will then say to her:”My reason of asking you these questions is that I love you as I saw your face.” The girl will then say: ” I see. What do you mean by love? Do you love me to be your girl friend or do you love me to be your main friend?” The man will say to her: “I love you to be my future wife, but if you have a husband and as I saw your face, I shall still love you to be my main friend.”

Anmerkung: Unter main friend (Buli: pok nong) versteht Augustine die Freundschaft zwischen einer verheirateten Frau und ihrem Verehrer, von der der Gatte der Frau weiß und zu der er seine Zustimmung gegeben hat. Als Entgelt für die gewöhnlich “platonische” Liebe verrichtet der Verehrer einige Feldarbeiten für die verheiratete Frau und ihren Gatten. Wie aus dem zitierten Zwiegespräch hervorgeht, ist der Anlass für ein pok nong-Verhältnis mitunter ein Heiratsverbot. Wenn wegen einer zu nahen Verwandtschaft eine von einem Mann begehrte Frau den Bewerber nicht heiraten darf, so kann er sie vielleicht doch als sein pok-nong gewinnen.
{262}.
Die Bemerkungen G. Achaws und das von Augustine zitierte Zwiegespräch zeigen deutlich, dass das Mädchen keineswegs sofort auf die Werbungen des Mannes eingehen darf. Es ist – je nach Temperament – zurückhaltend oder versucht, dem Partner immer mehr Zugeständnisse zu entlocken, ohne selbst auch nur die geringsten Konzessionen zu machen. Das zitierte Zwiegespräch führt auch schon auf die entscheidendsten Fragen hin, nämlich ob das Mädchen schon verheiratet ist und ob irgendwelche Heiratsverbote gegen eine eheliche Verbindung sprechen. Der zweite Hinderungsgrund ist meistens viel schwerwiegender als der erste. Nicht immer fragt der Bewerber das Mädchen so direkt wie es oben geschieht. Oft wird er diese Erkundigungen von anderer Seite einholen, wobei ihm seine Freunde helfen können.
An mehreren Markttagen können Gespräche zwischen dem Bewerber und seinen Freunden einerseits und dem Mädchen andererseits geführt werden, bis die entscheidende Frage kommt, ob der Bewerber die Eltern des Mädchens aufsuchen kann. Die Umworbene hat kein Recht, diese Frage zu verneinen, und eine positive Antwort bedeutet daher keineswegs ein Eingehen auf die Werbung des Mannes. In Augustines Bericht kommt die Anregung zu diesem Besuch sogar vom Mädchen als Ausweichantwort auf die Frage, ob es den Bewerber heiraten wolle:

Then the man will ask her: “Will you marry me or don’t you like me?” She will answer: “Why don’t I like you? Are you not a man? You are a man and I am a woman. So I have to like you, but you have to come and visit my parents and tell them that you have met me at this place and you begin to love me.”

Der Bewerber kann hier schon dem Mädchen ein kleines Geschenk machen oder ihr Geld geben, dass sie für die Eltern etwas kaufen kann, um sie günstig zu stimmen.

c) Hausbesuche
Schon auf dem Weg zur Sektion des Mädchens unterliegen der Bewerber und seine Freunde bestimmten Einschränkungen. Läuft ihnen ein jagdbares Tier (z.B. ein Hase) über den Weg, so dürfen sie es nicht {263} töten, und dieses Verbot gilt auch für weitere Besuche im Elternhaus der Umworbenen [Endnote 11].
Bevor die Bewerbergruppe das Elternhaus des Mädchens betritt, nimmt sie Kontakte mit einem Nachbarhaus auf. Der Nachbar erkundigt sich im Haus der Umworbenen nach folgenden Dingen (soweit er nicht selbst Auskunft geben kann):

1. Wird gerade eine Matte (tiak) geflochten?
2. Wird gerade Schibutter (kpaam) bereitet?
3. Wird gerade Pito (daam) gebraut [Endnote 12]?
4. Wird gerade eine Totengedenkfeier abgehalten?
5. Ist jemand im Hause gestorben, der noch nicht beerdigt ist?

Wird eine der fünf Fragen mit “ja” beantwortet, so muss die Bewerbergruppe sofort wieder abziehen. Würde sie trotzdem das Haus der Frau aufsuchen, so würde diese und/oder der werbende Mann in der ersten Zeit ihrer Ehe sterben, nach anderer Information (Augustine) würde die Ehe unfruchtbar bleiben oder die Frau würde keine lebenden Kinder gebären können.
Nach Angaben von A. Akowan (Sandema-Longsa) kann die Werbung unter Umständen auch dann weitergeführt werden, wenn der Bewerber versehentlich in ein Haus gerät, in dem eine Matte geflochten wird oder Schibutter bereitet wird, dann nämlich, wenn die Brauteltern dem Bewerber die Matte oder einen Teil der Schibutter schenken. Dies wird gleichzeitig als ein Zeichen großen Wohlwollens dem Bewerber gegenüber gewertet. Unterbleibt die Schenkung, so muss auch nach A. Akowan der junge Mann jede Werbung aufgeben.
Gibt es für die Brautwerber keine Hinderungsgründe, so zieht die Gruppe zum Haus des Mädchens und wird (eventuell nach einer kurzen Begrüßung des Gehöftsherrn im kusung) im oder vor dem dok der Mutter des Mädchens empfangen. Das Mädchen selbst bewirtet sie, d.h. es holt ihnen Schemel oder Stühle, es bietet ihnen Wasser und manchmal auch Nahrung an. Die Freunde des Bewerbers können Wasser annehmen, der Bewerber selbst weist jedoch das Wasser zurück, “weil das Mädchen später als Ehefrau für ihn immer Wasser holen muss” (G. Achaw). Das Gleiche trifft auch auf die angebotene Nahrung zu.
Wenn schließlich die Mutter die Szene betritt, fragt sie die Gäste noch einmal, ob sie Wasser trinken wollen, obwohl sie genau weiß, dass {264} ihre Tochter diese Frage schon gestellt hat. Der Aufforderung nach Austausch der Begrüßungsformeln kommt die Mutter erst nach Zögern und Ausflüchten nach. Wenn es an der Zeit ist, den Grund des Besuches zu erklären, kann ein junger Mann etwa sagen, dass sie die Tochter im Busch (wuuta) gesehen haben, und da man annimmt, dass sie nicht im Busch wohnt, möchte man gerne ihr Elternhaus kennenlernen. Die Mutter sagt, dass es so gut sei, und ein allgemeines Gespräch kann beginnen, an dem sich aber der eigentliche Bewerber nicht beteiligt. Die direkte Frage, ob die Mutter etwas gegen eine Heirat ihrer Tochter einzuwenden hat, wird mitunter schon an die Mutter gestellt, aber sie beantwortet diese Frage nicht, sondern verspricht eine Antwort für den nächsten Besuch.
Schließlich bitten die Bewerber, die anderen Frauen des Hauses begrüßen zu dürfen, und die Gruppe geht im Haus umher. Oft werden der Vater und die anderen Männer des Hauses erst ganz zum Schluss begrüßt.
Beim ersten Besuch braucht der Bewerber noch keine offiziellen Geschenke zu geben, aber man kann etwas Pito oder ein anderes alkoholisches Getränk für die Brüder des Mädchens kaufen oder dem Vater und den anderen älteren Männern einige Kola-Nüsse geben.
Nach dem Hausbesuch, aber nicht unbedingt am gleichen Tag, werden die wena der wichtigsten Ahnen der beiden betroffenen Häuser vom Hausherrn über eine sich anbahnende Heirat informiert. Hierzu wird entweder klares Wasser aus einer Kalebasse über die wen-Steine gegossen, oder der Hausherr legt seine Hand auf die Steine, wenn er mit [Endnote 13] den Ahnen spricht. Auch später können diese über den Fortgang der Dinge in Kenntnis gesetzt werden, eventuell auch durch ein Opfer um Beistand gebeten werden [Endnote 14].
Zwischen dem ersten und zweiten Hausbesuch versucht der Bewerber, das Mädchen und dessen Familie in jeder Weise zu hofieren. Dem Mädchen und den Frauen ihrer Brüder gibt man Geld, wenn man sie auf dem Markt trifft, den Brüdern spendiert man Pito, und auch der hilfreiche Nachbar wird eingeladen. Das Mädchen selbst wird von der Bewerbergruppe nach Marktschluss nach Hause begleitet, und bei dieser Gelegenheit kann man auch den Zeitpunkt für weitere Besuche festlegen.
Beim zweiten Besuch kann die Bewerbergruppe sofort in das Elternhaus {265} des Mädchens ziehen. Wieder geht man zum dok der Mutter, wieder lehnt der Bewerber Wasser ab, und wieder macht die Mutter Einwände gegen eine Begrüßung. Diesmal jedoch gibt man der Mutter einen Geldbetrag, der früher bei 0,20 – 0,30 Cedis lag, heute (1974) etwa bei 2 Cedis liegt. Manche Bewerber sagen beim Überreichen, dass man für dieses Geld Salz kaufen könne. In Chuchuliga – ebenso wie in Navrongo und Chana – gibt der Bewerber der Mutter auch ein Perlhuhn und Salz. Das umworbene Mädchen selbst erhält ein Geldgeschenk beliebiger Höhe.
Es steht dem Bewerber frei, den Kindern des Hauses kleine Geldmünzen zu geben, um sich so bei ihnen beliebt zu machen. Auch anderen älteren Frauen kann man nach Belieben etwas Geld geben. In Sandema erhalten aber die Männer des Hauses gewöhnlich kein Geld. Dem Vater des Mädchens und allen Männern des Hauses, die älter als dieser Vater sind, muss der Bewerber Kola-Nüsse (goora) geben, die jüngeren kann er beschenken. Der Bewerber sagt dem Vater etwa, dass er sich gerade einige Kolanüsse gekauft habe, und da er noch einige übrig habe, möchte er sie dem Vater schenken. Der Vater wird eine Nuss kauen und die anderen in den Wassertopf der Hühner (kpachari, Pl. kpachaa) legen. Auch andere Männer dürfen sich später bei Bedarf Nüsse aus diesem Topf holen.
Die Frauen des Hauses sollen ihre Geldgeschenke nicht vor der Hochzeit ausgeben, da einige Bewerber sie zurückfordern, falls die Ehe nicht zustande kommt. Auch einige Männer kaufen in diesem Fall neue Kola-Nüsse, um sie dem Bewerber zurückzugeben. Eine solche Rückforderung ist nicht gut für den Ruf des jungen Mannes, und es mag Schwierigkeiten geben, wenn er sich später um ein anderes Mädchen bewirbt, zumal die Eltern der zuerst Umworbenen oft die Eltern des zweiten Mädchens über die Rückforderung informieren.
Es kommt gelegentlich vor, dass ein Mädchen alle ihre Bewerber am gleichen Tag in ihr Haus bestellt. Sie werden dann in verschiedene Räume (diina) geführt, und Mutter und Tochter gehen von Raum (dok) zu Raum, um ihre Gäste zu begrüßen. Man sagt, dass das Mädchen den Bewerber am meisten liebt, bei dem sie sich am längsten aufhält.
Beim dritten Hausbesuch, der sich ähnlich wie der zweite Besuch, aber in manchen Teilen des Bulsa-Landes ohne Pflichtgeschenke abspielt, fragt der Bewerber die Mutter, ob er ihre Tochter als Braut heimführen {266} darf. Die Mutter antwortet, dass sie nichts dagegen habe, aber die Entscheidung liege allein bei ihrer Tochter. Sobald der Bewerber das Mädchen allein sprechen kann, wird er sie auch fragen, wann er sie entführen kann, und sie wird wieder Ausflüchte machen, zum Beispiel er habe sie noch nicht oft genug besucht. Nun ist es an der Zeit, sich bei befreundeten Hausbewohnern zu erkundigen, welchem Bewerber das Mädchen wirklich den Vorzug gibt. Stehen die eigenen Chancen nicht sehr gut, so kann eine gewaltsame Entführung (yigrika) geplant werden. Aber auch wenn man den Eindruck gewinnt, dass man “gut im Rennen liegt”, kann eine gewaltsame Entführung das einzige Mittel sein, um eine Entführung durch einen anderen Bewerber zu verhindern.

d) Gewaltsame Entführungen [Endnote 14a]

Gewaltsame Entführungen finden oft am Ende eines Markttages statt. Die Bewerbergruppe kann das Mädchen in ein Haus locken, das nahe beim Markt liegt und Verwandten oder Freunden gehört. Dort wird die Umworbene festgehalten, bis es Nacht geworden ist und sie für die männliche Gruppe gefahrlos zum Haus des Bewerbers gebracht werden kann. Falls andere Bewerber, die gewöhnlich das Mädchen nicht aus den Augen lassen, die Pläne ihres Nebenbuhlers erkannt haben, wird es einen Streit geben, und oft kommen dann Verwandte des Mädchens und führen es ins Elternhaus. In neuerer Zeit kommt es häufiger vor, dass man dem Mädchen anbietet, es auf dem Fahrrad oder besser noch auf dem Motorrad nach Hause zu bringen. Wird das Angebot angenommen, fährt man mit großer Geschwindigkeit zur eigenen Sektion.
Folgender Fall ist mir aus Kalijiisa-Yongsa bekannt: Ein Mädchen aus Bilinsa-Tankunsa wurde von der Yongsa-Bewerbergruppe auf dem Motorrad in das Haus des Bewerbers entführt. Der Vater des Mädchens war über diese Entführung sehr zornig, da seine Tochter noch die ungefärbte Hüftschnur trug (vgl. Kap. I,5; S. 44f.). Die jungen Männer des Hauses in Tankunsa sollten sie zurückholen, ohne dass sie genau wussten, in welchem Hause sie nun war. Als sie zu dem Yongsa-Haus kamen, stellte man ihnen frei, das Haus zu durchsuchen. Dem Mädchen, das mit allem {267} einverstanden war, zog man lange Hosen und einen Männerkittel (garuk, Pl. gata) an und setzte ihm einen Strohhut auf. Mein Informant G. Achaw führte die Braut so an ihren eigenen Brüdern vorbei und brachte sie in ein Nachbarhaus.
M. Arnheim berichtet aus Gbedema: Eine in Gbedema verheiratete Frau wurde von Männern aus Kanjaga entführt, danach von Männern aus Fumbisi, danach von Freunden ihres ersten Gatten aus Gbedema. Alle drei Entführungen spielten sich ein einem Zeitraum von drei Monaten ab.

e) Entführung mit Einwilligung der Frau

Falls keine gewaltsame Entführung geplant ist oder sich keine Gelegenheit ergibt, wird der Bewerber das Mädchen drängen, ihm einen Zeitpunkt für die Heimführung als Braut zu nennen. Sie wird ihm schließlich einen Ort angeben, wo man sich zur nächtlichen Stunde treffen kann. Dieser Treffpunkt ist mitunter ein Platz, der von bösen Geistern (kokta) heimgesucht wird oder eine andere Gefahr birgt. Die Braut kommt zuweilen auch gar nicht zu diesem Ort, sondern will nur den Mut des Bewerbers prüfen. Als Entschuldigung mag sie etwa sagen, dass sie von ihren Eltern beobachtet wurde.
Der Bewerber kann sie fragen, ob sie ihm ein Kleidungsstück als Zeichen ihrer Zuneigung gibt. Sollte sie dies wirklich tun, so kann der Bewerber ihrer ehrlichen Absichten sicher sein. Falls er sich nämlich hintergangen fühlt, so kann er aus Enttäuschung das Kleidungsstück, genauer gesagt den im Stoff enthaltenen Körperschmutz (daung), für einen Schadenzauber gegen sie verwenden.
Mitunter bestellt das Mädchen zwei oder mehr Bewerbergruppen zur gleichen Zeit zu verschiedenen Treffpunkten, und erst am nächsten Morgen merkt die eine oder andere Gruppe, dass sie das Spiel verloren hat, wenn das Mädchen es nicht vorgezogen hat, alle Gruppen noch einmal hinzuhalten.
In der Nacht der Entführung schläft die Braut auf einem Hausdach (wie es auch sonst in warmen, trockenen Nächten üblich ist), um sich von dem erwählten Bewerber entführen zu lassen. Oft wissen die Eltern des Mädchens von der geplanten Entführung, oder der Tag wird sogar im Gespräch mit den Eltern des Mädchens festgesetzt. Trotzdem wird die Braut gewöhnlich nachts abgeholt, und man hat mir berichtet, dass ihre Mutter mitunter die Entführergruppe begleitet und die folgende Nacht reich beschenkt im Hause des Bräutigams verbringt. Ich habe jedoch keinen konkreten Fall dieser Art kennen gelernt {268}.
Auch kommt es häufig vor, dass Bewerber schon am Nachmittag in das Haus der Braut kommen und bis in die späten Abendstunden, wenn alle anderen Hausbewohner zu Bett gegangen sind, auf dem Dach bleiben und sich mit dem Mädchen unterhalten. Den Hausbewohnern ist dann meistens die Absicht der jungen Männer bekannt, aber falls sie keine Einwände gegen diese eheliche Verbindung haben, werden sie so tun, als ahnten sie nichts. Zu später Stunde werden dann Bewerber und Braut über die Mauer klettern und zum Hause des Bräutigams ziehen.
Die Braut wird von der Männergruppe in die Mitte genommen, und man versucht, möglichst ohne viel Lärm und Aufsehen zur eigenen Sektion zu gelangen. Falls man etwa schon in einer Nachbarsektion die traditionellen Hochzeitslieder anstimmt, muss man damit rechnen, dass die Anwohner versuchen, der Gruppe die Braut wegzunehmen.
Sobald die Gruppe die Grenze zur eigenen Sektion überschritten hat, stimmen alle Männer der Gruppe Lieder an. Vor allem das folgende Lied wird in verschiedenen Variationen immer wieder gesungen:

A ku waali ba, a ku waali ba nong-liewa ku waali ba
A ku waali ba, a ku waali ba nong-liewa ku waali ba
D(u)erobai loa cheng chirika la – ooo –
Abiako biik laa cheng chirik la – ooo -.

Sie (die anderen Bewerbergruppen) sind bestraft (gepeinigt, beleidigt) worden (2x), die Geliebte, sie sind bestraft worden. (wiederholt)
Die Männer, die im Mondschein gehen – ooo –
Abiakos (Name des Hausgründers) Sohn ist es, der im Mondschein geht. – ooo –

Eine andere Variation des Hochzeitsliedes stammt ebenso wie das oben zitierte Lied aus Sandema:

Akatooknueri biik ga lie po ga tom we d(u)eroba.
D(u)erobai le cheng la.
Zula, zula.

Der Sohn des Akatooknueri geht zu einem Mädchen und geht den anderen Freunden (des Mädchens) zu melden, dass sie (die erfolgreiche Gruppe) gehen (d.h. dass sie das Mädchen entführt haben).
Zula, zula (Beleidigungswort für die anderen Bewerber) {269}.

Von anderen Liedern, die von der Altersgruppe des jungen Bräutigams gesungen werden können, betonen einige recht stark das Wir-Gefühl der jüngeren Generation, die noch nicht in die Position der Hauseigentümer aufgerückt ist. Einige Lieder lassen in auffallend starkem Maße Höflichkeit und Ehrfurcht vor älteren Leuten vermissen, die jüngere Menschen trotz vieler Meinungsverschiedenheiten der älteren Generation gewöhnlich entgegenbringen. Dies zeigt sich etwa in den beiden folgenden Liedern, die nach Auskunft von Ayarik (Wiaga-Tandem-Zuedem) fast nur bei der Heimführung einer Braut gesungen werden:

Dandem jog yam, dandem jog yamoa, jog le po yiila.
Ba nyiam ya da yuak, ba yaa yiti ka baanoa cheng, ate baanoa ga lerige lerige.
Ti sebla da ming te ba zag baandoari nag baanoa.

Alte Leute haben keinen Verstand, alte Leute haben keinen Verstand und keine Vernunft (yam und yiila sind fast Synonyme; yiila: dark Buli).
Wenn sie krank sind, stehen sie auf und gehen zum Wahrsager, und der Wahrsager belügt sie, belügt sie.
Wenn wir (sie?) gewusst hätten, würden sie den Wahrsagerstock aufheben und den Wahrsager schlagen.

Yeri-nyama ni ngaanga
Mi yaa la te ni ngaangka le ka ni kan siag ya.
Mi yaa la te ngaang ge ni siaga.

Gehöftsherren, seid gegrüßt [Endnote 15].
Ich grüße euch, und ihr antwortet nicht. Ich grüße euch, und ihr antwortet nicht.

Kurz vor dem Eintreffen der Hochzeitsgruppe im Elternhaus des Bräutigams informiert der Hausherr die Ahnen (wena) des Hauses, dass ein Fremdling (die Braut) in diesem Haus wohnen wird. Ayarik (Wiaga-Tandem-Zuedema) berichtet, dass bei seiner Hochzeit sein Vater, der auch yeri-nyono war, der Braut vor dem Betreten des Hauses eine Kalebasse Wasser über den Kopf goss (Vgl. einen ähnlichen Brauch in Kap. VII,4). Dieser Brauch besteht jedoch nur in {270} seinem Haus, nicht einmal in den anderen Häusern von Zuedema.
Bei der Heimführung einer Braut, an der ich selbst teilnehmen konnte, wurde die Braut aus Bilinsa nach Kalijiisa gebracht. Außer der Frau bestand die Gruppe aus sieben fast gleichaltrigen jungen Männern. Die meisten von ihnen kamen aus Kalijiisa und zum Teil waren es Verwandte des Bräutigams, aber auch einen jungen Mann aus Longsa konnte ich erkennen. Der Bräutigam hielt die Braut am Handgelenk fest und zog sie hinter sich her. Manchmal wurde er von einem anderen Mann der Gruppe abgelöst. Schon von weitem konnte man aus dem Haus des Bräutigams wuliing-Schreie hören. Etwa 100 m vor dem Haus kam uns die Mutter des Bräutigams entgegen, um die Gruppe auf dem letzten Stück ihres Weges zu begleiten. Vor dem Haus machte man eine Pause, dann stieg man in die Abteilung des Vaters des Bräutigams. Dieser konnte seine Glücksgefühle nur schlecht verbergen, schließlich war dies die erste Frau, die seine beiden erwachsenen Söhne ins Haus brachten. Er saß vor einem dok, an dem seine Waffen (Bogen, Pfeile und Felle erbeuteter Tiere) aushingen, und begrüßte nacheinander die Ankommenden mit Handschlag, aber ohne Grußformeln. Die Altersgruppe des Bräutigams stieg auf ein Dach, um dort weiterzusingen. Die Braut setzte man auf eine Matte in der Mitte des Innenhofes. Sie sprach am ganzen Abend fast kein Wort. Bis etwa 3 Uhr nachts wurde gesungen, getanzt, gegessen und getrunken [Endnote 15a].
In Badomsa konnte ich einen Teil der Hochzeitsfeierlichkeiten [Endnote 15b] im Hause Abasitemi Yeri beobachten und dokumentieren.
Der junge Sohn des Hausherrn hat seine Braut bereits in sein väterliches Gehöft geholt, obwohl die Eltern der Braut hiermit nicht einverstanden waren. Sie werfen ihm vor, er habe nicht genügend viele Besuche gemacht.
Die Braut sitzt während der Feier im Raum (dok) eines Bruders des Bräutigams, der wohl auf sie aufpassen soll. Später kommen noch mehrere Freunde des Bräutigams hinzu. Die Braut ist nicht so verschlossen und schweigsam, wie ich es bei zwei anderen Hochzeiten erlebt hatte. Sie nimmt an allen Opfern teil und bringt das Hirsebier in einem großen Gefäß zu den Gästen und Hausbewohnern.
Auffallend für mich war die Art des Musizierens.

Abb.: Der Bräutigam schlägt eine Kalebassenschale (Trommelersatz)

Der Bräutigam sitzt auf dem Boden des Innenhofes und eine mittelgroße Kalebasse liegt auf seinen Unterschenkeln. Er schlägt sie mit leicht gebogenen Schlagstöcken. Ein Freund hat eine Kalebassenschale auf ein Kissen gelegt und schlägt sie mit den bloßen Händen. Meine Vermutung, dass man im Augenblick keine echten Trommeln zu Hand hat, war falsch, denn es befanden sich Membrantrommeln im Haus. Diese Kalebassenidiophone sind vielmehr vorgeschrieben. Außer diesen schlägt ein Nachbarjunge zwei Kalebassenrasseln (sin-yaala), ein anderer eine Gefäßrassel in Form einer geschlossenen Kalebasse. Es tanzen vor allem Kinder, aber auch die Mutter des Gehöftherren tanzt mit einem kleinen Mädchen. Die Braut sitzt ruhig in einer Ecke.Als ich einige Fotos mache, legt sie wert darauf, dass sie mit auf ein Foto kommt.

Abb.: Links (in rot) der Bräutigam, in der Mitte die Braut und rechts ein Freund des Bräutigams
Abb.: Die Braut und ein klassifiktorischer Bruder des Gatten
Abb.: Tanzende Kinder

E. Atuick erwähnt in seinem Aufsatz (2015: 95-96) noch Aktivitäten des Gehöftherrn, die hier als Zitat wiedergegeben werden sollen:
After the singing has gone on for some time, the landlord would come in with one or two fowls, a guinea fowl and some refreshment. He would ask the singers to stop singing and listen to him. He would then express his joy at having a new addition to his compound in the form of a wife and also for having the musicians with them to entertain and make merry with them; he would then pray to his fore-fathers for a fruitful and blissful marriage and also for the protection of all who have come to the compound to join them to welcome the new bride. After saying this, he will just hit the fowl on the ground and throw it onto the roof top for the yi-yiilisa (‘musicians’) while the guinea fowl is given to them to prepare something for the new bride to eat following her long and tiresome journey to the compound. He is also expected to give another fowl to friends of his son who helped in bringing the new bride to the compound but this is not obligatory. The singers must also be given some ‘water’- (da-monung (‘pito’) or zom-nyiam (‘millet/sorghum flour water’), when foreign drinks are not available, and nowadays, akpeteshi (alcoholic drink) – to motivate and strengthen them to be able to perform well. After taking the refreshment, the singers would descend from the gbong and prepare their musical instruments (usually calabashes stocked with racks, metal buckets etc) to begin the jong-naka (making of entertaining and danceable calabash music). Meanwhile, the fowl for the singers would be de-feathered and the feathers scattered all over the floor for the new bride to clean it the next day as a sign of her readiness to take care of the house. Thereafter, there is drumming, singing and dancing throughout the night until the morning when the landlord shall come again to kill another fowl for them and bid the singers farewell.

Solche Feierlichkeiten erstrecken sich gewöhnlich über drei Tage oder, besser gesagt, über drei Nächte, denn tagsüber geht ein jeder seiner Arbeit auf seinem Gehöft nach, um abends wieder zu neuen Feiern im Hochzeitshaus zu erscheinen.
Die (klassifikatorischen) Brüder unterhalten die Braut nicht nur dadurch, dass sie ihr Leckerbissen verschaffen (z.B. Hühnerfleisch). Oft nimmt ihr Benehmen auch eine sehr anzügliche Art und Weise an (Inf. Sebastian Adanur, Sandema-Kalijiisa, 1979). Sie drücken ihre Brüste, beklopfen ihr Gesäß und früher legten sie sie auch schon einmal auf den Boden und schauten nach ob sie schon reif war. Man will durch dieses Verhalten auch prüfen, ob sie bei all dem ruhig bleibt oder ob sie die ‟Brüder‟ beschimpft. Der Gatte ist nicht eifersüchtig und zieht sich bei solchen Handlungen zurück. Von gebildeten Bulsa werden die geschilderte Tätigkeiten abgelehnt.
Im Gegensatz zu vielen südlichen Völkern Ghanas ist bei den Bulsa für die Hochzeit kein bestimmter Wochentag oder eine bestimmte Jahreszeit vorgeschrieben, jedoch soll ein Mann nicht mehr als einmal im Jahr eine Braut in sein Gehöft heimführen.
Bei den Bulsa gibt es für eine jungverheiratete Frau (nipok-liak) kein grundsätzliches Ausgehverbot. Sie kann schon gleich nach der Heimführung den Markt wieder besuchen, jedoch wird sie gewöhnlich von mehreren Personen aus dem Haus ihres Gatten begleitet, da man nie sicher sein kann, ob eine abgewiesene Bewerbergruppe nicht nachträglich noch eine gewaltsame Entführung geplant hat. Bei ihrem ersten Marktbesuch trugen {271} die Braut und alle ihre Begleiterinnen früher nicht die traditionelle Blätterkleidung (vaata), sondern vorne und hinten je ein lila gefärbtes Fasernbüschel (auch vaata genannt, vgl. Abb. 15).

f) Ältere Formen der Eheschließung

Während heute die Entführung der Braut ohne Wissen und Teilnahme der Eltern und manchmal auch gegen den Willen der umworbenen Frau die gängige Form des Brauterwerbs ist, waren früher geregeltere Formen üblich.
Nachdem mehrere Freier ihre Hausbesuche abgestattet hatten, stellten die Eltern dem Mädchen die Frage, wen es heiraten wolle. Obwohl viele Eltern versuchten, die Entscheidung zu beeinflussen, lag doch das letzte Wort bei der Tochter selbst. Die Eltern des Mädchens benachrichtigten dann die Eltern des erfolgreichen Bewerbers, die am Morgen eines festgelegten Tages zum Hause der Braut kamen. Die Brauteltern füllten nun einen großen Korb mit Nahrungsmitteln, die ihrer Tochter mitgegeben werden sollten: zum Beispiel gemahlene und ungemahlene Hirse, Salz, Dawa-dawa und einige geschlachtete Perlhühner. Auch eine neue Schlafmatte stellte man bereit. Die Eltern des Bräutigams, begleitet von einigen Verwandten, trugen diese Mitgift noch am gleichen Morgen zu ihrem Haus, in dem die Braut später wohnen sollte. All diese Dinge galten als persönliches Eigentum der Frau. Falls sie jedoch später einen anderen Mann heiratete, konnte sie die Strohmatte und den Korb nicht mitnehmen.
Noch bevor es Abend wurde, nahm die Braut Abschied von allen Hausbewohnern, die ihr kleine Geschenke (getrocknetes Fleisch, getrockneter Fisch usw.) mit auf den Weg gaben. Von ihren Eltern nahm die Braut weinend Abschied, um dadurch zu zeigen, dass sie ihre Eltern nur ungerne verließ. Am Abend des gleichen Tages zog das Mädchen, begleitet von einer Gruppe junger Verwandter, in Richtung auf das Haus des Bräutigams. Auf halbem Weg trafen sie den Bräutigam, der auch von einer Freundesgruppe begleitet wurde, und zusammen legte man den letzten Teil des Weges zurück. Sobald man die Klansektion des Bräutigams erreicht hatte, stimmten die Freunde des Bräutigams Hochzeitslieder {272} an.
Dem evolutionistisch eingestellten Leser mag es seltsam erscheinen, dass hier der “Brautraub” zeitlich gesehen nach dem “Brauterwerb durch Vertrag” liegt. Der Brautraub gilt den Bulsa als moderne Entartungserscheinung und wurde z.B. vom Sandemnaab (Häuptling von Sandema, Oberhäuptling der Bulsa) unter Strafe gestellt, zumal wenn alle Hausbesuche ausgelassen und gewaltsame Mittel angewandt werden.
Es darf hier nicht der Eindruck entstehen, als ob heute in allen Fällen die Eltern ganz ausgeschaltet würden. Es sind mir mehrere Eheschließungen aus jüngster Zeit bekannt, bei denen die Initiative von den Eltern des Bräutigams und denen der Braut ausging. Mütter und Väter suchen sogar mitunter für ihren in Südghana lebenden Sohn eine Frau aus und schicken sie diesem in seine südliche Wohnstadt. Auch Besuche des Vaters des Bräutigams im Hause des umworbenen Mädchens kommen heute noch vor (Information durch R. Schott). Trotzdem scheinen sich nach meinen Beobachtungen und nach Aussagen mehrerer Informanten immer mehr junge Leute gegen eine Einmischung ihrer Eltern bei der Brautwerbung zu wehren. Eine Untersuchung, ob durch den Individualisierungsprozess der Ehe diese an Stabilität verloren hat, wäre sicher lohnenswert.
In neuerer Zeit sind Ehen, die durch Kontaktaufnahmen der Eltern mit den Schwiegereltern zustande kommen selten und man scheint dann auf sie zurückzugreifen, wenn alle anderen Mittel der Werbung erfolglos geblieben sind. Eine solche Situation erlebte ich bei meinem Assistenten Danlardy 1988. Nach mehreren vergeblichen Bemühungen um eine Frau, schrieb er mir, dass er eine Tochter des Kadema-chiefs heiraten werde. Diese starb jedoch im Krankenhaus von Sandema. Danlardy selbst konnte an ihrer Überführung und Bestattung aus emotionalen Gründen nicht teilnehmen. Nachdem auch der Versuch, eine doglie seiner elterlichen Familie zu heiraten gescheitert war, übergab er die Angelegenheit seinen Müttern. Eine jüngere Frau seines Vaters fand schließlich in ihrer Geburtssektion Guuta ein passendes Mädchen, das allerdings noch zur Schule (Klasse F3 der Sandema Continuation School) ging und etwa 18 Jahre alt war. Am Morgen des 22.12.1988 gingen zwei Stiefmütter Danlardys zum Gehöft des Mädchens und brachten sie zuerst nach Wiaga-Goansa, wo Danlardy damals wohnte und dann zum traditionellen Stammgehöft in Badomsa (Siehe Kapitel VII, 2n: Kosten).

g) Ehelicher Sexualverkehr
Die ersten drei Nächte nach der Heimführung verbringt der Bräutigam mit seiner Braut noch nicht auf der gleichen Schlafmatte, d.h. er hat noch keinen Geschlechtsverkehr mit ihr. Sie schläft bei den klassifikatorischen Brüdern des Bräutigams, und obwohl zwischen diesen und der Braut ein sehr freizügiges Verhältnis besteht (s.o.), kommt es auch hier zu keinem Sexualverkehr (Inf. durch R. Schott). Am Abend des dritten Tages baden Braut und Bräutigam zusammen in einem Winkel des Gehöfts ohne Zuschauer. Sie benutzen einen Bade-Tontopf, der nicht von Europäern oder industriell angefertigt sein darf, oder eine Bade-Kalebasse. Dieses Bad hat nicht nur einen hygienischen, sondern auch einen rituellen Zweck. Mit dem Bad werden alle schlechten Taten des vergangenen Lebens, vor allem {273} im sexuellen Bereich (z.B. vorehelicher Geschlechtsverkehr der Frau) abgewaschen, und es wäre undenkbar, dass der Mann später nach dem Bad seiner Frau Vorhaltungen macht, weil sie nicht mehr unberührt ist. Auch frühere Ehebindungen der Frau sollen durch dieses Bad gelöst werden.
Nach Sebastian Adanur (Sandema-Kalijiisa) findet dieses Bad nur dann statt, wenn die Frau vorher Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann (zum Beispiel ihrem früheren Ehemann) hatte. Das Badewasser soll die Macht des früheren Mannes, vor allem auch seinen Einfluss durch die song-Schadensmedizin, beseitigen [Endnote 15c].
Meine Informantin aus Gbedema schränkt die Notwendigkeit des gemeinsamen Bads noch weiter ein: Es findet in Gbedema nur statt, wenn die Frau schon früher mit ihrem neuen Bräutigam verheiratet war, ihn verlassen hat, um mit einem anderen Mann zu leben, und dann zu ihren ersten Ehemann zurückgekehrt ist. Bei vorehelichem Geschlechtsverkehr der Frau wird das gemeinsame Bad in Gbedema nicht ausgeführt.

Abb.: Nipok-tiim

Besitzt das Haus einen nipok-tiim, so opfert der Gehöftherr (yeri-nyono) diesem ein Huhn und Hirsebrei (saab). Das oben beschriebene Bad wird dann mit Wasser aus den nipok-tiim-Töpfen vorgenommen. Später essen Braut und Bräutigam eine Medizin, die aus verkohlten Wurzeln des nipok-tiim und Schibutter hergestellt wird. Besondere Riten, die dem Geschlechtsverkehr mit einem unberührten Mädchen vorausgehen, scheint es nicht zu geben. Der Hymen wird nach Auskunft einiger Informanten (z.B. Ayarik aus Tandem) durch den Penis des Mannes zerstört, andere behaupten, dass dies vom Gatten vorsichtig mit einem Finger getan wird (L. Amoak).
Der Geschlechtsverkehr wurde wenigstens früher so ausgeführt, dass die Frau auf einer Seite (meistens der rechten) liegt und der Mann ihr von hinten beiwohnt. Als Begründung für diese Stellung wurde mir von G. Achaw gesagt, dies sei die gewöhnliche Schlafstellung, nach der die Frau in der Mitte der Matte auf der rechten Seite liegt, der Mann hinter ihr und eventuell noch ein bis zweijüngere Kinder vor der Frau auf der Matte liegen. In der oben beschriebenen Sexualstellung würden auch die Eltern am wenigsten die Aufmerksamkeit der anwesenden Kinder erregen, obwohl man gewöhnlich wartet, bis die Kinder eingeschlafen sind. Vorreizungen, zum Beispiel Reiben der Brustwarzen der Frau, sind bekannt und werden auch angewandt, wenn – wie G. Achaw sagt – der Mann “romantische Gefühle hat” (feels like romance). Die Frau kann jedoch nicht verlangen, dass der Verkehr erst beginnt, wenn auch sie sexuell erregt ist.
Die Bereitschaft des männlichen Partners wird gewöhnlich durch Berührungen und andere Manipulationen erreicht, nicht durch visuelle Mittel. Der Anblick einer nackten Frau bewirkt gewöhnlich keine Erektion, manche Männer sollen sogar zum Geschlechtsakt unfähig sein, wenn sie vorher eine Vagina gesehen haben (Inf. Gbedema).
Coitus interruptus war nach meinen Erkundigungen vor dem Eintreffen der Europäer bekannt, wurde jedoch wenig praktiziert, da nach Aussagen eines alten Mannes das Lustgefühl darunter leide und außerdem Empfängnis im Normalfall angestrebt wird. Mehr als ein Orgasmus an einem Tag wird selten gewünscht, da der Mann durch Sexualverkehr einen Teil seiner nying-yogsa-pagrem (Gesundheits-Kraft) verliert (vgl. Kap. V,1 S. 145). Beim Geschlechtsverkehr befinden sich die Beteiligten in einem Zustand starker Gefährdung. Unbedeutende Vorkommnisse können hier {274} eine starke Wirkung haben. G. Achaw gab folgende Information an R. Schott [Endnote 16]:

There is a belief that when you are sleeping with your wife and she happens to pass urine on the bed or whatever you are sleeping on, and a white ant bites any of you, the one who is bitten by the ant dies. When you are having sexual intercourse with your wife and you cough, you shall get T.B. if you fail to say it out so that they may bring the medicine and perform the custom. The custom is performed in the room where you were sleeping; they close you, your wife, the owner of the medicine inside the room. While the medicine is burning in the fire you are to go on having sexual intercourse with your wife.

h) Akaayaali

Für die Gültigkeit einer Ehe sind vor allem die akayaali und das später stattfindende nansiung-lika Ritual notwendig. Die Langform des erstgenannten Rituals lautet ‟Akaayaali ale wa boro‟ (Suchet sie [die Braut] nicht, sie ist [hier bei uns].
Im Regelfall einige Tage nach der Entführung (mitunter vergehen jedoch einige Jahre) schickt der Bräutigam einen Vermittler (san-yigma oder sinyigmo) zum Hause der Braut, um offiziell den Schwiegereltern mitzuteilen, dass er ihre Tochter als Braut in sein Haus geführt hat. Der Vermittler stammt gewöhnlich aus der Sektion des Bräutigams und ist durch matrilineare Abstammung oder durch Heiraten mit der Linie der Braut verwandt und befreundet. Für Verhandlungen um eine doglie wird immer der gleiche san-yigma eingeschaltet, der seine Hilfe bereits während der Hochzeit und zur Verfügung gestellt hat.
Das akaayaali-Ritual wird vor allem im Kapitel über die Zahlungen (n) meines Assistenten Danlardy für die Hochzeit beschrieben. Das kayiita-Ritual (Besuch der Brüder, Kapitel VII,2i; S. 276) kann als Teil von akaayaali angesehen.
E. Atuick hat dieses Ritual folgendermaßen beschrieben:

A day or two after the akuwaaliba [taking the bride to the husband’s house], the young man (groom), in the company of a friend or two, must return to the compound of the bride to formally inform her father that they should stop looking for her because she is with them and that they are willing and ready to formalize their union. The father of the young woman would then tell them everything they needed to know as to what to do to formalize the marriage. Having officially informed the landlord and heard what is demanded from them, the young man and his friend(s) would bid him farewell and depart for home. Following their return to their compound, the brothers of the bride will follow up to the compound of their sister’s husband for the poi-deka (‘eating of the womb’) whereby there is the symbolic killing of an animal (either a dog, sheep or goat) for the brothers who must eat everything with the exception of the waist, which must be handed over to the head of the girl’s family upon their return home. This actually confirms that their sister or daughter is actually married and that her brothers have been treated well by her husband and his family.
After the poi-deka, the family must recruit a san-yigma (‘the link-man’), usually a man whose mother or grandmother hails from the community of the bride or a nearby community, who performs the actual marriage rites on behalf of the groom. Once a san-yigma is found, they provide him with all the necessary items for the “akaayaali-ali-wa-boro” for him to proceed to the compound of the lady to initiate the rites. The items for this rite vary from place to place; in some areas they collect goora, tabi (‘tobacco’) and money – kuboata pisinu (‘50 pesewas’) while in other places they collect only goora and money – kuboata-pisinu. The san-yigma on getting to the area where the woman hails from, would usually find the san-yigdiak (a man who has relations with the place of origin of the groom, especially one whose mother hails from that area or an area closer to that area) to assist him to perform the rites. The two of them then proceed to the bride’s paternal compound and hand over the items required after going through the necessary customary greetings and formalities. The acceptance of these items virtually signifies that the family of the woman have accepted and formally given her hand in marriage to the man on whose behalf the san-yigma and san-yigdiak have come to greet and offer the items. It also means that another man cannot come to seek the lady’s hand in marriage since the family is now aware of her marriage to that particular man. Once the items have been accepted, the san-yigma must return to tell the groom and his family what transpired over there and what else is expected of them.

i) Besuch der Brüder [Endnote 17] {276}

In Buli gibt es mehrere Bezeichnungen für dieses Ritual: kayiita, kayiita-deka (deka = das Essen, die Ausführung), biak-ngobika (Essen des Hundes) oder (seltener?) taa-ngang-sangka (= der Schwester nachgehen, sangi = to fix); E. Atuick gebraucht den Begriff poi-deka (eating the stomach) womit symbolisch das ganze Tier gemeint ist.
Das kayiita-Ritual kann wohl gleich nach dem akaayaali-Ritual (E. Atuick) oder auch längere Zeit vor diesem stattfinden, wie ich es im Hause Danlardys erlebte.
Nachdem die Eltern der Braut informiert worden sind, dass ihre Tochter von einem bestimmten Bewerber entführt worden ist, ist es an der Zeit für die Brüder der Braut, zum Hause des Bräutigams zu kommen. Sie bleiben vor dem Hause stehen und fragen, ob ihre vermisste Schwester vielleicht in diesem Hause sei. Sie werden vom Hausherrn ins {277} Haus gebeten, aber sie lehnen zunächst ab, da sie angeblich keine Zeit hätten. Falls ihre Schwester nicht in diesem Hause sei, müssten sie sie noch in anderen Häusern suchen. Nun können Hausbewohner den Brüdern etwa ein gebratenes Huhn herausbringen, um sie aufzuhalten.
Inzwischen berät man sich drinnen, ob man einen Hund für die Brüder töten kann, wie es eigentlich der Tradition entspricht oder ob man ersatzweise eine Ziege oder ein Schaf schlachten soll. Die Brüder werden hereingeholt, um das lebende Tier zu begutachten. Einer von ihnen wird nun seine Hand in die Seite des Tieres halten und sagen, dass dort noch ein Loch sei, das ausgestopft werden müsse. Man wird den Brüdern ein lebendes Huhn geben, um damit “das Loch zu stopfen”. Die Brüder mögen für andere “Löcher” im Tier weitere Hühner fordern, bis der Hausherr (zum Schein) zornig wird. Alle geschenkten Hühner können von den Brüdern lebend mit nach Hause genommen werden.
Nun schlachtet man den Hund, und nach seiner Zubereitung bewirtet man die Brüder mit seinem Fleisch und T.Z. Nach einiger Zeit mögen die Brüder sagen, dass man ihnen nicht alles Fleisch geschickt habe. Wie G. Achaw berichtet, ist diese Beschwerde jedoch nur eine Falle, denn wenn der Hausherr ihnen auch den gebratenen Kopf des Hundes schickte, so würden die Brüder sofort sagen, sie seien von dem “Zähnebesitzer” (nyina nyono; eine Umschreibung für Hund) gebissen worden, und der Hausherr müsste ihnen als Sühne einen Geldbetrag geben.
Auch der Hirsebrei (T.Z., Buli saab), der von Frauen des Hauses in einer Kalebasse gebracht wird, findet die Kritik der Brüder. Man bemängelt, dass die Kalebasse wackelt. Hierauf legt der Gatte oder der Hausherr eine Münze unter die Kalebasse, aber nun wackelt sie zur anderen Seite hin. Oft sind die Brüder erst zufrieden, wenn die Kalebasse an allen Seiten von Münzen gestützt wird. Der Hausherr konnte früher dem Übel der wackelnden Kalebasse auch abhelfen, indem er ein kleines Mädchen schickte, das die Kalebasse in ihren Händen halten musste, während die Brüder daraus aßen. Dieses Mädchen wurde, wenn es heiratsfähig war, einem der Brüder zur Frau gegeben. Die Eltern der Brüder stellten sofort nach ihrer Rückkehr ins Elternhaus fest, welcher der Brüder das Mädchen bekommen sollte.
Heute fordern manche junge Männer, die zum Hause ihres Schwagers gehen, den Hund (bzw. die Ziege oder das Schaf) lebend, um ihn {278} dann auf dem Markt zu verkaufen. Eine solche Forderung wird jedoch von vielen Bulsa als eine moderne Entartung angesehen.
Die Brüder gehen gewöhnlich erst am nächsten Morgen mit ihren Geschenken nach Hause, nachdem sie eine ganze Nacht lang bewirtet worden sind.
Als Ayarik (Wiaga-Tandem-Zuedema) nach seiner Heirat den Besuch der vier Brüder seiner Frau erhielt, gab er ihnen außer den oben angeführten Geschenken noch 2 Flaschen akpeteshi [Endnote 18] und zusammen 2.10 Cedis. Dieser Geldbetrag, der den Wert eines Guinea (21 alte Schillinge) hat, hätte sich auch nicht verändert, wenn mehr Brüder der Frau gekommen wären. Da kein Hund im Hause zur Verfügung stand, schlachtete man eine Ziege, von der allerdings auch ein Teil des Fleisches an Ayariks Frau gegeben wurde. Ayariks Vater bekam den Hals, den Kopf nahmen die Brüder mit nach Hause.
In moderner Zeit scheint sich der kayiita-Brauch leicht verändert zu haben. Nach M. Arnheim führen ihn nur noch ‟gierige‟ (greedy) Brüder der Braut aus. Auch kommen die jungen Männer nicht nur aus dem Haus der Braut, sondern auch aus anderen Gehöften ihrer Lineage. Mitunter sind es sogar Besucher, die die Braut selbst hätten heiraten können.
R. Schott machte mich darauf aufmerksam, dass zwischen dem freizügigen Verhalten der Brüder der Braut und dem späteren, ebenso freizügigen Verhalten des Sohnes aus dieser neuen Eheverbindung den Brüdern der Mutter gegenüber möglicherweise eine Reziprozität besteht. Das Forderungsrecht der Brüder der Braut und später des Kindes den Brüdern der Mutter gegenüber ist in beiden Fällen institutionalisiert. Ein ‟Neffe‟ kann sich zum Beispiel ein Huhn in dem Hause seines ‟Onkels‟ (MuBr) ungestraft einfangen und mit nach Hause nehmen. Oft ist mit diesem freizügigen Verhalten auch ein Scherzverhältnis (gbiera) verbunden.
In Gbedema erfuhr ich, dass sich dort der ‟Neffe‟ nicht nur in dem Gehöft seines leiblichen ‟Onkels‟ Freiheiten herausnehmen kann, sondern in der ganzen Sektion seiner Mutter, dort aber nicht in gleichem Maße. Die Mitnahme eines Schafes in einem weit-verwandten Haus würde wahrscheinlich zu Ärger führen.

k) Besuch der Brautmutter {278}

Einige Monate können vergehen, bis der Bräutigam mit dem Vermittler (san-yigma) [Endnote 19] einen Besuch bei den Schwiegereltern macht, um die Schwiegermutter (nganub) zum Haus des Gatten einzuladen. Dieser Besuch wird jo dok (den Raum betreten) genannt. Bevor der junge Ehemann und der Vermittler das Elternhaus der Braut betreten, beraten sie sich, wie viel Geld der Gatte der Schwiegermutter bei diesem Besuch geben soll. Die Höhe dieses Geldbetrages liegt heute (1974) bei etwa 5-20 Cedis. Die Mutter der Braut muss jeden Betrag annehmen, den ihr der san-yigma gibt. Falls es eine Unstimmigkeit gibt, wird der san-yigma gerügt, nicht der Gatte. Wenn die leibliche Mutter der Braut schon gestorben ist, erhält eine andere Frau des Brautvaters das Geld.
Nach diesem Besuch (jo dok) und diesen Zahlungen kann die Schwiegermutter {279} den neuvermählten Gatten in dessen Haus besuchen. Sie kann ihrer Tochter hierbei einige Geschenke (z.B. Hirsemehl) mitbringen. Falls diese zur Zeit des Besuches noch kein Kind geboren hat, wird die Mutter mit einem oder zwei Perlhühnern und T.Z. bewirtet. Ein Schaf oder eine Ziege für sie zu schlachten ist nur erlaubt, wenn die Tochter schon geboren hat. Die Brautmutter kann mehrere Tage und Nächte im Haus ihres Schwiegersohns bleiben, und jeden Tag bewirtet man sie wieder mit Perlhühnern und T.Z. Abends singen, musizieren und tanzen Gehöftbewohner und Gäste, als ob die Hochzeit gerade erst stattgefunden hätte.
Wenn die Brautmutter zu verstehen gibt, dass sie zurückgehen möchte, beraten die Männer des Hauses, welche Geschenke man ihr mitgeben soll. Man wird einen großen busik-Korb [Endnote 20] holen und ihn eventuell durch eingesteckte Stöcke noch vergrößern. Alle männlichen Hausbewohner bringen zuerst ihre Geschenke: Rispen- und Kolbenhirse (gemahlen und ungemahlen), Reis, geschlachtete Perlhühner, Dawa-dawa, Salz, Geld usw. Die Frauen des Hauses geben Geschenke für den oberen Teil des Korbes: getrocknetes Fleisch (Geflügel oder Wild), Dawa-dawa, Salz usw. Der Hausherr wird eine Ziege oder ein Schaf schlachten und ihr einen Teil des Fleisches gebraten, einen anderen roh im Fell des Tieres mitgeben. Oft müssen weitere Körbe herbeigeschafft werden, um all die Gaben aufzunehmen.
Einige junge verheiratete oder unverheiratete Frauen des Hauses – auch die Tochter der Besucherin kann darunter sein – begleiten die Brautmutter heim und tragen die Geschenke. Sobald die Gruppe im Elternhaus der Braut angekommen ist, werden alle wieder festlich bewirtet, und zwar erhält jede Begleiterin ein zubereitetes Perlhuhn und T.Z. Dann wird man wieder, oft bis in die frühen Morgenstunden hinein singen, tanzen und trinken. Die Begleiterinnen schlafen im Haus der Gastgeber und werden ihrerseits von einer entsprechenden Gruppe Männer nach Hause begleitet, die sich schon bei den Festlichkeiten des Vorabends um sie bemüht haben. Zwischen diesen jungen Frauen und ihren Partnern bleibt oft ein Austauschverhältnis von Dienstleistungen und Gegenleistungen erhalten. Der männliche Partner kann der verheirateten Frau auf ihrer eigenen Farm helfen, während sie ihm eine Braut aus ihrer Wohnsektion oder ihrer Geburtssektion verschaffen kann. Der Liebhaber der verheirateten Frau, der diese mit Wissen und Zustimmung {280} des Ehemannes hofiert, aber zu keinerlei sexuellen Praktiken berechtigt ist, wird als pok-nong (Freund einer Ehefrau) bezeichnet (vgl. S. 261). Ist die Frau unverheiratet, so ist eine spätere Heirat mit ihrem Partner möglich.
Einige Tage nachdem die Brautmutter das Haus des Gatten verlassen hat, wird der Gatte mit seinen Freunden dem Haus der Schwiegereltern einen kurzen Besuch abstatten, um sich zu erkundigen, ob seine Schwiegermutter wieder sicher zu Hause angekommen ist. Solch ein kurzer Gegenbesuch mit dem Zweck, sich nach der Heimkehr eines wichtigen Gastes zu erkundigen, ist bei den Bulsa allgemein Sitte (vgl. Kap. V, 3d; S. 172) und wird jianta (Müdigkeit) genannt, da man sich auch nach der Müdigkeit (Erschöpfung) des Heimkehrenden nach einem langen Fußmarsch erkundigt.
Es muss hier darauf hingewiesen werden, dass die Besuche der Brüder und der Brautmutter sowie die Zahlungen des nansiung-lika nicht unbedingt in der hier beschriebenen Reihenfolge stattfinden müssen. Das “Tor” (nansiung) wird erst oft lange Zeit nach den offiziellen Besuchen “geschlossen”. Da im Gegensatz zur Bewirtung der Brüder der Besuch der Brautmutter auch stattfinden kann, wenn der Bräutigam nicht zu Hause ist, kommt es gerade in neuerer Zeit häufiger vor, dass der Besuch der Brautmutter zeitlich vor dem Besuch der Brüder stattfindet, zumal wenn sich der Bräutigam im Süden aufhält.
Es ist mir auch ein Fall bekannt, dass eine Mutter ihre verheiratete Tochter ohne Anmeldung besucht hat und nur wie ein gewöhnlicher Gast bewirtet wurde. Der offizielle Besuch dieser Mutter steht noch aus und ist für einen späteren Zeitpunkt geplant.

l) Nansiung-lika (Das Schließen des Tores)

Dieses ist das letzte Ritual im Prozess der Eheschließung und findet immer nach dem statt. Mitunter werden jedoch alle Zahlungen an das Haus der Braut unter dem Begriff nansiung-lika zusammengefasst und sogar der nicht bei den Bulsa bestehende Brautpreis als nanisung lika bezeichnet.
Der Ausdruck ‟das Tor schließen‟ (lig nansiung) könnte möglicherweise andeuten, dass das Tor zum Elternhaus für die Ehefrau geschlossen ist, d.h. dass sie nun der Hausgemeinschaft ihres Mannes angehört (wenn auch Besuche in ihrem Elternhaus häufig abgestattet werden) [Endnote 21].
Margaret Arnheim (Gbedema) vermutet, dass der Ausdruck besagt, dass durch das Ritual der Eingang des Elternhauses der Frau für andere Bewerber geschlossen wird.
G. Achaw (Sandema-Kalijiisa) erklärt den Ausdruck nansiung-lika und die damit verbundenen Zahlungen folgendermaßen: Wenn der erfolgreiche Bewerber nachts die Braut aus dem Haus holt, hat er meistens keine Zeit {275}, den Haupteingang mit Knüppeln zu verschließen, sodass das Tor eine ganze Nacht offen steht und Haustiere entlaufen oder Diebe und wilde Tiere ins Haus eindringen können. Darum muss der Bräutigam das Tor mit Geschenken wieder schließen. Diese Geschenke müssen allerdings auch gegeben werden, wenn – wie es durchaus üblich ist – das Paar über eine Außenmauer entflohen ist.
Falls die neue Gattin in der Ehe noch kein Kind geboren hat, wird das Tor mit 1 Huhn, 1 Hackenblatt, Tabak und 4 Pesewas (es mussten früher einzelne Münzen sein [Endnote 22]) geschlossen. Wenn die Frau schon in der Ehe ein Kind geboren hat, muss das Tor mit einer Ziege oder einem Schaf geschlossen werden [Endnote 23]. Ein reicher Gatte kann auch eine Kuh schicken, aber dies ist nur ratsam, wenn der Vater des Gatten schon eine Kuh bei einer solchen Gelegenheit gegeben hat, denn sonst sieht es so aus, als wolle der Sohn den Vater übertreffen. Ein Zuwiderhandeln könnte den Tod des zu freigebigen Sohnes zur Folge haben [Endnote 23a].
Nähert sich der Vermittler (san-yigma) dem Hause der Braut, so läuft ihm ein Junge entgegen, um die Geschenke ins Haus zu bringen. Dort beraten die Männer, ob man die Geschenke annehmen soll, jedoch kommt es fast nie vor, dass die Geschenke in dieser Sitzung abgelehnt werden. Eine ablehnende Haltung der Hausbewohner hätte den san-yigma schon vorher veranlasst, dem Bräutigam von Zahlungen zu diesem Zeitpunkt abzuraten. Der Vermittler führt ein Gespräch mit dem yeri-nyono, der auch die Geschenke erhält. Der san-yigma kann eine Nacht in dem Haus der Braut bleiben oder auch am gleichen Tag zurückkehren. Er erhält für seinen Botengang keine offizielle Bezahlung, jedoch kann der jungvermählte Gatte ihm bei Gelegenheit auf dem Markt ein alkoholisches Getränk ausgeben.

Abb. Tabak und das Hackenblatt unter dem Dach von Akanmings kusung-dok

1988 wurden dem Gehöft Akanming Yeri (Badomsa) im nansiung-lika Ritual für eine in Farinsa verheiratete Tochter des Gehöftherrn folgende Gaben überbracht: 1 Hackenblatt, 2 Ring Tabak, 1 Huhn und eine Ziege (die Tochter hatte schon ein Kinder geboren). Daraufhin opferte Akanming dem Schrein seines Vaters Awasiboa 1. Hirsewasser (von Farinsa gebracht?), 2. das Huhn, 3. die Ziege nachdem er deren Halsband auf den Schrein gelegt hatte, 4. zum Schluss noch einmal Hirsewasser. Nachdem ein Teil des Fleisches geröstet worden war legte Akanming kleine Fleischstückchen von kuusiri, bogi und pangi (Leber) auf Awasiboas Schrein.

Abb.: Die Ziege wird dem Ahnenschrein Awasiboas geopfert

Die Aufteilung des geopferten Fleisches erfolgte sofort im Innenhof von Akanmings ersten Frau:
die beiden Hinterbeine (nangsa): für Akanmings Frauen im Gehöft
die beiden Vorderbeine (boga): ebenso, aber wenn Kinder von Akanmings in Farinsa verheirateten Tochter anwesend gewesen wären, hätten sie ein Vorderbein bekommen.
Kopf (zuk): an die Kinder des Hauses
Hals (ngiri): an Akanming als dem Opferer
chaarik (5 Rippen zwischen chaarik und ta-liirik): an Akanmings Sohn Akangir
kuusiri (Vorderteil der Brust): je eine Hälfte Akanmings zwei Frauen
chiak (Hüfte mi Rippen): an die Töchter Akanmings, die noch in seinem Hause wohnen
ta-liirik (?): an denjenigen, der jeden Abend das Gehöft verriegelt (hier der jüngste Sohn)
Magen (puuk) und Därme (nyueta): an alle Frauen des Hauses, die Därme wurden vorher in gleichgroße Stücke zerschnitten; aus den nyue-goatik (bestimmter Teil der Gedärme) bereitet Akanmings erste Frau eine Suppe für ihn.
Anus (bita-fiik): an die Kinder des Hauses
Fell (gbang): für Akanming (praktische Verwendung)
Folgende Körperteile der Ziege wurden in den Viehhof geworfen: yaam (Galle), Eierstöcke (?), ja-chelim (angebliche ein fester runder Klumpen, der in verschieden Körperteilen anzufinden ist.

Abb.: Zerteilen der Därme (nyueta)

Wie bereits erwähnt, dürfen keine Zahlungen während der Schwangerschaft der Frau ausgeführt werden. Eine junge Frau aus Siniensi (Häuptlingshaus) berichtet, dass sie schon vor den Hausbesuchen ihres Gatten schwanger war. Der Bewerber durfte daher auch bei den ersten Hausbesuchen keinerlei Geschenke geben, da auch alle Zahlungen und Geschenke an das Haus der Schwiegereltern zusammen als nansiung-lika bezeichnet werden.

Nach E. Atuick (2015: 97-98) ist nansiuk-lika ‟the last and most important phase of the marriage process‟. Nach Atuick warten einige Männer, bis sie sicher sind, dass die Frau gebärfähig ist. Die Gaben werden auch Nach Atuick von dem san-yigma in das Elternhaus der neuen Gattin gebracht und dort den im kusung versammelten Männern überreicht.

m) Arbeiten des Gatten für die Schwiegereltern (chichambiri)

Wenn die Eltern der Ehefrau Arbeitshilfe auf dem Feld brauchen, können sie den Gatten ihrer Tochter bitten, ihnen zu helfen. Für den Gatten besteht dann eine Verpflichtung zu kommen. Er bittet nicht nur seine Altersgruppe, die ihn bereits bei der Werbung unterstützt hat, sondern auch andere Freunde und Verwandte, mit ihm zu kommen und seinen Schwiegereltern zu helfen. Das Ansehen des Gatten im Hause seiner Schwiegereltern wird um so größer sein, je mehr Helfer er mitbringen kann. Auf dem Felde arbeitet die Freundesgruppe zusammen. Man {281} singt Arbeitslieder und Preislieder [Endnote 24] auf den Ehemann, die weitgehend den bei der Hochzeit gesungenen Liedern entsprechen. So wird auch hier der Ehemann nur mit seinem Ehrennamen (busein) bezeichnet. Im Gegensatz zu den Hochzeitsliedern scheint es jedoch bei den Arbeitsliedern häufiger zotige Texte zu geben, wofür das folgende Lied (Inf. Ayarik) ein Beispiel ist:

Ma cheng Yiwasa wom yaa baano.
A ga pai te liewa jue kali gbongoa piak za. Wa tan-piiring ka ziiga [zuisa?].
Mi da kuli man ngman cheng du.

Ich ging nach Yiwasa (Wiesi), um einen Wahrsager zu besuchen (wörtlich: zu hören).
Als ich dort ankam, kletterte die Tochter (des Wahrsagers?) auf das Flachdach, saß (dort) und entkörnte Hirsekolben [durch Abstreifen].
Ihre Schamteile hatten keine Haare.
Wenn ich nach Hause zurückkehre, werde ich nicht wieder dorthin (Yiwasa) gehen.

Während in den Hochzeitsliedern mitunter das Wir-Gefühl einer jüngeren Generation herausgestellt wird, können in den Liedern der Arbeitsgruppe auch Wünsche, Meinungen und Gefühle von Männern, die sich von weiblichen Personen abgrenzen wollen, zum Ausdruck kommen, wie etwa das folgende Beispiel zeigt:

Nipoba dan bo yeri po, kan bisa la, ba jaab ja kan de.
Ka zulenga te ti ta yai, ti kan yaali ba jaaboa.
Ka zulenga …

Wenn die Frauen im Haus sind, und sie sprechen und lachen nicht, kann keiner etwas zu essen bekommen.
Wir wünschen Respekt, wir wünschen nichts anderes.

Nach der Feldarbeit wird die Männergruppe von den Schwiegereltern des Ehemannes mit Speise und Trank bewirtet, die Arbeiter bekommen jedoch keine anderen Geschenke.
Am Ende des Tages kann das Ereignis der Gruppenarbeit auf verschiedene Art und Weise sichtbar gemacht werden. In Wiaga formen die Arbeiter mitunter aus Erde eine überlebensgroße Darstellung eines Krokodils (pi-nyung) und daneben stellen sie einen Stock mit Schädelknochen des vom Gastgeber gespendeten Tieres. Mir war es nicht möglich, mehr über diesen Brauch zu erfahren. Eine religiöse Komponente scheint in ihm nicht enthalten zu sein [Endnote 24a].
Die Schwiegereltern können die Hilfe ihres Schwiegersohnes beanspruchen, so lange dieser mit ihrer Tochter verheiratet ist, jedoch nicht mehr als einmal im Jahr und möglichst auch nicht in zwei aufeinander folgenden Jahren {282}. Mein Informant Danlardy Leander sagte mir, dass diese chichambiri-Arbeiten in letzter Zeit in ihrer Häufigkeit stark zurückgegangen sind, da sie durch die aufwändige Bewirtung der Arbeitsgruppe für den ‟Schwiegervater‟ finanziell teurer geworden sind, als wenn er sich eine Gruppe Lohnarbeiter bestellt. Viele junge Arbeiter ziehen ein Bezahlung in Gelder einer aufwändigen Bewirtung vor.

n) Kosten einer Heirat

Wie gesagt, kennen die Bulsa keinen Brautpreis, wie er durch die Zahlung von Rindern bei einigen Nachbarethnien, zum Beispiel bei den Frafra und Nankana, besteht. Dieses Nichtvorhandensein ist allen Bulsa bewusst. Falls eine Bulsa-Frau einen Mann aus einer der Nachbarethnien heiratet, so darf ihre Familie auch bei großer Willigkeit des Freiers keine höhere Zahlungen annehmen. Es hätte Todesfälle in der eigenen Familie oder sogar innerhalb der ganzen Sektion zur Folge.
Jack Goody, einer der angesehenstem Anthropologen der Gegenwart, veröffentlichte in seinem Werk Bridewealth and Dowry (1973: 9) eine Tabelle aus dem Population Census 1960, aus der hervorgeht, dass in akephalen Gesellschaften hohe Zahlungen geleistet werden, in zentralisierten Gesellschaften dagegen nur geringe (das Wort ‘brideprice/bridewealth’ wird hier nicht erwähnt). In der Tabelle erscheinen die Bulsa richtig in der Gruppe der (früher) akephalen Gesellschaften. Die Feststellung, dass ihre Heiratszahlungen hoch sind, kann jedoch nicht aufrecht gehalten werden.
Auch ohne Zahlungen eines festgelegten Brautpreises kommen auf den Bewerber und späteren Gatten einer Bulsa-Frau zahlreiche Kosten und Verpflichtungen zu. Neben den festgesetzten Ausgaben für akaayaali und nansiung lika gibt es noch zahlreiche andere Forderungen an den zukünftigen Gatten, die je nach seinem Vermögen in ihrer Höhe schwanken. Eine Verweigerung würde zwar sein Ansehen bei den Schwiegereltern schmälern und auch eventuell Einfluss auf die Stabilität der Ehe haben, hat aber für die Gültigkeit der Ehe keine Bedeutung.
Ayarik (Wiaga-Tandem-Zuedema) erinnert sich noch genau an alle Zahlungen, die er an seine Schwiegereltern in Wiaga-Bandem 1971 entrichtet hat {276}:
1. Hausbesuch: Kola-Nüsse für die Mutter, Tabak für den Vater (freiwillige Zahlung), 50 Pesewas für die Großmutter der Braut, 10 Pesewas für jeden der fünf jüngeren Brüder der Braut.
2. Hausbesuch: Kola-Nüsse (20p.) für die Großmutter, 30p. für die Mutter, 40p. für den Vater, 5 p. für jedes der kleinen Kinder.
3. Hausbesuch: 60 p. für die Mutter, 30 p. für die Großmutter, 40 p. für den Vater (freiwillige Zahlung), 10 p. für jeden der jüngeren Brüder der Braut.
Zahlungen nach der Heimführung der Braut. Da die Braut zur Zeit dieser Hauptzahlung (nansiung lika im engeren Sinne) bereits einen Sohn geboren hatte, zahlte Ayarik eine männliche Ziege, 1 Perlhuhn und Tabak. Die Teile wurden dem yeri-nyono gegeben, der die Tiere den Ahnen opferte. Wäre dem jungen Paar noch kein Kind geboren worden, hätte Ayarik nur ein Huhn bezahlen müssen.
Weitere Geschenke (zu nansiung-lika?): Als Ayariks Mutter den Schwiegereltern ihres Sohnes einen Besuch abstattete, gab sie folgende Geschenke: Kola-Nüsse für die Mutter und Tabak für den Vater der Braut.
Alle Zahlungen sind in dieser Höhe in der Sektion Wiaga-Bandem, der Sektion von Ayariks Frau, üblich, und Ayarik erkundigte sich vorher bei seiner Braut nach der Art und Höhe der Zahlungen in dieser Sektion, da diese in jeder Sektion verschieden sind. Die Geschenke an den Vater der Braut können ausgelassen werden, da dieser kein Mitentscheidungsrecht bei der Verheiratung seiner Tochter hat.
Die geforderten Zahlungen und Geschenke stellen in ihrer Häufigkeit eine recht hohe Belastung für den neuen Gatten dar. Mein Assistent, der Grundschullehrer Danlardy, der den Betrag all dieser Kosten aufgezeichnet und mir zur Verfügung gestellt hat, bemerkte einmal ‟If I had known [all these costs], I would not have married at this time‟.

Entstandene Kosten von der Heimführung Darnlardys Braut (20.12.88) bis zum 7.1.89 (kayiita)
(Preise: 1 Flasche akpeteshi, Palmbranntwein: 310 Cedis, 1 Huhn: 300-320 Cedis, 1 Perlhuhn: um 500 Cedis). Im Jahre 1988 entsprachen 100 Cedis ungefähr 0,70 DM (0,35 Euro).

20.12.88: Schon vor dem ersten offiziellen Kontakt von Danlardys Familie mit der Familie seiner zukünftigen Frau Kenkenni in Wiaga-Guuta suchte Dans Stiefmutter Afulanpok, gebürtig aus Guuta, Kenkenni als künftige Frau ihres Stiefsohnes aus. Am 20. Dezember gehen Michael (yeri nyono von Asik Yeri sowie Krankenhaus-Assistent) und Atongka (aus Danlardys Familie mit verwandtschaftlichen Beziehungen zu Guuta) zum Haus der Braut.
Geschenke (von Dan): 2 Flaschen akpeteshi und Kolanüsse (100 Cedis)

22.12.88 (fn 161a): Maami, die erste Frau von Dans verstorbenem Vater, Afulanpok und eine Freundin gehen zum Haus der Braut, um diese von dort nach Asik-Yeri, dem traditionellen Gehöft von Danlardys Familie in Wiaga-Badomsa zu führen. Dort warten oder erscheinen viele Verwandte, Nachbarn und Freunde. Eine Trommlergruppe sorgt für Unterhaltung. Die Festlichkeiten erstrecken sich, wie üblich, über drei Tage. Viele der Gäste erscheinen jedoch jeweils nur in den Abendstunden und gehen tagsüber ihrer geregelten Arbeit nach.
Es werden zahlreiche Geschenke gegeben (in der folgenden Liste nach Spendern geordnet).

Dan: 500 Cedis + 2 Flaschen akpeteshi an Guuta Familie und 5 Flaschen akpeteshi an alle Gäste in Asik Yeri; 1 Flasche akpeteshi an Freunde; Zigaretten für 200 Cedis für alle Männer (?); ein geröstetes Huhn (320 Cedis) für die Trommler; in gewissen zeitlichen Abständen gibt Dan weitere 250 Cedis an Trommler und 100 Cedis an die Frauengruppe, die wohl vor allem für die Zubereitung von Speisen und Getränken, aber auch für kleinere organisatorische Belange verantwortlich ist.
Maami: 200 Cedis an Guuta Familie; in Asik Yeri: 2 Flaschen akpeteshi an alle; 200 Cedis an Kenkenni; 5 Zigaretten für Trommler
Afulanpok: 100 Cedis an Guuta Familie; in Asik Yeri: 50 Cedis an Kenkenni, 50 Cedis an Trommler, 40 Cedis an Frauen
Freundin von Maami: 100 Cedis an Guuta Familie
Bibiana (Schwester Dans): 100 Cedis an Frauengruppe, 50 Cedis und 1 cloth [Endnote 24b] an Kenkenni, 40 Cedis an Trommler
Mary (Schwester Dans) und Freundin: ‟new sweater‟ für Kenkenni, 1/2 Flasche akpeteshi an Frauen, 1/2 Flasche akpeteshi an Trommler
Atongka: 1 Huhn für 300 Cedis an Trommler; später noch einmal 200 Cedis an Trommler
Atongkas Frau: 50 Cedis für Kenkenni
Ayomo (amtierender Gehöftherr von Asik Yeri): Perlhuhn für 500 Cedis an Frauengruppe,
Ayomos Frau: 50 Cedis an Kenkenni
Kofi (Nachbar): 50 Cedis an Trommler
Agaadula (Nachbar): 1 Perlhuhn und 100 Cedis für Kenkenni, 50 Cedis an Trommler, 50 Cedis. an Frauengruppe
Agberuks Sohn (aus Kadema, lebt in Asik Yeri): 1 Flasche akpeteshi und 300 Cedis an Kenkenni, 100 Cedis an Frauen
Frau aus Chiok (lebt in Asik Yeri): 500 Cedis an Kenkenni, 20 Cedis an Trommler

23.12.88: Die Feierlichkeiten in Asik Yeri wurden fortgesetzt; Geschenke und Spenden:
Danlardy: 1 Flasche akpeteshi für alle; 100 Cedis für Frauen;
Atongka: 1 gerösteter Hahn für die Trommler; 100 Cedis an Kenkenni, 50 Cedis an Frauen
Agaadula: 100 Cedis an Kenkenni, 50 Cedis an Frauen, 50 Cedis an Trommler
Ateng (Frau eines Nachbarn): 50 Cedis an Kenkenni, 40 Cedis an Trommler
Kofi (Nachbar): 50 Cedis an Kenkenni, 40 Cedis an Trommler
Agberuks Sohn: 100 Cedis an Kenkenni, 100 Cedis für Trommler; für 40 Cedis Kolanüsse an Frauen

24.12.88: Die Feierlichkeiten in Asik Yeri wurden fortgesetzt. Kenkenni ist in ständiger Begleitung von Danlardys jüngerem Bruder Lucky, der sie wohl bewachen soll.
Geschenkegeber (Empfänger fehlen zum Teil in Danlardys Angaben):
Danlardy: 2 Flaschen akpeteshi (für alle)
Michael: 2 akpeteshi (für alle),
Atongka: 1 Flasche akpeteshi und 100 Cedis
Ayomo: 100 Cedis an Kenkenni
Lamisi (Anyiok Yeri): für 100 Cedis Kolanüsse (für alle), 200 Cedis an Kenkenni, 50 Cedis. an Trommler,
Ayigmilie (doglie in Goansa): 50 Cedis für Kenkenni
Dinah: 20 Cedis für Kenkenni,
F. Kröger: 1 Flasche akpeteshi (ich gebe sie an Ayomo); für 100 Cedis Kolanüsse (für alle?) 1 Lux-Seife für Kenkenni

25.12.88: Nach Mitternacht führt eine gemischte Gruppe Kenkenni von Asik Yeri zum Haus in Goansa. Danlardy kauft für die Begleiter 2 Flaschen akpeteshi und sein Freund aus Sandema fügt noch 2 Flaschen Bier und 1 Fanta hinzu. In Danlardys Haus (Goansa) schläft Kenkenni zum ersten Mal als seine Ehefrau. Sie kann hiernach nicht mehr von anderen Bewerbern entführt werden (wenn nicht das Vergehen von kabong für Sinyangsa Kidnapper und/oder die Entstehung von Feindschaften für fremde Sektionen in Kauf genommen werden).
Noch am gleichen Morgen geht Kenkenni zusammen mit Lucky und Afulanpok nach Guuta, um sich Sonntagskleidung für das Weihnachtsfest zu holen (Sie ist katholische Taufkandidatin). Später melden Kenkennis Eltern, dass ihre Tochter nicht zurückkommt, wenn sie nicht von Dans Eltern abgeholt wird. Ayomo wollte sie abholen, aber die Eltern hatten ihn abgelehnt. Daraufhin geht Maami mit 2 Flaschen akpeteshi und 500 Cedis von Danlardy und 200 Cedis aus eigener Tasche nach Guuta. Kenkennis Eltern weigern sich aber weiter, ihre Tochter herauszurücken. Daraufhin ging Danlardy selbst mit Geschenken nach Guuta. Er gab 200 Cedis an Kenkennis Mutter, 100 Cedis an ihre Stiefmutter, 50 Cedis an ihre jüngeren Geschwister. Die Eltern weigern sich weiter, ihre Tochter ziehen zu lassen. Man solle sie nachts holen. Abends kaufen Atongka und Ayomo zusammen 1/2 Flasche akpeteshi, Danlardy eine Flasche. Diesmal konnte Kenkenni zurück nach Goansa ziehen. Sie hatte aber ihren jüngeren Bruder mitgebracht, der in der Nacht im Goansa-Haus schlief und auch dort mit Nahrung versorgt wurde.

26.12.88: Danlardy gibt dem jüngeren Bruder 200 Cedis, und Dans leibliche Mutter Adaaminyini gibt dem Jungen 100 Cedis. Außerdem schlachtet man ein Huhn für ihn.

27.12.88: Nachts zieht Kenkenni wieder in Begleitung zum traditionellen Gehöft Asik Yeri. Dort findet das gemeinsame Bad der Eheleute mit verdünntem Medizinwasser aus dem nipok tiim Schrein (s.o.).

28.12.88: Es finden wieder Tänze und Musik im Goansa-Haus statt. Die Gäste bringen meistens Getränke für den allgemeinen Gebrauch mit (Geldgeschenke meistens für Kenkenni):
Danlardy: 1/2 Flasche akpeteshi für die Trommler und andere
Maami: 1/2 Flasche akpeteshi
Michael: 1 Flasche akpeteshi
Atongka: 1 Flasche akpeteshi
Kwame (aus Wiaga-Chief’s house, contestant for new chieftaincy): 1/2 Flasche akpeteshi + 100 Cedis
Adaaminyinis Freundin: 1/4 Flasche akpeteshi + 100 Cedis
Afulanpok: 1/2 Flasche akpeteshi
Ansula (Nachbarin): 1/2 Flasche akpeteshi, 100 Cedis für Kenkenni
Sinyansa ex-serviceman: 1 Flasche akpeteshi; 200 Cedis für Kenkenni, 100 Cedis für die Trommler
Danlardys Freunde geben je 50 Cedis oder 100 Cedis an Kenkenni
Abi (?) und Freunde: 100 Cedis an Kenkenni, 1/2 Flasche akpeteshi an Trommler
Ein Gast (Name unbekannt) gibt ein Perlhuhn für die sofortige Zubereitung an Maami

29.12.88: Danlardy holt sein Gehalt in Navrongo ab. In seiner Abwesenheit werden weitere Geschenke gegeben:
Ein Gast gibt Kenkenni 2 gekaufte Perlhühner und 2 Stück Seife,
Eine Marktverkäuferin: 10 Bonbons
Eine andere Marktverkäuferin: 2 Stück Seife (für Kenkenni)
Jatena Awie (Mädchen aus dem Häuptlingshaus): 2 Lux, 1 Sunlicht (Seife), 2 Stück rote Guardian Soap
Thomas (Lehrer): 2 große Päckchen Omo für Kenkenni
Anmerkung: Das Kenkenni geschenkte Geld nehmen die Frauen des Hauses (Dans Mütter) in Empfang. Wenn zum Beispiel jemand 500 Cedis gibt, geben sie nur 300 an Kenkenni weiter. Auch muss Kenkenni einen Teil der geschenkten Seife an Danlardys Mutter abgeben.

29.12.88 abends bis zum frühen Morgen des 30.12.: Kayiita
Abends kommen die (klassifikatorischen) Brüder Kenkennis in das Goansa-Haus und fordern ihren Hund (siehe Kap. VII,2i). Bei ihrem Eintreffen spendet Danlardy eine Flasche akpeteshi (später eine weitere) und gibt ihnen ein geröstetes Huhn.
Ayomo und Danlardy fahren nach Asik Yeri zur Information und um einen Hund zu kaufen. Der Nachbar Kofi verkauft seinen Hund für 1800 Cedis, von dessen jüngerem Bruder kauft Danlardy ein Huhn (300 Cedis).
Nach Dans Rückkehr wird das Hundefleisch gekocht. Obwohl der Hund außergewöhnlich groß ist, sagen die Brüder, dass er zu klein ist. Danlardy gibt ihnen seinen eigenen Hahn (Wert: 700 Cedis). Als die Brüder bemerken, dass das nicht genug ist, gibt Dan ihnen ein drittes Huhn. Nun sagen die Brüder, dass sie sich kalt fühlen und Dan gibt ihnen 3 Flaschen akpeteshi. Außerdem gibt er 1 Flasche akpeteshi an die Frauen (seine Mütter und die doglie), die die Hühner kochten, und eine Flasche für andere Verwandte (Ayomo, Atongka u.a.). Michael kauft und verschenkt eine Flasche akpeteshi und Danlardy spendiert seine 6. Flasche vor dem Essen.
Aus seiner engeren Familie unterstützen ihn folgende Verwandte mit Geschenken von akpeteshi an die Brüder und andere Gäste: Michael: 1/2 Flasche, Maami: 1/2 Flasche, Atoalinpok (Stiefmutter Dans): 1/2 Flasche, Dans Schwestern: 1/2 Flasche für alle Gäste
An nichtalkoholischen Geschenken werden verteilt: Mami: für 50 Cedis Kolanüsse, Adaaminyini (Dans leibliche Mutter): für 20 Cedis Tabak, Ayomo: 100 Zigaretten; Michael: 10 Zigaretten. Die Brüder verlassen gegen 7.30 Uhr (30.12.88) das Haus in Goansa. Das nicht verzehrte Fleisch nehmen sie mit.
Mittags kocht Kenkenni zum ersten Mal für ihren Gatten, für sich und für einige Freundinnen, abends bereitet sie Essen für das ganze Haus (auch für die Familien der anderen Mütter Danlardys). Ab dem nächsten Tag kocht sie nur noch für die Familie von Dans leiblicher Mutter Adaaminyini, die von diesem Tage an die eigenen Kocharbeiten aufgibt, aber weiterhin ihrer ersten Schwiegertochter hilft und ihr Ratschläge gibt. Kenkenni wird jeden Tag ein Gericht, eventuell auch mit einem Huhn, für Danlardys verstorbenen Vater Leander Amoak zubereiten und die Schüssel für eine Stunde in Leanders Zimmer stellen. Danach können alle anderen Familienmitglieder von diesem Gerecht essen, nur nicht Leanders erste Frau Maami. Dieser Brauch wird nach einiger Zeit durch die Entscheidung Maamis eingestellt und nur noch einmal an Festtagen (Neujahr, Ostern, Weihnachten) vollzogen. Bisher hatte Leanders jüngste Frau Afulanpok an Festtagen für Leander gekocht.

1.1.89: Im Goansa-Haus wird wieder gefeiert und getanzt. Ich werde zum Kauf einer Flasche akpeteshi aufgefordert. Asaaluk (der san-yigma aus einem Nachbarhaus in Badomsa) und Atongka statten Kenkennis Familie in Goansa einen Besuch ab, der 5 Stunden dauert. Geschenke:
Danlardy: 2 Flaschen akpeteshi, 500 Cedis bar, 100 Cedis für Tabak, 100 Cedis für Kolanüsse
Maami: 200 Cedis
Adaaminyini: 100 Cedis
Bibiana und Mary zusammen 1/2 Flasche akpeteshi

2.1.89: Danlardy geht mit Kenkenni zu deren Elternhaus und grüßt ihre Mutter mit 200 Cedis, zwei Männern des Hauses gibt er freiwillig je 50 Cedis.
Anmerkung: Die Höhe der vorgeschriebenen und freiwilligen Beträge bestimmt Danlardy nach eigenem Ermessen. Er muss allerdings Maami berichten, wie viel er gegeben hat. Seine eigenen Mutter Adaaminyini kann er nach Belieben informieren.
Nachmittags schickt Danlardy seinem Bruder Oldman mit Kenkenni nach Sandema, um Tuch für 2700 Cedis zu kaufen. Er gibt ihnen auch 300 Cedis für die Busfahrt, Essen, Suppenzutaten usw.

3.1.89: Kenkennis Mutter besucht offiziell als Schwiegermutter (nga-nubi) das Haus in Goansa. Danlardy ist gar nicht zu Hause (Er arbeitet mit mir an ethnologischen Themen).
Danlardy gibt 500 Cedis (über Maami) an sie. Alle Mütter Danlardys geben Geschenke an Kenkennis Mutter (Preise nicht registriert, da Dan nicht zu Hause ist). Die Schwiegermutter kehrt abends nach Guuta zurück.

4.1.89: Kenkenni geht zu ihrem Elternhaus, um hier einige Tage zu verbringen. Aus dem gekauften Stoff hat sie sich ein neues Kleid nähen lassen.
Danlardy, der sie dorthin wegbringt, kauft vorher in Wiaga zwei Perlhühner (zusammen 850 Cedis), ein großes Paket OMO (250 Cedis), Hirsemehl und Suppenzutaten (Preis?), Salz für 100 Cedis, jong (Dawadawa-Bällchen) und kleine Fische (biila) für 100 Cedis. Kenkenni bereitet aus den Lebensmitteln in ihrem Elternhaus eine Mahlzeit, nachdem Danlardy dieses verlassen hat.

7.1.89: Danlardy und ich (F.K.) besuchen Kenkenni in Guuta. Sie begrüßt uns nicht, sondern verzieht sich sofort (Gibt es eine Verstimmung?). Geschenke dieses Besuchs wurden nicht dokumentiert.
Mit diesem Tag waren die Feierlichkeiten und festgelegten Aktivitäten der ‟Heimführung der Braut‟ zunächst einmal abgeschlossen. Danlardy plant die akaayaali Riten für Ostern und würde sie gerne am gleichen Tag mit dem ‟nansiung-lika‟ Ritual verbinden, wie es in Badomsa möglich ist, aber nicht in den meisten anderen Sektionen Wiagas. Entscheidend sind die Traditionen in Guuta. Es stellt sich später heraus, dass akaayaali noch nicht durchgeführt werden kann, weil Michael, Atongka und Ayomo dieses Ritual vorher durchführen müssen, das heißt also, es wird auf eine unbestimmte Zeit verschoben.
Über Dans Wunsch bezüglich des Ostertermins für das akaayaali kommt es mit Kenkenni, die das Ritual erst nach ihrer Schulentlassung wünscht, zu einer Auseinandersetzung, Danlardy und seine Mütter bestehen jedoch darauf. Es kommt zu einer Versöhnung, nachdem Danlardy ihr aus Bolgatanga mehrere Plastiktaschen voller Geschenke mitgebracht hat.

5.4.89 Akaayaali: Am Abende geht Atongka, der mit Guuta matrilinear verwandt ist, zum Elternhaus Kenkennis. um das akaayaali Ritual vorzubereiten (Geschenk: 200 Cedis und Kolanüsse). Am folgenden Tag schenkt Danlardy noch einmal für 200 Cedis Kolanüsse (Kenkenni ist in Danlardys Haus).

7.4.89: Asaaluk, der san-yigma, und Atongka gehen mit 2 Flaschen akpeteshi und 500 Cedis (als freiwillige Geschenke) zu Kenkennis Eltern. Nach festgelegter Vorschrift gibt er dem yeri nyono 50 Cedis und für 100 Cedis Tabak.

8.4.89: Danlardy hat ein weiteres Gespräch mit seinen Schwiegereltern. Sie sind der Meinung, dass akaayaali zu früh stattgefunden hat, weil Kenkenni noch nicht schwanger ist und noch zur Schule geht. Danlardy muss deswegen noch einmal 5000 Cedis und 2 Flaschen akpeteshi geben. Vorher erlauben sie nicht, dass Kenkenni in das Haus Danlardys zurückkehrt.
Atongka gibt Kenkennis leiblicher Mutter 1000 Cedis für die Zeit, in der Kenkenni im Elternhaus gewohnt hat, aber eigentlich Danlardy für ihren Unterhalt aufkommen musste (Zahlung ist nicht Teil des akaayaali!). Solche Zahlungen, die nur für Jungverheiratete üblich sind, verrichtet Danlardy jeden relevanten Monat.
Ein Wahrsager ordnet (aus einem anderen Grund) an, dass Maami ihrem eigenen wen, dem ihres Mannes, dem wen des Bruders ihres Mannes und dem wen ihres Vaters (im Gehöft des Wiaga-Häuptlings) Hirsewasser opfern muss. Maami wünscht für das Opfer im Häuptlingshaus die Anwesenheit ihrer Schwiegertochter Kenkenni (Ist es eine Art Vorstellung?).
Kenkenni wohnte während des akaayaali Rituals und noch zwei Wochen danach im Goansa-Haus Danlardys. Danach fordern ihre Eltern sie wieder an. Danlardy schickt sie mit folgenden obligatorischen Geschenken zurück: 3 Kalebassen Hirse (3 x 300 Cedis + 100 Cedis für das Mahlen), geräucherten Fisch (300 Cedis), Salz und Dawadawa (zusammen 100 Cedis). Diese obligatorischen Geschenke wurden vor akaayaali angefordert.

Anmerkung zu den Kosten einer Heirat
Die obige Aufstellung demonstriert ein verwirrendes Geben und Nehmen von Geschenken und obligatorischen Zahlungen. Der Hauptstrom aller Transaktionen von materiellen Gütern fließt zwar vom Bräutigam an die Familie der Braut, aber es gibt viele weiteren Geber und Empfänger. Mitunter sind dieselben Personen sowohl Geber als auch Empfänger, zum Beispiel die Mütter des Bräutigams, die sich zum Teil an den Transaktionen an das Elternhaus der Braut beteiligen, zum Teil für ihre Dienste (hier wäre vor allem die Zubereitung der Speisen zu nennen) von den Gästen auch durch Gaben belohnt werden. Die Geschenke an die Braut Kenkenni können nicht ausschließlich als Transaktionen an ihre elterliche Lineage aufgefasst werden, zumal sie einen Teil von diesen (bei Geldgeschenken etwa ein Drittel) an die Mütter des Bräutigams abgeben muss.
Um den Sinn und die Funktion der Geben in ihrer Gesamtheit zu erschließen, stellt sich die Frage der Reziprozität zwischen Gebern und Empfängern. Zum Teil ist wohl auch den Akteuren in irgendeiner Form bekannt, dass die Gaben an das Elternhaus der Frau die verlustig gehende Gebärfähigkeit und die Arbeitsleistungen der Frau kompensieren. Durch die Heirat gehen der Lineage der Frau nicht nur eine weibliche Person, sondern auch deren Nachkommen verloren.
Über diese wichtigste und umfassendste reziproke Beziehung hinaus gibt es noch eine auf Einzelhandlungen bezogene Reziprozität, die mitunter den Charakter einer Bezahlung annimmt (so zum Beispiel die Geschenke an die Begleiter der Braut bei ihrem Gang von einem zu einem anderen Gehöft oder die Vergütung der Trommler für ihr Spiel). Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass das freizügige Verhalten der klassifikatorischen Brüder der Braut nach ihrem Einzug in das Haus des Bräutigams (kayiita) in einem reziproken Verhältnis zu dem späteren Verhalten der Sohne aus der neu geschlossenen Ehe zum Vater der Braut stehen.
Die Art der Gaben ist vielfältig, wie die folgende Übersicht zeigt:

Art Häufigkeit Summe und Geldwert
Geld 69 mal 15.810 Cedis
Akpeteshi 46 mal 50,25 Flaschen à 310 Cedis = 15 577 Cedis
(Perl-) Huhn / Hahn 12 mal 10 Tiere
Kola-Nüsse 9 mal im Schnitt für je 100 Cedis
Seife 6 mal zusammen 10 Stück
Omo 3 mal  3 x 250 = 750 Cedis
Zigaretten 4 mal ca 200 Stück 800
Tabak 3 mal  im Schnitt je 100 Cedis
Hund 1 mal 1.800 Cedis
Bonbons 1 mal 10 Stück
Fanta und Bier 1 mal zusammen 3 Flaschen
Tuch  Cedis 3 mal 2 cloths + Tuch für 2.700
Sweater 1 mal
Zutaten für 1 Mahlzeit gekauft von Dan
Fisch für 300 Cedis, 3 Kalebassen Hirse (3 x 300 Cedis = 900 Cedis), Suppenzutaten (biila-Fische, Dawadawa, Salz) Summe ca. 1.800 Cedis.

In ihrer Häufigkeit nehmen Geldgeschenke den ersten Rang ein. Ihr Gesamtwert liegt aber unter dem des akpeteshi. Dies mag unter anderem daran liegen, dass Geld geeignet ist, jeden gewünschten Wert zur Verfügung zu haben und dass vor allem sehr kleine Geschenke am besten durch Geld gegeben werden können. Geldgeschenke bei rituellen Anlässen sind keineswegs eine Angelegenheit der neusten Zeit. Schon vor der Einführung der britischen und der Cedi-Währung wurden auch rituelle Transaktionen durch Kaurischnecken ausgeführt, wobei die Anzahl oft einen symbolischen Wert hatte (4 = weiblich, 3 = männlich). In allerneuster Zeit scheinen Geldgeschenke wichtiger zu werden, wie auch die Darstellung von E. Atuick zeigt (2015: 92-103, und Kapitel VII,7c). Reiche Werber um ein Bulsa-Mädchen geben oft den entsprechenden Wert für einen Ziege oder ein Schaf, für den dann andere das Tier kaufen.
Das stark alkoholische Getränk akpeteshi nimmt in der Häufigkeit den zweiten Rang ein, wertmäßig sogar den ersten. Das traditionelle, schwach alkoholische Hirsebier (Buli daam) spielt als echte Gabe kaum eine Rolle und ist höchstens ein Getränk für die Bewirtung von Gästen, wird aber von Danlardy und Ayarik nicht erwähnt. Aus der Auflistung wurde errechnet, dass über 50 Flaschen akpeteshi verschenkt, und wohl fast ausschließlich während der Festlichkeiten konsumiert wurden. In neuerer Zeit wird der oft unmäßige Genuss von stark alkoholischen Getränken bei häuslichen Festlichkeiten (vor allem bei Totengedenkfeiern und Hochzeiten) stark kritisiert, da er zu einem Ansteigen des Alkoholismus im Bulsagebiet und anderswo beigetragen hat (Endnote 24c).
Nichtalkoholische Getränke und Bier erscheinen in den Aufzeichnungen Danlardys nur einmal.
Kolanüsse sind das eigentliche, traditionelle Gastgeschenk, treten aber hier stärker in den Hintergrund.
Etwas überraschend ist der relative große Anteil an Reinigungsmitteln (Seife und Waschpulver), die als Geschenke an die Braut wohl keine lange Tradition bei den Bulsa haben.
Tabak (aber nicht Zigaretten!) gehört bei rituellen Ereignissen oft zu den Pflichtabgaben an Männer des elterlichen Hauses der Braut, so zum Beispiel auch beim nansiung-lika Ritual.

3. DIE POLYGYNE EHE
Ein Jahr nach der ersten Ehe kann sich der Ehemann eine zweite Frau nehmen. Bis er die dritte oder vierte Frau heiraten kann, braucht er nicht ganz so lange zu warten, jedoch soll er in einem Jahr nicht mehr als zwei Frauen heiraten. Die Hochzeitszeremonien, Zahlungen, Geschenke usw. entsprechen völlig denen der ersten Hochzeit, nur können sich Männer bei wachsendem Wohlstand Feste größerer Üppigkeit leisten. Eine Minimalvoraussetzung für eine weitere Heirat ist, dass der Gatte seiner neuen Ehefrau wenigstens einen eigenen dok [Endnote 24d] im Gehöft anbieten kann, eine eigene Wohnabteilung um einen Innenhof wird sie gewöhnlich erst bekommen, wenn sie einige Kinder geboren hat.
Die erste Frau (pok-kpagi oder nipok-kpagi)[Endnote 24e] braucht für eine weitere Heirat ihres Mannes nicht ihre Zustimmung zu geben. Es ist mir jedoch ein Fall bekannt, in dem die kinderlose einzige Frau des Hausherrn bisher erfolgreich alle weiteren Heiratsabsichten ihres nichtchristlien Mannes verhindert hat. Sobald sie von Heiratsplänen ihres Gatten hörte, rührte sie den Hirsebrei (T.Z.) mit dem verkehrten Ende des Rührstockes an. Falls der Mann nach dem Genuss eines so zubereiteten Hirsebreis eine zweite Frau heiratete, würde sein Verhältnis zur zweiten Frau sehr schlecht sein, und Streit und Zank kämen ins Haus.
Häufig drängt jedoch die erste Frau ihren Mann, eine weitere Frau zu heiraten oder sie verschafft ihm selbst eine zweite Frau, da sie dann eine Hilfe im Haushalt erhält und im Status aufrückt, denn der ersten Frau (dok-nyono [Endnote 25]) kommt eine gewisse Oberleitung im Haushalt zu. Sie teilt der jüngeren Frau, bzw. den jüngeren Frauen, das Getreide aus dem Speicher zu und kann gewöhnlich in der Erziehung der Kinder der anderen Frauen ein Wort mitsprechen.
Im dok der ersten Frau (pok-kpagi) bewahrt der Mann rituelle Dinge auf, während er im dok der jüngsten Frau Wertgegenstände und Dinge des täglichen Lebens unterbringen kann. Die Nächte verbringt der Gatte in einem regelmäßigem Wechsel nacheinander bei seinen Frauen, wobei er jede Nacht oder etwa an jedem Markttag seinen Schlafraum wechselt. Frauen, mit denen er keinen Geschlechtsverkehr haben kann, etwa wenn {283} sie vor kurzer Zeit ein Kind geboren haben, werden von diesem turnusmäßigen Wechsel nicht ausgeschlossen. Auch ältere, nicht mehr zeugungsfähige Frauen sollten einbezogen werden. In der Praxis werden sie jedoch häufig ausgelassen.
Das Zusammenleben mehrerer Frauen eines Mannes im gleichen Gehöft erweist sich häufig als konfliktträchtig. Neid über die Kinderzahl der anderen Frau, besondere Gunstbezeigungen seitens des Ehemannes, gegenseitige Anschuldigungen der Hexerei, Fragen der Nahrungs- und Arbeitsverteilung usw. geben genug Zündstoff für Streitereien und ernste Konflikte ab. Der folgende Auszug aus der Lebensgeschichte eines etwa 30jährigen Mannes aus Sandema-Balansa soll nicht nur ein Beispiel für einen solchen Konflikt abgeben, sondern auch die Rolle, die hierin die Ama [Endnote 26], die älteste Frau des Hauses, spielt, exemplarisch aufzeichnen.
Der Informant erzählt, dass er in seiner frühen Kindheit lebensgefährlich krank wurde und fährt dann fort:

At last my grandfather called my father and told him that it was his first wife who is (was) trying to kill me, that he had gone to a fortuneteller, and he was told this: Because my father’s first wife didn’t want my father to have a boy with any of his wives or to have more children (from another wife) than (from) her; because any time she gave birth to a child, by three or four years the child died. So by that time she was having one boy and (my) mother having two (children): one boy and a girl.
After they had gathered fact of her behaviour, my grandfather gathered all the house people and called this my stepmother. They called my great-grandfather’s wife, who was still living, but (who was) very old, more than hundred years, and blind. She was then called mother of the house (Ama) that if any matter comes to the house just like disputes she settles it. So this old lady was presiding over the matter…
These were the words to her (the accused woman) [Endnote 27]: “Please, my daughter, I am the founder of this house in which you are living now. You came to meet more women and men in the house. I like you just the same [as] I like the others. For a couple of months now there is something happening in the house. I am proving this to you. I am not dead yet. So from this hour going, if this my great-grandson dies, you are going to be {284} hanged on that big baobab tree in front of the house for vultures to eat you up. I will surrender myself to the police, if there is any case.”
There she ended the case, and they all disappeared to their various places. Four days later I could sit upright myself, but not for long. Gradually I could walk out myself to watch my mates playing outside.

In der Anzahl der Frauen sind dem Ehemann nur durch wirtschaftliche Überlegungen Grenzen gesetzt. Er muss seine Frauen und deren Kinder ernähren können. Kleidersorgen gab es nicht, solange die Frauen nur “Blätter” (vaata) trugen. Heute besitzen jedoch die meisten Frauen, wenigstens für den Marktbesuch, auch Stoffkleidung, deren Anschaffung den Haushalt des Ehemannes stark belasten kann. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Anzahl der Ehefrauen in Verbindung mit der Anzahl der Kühe, die ein Mann besitzt, als Maßstab für seinen Reichtum gelten. So liegt auch die Durchschnittsanzahl der Ehefrauen bei Häuptlingen, Sektionsvorstehern (kambon-naab, Pl. kambon-nalima) und anderen einflussreichen und wohlhabenden Männern meistens beträchtlich über der einfacher Bauern.
Die folgende Tabelle gibt Auskunft über die Zahl der Ehefrauen, mit denen die 47 Ehemänner der Subsektion Sandema-Kalijiisa-Yongsa im Juni 1974 verheiratet waren [{284} Endnote 27a].

Abb.: Tabelle
a) Ehefrauen b) Ehen c) Gesamtzahl Frauen a x b,
d) Frauen pro Ehe in %
1 35 35 74,5
2 9 18 19,1
3 2 6 4,3
4 1 4 2,1
Summe 47 63

Im Schnitt waren die erfassten Bulsa Männer (47) mit 1.34 Frauen verheiratet. Diese Zahl stimmt fast genau mit der durch ein größeres Sample erfassten Zahl (1,4) des 1960 Population Census überein (siehe Fußnote 27a).

Anmerkung zur Tabelle: Wie in der Tabelle (Kap. 7,1d; S. 257) wurden auch hier die im Süden Ghanas wohnenden Familien und 5 fremde Häuser des Yongsa-Territoriums in die Untersuchung eingeschlossen. Im Gegensatz zur Tabelle auf S. 257 blieben hier jedoch alle Witwen, die mit einem Mann aus Yongsa verheiratet waren und nun bei ihren Söhnen in Yongsa wohnen, ohne wieder geheiratet zu haben, unberücksichtigt {285}.

4. EHEBRUCH {285}
Als Ehebruch im engeren Sinne (kabong, Pl. kabonsa) wird nur der unerlaubte Geschlechtsverkehr einer verheirateten Frau mit einem anderen verheirateten oder unverheirateten Mann aus der Lineage des Ehemannes angesehen.
Der Beischlaf einer verheirateten Frau mit einem Mann aus einer fremden Lineage wird auch als moralisches Vergehen betrachtete, das aber andere rituelle Nachspiele hat. Nach Sebastian Adanur (Sandema-Kalijiisa) zieht die Frau sich nach dem Bekanntwerden (aus Scham) in ihr Elternhaus zurück. Wenn sie in das Haus des Gatten zurückkommt, versteckt sich eine Tochter des Hauses (yeri lie) zum Beispiel hinter einem Hirsespeicher und schüttet aus einer Kalebasse Wasser über den Kopf und die Genitalien der zurückkehrenden Ehefrau. Ihr Partner der anderen Lineage wird seitdem als Feind (dachiak) betrachtet. Diese Tätigkeiten erinnern sehr stark an ein Ritual, das ich 1988 in Anyenangdu beobachten und dokumentieren konnte. Nur wurde mir damals nicht gesagt, dass der Anlass hierfür nicht ein verwerflicher Sexualverkehr war, sondern vielmehr die mehrjährige Abwesenheit der Frau (die angeblich in dieser Zeit ihre kranke Mutter gepflegt hatte). Ich hatte die Frau zusammen mit ihrer jungen Verwandten, einer neuen doglie, auf Bitte meines Hausherrn (yeri nyono) vom Fumbisi Markt in meinem Wagen zu unserem Gehöft gebracht, während er selbst noch in Fumbisi blieb. Als die neue/alte Gattin den Gehöfteingang durchschritt, schüttete ihr eine unverheiratete Tochter des Gehöftherrn unter allgemeinem Gelächter Wasser aus einer Kalebassenschale ins Gesicht. Das Wasser hatte ein Sohn des Gehöftsheerrn dem nipok-tiim des Hauses entnommen worden und mit klarem Wasser vermischt. Die Frau mit ihrer neuen doglie wurde sofort in ihren Wohnraum geführt und begann noch am gleichen Tag mit Arbeiten, in diesem Falle mit der Zubereitung von Blättern für die Suppen mehrere Haushalte.

Geschlechtsverkehr einer verheirateten Frau mit anderen fremden Männern ist zu bestimmten Gelegenheiten erlaubt, z.B. bei der Totengedenkfeier eines bedeutenden Mannes, beim Erntefest Fiok (November – Dezember) und bei den Feierlichkeiten, die mit bedeutenden Opfern des Erdherrn (teng-nyono) an die Erde (teng) verbunden sind. Bei diesen großen Festen sind auch andere Tabus aufgehoben, so z.B. Eheschließungen zwischen Sektionen, die sonst nicht untereinander heiraten (in Sandema früher: Longsa, Kalijiisa, Kobdem). Die Heirat aus der eigenen Sektion ist jedoch nie erlaubt. Nach einer nicht-bestätigten Information soll es in Doninga ein Gehöft geben (Name des Gehöfts und der Sektion sind dem Autor bekannt), in dem Brüder, Väter und Söhne ihre Frauen gemeinsam haben. In diesem Gehöft sollen angeblich Leute des Sklavenjägers Babatu sesshaft geworden sein.
Hatte eine verheiratete Frau unerlaubten Sexualverkehr (kabong) mit einem anderen Mann der Lineage ihres Gatten, so soll sie möglichst schnell ihren Gatten informieren, der sofort den yeri-nyono in Kenntnis setzt. Ist der Gatte selbst yeri-nyono, so muss er den Vorfall auch anderen Hausbewohnern erzählen. Schweigt die ehebrecherische Frau, so wird der Fall verschärft und endet meistens in einer Trennung, aber auch dann muss das im folgenden beschriebene Reinigungsritual (fobka kabonsa) ausgeführt werden [Endnote 27b].
Hierzu lässt der yeri-nyono des Gehöfts der Frau den Ehebrecher in sein Haus kommen, um sich bestätigen zu lassen, was er schon durch die Frau oder andere erfahren hat und um gleichzeitig einen Termin für die Reinigungszeremonien festzulegen. Die Reinigungszeremonien selbst sind bereits von R. Schott [Endnote 28] beschrieben worden. Wie ich von einem Informanten aus Kanjaga erfahren habe, wird in manchen Bulsa-Orten, z.B. in Kanjaga, der Kopf eines schwarzen Huhnes, Hahnes oder Hundes gegen die Genitalien der beiden Ehebrecher geschlagen.
Ein Informant aus Wiaga, der in Fumbisi wohnt, berichtet verallgemeinernd, dass man sich nach einem Ehebruch abends in möglichst kleinem Kreise trifft. Die unbekleideten Ehebrecher schlagen (fobi) sich gegenseitig einen schwarzen Hund oder ein schwarzes Huhn gegen den Kopf und streichen das Tier dann über die Brust hinunter bis zu den Genitalien {286} Nach R. Schott [Endnote 29] wird das Tier getötet, indem man es gegen den Boden schlägt.
Ein Informant aus Sandema sagte mir, dass das schwarze Tier niemals verspeist wird, sondern in einen Baum geworfen wird und dort hängen bleibt. Diese letzte Aussage spricht für die von R. Schott [Endnote 30] angedeutete Möglichkeit, dass das Tier eventuell eine ‘Stellvertreterrolle nach Art eines “scapegoat” spielt’, denn durch den Verzehr dieses Tieres könnten sich die am Mahl teilnehmenden Personen die abgewälzte Schuld wieder aneignen. Auch der Glaube [Endnote 31], dass ein Kind stirbt, wenn ein Ehebrecher oder eine Ehebrecherin es auf den Arm nehmen und dabei bekennen, dass sie Ehebruch begangen haben, spricht für die Annahme, dass die Schuld auf das Lebewesen übergeht, das man beim Bekenntnis in den Händen hält.
Meistens muss der männliche Ehebrecher auch ein Bußgeld an das Haus des betrogenen Gatten entrichten, das zum Beispiel in Kanjaga aus einer Kuh, einem Huhn und Tabak bestehen kann. Die Beziehungen zwischen den beiden betroffenen Häusern haben sich trotz dieser Bußzahlungen verschlechtert.
Die Ehebrecher empfinden bei der Reinigungszeremonie gewöhnlich eine tiefe Scham, aber sie können sich ihr nicht entziehen, wenn sie weiterhin ihre Rolle im sozialen Leben des Dorfes spielen wollen. Die einzige Möglichkeit, dieser Zeremonie zu entgehen, ist die Flucht nach “Kumasi”, d.h. zum Süden Ghanas.

Kabong in Wiaga
Schon 1979 hatte es nach einem ersten Ehebruch zwischen den beiden Schuldigen ein kabong-fobka Ritual gegeben. Der betrogene Ehemann hatte die Verfehlung durch einen Besuch beim Wahrsager herausgefunden und sie danach durch eine Wahrsagerin bestätigen lassen (Es muss gesagt werden, dass beide Wahrsager nicht nur aus der Sektion sondern aus der Nachbarschaft des Ereignisses stammten und sicher schon von dieser Verfehlung gehört hatten). Danach rief der Ehemann alle Hausbesitzer (yeri-nyam) seiner lineage zusammen und informierte sie über den Vorfall. Ein alter Hausbesitzer der Sektion, der als Neffe galt, führte das Ritual mit zwei weißen Hühnchen aus. Der schuldige Mann erschien nicht. Kinder des Ehegatten rösteten sich die beiden Hühnchen, Erwachsenen wäre der Verzehr verboten gewesen.
Am 3. August 1981 konnte ich selbst ein fobka-kabong Ritual in einem Gehöft Wiagas beobachten und in allen Einzelheiten durch Notizen und Fotos dokumentieren. In der folgenden Beschreibung habe ich jedoch eine starke Anonymisierung vorgenommen und auf weitere Personenfotos verzichtet.
Es handelte sich in diesem Fall um das gleiche schuldig gewordene Paar wie 1979, nämlich einer älteren Frau und einem mit dem Gatten verwandten Nachbarn aus der gleichen Lineage. Das Ritual sollte ein Neffe des Nachbarn ausführen. Als er Schwierigkeiten machte, trat für ihn ein zwölfjähriger Junge aus einer Nachbarsektion ein (des Gatten BrToSo). Nachdem Opfer mit Informationen an einige Ahnen des Gehöft des Gatten dargebracht worden waren, stellten sich der Gatte, der Sohn der schuldigen Frau (stellvertretend für seine sich weigernde Mutter) und der Junge aus der Nachbarsektion mit einem kleinen weißen Huhn vor den Eingang (nansiung) des Gehöfts.
Die drei Personen stehen am Gehöfteingang und der Gatte hat gerade das Hühnchen durch Schleudern auf den Boden getötet. Der gesprochene Text wurde auf mein Tonbandgerät aufgezeichnet (links).
Der Gatte nahm das Hühnchen und warf es mit Gewalt auf den Boden, sodass es starb. Der Junge schleuderte es in einem hohen Bogen in ein Feld.

Abb.: Der Junge wirft das Hühnchen in ein Feld.

Der Verzehr ist eigentlich keinem erwachsenen Menschen erlaubt, denn dieser würde sich dadurch die ganze Schuld wieder einverleiben (Kleine Kinder braten sich solche Hühnchen allerdings mitunter). Ein Schlagen oder Abreiben von Körperteilen hat in dem von mir beobachteten Ritual nicht stattgefunden. Der betrogene Gatte soll nach diesem Ritual keinen offenen Groll mehr gegenüber den beiden Schuldigen zeigen, in Gesprächen mit mir offenbarte sich jedoch eine starke Verärgerung.
Aus Sandema-Kalijiisa ist mir ein Fall von kabong bekannt, in dem sich der männliche Schuldige weigerte, das Ritual auszuführen. Statt dessen ging er in den Süden Ghanas. Er kann erst nach der Totengedenkfeier des (betrogenen) Gatten wieder in seine Sektion zurückkehren und nach Ausführung des kabong-fobka Rituals auch wieder in dieser wohnen.
In manchen Gegendes des Bulsalandes, vor allem aber in den großen Häuptlingsgehöften, in denen der Häuptling die eheliche Treue seiner vielen Frauen nur schlecht kontrollieren kann, gibt es eine einfachere Reinigungszeremonie: Vor den männlichen und weiblichen Ehebrechern wird nur ein Ei zerbrochen. Manche Häuptlinge sollen in gewissen Zeitabständen vor allen ihren Ehefrauen ein Ei zerbrechen, um dadurch alle Frauen, die ihnen seit der letzten Reinigungszeremonie untreu waren, von ihrer Schuld zu befreien [Endnote 32].
Kinder aus einer ehebrecherischen Verbindung genießen die gleichen Rechte wie die Kinder des rechtmäßigen Gatten, jedoch werden sie mitunter schon in jungem Alter von ihren Halbgeschwistern geneckt, und später herrscht häufig Zwietracht zwischen ihnen und den Kindern des Ehemannes {287}.
Wie bereits beschrieben (Kap. 1,1; S. 36) kann ein Gatte, der krank, impotent oder zu alt ist, um noch Kinder zu zeugen, seinen Frauen die Erlaubnis geben, mit anderen Männern (z.B. seinen Brüdern) Sexualverkehr zu haben, um so sein Haus noch durch weitere Kinder zu vergrößern. Auch dieses Verhältnis wird als kabong angesehen, und das Reinigungsritual muss regelmäßig ausgeführt werden.

5. AUFLÖSUNG DER EHEGEMEINSCHAFT
Für eine Ehescheidung [Endnote 32a] gibt es nach G. Achaw nur einen echten Grund, nämlich Hexentätigkeit der Frau. In diesem Fall verlässt die verdächtigte Gattin mit all ihren Kindern das Gehöft ihres Mannes, denn Hexerei wird in weiblicher Linie übertragen, und alle Kinder einer Frau haben die Anlage zur Hexerei. Bevor die Ehefrau mit ihren Kindern in ihr Elternhaus zurückgeschickt wird, informiert man die Eltern über die Gründe für die Auflösung der Ehe.
Bei anderen Scheidungsgründen bleiben die Kinder stets im Hause des Ehegatten. Anlässe, eine Frau zu entlassen, sind z.B.:

1. Die Frau kann keine Geheimnisse bewahren.
2. Die Frau stiehlt.
3. Sie hat häufig Fremdverkehr mit anderen Männern.
4. Sie vernachlässigt die Pflichten einer Ehe- und Hausfrau in grober Weise.

Unfruchtbarkeit allein wird nicht als Scheidungsgrund angesehen, führt jedoch oft zur Auflösung einer Ehe. In den zuletzt angeführten Fällen (1-4) wird keine Scheidung mit offizieller Information des Elternhauses der Frau vorgenommen. Häufig bringt der Gatte seine Frau in das Elternhaus unter dem Vorwand, dass sie krank aussehe und eine Ortsveränderung brauche, dass sie wieder einmal die Umgebung ihrer Eltern benötige usw. Solche oft mehrwöchigen Besuche einer verheirateten Frau in ihrem Elternhaus sind auch in einer glücklichen Ehe keine Seltenheit. Erst wenn die Frau nach einem Monat immer noch nicht von ihrem Gatten abgeholt wird und auch keine Besuche aus dem Haus ihres Gatten erhalten hat, kann sie sicher sein, dass ihre Ehe getrennt ist {288}.
Entlässt der Ehemann seine Ehefrau ohne deren Wunsch, wird sich das Verhältnis zwischen den beiden bisher verschwägerten Häusern stets verschlechtern. Für längere Zeit wird eine andere Heirat zwischen den beiden betroffenen Häusern unmöglich sein. Falls jedoch eine Ehe im gegenseitigen Einvernehmen der beiden Gatten getrennt wird, etwa weil die Ehe kinderlos geblieben ist, so braucht das freundschaftliche Verhältnis der beiden Häuser nicht darunter zu leiden. L. Amoak, der sich von seiner ersten Frau trennte, da beide Partner annahmen, dass sie vielleicht in einer anderen Ehe Kinder bekommen könnten, heiratete einige Jahre nach der Trennung eine andere Frau aus dem Haus seiner ersten Gattin.
Nicht immer geht eine Ehetrennung vom Gatten aus. Eine Frau kann auch ohne einen wichtigen Grund für immer in ihr Elternhaus zurückkehren. Mir ist ein Fall bekannt, dass sich eine Frau nach einem Streit mit ihrem betrunkenen Ehemann zusammen mit ihren Kindern von Sandema auf den Weg zu ihrem Elternhaus in Fumbisi machte. Als der Ehemann dies erfuhr, lief er ihr nach und überredete sie zurückzukehren.
Ein anderer älterer Ehemann schickte seine erste Frau von seinem Wohnsitz Kumasi mit deren Einverständnis zu seinem älteren Bruder nach Sandema und blieb selbst mit seiner zweiten Frau und den Kindern der ersten Frau in Kumasi. Als seine erste Frau weniger Geldsendungen als erwartet aus Kumasi erhielt, lief sie in ihr Elternhaus zurück und heiratete bald einen anderen Mann. Als sich etwa ein halbes Jahr später ihr erster Gatte entschloss, für immer nach Sandema zurückzukommen, kehrte sie sofort wieder zu ihrem ersten Gatten und ihren eigenen Kindern zurück.
Recht viele Fälle sind mir bekannt, dass ein Mädchen nach einigen Tagen im Hause ihres Gatten in ihr Elternhaus zurückkehrt, und es scheint so, dass auch bei den Bulsa [Endnote 33] relativ viele Ehen in ihrer Anfangszeit vor der Geburt des ersten Kindes gelöst werden, während die Geburt eines Kindes zur Stabilität einer Ehe beiträgt.
Ein Schulmädchen aus Wiaga wurde beim Wasserholen von einer männlichen Gruppe einer anderen Sektion mit Gewalt entführt. Als sie nach einigen Tagen Aufenthalt noch kein Gefallen am Leben im Haus ihres Gatten fand und sie auch ihre schulischen Pläne als Ehefrau nicht verwirklichen konnte, ließ sie beim Wasserholen für ihren Gatten alle {289} die Tongefäße am Brunnen stehen und lief in ihr Elternhaus zurück.
Während meines Aufenthalts in einem Bauerngehöft kehrte ein etwa zwölfjähriges Mädchen vom Marktbesuch nicht zurück, und man erfuhr, dass sie von einer Bewerbergruppe entführt worden war. In der sich anschließenden Diskussion zwischen der Mutter des Mädchens und dem yeri-nyono des Hauses (er ist der Bruder des Gatten der Mutter) stellte sich heraus, dass keiner dieser Ehe zustimmte. Die Mutter hatte geglaubt, dass der yeri-nyono für diese Ehe war, und der yeri-nyono hatte gemeint, die Mutter hätte diese Ehe arrangiert. Das noch sehr junge Mädchen schien noch keine starke eigene Meinung zu haben. Daraufhin, es waren vier Tage nach der Entführung verstrichen, ging die Mutter in das Haus des Gatten ihrer Tochter und holte diese in ihr Haus zurück, wo sie wieder Hirtenmädchen wurde. Obwohl diese ‟Ehe‟ nur sehr kurzfristig war und wahrscheinlich nicht vollzogen wurde, hat die Episode doch weitreichende Folgen. Das Mädchen kann nie wieder in die Sektion ihres ‟Ehemannes‟ heiraten. Für einen neuen Mann aus dieser Lineage wäre die Ehe kabong. Ihr späterer Gatte (aus einer anderen Lineage) wäre der Feind (dachiak) der ganzen Lineage ihres ersten Gatten.
Gegen den Willen einer Frau, mit einem bestimmten Mann zu leben, scheinen auch mitunter Gerichtsurteile zwecklos zu sein. Eine junge Frau war als doglie im Hause eines Kasena-Mannes aus Paga aufgewachsen, der sie später als seine Ehefrau betrachtete. Ob von ihm alle Zahlungen an die Schwiegereltern geleistet worden sind, konnte nachträglich nicht geklärt werden. Von einem Aufenthalt in ihrem Elternhaus kehrte die junge Frau nicht zu ihrem “Gatten” zurück, sondern heiratete einen Mann aus Sandema. Der Kasena-Gatte verklagte daraufhin den Sandema-Mann, dass er seine Ehefrau entführt habe. Er bekam recht und nahm die Frau wieder mit zu seinem Gehöft in Paga, doch schon am nächsten Tag lief die Frau wieder zu ihrem Gatten aus Sandema. Nach einigen Jahren verklagte der Kasena-Mann wieder seinen Rivalen. Diesmal wollte er auch den Sohn der Frau haben, da diese bei der “Entführung” schwanger gewesen sei. Der Sandema-Mann fürchtete für seinen Sohn, nicht aber für seine Frau, die ihm sofort versprach, am nächsten Tag zurückzukommen, falls sie wieder nach Paga ziehen müsse. Das Gericht wies jedoch diesmal die Klage des Kasena-Mannes ab.
In einem Gehöft in Kalijiisa entdeckte ich den wen-bogluk einer jungen Frau aus diesem Hause, die ein knappes Jahr vorher geheiratet hatte. Da bei einer Heirat der bogluk eines Mädchens vom Boden abgelöst und zerstört wird und ein ähnlicher bogluk im Hause des Gatten neu errichtet wird, äußerte ich mein Erstaunen dem Hausherrn gegenüber. Durch diesen erfuhr ich daraufhin folgendes: Dies ist die erste Ehe seiner Tochter, und daher {290} weiß man noch nicht, ob sie bei ihrem Gatten bleiben will. Sobald sie sicher ist, dass sie den richtigen Mann geheiratet hat, wird man den bogluk ablösen. Ist ein bogluk jedoch einmal im Hause des Gatten errichtet worden, so kann das wen nie wieder ins Elternhaus zurückkehren, wohl aber in das Haus eines anderen Gatten [Endnote 34].
Eine eigentliche Scheidungszeremonie oder eine symbolische Handlung, durch die eine bestehende Ehe aufgelöst wird, gibt es nach meinen Erkundigungen bei den Bulsa nicht, obwohl bei anderen ethnischen Gruppen Nordghanas, z.B. bei den Tallensi [Endnote 35], eine Ehescheidung dadurch ihren symbolischen Ausdruck finden kann, dass der Mann Asche in Richtung auf seine Frau bläst.
Bei einer Trennung bleiben die (meistens nicht sehr wertvollen) Haushaltsgegenstände (Töpfe, Hausrat, Topferinnenwerkzeuge) im Haus des Gatten, Kleidungsstücke gehören weiterhin der Frau. Probleme können sehr teure materielle Güter bereiten. Besitzt die Frau zum Beispiel eine Nähmaschine, so wird sie diese vor ihrem Auszug in ihrem Elternhaus in Sicherheit bringen.
Trennen sich Ehegatten, die gemeinsame Kinder haben, so gehören die Kinder zur Linie des Vaters. Wenn sie jedoch noch sehr klein sind, kann die Mutter sie mit in ihr Elternhaus oder sogar zeitweise in das Haus ihres neuen Gatten nehmen. Erben können diese Kinder jedoch nur im Hause ihres leiblichen Vaters. Wird eine Frau, die in der vorhergehenden Ehe geschwängert wurde, von einem anderen Mann geheiratet, so wird letzterer versuchen, das Kind nach der Geburt zu behalten, es zu verstecken oder dessen Anwesenheit abzuleugnen, während der erste Gatte mitunter versucht, das Kind heimlich oder mit Gewalt aus dem Hause des zweiten Gatten zu holen. Groß ist die Zahl der Konflikte, die wegen solcher Tatbestände vor Gericht ausgetragen werden. Häufig ist es für den Richter fast unmöglich, Recht zu sprechen, da Aussage gegen Aussage steht und bis vor kurzem weder Eheschließungen noch Geburten amtlich registriert wurden. Kann der neue Gatte das Kind bei sich behalten, so hat dieses Kind die volle Erbberechtigung im Hause des zweiten Gatten, auch wenn dieser genau weiß, dass er es nicht gezeugt hat [Endnote 36].
Ältere Kinder geraten mitunter in einen Gefühlskonflikt, wenn ihre Mutter das Haus des Vaters verlassen hat. Ein junger Mann aus Wiaga traf seine “geschiedene” Mutter an jedem Markttag auf dem Markt und diese versuchte jedesmal, ihren Sohn zu überreden, in das Haus des zweiten Gatten zu ziehen. Als sie keinen Erfolg hatte, kehrte sie selbst in das Haus ihres ersten Gatten zurück {291}.
Wie manche der angeführten Beispiele zeigen, hat der Ehemann nur unzulängliche rechtliche Mittel, seine unzufriedene Ehefrau davon abzuhalten, in ihr Elternhaus zurückzukehren und einen anderen Mann zu heiraten. So ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Männer aus Gebieten außerhalb des Bulsa-Landes (z.B. von den Kasena) einen nipok-tiim (Pl. nipok-tiita) besorgen oder ihn schon von ihren Vätern übernehmen. Dieser bogluk besteht gewöhnlich aus zwei großen Tontöpfen mit Medizin, einem Stein in einer Dreifachastgabel (chagsa) und einem gegabelten Stock, an dem verschiedene Gegenstände (Kalebassen, Hörner usw.) hängen (vgl. Abb. 44). Falls eine Ehefrau das Haus ihres Gatten verlassen hat, um einen anderen Mann zu heiraten, opfert der Hausherr dem nipok-tiim z.B. ein Huhn [Endnote 36a]. Der ungetreuen Ehefrau werden sich hieraufhin die Hände in einem Krampf schließen, ihr Körper wird steif werden und zittern. Sie könnte von einem Haus springen, ohne sich zu verletzen. Falls ihr neuer Gatte auch einen nipok-tiim besitzt, wird er ihm Opfer darbringen, um seine neue Gattin aus ihrem Zustand zu befreien. Es findet nun ein Kräftevergleich der beiden nipok-tiita statt. Erweist sich der nipok-tiim des neuen Gatten nicht stark genug, so bleibt der Frau nichts anderes übrig, als in das Haus ihres ersten Gatten zurückzukehren, wo ihr durch den nipok-tiim geholfen werden kann.
U. Wanitzek (1998) hat mehrere Gerichtsverhandlungen des Sandemnaab, in denen vorzugsweise ‟Frauenfragen‟ (Ansprüche verschiedener Gatten an einer Frau) behandelt wurden, und auch selbst Material durch Interviews über solche ‟cases‟ gesammelt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass einige Frauen häufig ihren Gatten verlassen, um einen anderen Mann zu heiraten, wieder zu ihrem ersten oder einem dritten Gatten ziehen, ohne dass eine vorhergehende Ehe förmlich aufgelöst wurde (ibd. S. 140). Auch spielen die oft als ‟legal steps‟ genannten Rituale akayaali und nansiung-lika nicht eine so große Rolle wie oft behauptet. Andere Gründe sind oft maßgeblicher.
U. Wanitzek (S. 142) berichtet:

The woman’s cohabitant seems to acquire the status of a husband through the birth of children and (to a lesser extent) the passage of time while cohabiting with the woman. In contrast, the first husband loses his marital status gradually throught his wife’s departure and her prolonged desertion.

6. WIEDERVERHEIRATUNG DER FRAU NACH DEM TODE DES MANNES
Ist ein verheirateter Mann gestorben, so versammeln sich einen Tag nach den letzten Zeremonien der Totengedenkfeier die Männer des Hauses im kusung (Schattendach vor dem Gehöft), die Witwen und andere Frauen des Hauses, eventuell auch einige Nachbarinnen, im Schlafraum des verstorbenen Mannes. Die Männer schicken einen Boten zu den Frauen mit der Frage, wen die Witwen (oder die Witwe, Buli pokogi) heiraten wollen. Gewöhnlich wird der Bote ohne Antwort zurückgeschickt, und erst wenn die Frauen sich entschieden haben, senden sie eine Botin mit der Antwort an die Männer {292}.
Die nicht selbst betroffenen Frauen im dok haben nur beratende Funktionen, die Entscheidung liegt bei den Witwen selbst. Die Männer schicken nach der Wahl einer Witwe einen männlichen Boten zurück, der ihr Einverständnis ausspricht oder die Frauen auffordert, einen anderen Mann (oder andere Männer) zu wählen. Die Frauen können sich erneut beraten, sie können andere Kandidaten nennen oder bei ihrer ersten Wahl bleiben. Dreimal können die Männer die Wahl der Frauen zurückweisen, dann müssen sie sie akzeptieren.
Trifft man sich zu einer solchen Gattenwahl, so wird von der Witwe erwartet, dass sie wieder ins gleiche Haus heiratet oder doch wenigstens in die expanded family [Endnote 37] (Häuser, die sich vor nicht sehr langer Zeit getrennt haben und noch unter einem Oberhaupt – kpagi oder yeri-nyono – stehen). Wenn die Witwe sich einen anderen Mann der gleichen Sektion erwählt hat, wird sie schon vor dem “Wahltag” das Haus ihres ehemaligen Gatten verlassen und sich in das Haus ihres neuen Gatten begeben. Die beiden Häuser der gleichen Sektion werden durch diese Begebenheit nicht zu Feinden.
Bleibt die Frau in der gleichen Sektion, so braucht der neue Gatte keine Zahlungen an das Haus des verstorbenen Mannes zu entrichten, sondern informiert gegebenenfalls nur den Hausherrn, sowie das Elternhaus der Witwe. Es finden auch keine Hochzeitszeremonien oder Feierlichkeiten statt. Falls der Verstorbene allerdings noch nicht alle Zahlungen (z.B. nansiung-lika) an das Elternhaus der Frau entrichtet hat, so ist der neue Ehemann der Verpflichtungen nicht enthoben, diese Zahlungen nachzuholen, das heißt, der neue Gatte tritt in alle Rechte und Pflichten des Verstorbenen ein.
Falls die Witwe keinen Mann aus der Sektion ihres verstorbenen Gatten heiraten will, kehrt sie gewöhnlich in ihr Elternhaus zurück. Will sie eine Ehe mit einem Mann einer anderen Sektion eingehen, so wird die neue Ehe mit allen Hochzeitszeremonien und Verpflichtungen geschlossen, wie sie oben beschrieben wurden. Der neue Gatte gilt nun als Feind der Verwandten des verstorbenen Gatten, dessen Haus auch nicht offiziell informiert wird. Die Gattenwahl entscheidet letzthin allein die Witwe {293}.
Will eine meistens ältere Frau keine echte neue Ehe eingehen, aber doch im Gehöft ihres verstorbenen Mannes bleiben, so hat sie mehrere Möglichkeiten, dieses auszudrücken und auszuführen:
1. Sie meldet den Männern im kusung, dass sie das Grab ihres verstorbenen Mannes heiraten will und kann es etwa so ausdrücken: ‟N kali n chorowa boosuk zuk‟ (Ich sitze auf dem Grab meines Mannes).
2. Sie kann einen kleinen Jungen des Gehöfts als ihren neuen Gatten wählen und danach ein eher mütterliches Verhältnis zu diesem Kind zeigen. Auch wenn der Junge älter ist, wird es zu keinen sexuellen Handlungen kommen. Der Junge kann jedoch, wie zuvor ihr Gatte, ihrem persönlichen wen-Schrein (tintueta-wen) opfern.
3. Wenn die Frau zusammen mit ihrem (erwachsenen) Sohn im Gehöft bleiben will, so lässt sie den Männern im kusung ausrichten: ‟N kali n biika ngaang.‟ (Ich sitze hinter meinem Sohn). Dieser Sohn wird dann auch für ihren Unterhalt aufkommen.
Alle diese Antworten werden gewöhnlich von den Männern im kusung respektiert, jedoch war der Gehöftsherr von Anyenangdu Yeri etwas verärgert, als nach dem Tod seines polygyn verheirateten Sohnes einige der noch gebärfähige Frauen keine echte neue Ehe eingehen wollten.
Größere Konflikte über die Wiederverheiratung darf es in der eigenen Lineage nicht geben, jedoch bleiben mitunter einige Verärgerungen oder Spannungen. Nach dem Tode eines alten Mannes (Ad) heiratete eine Frau dessen Bruder (Ak) in einem Nachbargehöft. Nach einiger Zeit kehrte sie jedoch in das Gehöft ihres verstorbenen Gatten (Ak) zu ihren Kindern zurück. Als sie starb, wurde ihre Totengedenkfeier nicht von ihrem Gatten Ak sondern im Gehöft ihres ersten Mannes (Ad) von dessen Sohn (As) abgehalten. Hierüber hat es Diskussionen und Verärgerungen gegeben, die unter anderem sogar dazu führten, dass der neue Gehöftherr As, ein Sohn von Ad, sein Gehöft verließ und in einer Nachbarsektion in der Nähe eines (nichtverwandten) Freundes ein neues Gehöft baute, aber nach einiger Zeit wieder in seine alte Sektion zurückkehrte. Seit diesem Konflikt werden zwischen den betroffenen Gehöften (von Ad/As und Ak) zwei neue Tabus (kisita) beachtet: Wenn im Gehöft von Ad/As ein Mann stirbt, dürfen seine Frauen sich in der Totengedenkfeier keinen neuen Gatten aus dem Gehöft Ak oder den (neuen) Gehöften seiner Söhne wählen. Dieses wäre nur möglich, wenn sie nach dem Tode in ihr Elternhaus zurückkehren und von dort aus eine ganz neue Ehe beginnen, wonach ihr neuer Gatte als dachiak (Feind) betrachtet würde.
Außerdem darf im Gehöft von Ak und denen seiner Söhne keine Totengedenkfeier von einer Frau abgehalten werden, die außerhalb dieser Gehöfte verstorben ist.
Im folgenden sollen einige Beispiele für Wiederverheiratungen, wie sie mir durch genealogische Erhebungen zugänglich wurden, exemplarisch dargestellt werden. Vor allem wenn die Frau einen Gatten aus einer anderen Generation nimmt, kann das Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihren Kindern aus verschiedenen Ehen unklar werden.

1. Apapa-yeri (Wiaga-Yisobsa), so auch in vielen anderen Fällen:
Abb.: Genealogie

B heiratete nach dem Tode seines Vaters eine von dessen Frauen, die nicht seine leibliche Mutter war. Nach L. Amoak haben die Kinder eines verstorbenen Mannes ein Vorrecht auf ihre Stiefmutter, da sie dem Verstorbenen später opfern. Erst nach ihnen haben die Brüder des Toten einen solchen Anspruch.

2. Amoanung-yeri (Sandema-Kalijiisa-Yongsa):
Die Ziffern beziehen sich auf die genealogische Übersicht und Tabelle in Kap. V,4; S. {183-84}

Abb.: Genealogie

Als 18 starb, heiratete 16 seine beiden Frauen 15 und 17. Nach dem Tode von 16 wurde 15 die Frau von 33 {294}.

3. Awaanka-yeri (Yongsa):

Abb.: Genealogie

Der hier dargestellte Fall, dass der Vater A eine Frau seines verstorbenen Sohnes B heiratet, die hiernach Gattin ihres ehemaligen “Schwiegervaters” ist, ist mir nur einmal begegnet und wird auch von Informanten als recht ungewöhnlich hingestellt, da ja im Normalfall eher ein Sohn seinen Vater überlebt und der Altersunterschied zwischen Schwiegervater und Schwiegertochter meistens recht beträchtlich ist. Später (nach 1978) drängten die Hausbewohner den alten Mann, diese Frau an einen seiner Brüder oder Söhne zu geben. Die aus der neuen Ehebindung von A geborenen Kinder (nicht in der Genealogie) nennen die Kinder von B ‟Söhne‟, obwohl sie viel älter sind.

7. MODERNE TENDENZEN IN DER JÜNGEREN GENERATION {294}

a) Beachtung der Heiratsverbote und vorgeschriebenen Feindschaften
Die Frage, ob sich gebildete und/oder christliche Bulsa noch an die grundlegenden Heiratsverbote halten, muss ohne jede Einschränkung bejaht werden, nicht so sehr weil sie das Sinnvolle dieser Einrichtungen eingesehen haben, sondern weil sie die starken Sanktionen der traditionellen Gesellschaft fürchten. Ein Bulo, der sich eine Frau aus der exogamen Einheit seines Vaters oder seiner Mutter nimmt, hat nur die Wahl, entweder in den Süden zu ziehen, um nie mehr zurückzukommen, oder die Frau zurückzugeben. Obwohl die jüngere gebildete Generation einen starken Drang zum Süden zeigt, denkt sie nicht im geringsten daran, alle Brücken zum Bulsa-Land abzureißen, wie es durch eine verbotene Heirat geschähe {295}.
Zweifelsfälle in der Beachtung von Heiratsverboten werden jedoch von der jüngeren Generation, zumal von den Schulabsolventen, oft großzügiger ausgelegt. Robert Asekabta wollte eine Tochter aus dem Hause seiner Urgroßmutter mütterlicher Linie heiraten. Aus diesem Hause war bisher kein ma-bage in das Vaterhaus Roberts überführt worden. Seine Eltern rieten ihm trotzdem von dieser Eheverbindung ab. Robert setzte sich jedoch diesmal über den Rat seiner Eltern hinweg, nachdem er vorher schon eine andere Braut aufgegeben hatte, als seine Eltern einen Hinderungsgrund fanden (vgl. Kap. VII,1a, S. 250).
Ein anderer Mittelschulabsolvent heiratete ein Mädchen, dessen Mutter eine “Tochter” des Nachbarhauses ist. Da das Nachbarhaus jedoch zu einer anderen Subsektion der Sektion Kalijiisa gehört, ist eine Heirat nicht direkt verboten, jedoch hatten viele ältere Leute von dieser Heirat abgeraten.
Schwer zu beantworten ist die Frage, inwieweit die jüngere Generation mit Schulbildung Feindschaften ihrer Familien respektiert, die durch Heirat einer schon mit einem anderen Mann verheirateten Frau entstanden sind. Nicht selten sind Söhne oder Töchter von zwei so verfeindeten Häusern in der gleichen Schulklasse. Man versicherte mir, dass solche Kinder gewöhnlich miteinander sprechen und spielen, was ohne Schulbesuch nicht der Fall wäre. Eine echte Freundschaft zwischen solchen Schülern kommt jedoch in der Regel nicht auf.
Ein junger Mann aus Kalijiisa-Choabisa wollte vor einigen Jahren eine Schülerin (Sandema-Kori) einer Middle-School heiraten. Sie lehnte jedoch entschieden ab, da vorher ein Mann aus Kalijiisa-Yongsa eine Frau ihres Vaters geheiratet hatte. Es muss bemerkt werden, dass die Zugehörigkeit Choabisas zu Kalijiisa nur sehr lose ist und heute sogar Heiraten zwischen Choabisa und Kalijiisa-Yongsa erlaubt sind. Der junge Bewerber aus Choabisa und seine Freunde (zum Teil aus Yongsa) lehnten ihrerseits bei den Besuchen im Elternhaus des Mädchens das ihnen angebotene Wasser ab, da sie befürchteten, sie könnten vergiftet werden.
Vorgeschriebene Feindschaften zwischen Familien scheinen von jungen Leuten weniger respektiert zu werden, wenn diese sich in Südghana befinden. Hier ist der Druck der fremden Umwelt so groß und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bulsa so ausgeprägt, dass Feindschaften {296} zwischen anderen im Norden lebenden Verwandten stark zurücktreten. Für Cape Coast ist mir sogar ein Fall bekannt, dass zwischen zwei jungen Männern, deren Familien im Norden verfeindet sind, Freundschaft besteht. Falls beide Männer in den Norden gehen, kann diese Freundschaft, so versicherte man mir, jedoch schwerlich weiterbestehen.
Ein Mann aus Gbedema war mit einem entfernten Verwandten aus Fumbisi befreundet, dem er sogar eine Frau aus Wiaga beschaffte. Später verließ diese Frau ihren Mann und heiratete einen anderen Verwandten des Gbedema-Mannes. Erst später wurden die verwandtschaftlichen Verhältnisse klar erkannt und die zweite Ehe als unerlaubt (kisuk) identifiziert. Der Gbedema-Mann will jedoch seine Freundschaft zu dem Mann aus Fumbisi nicht aufgeben. Er schläft in seinem Haus und leiht sich sein Motorrad aus. Außenstehende (hier aus Sandema) tadeln ihn dafür und fragen, ob er die kisita der Bulsa nicht kenne.

b) Werbung, Heirat und Schule [Endnote 38, {296}]
Die Einführung von Schulen im Bulsa-Gebiet hat im Zusammenleben der Geschlechter, in den Werbungsformen, Hochzeitsbräuchen, in der Partnerwahl usw. grundlegende Veränderungen mit sich gebracht. Hatte in der traditionellen Gesellschaft die Werbung die Tendenz, möglichst rasch zu einer Heirat zu führen, so ist die Zeit der Werbungen und Freundschaften zwischen den Geschlechtern in der Schule künstlich verlängert worden, denn sie umfasst, vor allem bei den Mädchen, wenigstens die vier Jahre Mittelschulausbildung.
Heiraten in der Schulzeit kommen zwar vor, werden aber von Lehrern nicht gerne gesehen, und auch die Schüler(innen) befürchten, dass sie durch eine vorzeitige Heirat ihr Schulziel nicht erreichen werden.
Von den 16 Mädchen, die 1974 in der St. Martin’s Middle School (Wiaga) ihr Examen machten, waren zur Zeit des Examens 5 verheiratet, 1 geschieden, 9 unverheiratet (Der Familienstand einer Schülerin ist mir nicht bekannt). Ein Mädchen heiratete kurz nach dem Examen, eine andere Schülerin lebte als doglie schon seit einiger Zeit in einem Haushalt, hatte sich aber zur Zeit des Examens noch nicht für einen bestimmten Hausbewohner entschieden (hier unter “unverheiratet” aufgeführt). Zwei verheiratete Mädchen hatten schon je ein Kind, nur in einem der beiden Fälle war der Ehemann der Vater des Kindes.
Von den 8 Schülerinnen, die zur gleichen Zeit an der Sandema Continuation Boarding School (vorher: Middle School) ihr Examen machten, war nach meiner Kenntnis keine verheiratet, wenn auch ein Mädchen oft als “verheiratet” angesehen wurde, weil sie bei ihrer verheirateten Schwester, einer Lehrerin der Schule, wohnte und dieser auch im Haushalt half. Sie wurde als doglie des Lehrerhaushalts angesehen, obwohl auch der Gatte ihrer Schwester, ein katholischer Lehrer, ebenso wenig an eine Heirat dachte wie die Schülerin {297} selbst.
Eine Mittelschülerin hat gewöhnlich in jahrelangen Freundschaften, Tändeleien und echten Liebschaften eine Auswahlmöglichkeit, die früher nie ein Bulsa-Mädchen hatte, denn es steht der Schülerin nicht nur eine längere Werbungszeit zur Verfügung, die Zahl der Bewerber und Interessenten ist auch um ein Vielfaches gestiegen. Keineswegs lehnen Schülerinnen traditionelle Werbungsformen ab: an Markttagen legen sie oft weite Fußmärsche zu Nachbardörfern zurück, um sich dort mit ihrer gemischten Altersgruppe zu treffen. Auch werden analphabetische Bewerber nicht grundsätzlich abgewiesen [Endnote 39], aber der Kreis der Bewerber umfasst auch Schüler, Mittelschulabsolventen, die für kurze Zeit aus dem Süden zurückgekommen sind, um sich eine Frau zu suchen, so wie fremde Beamte und Lehrer, die aus anderen Teilen Ghanas im Sandema District eine Anstellung bekommen haben.
Ort der Begegnung ist nicht nur der Markt, sondern auch die Schule selbst, wo man die Freundin in den Pausen aufsucht, wo zu Schulfesten, Sportveranstaltungen und Entlassungsfeiern auch junge mehr oder weniger “beschulte” Dorfbewohner erscheinen.
Ein junger Mann aus Wiaga-Yisobsa-Guuta (vgl. Kap. VII,2b, S. 260) berichtet, dass ihm nach einem Fußballspiel, an dem er als Mittelschüler aktiv teilgenommen hatte, eine ihm unbekannte Schülerin einen Brief ihrer Freundin überreichte und sofort verschwand. Es war ein anonymer Liebesbrief. Er stellte selbst Nachforschungen an, und bei der Vorbereitung eines zentralen Sportwettkampfes in Sandema konnte er die Briefschreiberin zum erstenmal sprechen, um sich später häufiger mit ihr zu treffen.
Azuma aus Chiok (vgl. Kap. VI,1; S. 198 f.) berichtet in ihrer Lebensgeschichte, wie sie von ihrem jetzigen Mann umworben wurde (Text leicht eingebessert):

My first time of a friendship with a boy was on my first day in the Middle School. When he wrote a letter to me, I replied him with gladness and joy. lt happened that he invited me to their house, and that was my first visit to their house. When we went there together, all his parents were happy with me, and they went and bought drinks and we all enjoyed ourselves {298} there. At the time I wanted to go home, I was drunk, and I could not even go home, and they took me to our house. Then we wrote letters to each other, and if anybody asked me for love, I would tell that person that I was not ready to have friendship with him. The time came that we promised to be with each other in future. So all our hearts lie on each other. Immediately after I finished my school I married him, and that was on 4th August, 1974, when all lorries were moving on the right, and I hope I will not forget that day.

Die geschilderten Erlebnisse zeigen deutliche Unterschiede zu traditionellen Werbungsformen. Kontakte werden in der Schule geschlossen, der Liebesbrief spielt eine große Rolle, und geheiratet wird erst nach bestandenem Examen. In der ersten Schilderung geht die Werbung vom Mädchen aus, in Azumas Bericht macht sogar das Mädchen Hausbesuche beim Mann, ohne dass Hausbesuche des Bewerbers im Elternhaus der Schülerin erwähnt werden. Interessant ist auch, dass Azuma gedanklich ihren Hochzeitstag mit einem überregionalen Ereignis verknüpft, nämlich der Umstellung Ghanas von Links- auf Rechtsverkehr.
Haben schon analphabetische Mädchen keine großen Schwierigkeiten, einen Gatten zu finden, so kann sich eine Schülerin aus einer noch größeren Anzahl von Bewerbern ihren zukünftigen Gatten aussuchen. Analphabetische, wenig wohlhabende Männer wagen oft gar nicht, sich in die Schar der reicheren, gebildeten, europäisch gekleideten Bewerber einzureihen, und falls es einem ärmeren Analphabeten doch einmal gelingt, eine Schülerin zu heiraten, so redet man mitunter von Zauberei, wie ich es in Kalijiisa erleben konnte.
Die große Attraktivität der Schülerin erklärt sich wohl unter anderem aus folgenden Gründen:

1. große Sauberkeit (viele Schülerinnen nehmen dreimal am Tag ein Vollbad),
2. attraktive, moderne Kleidung (auch lange Hosen, Shorts, Miniröcke usw.),
3. Schönheit (Schülerinnen leisten viel weniger harte, körperliche Arbeit als ihre analphabetischen Altersgenossinnen. Außerdem kennen {299} sie viele kosmetische Tricks, ihr Aussehen attraktiver zu machen),
4. Bildung und Aufgeschlossenheit. Schulbesuch allein macht eine Frau schon begehrlicher und verleiht dem erfolgreichen Bewerber ein hohes Prestige. Auch die oft große Sprachgewandtheit, Unterhaltungskunst und ihre größere Aufgeschlossenheit für moderne Dinge erhöhen für viele Bewerber die Attraktivität einer Schülerin.

Die oben aufgeführten Punkte 1-3 sind mit erhöhten finanziellen Ausgaben (Seife, Kleidung, Kosmetika usw.) verbunden. Wie kann die Schülerin diese Sonderkosten bestreiten? Obwohl mir auffiel, dass gerade an der Sandema Continuation Boarding School recht viele Schülerinnen aus Häuptlingshäusern oder anders begüterten Familien kommen, kann hier nicht der einzige Grund dafür liegen, dass Schülerinnen über viel mehr Taschengeld verfügen und auffallend besser gekleidet sind als gleichaltrige Schüler. Die Erklärung für diese finanziellen Unterschiede kam von Schülern und – etwas zaghafter – von Schülerinnen selbst. Die Schülerin lässt sich ihre Attraktivität durch Geschenke bezahlen. Zwar lehnen es einige Schülerinnen angeblich ab, von Freunden Geld anzunehmen, und sie sprechen verächtlich von den money girls, die für sexuelle Dienste Geld nehmen, während es andere ganz natürlich finden, sich auch Geld schenken zu lassen. Alle halten es jedoch für selbstverständlich, dass ihre Freunde auf dem Markt Pito und andere Getränke bezahlen, zur Mittagszeit etwas für sie zu essen kaufen und auch Sonderwünsche (Seife, Zucker, Ölsardinen usw.) nach Möglichkeit begleichen. Bei reicheren Verehrern stellt ein Mädchen auch ohne Hemmungen die Bitte nach Kleidungsstoff, Tüchern, Schmuck usw.
Wie oben (Kap. VII,2c, S. 262 ff.) bereits dargestellt wurde, musste auch der Brautwerber in der traditionellen Gesellschaft freigebig mit Geschenken sein, und die Schülerinnen stellen gleiche Anforderungen. Jedoch ist eine große Verschiebung eingetreten. Hatten im ersten Fall die Geschenke die Funktion, möglichst schnell eine Heirat herbeizuführen, gelten sie im zweiten Fall als Bedingung für eine prestigeträchtige Freundschaft mit einer Schülerin und eventuell als Gratifikation für sexuelle Dienste. Das Elternhaus des Mädchens wird gewöhnlich ganz ausgeschaltet, wenn keine festen Heiratsabsichten des Bewerbers bestehen.
Die älteren (männlichen) Schüler einer Mittelschule sind oft durch Kameradschaft, Lerngemeinschaft oder auch durch ein Liebesverhältnis {300} mit Schülerinnen der eigenen oder anderen Schulen liiert. Wie es auch bei Nichtschülerinnen üblich ist, wollen sich die Schülerinnen nicht auf einen Partner festlegen lassen. Die Schüler selbst scheinen die Umwerbungen ihrer Freundinnen durch fremde Bewerber gelassen hinzunehmen, zumal bei den meisten nicht die Absicht besteht, gleich nach der Schulentlassung zu heiraten. Durch Weiterbildung oder durch Ausübung einer profitablen Arbeit im Süden wollen sich die Schüler zuerst eine Karriere aufbauen. Hat man Erfolg, so ist es später ohnehin nicht schwer, eine attraktive jüngere Schülerin als Ehepartnerin zu finden, besonders dann, wenn für dieses Mädchen die Aussicht besteht, durch eine Heirat in den Süden zu kommen.
Diese geschilderten Verhaltensmuster (die sich inzwischen geändert haben könnten) haben zur Folge, dass Ehemänner oft viel älter sind als ihre Frauen. Nach dem Population Census of Ghana (1960, S. 230) sind von 8,930 erfassten (männlichen) Bulsa Haushaltsvorständen (heads of households) 2,227 zwanzig und mehr Jahre älter als ihre Frau.

Weitere moderne Tendenzen in der jüngeren, gebildeten Generation werden unten (Kap. VII,7), vor allem auch aus der Sichtweise von Evans Atuick (Zitate aus Atuick 2015: 92-103) geschildert.

c) Christentum und Ehe

Einstellungen der Kirchen. Während die christlichen Kirchen zu den bisher behandelten Übergangsriten eine Haltung einnehmen, die zwischen wohlwollender Duldung und Ablehnung schwankt, sehen die meisten Kirchen die traditionellen Heiratsbräuche als Bestandteile und Voraussetzungen für eine christliche Eheschließung an. Als Regel kann gelten, dass die Kirchen erst dann einer kirchlichen Einsegnung zustimmen, wenn die christlichen Ehepartner die traditionellen Heiratsbräuche vollzogen haben. Aber auch eine Ehe, die nur durch traditionelle Heiratsriten zustande gekommen ist, wird als gültige Ehe angesehen, das heißt etwa, dass ein Christ keineswegs die Frau eines Mannes heiraten kann, wenn diese erste Ehe nur auf traditioneller Ebene geschlossen wurde [Endnote 40].
Hier stellt sich jedoch ein neues Problem. Durch welche Zeremonien und Riten wird eine traditionelle Ehe geschlossen? Wie oben dargelegt wurde, gibt es eine ganze Reihe von Ritualen und Handlungen, die – zeitlich mitunter durch mehrere Jahre voneinander getrennt – eine traditionelle Ehe begründen. In der 2. Nummer des der katholischen Mission von Wiaga nahestehenden Builsa Herald (Oktober 1973: 3-4) unterscheidet der Verfasser, der Mitglied des Parish Research Committee ist, drei ‘stages at which our traditional marriage is sealed and legalized’:

1. “Akayaali ale wa boka de” (Don’t look for her for she is here), s. Kap. VII,2h
2. “Lig nansiung” (Closing the gate) s. Kap. VII,2l
3. “Nyiem soka” (Common bath) {301} s. Kap. VII,2g; [Endnote 41]

Wohl alle christlichen Kirchen betrachten es als eine Aufgabe der nahen Zukunft, die hochgeschätzten traditionellen Riten in irgendeiner Form in das christliche Ritual einzubauen. Als praktischer Vorschlag wird von einem anonymen Autor in Nr. 3 des Builsa Herald [Endnote 42] zum Beispiel angeregt, dass bei der kirchlichen Trauung die Braut die Kalebasse mitbringt, die sie von ihren Eltern als Zeichen der Zustimmung vor ihrer Entführung erhalten hat [Endnote 43] und dass sie ihrem Bräutigam in dieser Kalebasse Wasser anbietet, wie es sonst mit Wasser oder T.Z. im Hause des Bräutigams geschieht. Eine Einbeziehung der oben aufgeführten entscheidenden drei Schritte in das christliche Zeremoniell dürfte mit größeren Schwierigkeiten verbunden sein.
Eine Vernachlässigung traditioneller Formen durch stark akkulturierte, christliche Jugendliche kann weitreichende Folgen haben. Als der Krankenpfleger G. Achaw einmal eine Kollegin mit in sein Elternhaus nahm, wurde dies von allen Hausbewohnern und Nachbarn als Heirat (Entführung mit Einwilligung der Braut) interpretiert, obwohl zu dem Zeitpunkt keine ernste Heiratsabsicht zwischen den Partnern bestand.

Fallbeispiele und Konflikte. Scheint es nach der oben dargelegten großzügigen Handhabung der Kirchen, nach der die kirchliche Einsegnung nur Schlusspunkt einer Reihe von Hochzeitsbräuchen zu sein scheint, unwahrscheinlich, dass es zu inneren religiös motivierten Konflikten in der Haltung junger christlicher Bulsa kommt, so ist es erstaunlich zu hören, dass viele junge Eheleute sich weigern, die kirchliche Einsegnung schon gleich mit den Heiratszeremonien zu verbinden. Gelten sie in der Bulsa-Gesellschaft und vor dem Gesetz als rechtmäßig verheiratet, so kann ihnen die kirchliche Einsegnung nur Schwierigkeiten bringen, wie wohl schon manche christliche Bulsa erfahren haben. Die Bulsa-Ehe scheint, wie dargelegt, in den ersten Ehejahren nicht sehr stabil zu sein. Besonders wenn sich keine Schwangerschaft einstellt, ziehen es manche junge Frauen vor, in ihr Elternhaus zurückzukehren. So wurde mir von christlichen Bulsa häufig versichert, dass sie eine kirchliche Trauung erst nach der Geburt ihres ersten Kindes beabsichtigen. Es ist daher auch keine Seltenheit, dass bei kirchlichen Trauungen die Braut ihr jüngstes Kind auf dem Rücken trägt {302}.
Die Hochzeit meines Assistenten Yaw, eines begeisterten Mitglieds und auch Predigers (später Pastor) der Restoration Power Chapel, hat sich völlig problemlos abgewickelt. Er kannte seine spätere Frau schon mehrere Jahre vor der Heirat (2015). Nach einem Gottesdienst nahm er sie ohne einen Zwang mit in sein väterliches Gehöft. Sie wurde dort von den Bewohnern drei Tage lang festgehalten und unterhalten (entertained) bis Yaw sie mit in sein eigenes Haus nahm. Beide galten nun als verheiratet. Yaw hatte vorher schon mehrere Besuche mit Geschenken im Gehöft des Mädchens gemacht, ohne dass diese wohl direkt als Werbungsbesuche angesehen wurden. Die Eltern sagten, dass die Heirat allein eine Angelegenheit der jungen Leute wäre. Trotzdem hatte sich Yaw einen san-yigma (Heiratsvermittler) aus seiner Sektion mit verwandtschaftlichen Bindungen zur Sektion der Braut besorgt. Das Hunde-Ritual wurde nicht ausgeführt, angeblich, weil Yaw gerade keinen passenden Hund auftreiben konnte.
Kirchliche Einsegnungen werden auch von Bulsa, die sich in Südghana aufhalten, am liebsten im Bulsa-Land vollzogen, da die finanziellen Kosten hier niedriger liegen, d.h. wohl vor allem, dass hier der Vater einen Teil der Kosten übernimmt.
Ayarik, zur Zeit in Cape Coast wohnhaft, will sich in Wiaga kirchlich trauen lassen. Er und seine Frau werden bei den Weißen Vätern Brautunterricht erhalten. Ayarik möchte seiner Frau ein Geschenk machen und eine Anzeige in die Zeitung setzen lassen, obwohl es im Bulsa-Land keine Möglichkeit gibt, eine Zeitung zu kaufen. Sein nichtchristlicher Vater wird ein Fest geben, eine Musikkapelle kommen lassen und alle Gäste mit Pito bewirten. Eine vom Staat geforderte Registrierung neu-geschlossener Ehen gab es 1974 in Nordghana noch nicht (Siehe Exkurs in Kap. VII,7c).
Als nächstes stellt sich für christliche Ehepartner die Frage des Wohnsitzes. Die ersten katholischen Missionare in Wiaga vertraten die Ansicht, dass es für junge Christen fast unmöglich ist, ihren Glauben in einer heidnischen Umgebung ohne andauernde Konflikte auszuüben. Sie empfahlen daher besonders Jungverheirateten, ihr eigenes Lehmhaus in der Nähe der Missionsstation zu errichten. Augustine Akanbe, ein presbyterianischer Katechist, hält auch heute noch eine solche Maßnahme für eine Ideallösung, wenn sie auch in der Praxis mit Schwierigkeiten verbunden ist. Nur so könne ein Getaufter ein echt christliches Leben führen. Andernfalls kann es in Fragen der Kindererziehung, in der Einhaltung von Tabus oder in der Befolgung “heidnischer” ritueller Handlungen zu ständigen Auseinandersetzungen mit den Eltern oder dem yeri-nyono kommen. Als presbyterianischer Christ, der bei seiner Eheschließung das “heidnische Ritual” auf ein Minimum reduzieren wollte, weigerte sich Augustine auch, Feldarbeiten für seine Schwiegereltern auszuführen, was ihm wieder eine starke Isolierung – auch in wirtschaftlicher Hinsicht – vonseiten seiner Verwandten einbrachte.
Die Konflikte werden noch verstärkt, wenn zwischen den beiden Ehepartnern ein starkes Bildungsgefälle besteht, das oft gleichlaufend mit dem Christianisierungsgrad ist. Gemeinhin wird gesagt, dass vor allem christliche Frauen aus Ängstlichkeit oft eine genaue Einhaltung aller “heidnischen” Vorschriften beachten. Diese Aussage muss noch bewiesen oder widerlegt werden. In Yongsa werden jedenfalls die drei {303} ersten analphabetischen Christen Frauen sein, die alle in einer polygamen Ehe leben und die trotzdem nach Auskunft des presbyterianischen Pfarrers versuchen werden, dort ein christliches Leben zu führen.

Christentum und Polygynie

Exkurs: E. Hillmans Studie ‟Polygamy Reconsidered‟ (1975)
Der katholische Ordenspriester (C.S.SP.) bemüht sich in seiner Studie um eine vertretbare Haltung der Kirchen gegenüber polygam verheiratete Eheleute, die zum Christentum übertreten wollen.
Zuvor zeichnet er von verschiedenen christlichen Kirchen in verschiedenen Teilen der Welt vertretene Kompromisse auf. Diese reichen von einer Zerstörung der polygamen Familie bis hin zu Taufangeboten an alle Glieder einer solchen Familie. Zwischen diesen extremen Einstellungen liegen viele andere Kompromissversuche.
In der anglikanischen Kirche wurde zum Beispiel der Vorschlag diskutiert, nur die Ehefrauen einer polygamen Familie zu taufen, da sie ‟involuntary victims of the custom‟ sind (S. 32). Zu einer allgemeinen Annahme dieses Vorschlags kam es nicht, obwohl ‟Angliccans … in West Africa allow the wives of polygamists to be baptized‟ (S. 33).
Die ‟Lutheran Church in Liberia‟ entschied, ‟that polygamous husbands as well as their wives may be admitted to baptism and communion, although normally they may not hold official positions of leadership in the ecclesiastical organisation‟.
Einige der unabhängigen afrikanischen Kirchen ‟have positively accepted polygamy as part of their conscious indigenization of Christianity in Africa‟ (S. 33).
Im letzten Teil seiner Studie (S. 205-208) legt Hillman seine eigene Einstellung zur polygamen Ehe und ihrer Verträglichkeit mit dem christilichen Glauben dar.

…the traditional ecclesiastical discipline regarding African polygamy is not as well founded, biblically and theologically, as has been supposed heretofore… it should be possible to adopt at least a new policy of toleration, along the lines already tested by the Lutheran Church in Liberia. Persons who have previously entered polygamous marriages, in good faith and according to the socially accepted practice of their time and place in history, should not be prevented from participating in the sacramental life of the Church (S. 206).
…it should be made clear to them that no additional polygamous marriages are permissible once they have entered the Christian community through baptism… (S. 206)

Bei den Bulsa kommt es gewöhnlich zu einem Bruch mit der christlichen Kirche, wenn ein christlicher, monogam verheirateter Ehemann sich eine zweite Frau nimmt, denn kaum eine der Missionskirchen ist bereit, einem Christen eine neu eingegangene polygyne Ehe zu erlauben. Wohl gestattet etwa die presbyterianische Kirche in polygynen Familien lebenden Frauen die Taufe, und auch polygyn verheiratete Männer können getauft werden, jedoch kein Amt in der Kirche bekleiden.
Über die von beiden Kirchen besonders für ältere Konvertiten vorgeschlagene Lösung, dass der polygam verheiratete Konvertit zwar mit allen Frauen in Wohngemeinschaft und, wirtschaftlich gesehen, in einem Haushalt verbunden bleibt, aber nur noch mit einer Frau seiner Wahl geschlechtlich verkehrt, konnte ich keine Erkundigungen einziehen, da mir bei den Bulsa kein Fall einer solchen Ehe bekannt wurde.

Der Entschluss eines Christen, eine zweite Frau zu heiraten, bringt gewöhnlich auch eine Aufgabe vieler christlicher Lebensgewohnheiten (z.B. Kirchgang, Gebet usw.) und eine Neuadaption an traditionelle Religionsformen mit sich.
Als L. Amoak als junger Mann Katholik wurde, zerstörte er seinen wen-bogluk, stellte jede Opferhandlung ein, ging regelmäßig zur Kirche und ließ sich sofort mit seiner Braut kirchlich trauen. Die Ehe blieb kinderlos, die Frau kehrte in ihre Elternhaus zurück, und L. Amoak heiratete nacheinander zwei weitere Frauen, die ebenfalls keine Kinder gebaren und auch in ihr Elternhaus zurückkehrten. Da ließ sich Amoak seinen wen-bogluk wieder herstellen, heiratete eine Verwandte seiner ersten Frau und war nach einem Jahr Vater einer Tochter. Heute ist er mit vier Frauen verheiratet, die ihm alle Kinder schenkten, geht höchstens noch zu Weihnachten und Ostern zur Kirche, verrichtet alle Opfer, Wahrsagerbefragungen usw. eines Hausherrn und lässt seine Kinder im traditionellen Glauben erziehen, wenn er es auch nicht versäumt hat, fast alle Kinder taufen zu lassen {304}.

Exkurs: Vom Staat geforderte Registrierung der Ehen
Im Jahre 1985 wurde vom Staat das ‟Customary Marriage and Divorce Law‟ erlassen, das die Registrierung einer traditionell oder christlich geschlossenen Ehe oder einer Scheidung zur Pflicht macht. U. Wanitzek (1998: 160) bemerkt hierzu: ‟…failure to register such a marriage does not affect its validity, as has been confirmed by an Amendment of 1991‟.
Heute (2021) ist nach Lawyer Frederick Asamoah für eine staatlich geschlossene Ehe (marriage under ordinance) nur die monogame Form erlaubt und ein Verstoß kann mit einer Haftstrafe von einem halben Jahr bestraft werden. Nach dem ‟customary law‟ können jedoch beliebig viele Ehen (gleichzeitig) geschlossen werden (Ghanaweb 6.10.21).

Moderne Eheschließungen nach Evans A. Atuick (BULUK 8, 2015: 92-103)
Der Autor berichtet im ersten Teil seines Aufsatzes ausführlich über traditionelle Hochzeitsriten und widmet dann mehrere Seiten den ‟Changes and Developments‟ (pp. 98-103). Als san-yigma von drei Eheschließungen einer Bulsa Frau mit einem Nicht-Bulsa Bräutigam hat er vor allem folgende Veränderungen beobachtet:

1. The marriage process has been truncated to the extent that some people are now allowed to carry out all three phases in one day‟ (p. 99).

Ein zweiter Besuch des Gehöfts der Braut wird vorgetäuscht, indem die Bewerbergruppe vom Gehöft zum parkenden Wagen zieht und von dort wieder zum Gehöft, um das akaayaa-ali-wa-boro‟ Ritual auszuführen. Alle Begrüßungen im Gehöft werden hierzu erneut ausgeführt.
2. The san-yigma of the wedding negotiation was – in contrast to the traditional customs – somebody (here: Evans Atuick), who was neither related to the bride’s nor the bridegroom’s lineage.
3. Die Höhe und der Umfang der Geschenke und Zahlungen an die Familie der Braut sind immens gestiegen und werden vorzugsweise durch Geldzahlungen beglichen.
On getting there, he [Evans] asked to see what they had brought and was shown three marked envelopes (labelled elders, brothers and mother) with money, a fowl, sheep, hoe, tobacco, cola and bottles of dry gin. Straight away, he told the mother of the young woman that once she had not delivered, the big ram was not necessary but she insisted we took it along, otherwise the suitor would think he got her daughter cheap!! (p. 100)
4. Another change in the process is the disregard for most of the taboos and values that came with the marriage process. Young men now “eat” the “forbidden fruit” several times and sometimes even impregnate or have a child or two with the young women before starting the process… Quite clearly then, the good morals and chastity that have to be strictly adhered to during courtship have long been thrown to the dogs and forgotten.
It is also worthy of note that the taboo that forbid young suitors from marrying a young woman once they visit her paternal compound and see someone in the process of making Bulsa-kpaam (sheabutter) or tiak (mat of elephant grass) no longer means anything to young men and women of today. Thus, the majority of young men, especially the so-called educated ones, no longer believe in that and would still go ahead with the marriage rites even when they encounter such so called bad luck related activities at the house of a would-be-bride on countless occasions (p. 101).
Wenn die Hochzeitsriten in den großen Städten Südghanas ausgeführt werden, sind die Abweichungen von der traditionellen Norm noch größer.

It is also not uncommon for a young woman or man getting into marriage in the city to just arrange for any elderly Bulsa, who may not even be a relative, to sit in as his or her parent and receive or give whatever is required for the marriage. On rare occasions, some of the items (sometimes just a bottle of schnapps, a cloth and some money) given for the lady’s hand in marriage are packaged and given to somebody travelling home to give it to the family of the lady and explain everything to them. Finished!! In most cases, the man who is seeking such a lady’s hand in marriage eventually does not even know where she hails from nor do the actual family members know the man personally. Some Bulsa men are also guilty of this as many have married women from other tribes and have never bothered to bring such women home to know where they actually come from. Such men eventually die wherever they are and their children are lost to the family and tribe of the woman. This is quite dangerous because in the event of any problem occurring in the marriage, family members would not be there for such a person since they are not aware of such a union. There is also this unhealthy practice whereby young women are always eager to jump at an opportunity to marry men who are either in the city or abroad as a way of ensuring financial and social security for themselves and their families. Some parents, especially mothers, push their daughters into marrying rich and influential men because of the financial, social security and prestige benefits accruing from such unions regardless of whether the young girl would be happy in the union or not. Some young girls have even agreed to marry men merely by seeing their pictures which are posted to relatives at home. Eventually, the marriage rites are concluded by the relations without the family of the girl knowing the man and then the girl is ‘posted’ to her new husband whom she barely has known before. In the majority of cases, such marriages run into problems and collapse with resultant dire consequences on the unprepared young woman.

Die äußere Form einer christlichen Eheschließung wird von den Bulsa und anderen Afrikanern gerne akzeptiert, wie Evans A. Atuick es im folgenden berichtet:

Over the years, it has become the vogue and the norm for a young girl or man to have his or her marriage blessed in the church with pump and pageantry as well as lavished banquets with every kind of food or drink available for patrons. The young woman being wedded, usually immaculately dressed in a white wedding gown that is either bought, sewn or borrowed, became the envy of all other single ladies who would do anything to be in the bride’s position!! Oh yes! Almost every single woman is now crazy to do a western style wedding in the church and wants it to be bigger than that of her colleagues’ even if the man is not ready… Even those who do not have cars, would often borrow or hire them for only the wedding ceremony and continue walking, riding or using the ‘trotro’ (public transport) afterwards. …Indeed, the upsurge in church weddings and craving for them by most young women or men have not only scared a lot of young men, who are not on sound financial footing, from contemplating marriage but has also led to the disregard for our traditional customary marriage practices and protocols among so-called Christian Bulsa. Indeed, some have even refused to engage in the customary marriage practices, regarding them as idol worship related practices, which are unchristian and should be avoided by so-called Christians… The fact, however, remains that such foreign-style forms of marriage inevitably have a detrimental effect on Bulsa customary marriage practices since they are bound to erode such customary values and norms (p. 102).

 

ENDNOTEN (Brautwerbung und Heirat)

1 Fortes 1945: 40 uns 52 (The Dynamics of Clanship)

2 In dieser Arbeit wurden für Verwandtschaftsverhältnisse die von C.A. Schmitz (Grundformen der Verwandtschaft, 1964: 17) vorgeschlagenen Abkürzungen übernommen (Va = Vater, Mu = Mutter, Sw = Schwester, Fr = Ehefrau usw.).
{368}

3 Heiraten zwischen Bulsa und Zabarima sind nicht grundsätzlich verboten, sind jedoch in der traditionellen Gesellschaft mit großen Schwierigkeiten verbunden, da die Riten der anderen Gruppe nicht ernst genommen werden. Werbegeschenke können zum Beispiel verweigert werden.
Vgl. J.J. Holden, ‘The Zabarima Conquest of North-West Ghana, Part I, Transactions of the Historical Society of Ghana, Bd. VIII, Legon, 1965:60 – 86.

4 Heiraten (von “Töchtern”) aus Sektionen, mit denen man “scherzt”, sind auch bei anderen ethnischen Gruppen Nordghanas erlaubt. Vgl.: M. Fortes, 1945: 91 Fußnote (The Dynamics of Clanship)
R.S. Rattray, The Tribes of the Ashanti Hinterland, 1969: 390: We, Kusase, also “play together” (deem taba) with the Mampruse and the Gurense, because these tribes intermarry with us…

4a Fortes 1967: 293 (The Web of Kinship)
Vgl. auch den Population and Housing Census of Ghana 1960: 239: Heirat der Bulsa aus anderen Ethnien.

5 Auch der Ahnen-bogluk am Eingang des Häuptlingsgehöfts wird mitunter als “Tochter Suarinsas” bezeichnet (Inf.: R. Asekabta).

5a Vgl. I. Heermann 1981: 41: ‟Affinität spielt, zumindest in Heiratsbeziehungen, kaum eine Rolle. Es gilt als positiv, eine zweite Frau aus dem Haus der ersten zu heiraten. Verboten ist lediglich die Heirat nacheinander geborene[r] Töchter‟. Mein Mitarbeiter Godfrey Achaw bemerkte allerdings, dass die Heirat von zwei Frauen aus dem gleichen Gehöft materielle Nachteile mit sich bringen kann. Bei einer Totenfeier sitzen die Verwandten der beiden Frauen unter einem Schattenbaum und geben die notwendigen Geschenke nur einmal.

5b In Buli wird hier das Wort daung (pl. dangta) gebraucht, das nicht nur den äußerlichen Schmutz und die für magische Zwecke zu gebrauchenden Körperausscheidungen bezeichnet, sondern auch ein Vergehen (eine ‟Sünde‟) im rituellen Sinne (z.B. kabong).

6 Fiok (oft als black monkey bezeichnet): große, dunkle Affenarten (z.B. Pavian, Schimpanse u.a.); waaung (oft als red monkey bezeichnet): mehrere kleinere Affenarten, aber nicht alle Halbaffen und Meerkatzen (baluk, Pl. baluta). Wie R. Schott nachgewiesen hat, werden allein durch die gemeinsame Respektierung derselben Tierart als Totemtier keine Inzestverbote oder Exogamiegebote begründet. Vgl. R. Schott 1973: 456 (‘Kisuk-Tiere der Bulsa’).

7 Vgl. Kap. 1,3; S. {41}

8 Stichtag: 1. Juli 1974. Ähnlich wie in der Aufstellung (Einleitung 2, S. {10} wurden auch die fremden Häuser Yongsas (assimilated lineages) und die am Stichtag im Süden Ghanas lebenden Familien mitgezählt. “Geschiedene” Frauen, die am Stichtag nicht mehr in Yongsa lebten, wurden nicht berücksichtigt.

9 The Web of Kinship, S. 287 ff.

9a Vgl. Vermot-Mangold 1977: 73f: Die Autorin berichtet über Untersuchungen bei den Kabre (Nordtogo). Von 51 Frauen des Viertels Akaide in Kare stammen nur 19 aus einem anderen Dorf, 21 aus Akaide selbst und der Rest aus einem anderen Viertel von Kare.
Die Aussagen von Fortes, Vermot-Mangold und von mir selbst werden wahrscheinlich in neuester Zeit, dank der gestiegenen Mobilität nicht mehr ganz zutreffen.

9b Das Wort “Brautwerbung” kann in Buli auf verschiedene Arten wiedergegeben werden: lie-yaa(li)ka oder cheng-yaa(li)ka. Yaalika ist Verbalnomen zu yaali = lieben, wünschen, suchen, heiraten. “Eheschließung” kann mit nipok-yaa(li)ka, chaab-yaa(li)ka (sich gegenseitig heiraten) oder faarika übersetzt werden. Faari (heiraten) kann nur für den männlichen Partner des Hochzeitspaares gebraucht werden (deutsch: “sich eine Frau nehmen”).

10 Während die Ernte-Opferfeiern (fanoi) in den einzelnen Gehöften ohne Zweifel fest in der traditionellen Ordnung verwurzelt sind, wurde das Fiok-Fest Sandemas mit seinen öffentlichen Durbars und nur wenigen rituellen Elementen im Jahre 1974 vom Sandemnaab Azantilow unter Mitwirkung der Bulsa Youth Association gegründet (siehe BULUK 8, 2015: 107-112). {369}

11 Inf.: Alfred Akowan, Sandema-Longsa.

12 Information (3. Frage) durch R. Schott, Unveröffentlichte Feldnotizen 1966/ 67.

13 Eine ähnliche Information, dass ein “Fremdling” bald in das Haus kommen werde, gab Apatanyin (Amoanung Yeri, Kalijiisa-Yongsa) den wena seiner Ahnen, als ich für 2 Wochen meinen Wohnsitz in sein Haus verlegte.

14 Vgl. auch: ‘Builsa Traditional Marriage’, Builsa Herald, 3 (1974), S. 8.

14a A.R. Radcliffe-Brown (1951: 20) schreibt über gewaltsame Entführungen:
…Every anthropologist is familiar with the custom by which it is represented that the bride is captured or taken by force from her kinsfolk. A first collection of instances of this custom was made by McLennan, who interpreted them historically as being survivals from the earliest condition of human society in which the only way to obtain a wife was to steal or capture a woman from another tribe…
Viewed in relation to social structure the meaning or symbolic reference of these customs ought to be obvious. The solidarity of the group requires that the loss of one of its members shall be recognized as an injury to the group. The taking of a woman in marriage is represented as in some sense an act of hostility against her kin…
Eine ganz andere historische Interpretation der Raubehen findet man bei Thurnwald (in Adam/Trimborn 1958: 170): Die früher verbreitete Annahme, dass Heiraten früher auf dem Wege des Mädchenraubes geschlossen wurden, ist romantischen Vorstellungen über die Wildheit ‟primitiven‟ Menschentums entsprungen. Auf dem Wege des Raubes werden Heiraten mitunter dann geschlossen, wenn alte Heiratsordnungen zusammenbrechen…

15 “Ngaanga ” (die wörtliche Übersetzung bereitet Schwierigkeiten) ruft man bei einem Besuch vor einem Gehöft, ehe man jemand sieht, den man anreden kann.

15a Die Hochzeitslieder, die auf dem Flachdach gesungen werden, heißen nangbiena (Robert Asekabta: naamgbiena) Die mit Instrumenten im Innenhof gespielten Lieder und Rhythmen heißen dabiak-yiila. Auch wenn sich im Haushalt Membran-Trommeln befinden, werden hier nur umgestülpte Kalebassenschalen oder flachgelegte Eimer (Evans Atuick 2015: 95) mit zwei Stöcken oder mit den Händen geschlagen.

15b E. Atuick nennt die Festlichkeiten im Haus (zusammen mit den Liedern beim vor Erreichen des Hauses?) akuwaaliba. Danach gilt die Braut als verheiratet. Vgl. auch das in Kapitel VII, 2e, S. {268} zitierte Lied A ku waali ba. ‟Sie sind beleidigt worden‟).

15c Der Gatte einer früheren Ehebeziehung kann bei einer neu-verheirateten Frau durch die song-Medizin eine Krankheit verursachen, die sich durch starke Anfälle (fits) äußert. Sie tritt plötzlich auf, ist sehr schmerzhaft und dauert etwa einen Tag. Die Frau stößt laute Schreie aus, läuft herum und keiner kann sie halten. Man bringt die Frau zum Hause ihres Vaters und beschmiert ihren Körper mit Asche vom Abfallhaufen (tampoi) ihres Gatten.

16 Unveröffentliche Feldnotizen 1966/67, S. 75.

17 Hauptinformant für diesen Abschnitt war G. Achaw (Sandema Kalijiisa). S. 164

18 Alkoholisches Getränk Südghanas, aus Palmwein destilliert. S. 165

19 Zur Rolle des san-yigmo bei einer Fehlgeburt vgl. Kap. II,6; S. {60}. S. 166

20 Busik, Pl. busisa oder busa. Eine Abbildung befindet sich bei R. Schott (1970), Aus Leben und Dichtung, Bilderanhang. Abb. 28, eine ausführliche Beschreibung seiner Herstellung, Funktion und Bedeutung in Kröger 2001: 319-325.

21Für das Verschließen des Eingangs eines dok mit einer Matte (tiak, Pl. toata) gebrauchen die Bulsa den Ausdruck tiak-lika, der auch mitunter für das Verrammeln des Gehöfteingangs mit Knüppeln Verwendung findet. Für die Zahlungen an die Eltern der Braut gebraucht man nur den Ausdruck nansiung-lika.
Vgl. auch K. Dittmer, Die sakralen Häuptlinge, S. 19 “…Verschließen” imaginärer “Pforten”…), die Ausführungen von van Gennep 1981: 27-30 und R. Schott 1978: 630.

22 Die Zahl Vier muss wieder als symbolisch für das weibliche Geschlecht (Zahlungen für eine Frau) gedeutet werden. Vgl. auch Wanitzek 1998: 134-135: The amount of money used to be 4 pesewas and increased later to amounts such as 4 cedis, 40 cedis, 400 cedis, 4,000 cedis etc.

23 Das Schaf kann nur für Opferzwecke verwendet werden. Nach einer Information aus Kanjaga (Peter Anab) wird es gewöhnlich dem tintueta-wen des leiblichen Vaters der Braut geopfert.
Eine ausführliche Beschreibung der Opferhandlungen nach Erhalt der nansiung-lika Gaben sowie die Aufteilung der Opfertiere befindet sich in Kap. VII,2l.
Bei den Südbulsa soll es angeblich keine Rolle spielen, ob die Frau schon ein Kind geboren hat, es wird in jedem Fall ein Ziege geschenkt. S. 168

23a Eine Abhandlung über die Orientierung der Bulsa an vergangenen Ritualen und Ereignissen sowie die Etablierung von rituellen Abweichungen findet sich bei Kröger (2012).

24 Einige Preislieder in Buli mit deutscher Übersetzung wurden veröffentlicht in: R. Schott, Aus Leben und Dichtung 1970: 32 -33 {370}. S. 169
Die negativen und zum Teil aggressiven Aussagen in diesen Liedern über das andere Geschlecht finden ihr Gegenstück in den nanzuk-yiila (Lieder beim Hirsemahlen) der Frauen. Eine jungverheiratete Frau beklagte sich zum Beispiel so: ‟Ich habe nur geheiratet wegen der vielen Geschenke [zu Beginn der Ehezeit]. Wenn es hier im Hause keine Perlhühner mehr gibt, laufe ich nach Hause zurück‟. S. 170

24a Heermann (1981: 132) schreibt in einer Fußnote: ‟Prof. Schott beobachtete 1974/75 mehrmals das Aufstellen von Köpfen geschlachteter Ziegen zum Zeichen, dass der Schwiegersohn und seine Freunde zur Arbeit gekommen und bewirtet worden waren‟. Aber auch aufgestellte Krokodilplastiken mit Schädelknochen [der zubereiteten Tiere] konnte R. Schott [in Sandema?] und F. Kröger in Wiaga beobachten. S. 170

24b Ein ‟cloth‟ (ga-tiak) entspricht einer Breite von etwa 1,10 m und einer Länge von 1,70 m und reicht aus für die Herstellung von einer Bluse, einem engen, langen Rock oder einem losen Hüfttuch. Für die Anfertigung eines vollständigen traditionellen Frauenkostüms benötigt man 3 cloths (siehe Kröger 2001: 589).

24c Endnote: Der Sandemnab hat den Verkauf von akpeteshi in Gehöften wohl ohne durchgreifende Folgen ganz verboten und plant wohl ein allumfassendes Verbot (vgl. BULUK 10, 2016: 23).

24c Hier: einzelnes Rundhaus mit Flach- oder Kegeldach. Auch die Wohnabteilung um einen Innenhof kann als dok bezeichnet werden; siehe auch Endnote 25.

24d Als erste Frau (pok-kpagi), die gelegentlich auch als älteste Frau (englisch senior wife) bezeichnet wird, gilt die zuerst geheiratete Frau eines Mannes, nicht die an Jahren älteste. Sie hat nicht nur eine führende Stellung mit eingeschränkter Weisungsberechtigung unter den Frauen ihres Gatten, sondern auch gegenüber den Frauen der jüngeren Brüder des Gatten. Wenn man einer der ‟jüngeren‟ Frauen eines Gatten ein Geschenk machen will, so gibt man es der pok-kpagi. Die erste Frau eines Gehöftherren hat dem Titel Ama.

25 Wörtlich: Besitzerin (Herrin) eines dok. Hier hat dok die Bedeutung: Wohnabteilung um einen Innenhof.

26 Das Präfix A- verleiht dem Begriff den Charakter eines Namens, und wirklich verdrängt dieser “Titel” oft den Eigennamen der Frau; ma = Mutter.

27 Der Informant kann sich natürlich nicht mehr an den Wortlaut der Rede erinnern. Der Text der Rede wurde hier von ihm nach Informationen durch seine Eltern frei nachgestaltet.

27a Nach dem Population Census of Ghana (1960, S. 221) waren zur Zeit der Zählung von den 12,800 erfassten männlichen, verheirateten Bulsa (urban and rural) 67,4% mit einer Frau, 25,2% mit zwei, 5.4 % mit drei, 0.8% mit vier und 1,2% mit fünf und mehr Frauen verheiratet. Durchschnittlich war ein Mann mit 1.4% Frauen verheiratet.

27b 27b In neuerer Zeit hat Rev. Stephen Azundem das ‟Jewish concept of ritual cleaning‟ mit den Reinigungsriten und der Funktion  des kabong verglichen. Er ist auch zu dem Ergebnis gekommen, dass das weiße Hühnchen (scape-chicken) und der Sündenbock (scapegoat) des Alten Testaments ein ähnliche Funktion haben, nämlich die Schuld von Menschen auf sich zu nehmen, die das Tier anschließend auf unblutige Art töten (Azundem 2020: 41-48).

28 R. Schott (1973/1974: 90 (Haus und Wildtiere)

29 Ibd.

30 Ibd.

31 Frei zitiert nach R. Schott 1973/1974: 290

31a Weitere Fotos zum kabong-Ritual in Wiaga sollen hier aus Gründen des Datenschutzes nicht veröffentlicht werden.

32 R.S. Rattray 1969: 86 (Religion and Art in Ashanti) berichtet von einem Ordal, dem sich eine Braut vor der Hochzeit an einer Wegkreuzung früher unterziehen musste, um ihre sexuelle Unversehrtheit unter Beweis zu stellen:
Here the girl would take an egg in her right hand and cast it upon the ground, taking at the same time the following oath: ‘lf any one has eaten me may my obosum (god) kill me.’

32a Ehescheidung heißt in Buli yierika. Das Verb yieri hat auch die Bedeutung ‟to remove, to discharge‟ und kann auch für eine Trennung gebraucht werden, die auf einer zu späten Feststellung einer zu nahen Verwandtschaft zwischen Mann und Frau beruht. Der Ausdruck   (wörtlich ‟eine Ehefrau verweigern‟) bezeichnet eine Scheidung, die vom Manne ausgeht.
Nach dem Population Census of Ghana 1960, vol. VI, p. 210 waren von 1,980 verheirateten Bulsa 1,600 Männer und 380 Frauen geschieden.

33 Vgl. auch M. Fortes 1967: 84 (The Web of Kinship)

34 Über den Verbleib weiblicher wen-bogluta, vgl. auch Kap. V,3a; S. {165}.

35 Vgl. M. Fortes, The Web of Kinship, S. 108.

36 Über spezielle Eigennamen (des Kindes) bei einem solchen Fall von “Adoption” vgl. Kap. III B, 3h; S. {105}

36a Inf. durch L. Amoak, der selbst einen nipok-tiim in seinem Hause hat.

37 Vgl. M. Fortes, The Web of Kinship, S. 69.

38 Dieser Themenkomplex wurde von mir an der Sandema Continuation Boarding School eingehend erforscht. In der vorliegenden Arbeit kann jedoch nur von einigen Ergebnissen berichtet werden. Einen Einblick in die Probleme der Schüler und Schülerinnen konnte ich vor allem während meiner Lehrtätigkeit an der Sandema Boarding School (Middle School, später Continuation School) in den Jahren 1973 und 1974 erhalten. Alle Schüler und Schülerinnen zeigten sich mir gegenüber in Gesprächen über Liebe und Heirat sehr offen.

39 In einem Fragebogen, dessen Gesamtauswertung zur Zeit noch aussteht, stellte ich 148 Schülern und 76 Schülerinnen der Klassen 3 und 4 in den 6 Bulsa “Mittelschulen” (Middle Schools) die folgende Frage: lf you are going to marry, must your wife/husband have attended a school? Die Frage wurde folgendermaßen beantwortet:
yes: 74 Schülerinnen, 108 Schüler,
no: 2 Schülerinnen, 37 Schüler,
1 don’t know: 1 Schüler,
1 don’t want to marry: 2 Schüler.
Dass Schüler eher bereit sind, einen analphabetischen Partner zu heiraten, ist in einer überwiegend polygamen Gesellschaft (mit Frauenknappheit) nicht verwunderlich. Eine so starke Ablehnung analphabetischer Heiratspartner durch die Schülerinnen, wie sie das Ergebnis zeigt, entsprach jedoch nicht ganz meinen Beobachtungen. Mir sind auch recht viele Ehen zwischen ehemaligen Schülerinnen und (oft wohlhabenden) Analphabeten bekannt.

40 Nach dem Population Census of Ghana 1960, vol. VI, p. 214 waren von 2160 verheirateten Bulsa Männern in städtischen Wohnbereichen (urban) 2,140 nur traditionell (customarily) verheiratet, in ländlichen Bezirken waren es von 14,020 Männern 13,860. Von den 1,560 verheirateten Bulsa Frauen waren in städtischen Wohnbereichen (urban) 1,540 nur traditionell verheiratet, in ländlichen Bezirken waren es von 20,200 Frauen 13,860. Weitere Angaben (z.B. über nur kirchlich verheiratete Bulsa), sowie Daten in späteren Ausgaben des Population Census waren für mich nicht auffindbar.

41 In Gerichtsverhandlungen, an denen ich in Navrongo teilnehmen konnte, galt bei Prozessen zwischen zwei Bulsa-Kontrahenten eine Ehe nur dann als rechtmäßig, wenn der “Brautpreis” bezahlt wurde. Als “Brautpreis” wird von den Bulsa oft ein Vielfaches der wirklich entrichteten nansiung-lika-Zahlungen angegeben, weil kleine Geschenke häufig von den Gerichten nicht als “Brautpreis” akzeptiert werden.

42 Februar 1974, S. 8 – 10.

43 Dieser Brauch scheint besonders häufig in Wiaga vorzukommen. Für andere Teile des Bulsa-Landes konnte er nicht immer belegt werden. In Südghana besteht er nur, wenn die Eltern ihre Zustimmung gegeben haben {372}.

44Vergleiche hierzu die von dem katholischen Ordensgeistlichen E. Hillman (1975) aufgestellten Vorschläge für Christen, in einer polygynen Familie zu leben.

 

Aufarbeitung von Feldnotizen und Einzelinformationen

Abkürzungen
fn: Feldnotiz des Autors mit Jahreszahl und Karteinummer (gesammelt auf Randlochkarten)
F.K. (fk): Franz Kröger (Autor)
FB: Feldbuch mit originalen Aufzeichnungen vor Ort

1. EINLEITUNG: ZUR ERFORSCHUNG VON RITUALEN DES TODES
Als ich 1972-74 Material für meine PhD-Thesis über die “Übergangsriten der Bulsa” sammelte, bemerkte ich sofort, dass ich bei der Erforschung von “Tod und Bestattungen” starke Widerstände und Einschränkungen zu erwarten hatte. Die für Fremde eher zugänglichen Totenfeiern (Kumsa und Juka) kamen mir in ihrem Ablauf zuerst etwas chaotisch vor, und der Sinn einzelner Rituale war oft nur schwer erkennbar. Mir wurde bewusst, dass für eine intensive erfolgreiche Erforschung eine längere und mehrjährige Beschäftigung notwendig war. Daher habe ich eine eingehende Erforschung dieses Themas eingestellt, und auch in der Veröffentlichung meiner PhD-Thesis (1978) fehlt die Beschreibung und Analyse dieses außerordentlich wichtigen Übergangsrituals.
In den folgenden Forschungsaufenthalten bei den Bulsa (1978, 1981, 1984, 1986, 1988-89, 1994, 1997, 2001, 2002-3, 2005, 2006, 2008, 2011, 2012) standen meistens andere Themen im Zentrum meiner Feldforschungen (z.B. Ahnenverehrung, Divination, materielle Kultur, Mungo-Kult, Erdkult, Geschichte der Bulsa u.a.). Erst nachdem ich durch meine wiederholten Aufenthalte in dem Gehöft Anyenangdu Yeri (Wiaga-Badomsa) Vertrauen und eine große Offenheit in Bezug auf Informationen von allen Gehöftbewohnern, vor allem vom Gehöftherrn (yeri nyono) Anamogsi, gewonnen hatte, wagte ich mich an die schwierige Erforschung der mit der schmerzlichsten Lebenskrise verbundenen Rituale und Einstellungen.
Der Tod selbst ist ein Ereignis, das die nahen Verwandten in einen so starken Zustand der Betroffenheit versetzt, dass außenstehende Beobachter nicht gerade erwünscht sind. Wenn ich anfangs innerhalb einer mir irgendwie bekannten Familie um die Erlaubnis bat, an der Bestattung teilnehmen zu dürfen, so bekam ich entweder eine klare Absage oder man erklärte, dass die Beerdigung schon im Dunkel der Nacht durchgeführt worden war. So ist es nicht verwunderlich, dass die einzigen drei Bestattungen mit all ihren Ritualen, die ich in meinen sich über 40 Jahre erstreckenden Feldforschungen bei den Bulsa in all ihrer Vollständigkeit beobachten und durch Fotos dokumentieren konnte, mir in irgendeiner Weise durch den Gehöftherrn (yeri nyono), Erdherrn (teng nyono) und Elder (kpagi) Anamogsi ermöglicht wurden. Die Beisetzung seiner im Säuglingsalter verstorbenen Enkelin Akanchainfiik fand vor dem Gehöft Anyenangdu Yeri statt. Die Bestattung von Anamogsis Urenkelin Asiuklie in Wiaga-Yisobsa wurde mir außerdem durch Anamogsis Enkel Yaw (Asiuklies Vater) ermöglicht. Die Teilnahme an der “Beerdigung” eines in der Fremde verstorbenen Mannes ohne Leichnam war mir nur möglich, weil Anamogsi als Elder (kpagi) des Lineage-Segments des Trauerhauses wichtiger Mitveranstalter der Bestattung war und wir so keine Erlaubnis vom Gehöftherrn des Verstorbenen brauchten.
Im Gegensatz zu den im engeren Familienkreis stattfindenden Beerdigungen sind die erst in der nächsten Trockenzeit oder sogar Jahre später stattfindenden Totenfeiern (Kumsa und Juka) viel stärker eine öffentliche Angelegenheit. Die Elders im kusung-dok, dem geschlossenen Versammlungsraum vor dem Gehöft, versagen im Regelfall auch einem völlig fremden Besucher nicht die Teilnahme an der Feier, nachdem dieser sie mit einer Flasche akpeteshi (Palmbranntwein) begrüßt hat. Falls Bedenken gegen die Teilnahme eines Europäers geäußert werden, so gehen sie meistens von jüngeren Teilnehmern mit einer schulischen Bildung aus. Eine solche Opposition erlebte ich zweimal in Wiaga. Sie wurde jedoch mit großer Vehemenz von den Elders abgewehrt. In Wiaga-Mutuensa ließen mich die alten Männer sogar zu sich kommen, spendierten mir einen Drink und betonten, dass ich weiterhin bei dieser Feier sehr willkommen sei. In Wiaga-Chantiinsa war es ein sonst in Südghana wohnender Sohn des Verstorbenen, der Einwände gegen meine Teilnahme vorbrachte, aber sofort von den Elders zurückgewiesen wurde.
Bei allen anderen Teilnahmen wurde mir ein wohlwollendes Willkommen entgegengebracht. In Wiaga-Guuta kam nach der Begrüßung der Veranstalter (yeri nyono?) zu mir und sagte, dass dieses eigentlich eine kleinere Totenfeier sei. Durch meinen Besuch würde sie jedoch als eine große und bedeutende angesehen.
Für das Fotografieren einzelner Rituale können keine allgemeinen Regeln aufgestellt werden. Meistens fragte ich bei der Begrüßung, für welche Rituale und andere Aktivitäten ein Fotografieren nicht erwünscht sei. Die Antwort war meistens gleichlautend: Ich könne alles fotografieren, nur seien Aufnahmen der Witwen in Blättertracht, vor allem bei ihrem Bad, nicht erwünscht. Bei diesem Verbot spielen wohl weniger religiöse Gründe als allgemeinmenschliche Schicklichkeits- und Schamgefühle eine Rolle, wie es immer wieder vor allem von jungen Bulsa mit Schulbildung vorgebracht wird.
Bei dem Besuch einer Totenfeier in Gbedema wurde ich von einem jungen Mann mit guten Englischkenntnissen von allen Aktivitäten der Feier abgehalten, ohne dass ich wusste, ob dieses Verhalten von ihm persönlich ausging oder ob er von einer offiziellen Stelle dazu beauftragt worden war. Obwohl sich die erste Annahme als richtig herausstellte, verließ ich das Funeral ohne irgendetwas Bedeutendes gesehen zu haben. Berichte über diesen Vorfall verbreiteten sich in Gbedema und lösten bei einigen wichtigen Persönlichkeiten ein großes Missfallen über das Verhalten der jungen Person aus. Selbst der Chief ließ sich bei mir entschuldigen.
Trotz der Zusagen einer freien Beobachtung und fotografischen Dokumentation, treten im Ablauf der Feier mitunter noch Einschränkungen durch einzelne Personen oder Personengruppen auf (z.B. durch die Totengräber). Hier fiel mit auf, dass solche Behinderungen mehrfach bei den beiden in Sandema dokumentierten Totenfeiern auftraten, während ich sie in Wiaga fast gar nicht erlebte. Dieses mag daran liegen, dass ich in Wiaga besser bekannt bin und stets nur als der “Anamogsi Felika” (Anamogsis Weißer) betrachtet wurde. In Wiaga-Kalijiisa-Choabisa wurde ich vor der Ausführung der nang-foba Riten (mit der Tötung von zwei Rindern) in ein Nachbarhaus gebracht, und nach dem Fotografieren der Mattenverbrennung wurde ich von einem angetrunkenen Mann beschimpft. Bei der Totenfeier Awuliimbas (1989), des Vaters meines und Prof. Schotts langjährigen Freundes Rev. James Agalic, wurde uns am Anfang uneingeschränkte Freizügigkeit versprochen. Später verboten uns jedoch die Totengräber Fotos von der Einkleidung des Getreidespeichers, von der Tötung eines Esels u.a.
Auch ohne irgendwelche von anderen Akteuren und Teilnehmern verursachte Probleme ist die Dokumentation einer Totenfeier nicht einfach. Dies liegt vor allem an der Vielzahl der Schauplätze. Bei einer Totenfeier für verstorbene Frauen und Männer, finden die meisten Riten für die Frauen hinter dem Gehöft, die für Männer vor dem Gehöft statt. Gleichzeitig können die alten Männer im kusung-dok über wichtige Themen beraten, für die es sich lohnt, das Tonband einzuschalten, während im Inneren des Gehöft andere wichtige Riten vorbereitet werden. Eine Arbeit mit nur einer Kamera und ohne wenigstens einen tüchtigen Assistenten, der gut Buli versteht und mit einer Kamera umgehen kann, würde nur zu unvollkommenen Ergebnissen führen.

Ein Problem der Zusammenfassung all meiner Dokumentationen lag darin, dass ich zwar relativ viele Totenfeiern besucht habe, aber nur wenige in ihrer ganzen Vollständigkeit von 4 Tagen beobachten und dokumentieren konnte (siehe Liste aller besuchten Totenfeiern, Anhang Nr. 3). Wie oben schon angedeutet, ist hierfür vor allem mein Zeitplan verantwortlich, nach dem ich dem Besuch anderer Veranstaltungen den Vorzug gab. Hinzu kommt, dass ich eine größere Anzahl der besuchten Gehöfte vorher nicht besonders gut kannte und ich so etwa mit der sozialen und genealogischen Stellung vieler handelnder Personen nicht vollständig vertraut war.
So ist es vielleicht nicht gar so verwunderlich, dass ich die am besten durch Interviews der Beteiligten und Fotos dokumentierte Totenfeier gar nicht selbst besucht habe. Es ist die Feier von Anamogsis Vater Anyenangdu im Jahre 1991, in der sowohl mein deutscher Freund Martin Striewisch ungehindert Fotos machen und Informationen sammeln konnte als auch mein Mitarbeiter Danlardy Leander (auch von Wiaga Badomsa) mit seiner Kamera wichtige Rituale aufnehmen konnte, die zum Beispiel nachts unter Ausschluss der Öffentlichkeit vollzogen wurden. Noch wichtiger ist vielleicht die Tatsache, dass ich in meinen folgenden Aufenthalten jede benötigte Information (oft anhand der Fotos) über diese Totenfeier von meinem Freund Anamogsi erhielt.

2. DER TOD
(Ku-yogsik oder ku-palik (‘frischer’ oder ‘neuer Tod’)

2.1 Die positive Bewertung des irdischen Lebens
Für die Bulsa ist der Tod eines nahestehenden Menschen ein Ereignis, das Schrecken und großen Schmerz auslöst und den einzelnen mit Ereignissen und Gedanken konfrontiert, die vorher weitgehend aus dem Alltagsleben verdrängt waren. Assoziationen zum Tod oder zu den Totenfeiern werden im täglichen Leben möglichst gemieden oder sogar tabuisiert. Das Singen von Totenliedern (dirges, kum yiila, sing. kum yiili) oder die Mischung von Bohnen (tue) und Rundbohnen (suma) vor dem gemeinsamen Kochen, wie sie für ein Gericht am 3. Tag der Kumsa-Totenfeier vollzogen wird, ist außerhalb der Totenfeiern verboten. Auch im Gespräch über den Tod und das Sterben [Endnote 1;  Text der Endnoten am Ende dieser Datei] bedient man sich gerne euphemistisch klingender Formulierungen, zum Beispiel:

O vuusi. He has breathed (his last breath).
Wa duag, wa ngmain yiti-a. He is lying, he does not get up (any more).
Wa noai ale niigi. His mouth is tired (fed up, sick).
Wa tong ka nang. He shot into his leg, in the meaning: ‘He struggled before death’.
Wa taam ka nna diing. He has passed away peacefully.
Wa tog ka buketik. He kicked a bucket.
Fi liewa bo doku po. Your daughter is in the room (bei der Verkündung des Todes einer Frau bei Verwandten).
O basi teng zuk. He has left earth.
Wa sing ka kpilung. He descended into the realm of the dead.
Wa cheng ka ti koma tengka. He has gone to the land of our fathers.
Wa diag o koba nisima. He shakes (shook) hands with his fathers (ancestors).
Wa siek ka ngaasa. He agrees with the ancestors.

Für den Tod von Kindern wird das Normalwort für “sterben” (kpi) nicht gebraucht, sondern ngmain (zurückkehren, d.h. sie kehren in/von einer Wiedergeburt zurück).
Das Leben in einer “anderen Welt”, dem Totenreich (kpilung), gleicht zwar in vielem dem Leben auf Erden: Die Toten leben in Gehöften, Familien und weiteren Verwandtschaftsgruppen, aber dieses Leben ist keineswegs verlockend [Endnote 2].
Das drückt sich zum Beispiel in einer Buli-Redensart aus, die in verschiedenen sprachlichen Versionen auftritt. Eine Informantin aus Gbedema kennt folgende Formulierung:

Taa jo ka yaba teng zuk, kpilung ka ti miena teng.
We are enjoying market on earth, the land of the dead is the village (or land) of us all.

In Wiaga wurde mit folgende Version gegeben:

Ti boka yaba, yabanga dan nueri ti te kuli.
Wir leben auf dem Markt; wenn der Marktbetrieb schließt, gehen wir weg.

Bei S.A. Ekundayo (1977: 62) fand ich in einem Satznamen der Yoruba fast die gleiche Formulierung mit gleichem Inhalt:

The world is a marketplace, but heaven is the home; we are strangers on earth, heaven is our home.

In allen Versionen wird klar, dass das Leben auf Erden trotz der Arbeit und der Sorgen um die Existenz mit einem Markt assoziiert wird. Der alle drei Tage stattfindende Markt (yaba) ist nicht nur ein Ort, an dem überschüssige Agrarprodukte verkauft und nicht im eigenen Gehöft produzierte Waren eingekauft werden. Er ist vielmehr mit mannigfaltigen Vergnügungen und sozialen Kontakten verbunden. Diese können beginnen mit dem Genuss einer Schale Pito (daam) im Kreise von Freunden bis hin zu den Bestrebungen junger Menschen, hier einen geeigneten Heiratspartner zu finden (zumal ja eine solche Suche in der eigenen Sektion/lineage unter Verwandten ausgeschlossen ist). Das Leben im Jenseits entspricht dem Alltagsleben in einem Dorf.
Wenn das mit dem Markttreiben verglichene irdische Leben von den Bulsa so geschätzt wird, ist es nicht verwunderlich, dass Todessehnsucht und der Wunsch nach einem besseren Leben im Jenseits bei den Bulsa wenig Platz einzunehmen scheinen. Wenn das farbenfrohe Marktleben des irdischen Lebens ein Ende hat, beginnt für sie die lange Zeit des “Alltagslebens” im Jenseits.

2.2 Todesursachen
Jeder Tod kann, je nach den Ergebnissen einer Wahrsagersitzung, als natürlich oder unnatürlich eingestuft werden. Sehr alte Menschen, die schon längere Zeit kränkeln, sterben meistens eines natürlichen Todes. Sprachlich kann man den natürlichen Tod so ausdrücken, dass Gott (Naawen) den Verstorbenen geholt hat. Bei Jüngeren, die allgemein als gesund und stark galten, sucht man fast immer nach einer übernatürlichen Ursache in ihrer näheren Umgebung. Hierfür sollen im Folgenden einige Beispiele gegeben werden.
(Information durch Yaw Akumasi, fn 08,1a): Als Anamogsis Frau Akumlie erkrankte, fand ein Wahrsager als Grund für ihre Krankheit heraus, dass ihr christlicher Sohn Asuebisa ihr juik (Fell) fortgeworfen hatte. Als Asuebisa es nach anfänglicher Weigerung zurückholte, war es schon zu spät und Akumlie starb. Ihre Kumsa-Totenfeier wurde Ende 2006 abgehalten.
Danlardy Leander (fn 88, 167b) berichtet über den Tod seines Vaters Leander, dass dieser auf Anraten eines älteren klassifikatorischen Bruders (aus einem anderen Gehöft) einen schwarzen Hahn (am tanggbain?) geschlachtet hat. Dies führte zu seinem Tod. Ein Wahrsager fand heraus, dass Leander im Jenseits große Schmerzen erleidet. Der Nachfolger des ‟älteren Bruders‟ will zum Rückgängigmachen wieder einen schwarzen Hahn schlachten, aber Personen aus Leanders Familie und andere haben Angst.
Mein erster Assistent, Godfrey Achaw (fn 55a), berichtet, dass Ahnengötter ganz langsam töten, teng und tanggbain ganz plötzlich. Wenn der Tod allmählich kommt, erhält der Tote eine Totenfeier, wenn er plötzlich kommt, keine. Im letzteren Fall wird jedoch die Sterbematte am Sterbetag verbrannt, und die Person wird außerhalb des Hauses beerdigt.
Mord gilt als eine ganz außergewöhnliche, Furcht erregende Todesart.(fn 73,54a, G. Achaw). Auch wenn die Durchführung einer Rache vor dem normalen Begräbnis eines Mörders nicht erforderlich ist (und war), so gelten doch die Familie des Mörders und des Opfers seitdem als Feinde, d.h. sie dürfen zum Beispiel nicht zusammen essen oder untereinander heiraten. In einem Fall tötete ein Mann seine entlaufene Frau mit einer Axt. Der Mörder musste Reinigungszeremonien auf sich nehmen, aber keine Zahlungen leisten. Die traditionelle Strafe für einen Mörder war, dass ihn alle mieden, auch seine eigenen Brüder und er keinen um etwas bitten durfte. Oft führte dies zum Selbstmord des Mörders. Nach seinem Tod erhält er eine normale Totenfeier, denn sonst könnte man die Feier eines anderen Hausbewohners, der später gestorben ist, nicht abhalten.

2.3 Kum-biok, der böse Tod
Bestimmte äußere Umstände verleihen einem Tod die Bezeichnung kum-biok, böser Tod (ein Synonym ist kum-toak, ‘bitterer Tod’; einen normalen Tod nennt man kum-weeling).
Ein Sterben ohne die Anwesenheit naher Verwandter außerhalb eines Gehöftes gilt als schändlich und erhält diesen abwertenden Namen. Besonders die im folgenden aufgeführten Todesarten werden mit kum-biok assoziiert (Hauptinformant Yaw Akumasi, fn 01,14b)
Über die Frage, ob eine Person, die eines kum-biok stirbt, Ahne werden kann, gehen die Meinungen auseinander. Während James Agalic aus Sandema in seiner M.A. Dissertation schreibt, dass eine Person, die zum Beispiel Selbstmord, Hexerei oder Ehebruch begangen hat, auch Ahne wird, vertritt E. Atuick (2020: 36) aus Wiaga folgende Ansicht: ‟…people who die through accidents, premature or sudden death, leprocy, witchcraft, etc. are never regarded as ancestors…‟

2.3.1 Tod bei Jagdunfällen: Früher trat ein kum-biok häufiger bei tödlichen Jagdunfällen oder Kriegszügen auf, heute auch bei tödlichen Verkehrsunfällen, nach denen kein Verwandter den Kopf des Sterbenden halten kann.

2.3.2 Tod außerhalb des Gehöfts (Fall) Auch der Tod eines jungen Mannes, der in der heißen Jahreszeit die Nacht im kusung (einem wandlosen Versammlungsraum) vor dem Gehöft verbringen wollte und dort vom Tod überrascht wurde, erhält diese abwertende Bezeichnung.

2.3.3 Tod während der Schwangerschaft: Der Tod einer schwangeren Frau gilt auch heute noch als verwerflich. Der Embryo wird von Totengräbern durch Pressen des Unterleibs aus der toten Frau entfernt und dann getrennt beigesetzt. Die Frau wird an der Außenmauer eines guuk (aufgegebenen Gehöfts) begraben. Die Schuld an dem Tod hat immer die Frau selbst, denn sie wollte das Kind nicht behalten (Yaw, fn 97,10a, Anamogsi, fn 02,16a).

2.3.4 Tod eines Leprakranken: Nach Danlardy Leander und Yaw ist auch der Tod eines Leprakranken ein kum-biok, denn es ist ein strenges Tabu, den Kopf eines sterbenden Leprakranken zu halten. Bei seinem Tod sind oft nur Kinder anwesend, nach seinem Tod wird er mit einem Blätterzweig des gaab-Baumes [Diospyros mespiliformis] mit Wasser besprenkelt. Dann werden Spezialisten für den Tod eines an Lepra (ning doma) Gestorbenen geholt, die ähnliche Rituale ausführen, wie sie unten für den Tod durch Blitzschlag beschrieben werden. Der Leichnam eines leprakranken Mannes mit Kindern wird durch den Haupteingang, der einer kinderlosen Frau über die Hintermauer aus dem Gehöft getragen. Falls diese zu hoch ist, kann ein Stück (bis auf den Boden) herausgeschlagen werden. Bestattet werden können Leprakranke nur durch einen alten, erfahrenen Totengräber (vayiak kpak).
Die Totenfeier eines Leprakranken darf nicht zusammen mit der anderer Verstorbener abgehalten werden. In dark Buli [Buli soblik] wird ein Leprakranker auch bolim (Feuer) genannt.

2.3.5 Sterben durch einen Fluch
Flüche können sowohl für den, der einen solchen ausspricht, als auch für den Verfluchten böse Folgen haben. Bei vielen tanggbana (Erdschreinen) gilt der Fluch als ausdrückliches Tabu für alle, die an diesem Erdschrein opfern. Ein Fluch ist für Außenstehende oft gar nicht als ein solcher zu erkennen. Der Flucher sagt zum Beispiel nur zu einem anderen, dass er sich die bösen Folgen seines Handelns selbst zuschreiben muss. Oder er stellt einem überirdischen Wesen an dessen Schrein frei, was mit der verfeindeten Person geschehen soll.
(Yaw, fn 11,8b): Anamogsis ältester Sohn As. wollte nicht, dass sein Sohn Ak. zum Süden Ghanas ging. Vor der Reise hatte Anamogsis Enkel gegen seinen Vater einen Fluch ausgestoßen, den beide nicht sehr ernst genommen hatten: “If I am going and if something happens to you it is your own [fault]. If you do not mind I am no longer your son”. Danach besuchte As. seinen Sohn im Süden, und dieser kaufte seinem Vater ein neues Fahrrad und gab ihm Geld. Aber es war zu spät. Einen Monat nach dem Besuch starb Ak. Ein Wahrsager bestätigte, dass er wegen des Fluches gestorben war. Daraufhin fuhr As. zum Süden “um das funeral zu holen”, d.h. er holte in einem Tuch etwas Erde, die später im Bulsaland begraben werden sollte (siehe ngarika, Kap. 3,8). Bei seiner Rückkehr wartete As. am Alonggaab (Sichaasa-tanggbain), aber sein Vater Anamogsi wollte ihn nicht abholen, bevor nicht der Fluch zurückgenommen war (Er war auch verärgert, dass As. ihm seine Reise zum Süden nicht angekündigt hatte). Anyik (Atinang Yeri) und andere überreden Anamogsi, seinen Sohn abzuholen. Die Erde wurde im Viehhof begraben.
Nach Auffassung meines Assistenten Danlardy (fn 94,91b) war Ak’s Tod kein kum biok.
(Alice Bawa Ani, fn 81,1a): Eine Frau ihres Hauses in Gbedema war doglie in Fumbisi und heiratete dort. Ihr Mann vernachlässigte sie und ihr Kind und erschien nicht zu Totenfeiern in Gbedema. Als sie immer dünner wurde, weil sie das ganze Essen ihrem Kinde gab, befahl ihr ihr Vater zurückzukommen. Als sie nicht einwilligte hat wohl ihr Vater auf dem Totenbett eine Art Fluch ausgesprochen und sie nach seinem Tode zu sich geholt, wie ein Wahrsager herausfand.

2.3.6 Selbstmord
Als Folge der im Sprichwort (S. 4, Kap VIII, 2,1) geäußerten Ansicht war wohl auch der selbst gewählte Tod (suicide) in der alten Gesellschaft äußerst selten und wurde allgemein als ein schändlicher Akt angesehen, der durch ausführliche Rituale gesühnt und neutralisiert werden musste. Ein großer Teil der mir bekannten Fälle von Selbstmord geschahen im Kreis der mehr oder weniger gebildeten Generation der Bulsa. Es waren Menschen, die mit der starken Spannung zwischen alter und neuer Gesellschaft nicht fertig wurden oder in der Schulausbildung oder im Berufsleben ihr eigenes Versagen zur Kenntnis genommen hatten.
Relativ häufig kommen Selbstmorde von Menschen vor, die von einem Gespenst (kok) berührt worden sind und einen nahen, qualvollen Tod erwarten (Beispiele in Kapitel 6.2. ,Gespenster)
Selbstmord in der alten Gesellschaft gab es vor allem in den folgenden drei Ausführungen (fn M53a):

1. nag zuk, den Kopf an eine harte Wand oder einen Fels schlagen
2. lu pein, sich mit einem vergifteten Pfeil stechen (Es kann auch ein Angelhaken sein)
3. bob miik, sich erhängen (dieser Ausdruck wird auch gebraucht, wenn die Todesart nicht bekannt ist)

(Marg., 1978ff, fn M8a): Ein Verwandter versuchte sich in einer Nacht an einem Dawa-dawa-Baum in der Nähe des Gehöfts zu erhängen. Als der morsche Ast brach, schrie er um Hilfe. Er kam, abgesehen von einem Beinbruch, mit dem Leben davon. Grund für den versuchten Selbstmord war, dass er zu den Ahnen wollte. Margarets Vater meinte, dass man keinen Selbstmörder hindern soll, aber er befürchtete, dass man ihm Vorwürfe machte. Es wurde auch gesagt, dass der Verwandte von Hexen getrieben wurde.
In Gbedema tötete sich ein Mann, indem er sich mit vergifteten Fischhaken an mehreren Körperstellen verletzte. Ein andere Mann versuchte, sich mit einem stumpfen Messer die Kehle durchzuschneiden. Er verletzte sich nur und schrie um Hilfe.

2.3.7 Der geschwollener Körper (nying fuusika) der/des Verstorbenen als Anzeichen eines kum-biok.
Als eine junge Frau (Name und Wohnung bekannt) in Wiaga starb, waren ihre Arme, Beine und ihr Bauch geschwollen. Die Schwellungen traten ein, nachdem sie ihren Ehemann verlassen hatte, und es bestand kein Zweifel, dass sie von ihrem Ehemann verursacht waren. Mehr als 10 Totengräber waren zur Bestattung bestellt. Die Verstorbene wurde, wie es für Frauen üblich ist, außerhalb des traditionellen Gehöfts bei den anderen Frauen begraben, aber ein Stück abseits von diesen. An dem anschließend durchgeführten vaam-soka Bad (s.u.) haben nicht nur die Totengräber teilgenommen, sondern auch alle Personen, die die Tote berührt hatten. Jeder der Badenden gab ein Huhn und zum Teil auch etwas Hirsemehl an den Leiter der Totengräber.

Abb.: Vorratshaltung von tintankori-Steinen in Asebkame Yeri

2.3.8 Blitzschlag
(Yaw, fn 97,10a) Ein kum-biok durch Blitzschlag (ngmaruk oder ngmoruk) bedeutet, dass Gott (Naawen) die Person getötet hat und deshalb darf ihre Totenmatte nicht im gleichen Raum mit denen vorher verstorbener Personen aufgehängt werden. Nach dem Tod kommen in Wiaga Ritual-Spezialisten (ngmaruk-bisa) aus Angmaruk Yeri in Wiaga-Yimonsa.  Kein anderer darf den Toten berühren und alle Gehöftbewohner, die beim Tod außerhalb des Gehöftes waren, dürfen dieses nicht vor Eintreffen der Yimonsa-Männer betreten. Diese kommen mit Wasser und bestimmten Kräutern und besprenkeln (miisi) mit Hilfe eines sie-Besens den Toten sowie sein Zimmer und gehen dann einmal um das Gehöft. Alle beweglichen Dinge, die sie besprenkeln, gehören danach ihnen, zum Beispiel Kleidung, Sandalen, eine Bank usw. Danach wird von ihnen die Leiche begraben. Ein durch Blitz Getöteter darf nur wenig betrauert werden.
(Inf. und eigene Beobachtung, fn 88,121a) Das Gehöft Asebkame Yeri in Chiok besitzt eine Medizin gegen Blitz und Donner. Wenn ein Baum vom Blitz getroffen wird, darf ihn keiner berühren, bis die ngmaruk-Medizin darauf gesprenkelt wurde, und eine Person vom Blitz getötete Person darf nicht ohne Anwendung der Medizin begraben werden. Wenn die Spezialisten in ein betroffenes, fremdes Haus gehen, geben sie dessen Bewohnern einen runden Stein (als Teil der Medizin?). In Asebkame Yeri liegt rechts vom Eingang ein Haufen runder Steine (tintankoa). Es ist eine Vorratshaltung von Steinen, die man in einem Fluss gesammelt hat.

2.4 Eintreten des Todes

Wird ein Bulsa von einer schweren Krankheit befallen, von der man vermutet, dass sie zu seinem Tod führt, so können folgende Maßnahmen getroffen werden:

2.4.1 Ein Wahrsager (baano) soll den spirituellen Grund für die Krankheit herausfinden. Hat der Kranke sich gegen die Ahnen oder andere göttliche Mächte versündigt? Hat er wichtige Tabus gebrochen oder wichtige Pflichten unterlassen? Durch entsprechende Opfer versucht man, den Lauf der Dinge noch abzuändern.

2.4.2 Der Medizinmann (tebroa oder tiim nyono) wird um Rat und therapeutische Mittel befragt. Er verschreibt zum Beispiel den Genuss von Wurzelextrakten, verkohlten Pflanzenteilen oder das Einatmen bestimmter Dämpfe oder Rauch. Seine Anordnung können religiös-magische Elemente enthalten (zum Beispiel die Beschaffung eine Wurzel zu einer bestimmten Tageszeit an einer bestimmten Stelle oder die Beopferung der angefertigten Medizin). Ein Teil seiner verschriebenen Medikamente kann aber auch nach moderner medizinischer Erkenntnis eine heilende Wirkung haben.

2.4.3 Wenn die oben beschriebenen Therapien nicht halfen, wagte man früher als letzten Ausweg den Gang in eine Klinik oder ein Hospital. Heute wird dieser Schritt oft gleichzeitig mit den oben erwähnten Heilpraktiken verbunden.

Abb.: Versammlung einer charismatischen Gemeinde in Sandema

2.4.4 Heilung durch charismatische Personen. In den letzten Jahrzehnten versprechen einige charismatisch-christliche Bewegungen Heilung fast aller Krankheiten [Endnote 3]. Die Leiter und ihre Helfer sprechen Gebete für den Patienten, geben ihm Verhaltensvorschriften und/oder verabreichen ihm ein Heilwasser. Solche Wunderheiler werden nicht nur von Mitgliedern fast aller christlichen Bekenntnisse, sondern auch in starkem Maße von Angehörigen der traditionellen Religion besucht.

2.4.5 Erweisen sich alle Heilmittel und Therapien als wirkungslos, und verschlechtert sich der Zustand des Todkranken weiterhin, so werden weitere Vorkehrungen für den erwarteten Tod getroffen. Hierzu gehört zum Beispiel, dass ein Sterbender, der in einem moderneren Haus im Zentrum eines Dorfes wohnt, bei Nacht von Familienangehörigen in sein angestammtes väterliches Gehöft gebracht wird. Die Sterbenden sprechen sich oft in Erwartung des Todes selbst für diesen Transport aus. Verheiratete Frauen wollen im Haus ihres Gatten (nicht etwa in ihrem Elternhaus) sterben.

2.4.6 In einem ausgesuchten Zimmer (dok, es kann auch der dayiik sein) des traditionellen Gehöfts wird der/die Tote auf eine Matte gelegt, die später als Totenmatte noch eine große Rolle spielen wird. Einige alte Frauen halten sich ständig in seiner Nähe auf. Sie versuchen, ihn verbal zu trösten (zum Beispiel: Naawen te fi nyingyogsa. ‘Gott gebe dir Gesundheit).
(Marg., fn M60a) Sie können zur Linderung seines Schmerzes seinen Körper mit Wasser besprenkeln oder weitere Medizin eingeben, vor allem aber ist es notwendig, dass sie seinen Kopf und Oberkörper hoch halten, sodass der Kranke fast eine sitzende Position einnimmt.(Marg. 1978ff, fn M60a): Als Timothy’s Großvater starb, sagten viele Besucher “Naawen te fu nyingyogsa”. Darauf sagte der Sterbende: “Aba, Naawen yeng ka le la”. (“Jetzt reichts! Dies ist derselbe Gott!” oder “Es gibt nur einen Gott”. Er fuhr fort: “Wa nya Ama
Fumbisi abe wa jam nya mi Gbedem ale ku baasa nying la” (He should see Ama in Fumbisi and then come and see me in Gbedema so that I will feel better). Es bedeutete, dass Gott nicht überall ist und nicht gleichzeitig Ama und ihm helfen kann.
(Yaw, fn 02,36a) Als in Wiaga Chiok ein etwa 70jähriger Mann im Sterben lag, legte man ihm sein Juik-Fell (sichtbares Objekt eines mit dem Mungo verbundenen Geistes) um den Hals [Endnote 4]. Hierdurch nahm er Abschied von einem Geist, der ausschließlich mit ihm selbst verbunden war. Nur bestimmte Personen durften es nach seinem Tod entfernen, um es draußen an einem Stock zur Schau zu stellen, bis es verrottete [Endnote 5].

2.4.7 Feststellung des Todes: Wird der eingetretene Tod etwa durch Aussetzen des Atems bemerkt, so kann dieses durch andere Maßnahmen überprüft werden, z.B. Abhorchen der Herztätigkeit oder man hält dem Toten einen Spiegel vor den geöffneten Mund, um so vielleicht doch noch ganz schwache Atemströme wahrzunehmen.

2.5 Kuub darika, die Verkündigung des Todes

Obwohl nach dem Tod die nahen Angehörigen von tiefem Schmerz erfüllt sind, dürfen sie diesen nicht nach außen zeigen, bevor nicht die offizielle Ankündigung (kuub darika) des Todes und das Ausschachten des Grabs begonnen hat.

2.5.1 Gründe für eine Aufschiebung
Während die kuub darika gewöhnlich gleich nach dem Tod durchgeführt wird, gibt es Gründe, sie aufzuschieben, wie einige Beispiele zeigen sollen:
• Eine kuub darika konnte in Badomsa nicht durchgeführt werden, weil eine Frau des Verstorbenen noch in Accra war (fn 2011,8a).
• (fn 2011,8a) Nach dem Tod eines alten Mannes vermutete man, dass eine seiner Frauen einen ungesühnten Ehebruch begangen hatte. Diese Frau weigerte sich jedoch, sich dem kabong-fobka Ritual zu unterziehen, bei dem ein weißes Hühnchen, das die Schuld der Beschuldigten auf sich genommen hat, nach Bestreichen des menschlichen Körpers durch Schlagen auf den Erdboden getötet wird [Endnote 6]. Erst als das kabong-fobka Ritual in einer allgemeinen Form durchgeführt worden war, gab ein Wahrsager die Auskunft, dass der Tod nun verkündet werden könne.
• (fn 94,17b) Als ein alter Wahrsager (baano) und Gehöftherr (yeri nyono) 1994 starb, durfte sein Tod nicht verkündet werden, da er selbst die kuub darika nach dem Tod seines Vaters ausgelassen hatte. Er wurde sofort ohne Trauerbezeugungen “wie ein Kleinkind ohne nachfolgende Geschwister” begraben. Auch im Jahre 2007 hatte die Bekanntgabe seines Todes noch nicht stattgefunden. Falls die Angelegenheit nicht durch nachträgliche Riten und Wiedergutmachungen bereinigt wird, werden auch alle Kinder des Wahrsagers ohne kuub darika begraben
• (Inf. Danlardy Leander) Als Gründe für eine Verschiebung der kuub darika gelten auch: Das Gehöft wird von einer schweren Krankheit heimgesucht, oder es herrscht ein großer Streit im Gehöft. Wenn kurz nach dem Tod eine weitere Person stirbt, so kann der zweite Tod erst verkündet werden, wenn die kuub-darika der ersten Person vollständig abgeschlossen ist.

2.5.2. Durchführung der kuub-darika
Die Verkündigung beginnt oft mit ersten Informationen durch junge Männer an die nächsten außerhalb des eigenen Gehöfts lebenden Verwandten, die allgemein als ko-bisa (wörtlich: Kinder eines Vaters) bezeichnet werden, in der Reihenfolge ihrer Seniorität. Bei dieser Gelegenheit auch in das Trauergehöft eingeladen [Endnote 7]. Nach den ko-bisa werden auch entferntere Verwandte informiert. Man sagt ihnen nur, dass NN gestorben ist, Einzelheiten über den Tod werden nicht erzählt.
Schwiegersöhne eines Verstorbenen erhalten die Todesnachricht gewöhnlich durch ihren san-yigma. Dieses ist ein Mann, der sowohl mit dem Schwiegersohn als auch mit dem Schwiegervater (z.B. matrilinear) verwandt ist und vor der Hochzeit eine Vermittlerrolle beim Zustandekommen der Ehe gespielt hat (vgl. Kröger 1978-274-75).
Mein Informant Ayomo (fn 81,47b) war san-yigma von Atanlas Frau (Abapik Yeri), die, wie Ayomos Mutter, aus Sandema-Abilyeri stammte. Als die Frau starb, musste Ayomo mit einer Hacke und einem Huhn als Geschenke den Tod im Elternhaus der Frau in Abilyeri anzeigen. Auch bei der Totenfeier spielt Ayomo eine große Rolle.
Einladungen zu einer Bestattung oder einem Trauerbesuch können auch abgelehnt werden. Nachdem Yaw und ich den Leichnam von Yaws Schwester in ihr traditionelles Elternhaus Apok Yeri gebracht hatten, bat man Yaw und mich, als Teil der offiziellen Verkündigung (kuub darika) weit entlegenen Gehöften von Verwandten mit unseren Fahrrädern aufzusuchen, den Tod zu verkünden und Einladungen zur Bestattung auszusprechen. Ein alter Gehöftherr, der Großvater (MuVa) Yaws, der selbst die Bestattung gerne durchgeführt hätte, lehnte die Einladung mit der Begründung ab, dass Yaw und seine Mutter seiner Einladung zur Totenfeier seines Vaters Anyenangdu auch nicht nachgekommen waren.
(fn 94,91a) Als Danlardys Stiefmutter Maami starb, informierte man zuerst die ko-bisa und andere Gehöfte von Danlardys Lineage (Adiak Yeri, Abakiak u.a.). Sie alle kamen in das Gehöft von Danlardys Vater (Leander) und informierten den san-yigma der Stiefmutter. Er informierte dann das Häuptlingshaus, das elterliche Gehöft der Verstorbenen, obwohl dessen Bewohner schon längst von dem Tod der Frau gehört hatten [Endnote 8].
(fn 01,8a) Kurze Zeit später kamen Leute aus dem Häuptlingsgehöft nach Asik Yeri (Badomsa), um sich nach der “Müdigkeit” (jianta) der Bewohner zu erkundigen [Endnote 9]. Sie erhielten dort nicht nur Getränke, sondern Danlardy und seine klassifikatorischen Geschwister Michael, Tenni, Francis, Oldman, Ayomo und Atongka, sowie seine Mütter und andere gaben auch Geld. Nach etwa einer Woche machten Bewohner von Asik Yeri (Ayomo, Atongka, Kenkenni, die Mütter und andere) einen Gegenbesuch im Gehöft des Häuptlings Sie erhielten dort Hirsewasser und alkoholische Getränke. Akantoganya, Kwame und andere gaben auch Geld. Wenn sie in Asik Yeri kein Geld erhalten hätten, hätten sie auch kein Geld gegeben. Sie spendierten so viel akpeteshi, dass Danlardys Verwandte es nicht ganz auftrinken konnten und eine halbe Flasche mit nach Hause nahmen. Danlardy nennet diesen Geschenkeaustausch “siinika” (vgl. Kap. 4.2.4.2.: Geschenkeverteilung bei der Kumsa-Totenfeier).
(Yaw, fn 01,11b): Wenn eine Ehefrau in ihrem elterlichen Gehöft stirbt (zum Beispiel während eines Besuches), so schickt ihr Gatte oder Sohn einen nakogla-Armreif zusammen mit Tabak, Kolanüssen und alkoholischen Getränken (für eine Libation) in ihr elterliches Gehöft. Den Armreif dürfen die Schwiegereltern behalten, falls die Totenfeier im Gehöft des Gatten abgehalten wird. Dies wird auch heute noch so gemacht.

2.6 Benachrichtigung des Erdherren (teng-nyono)

Diese ist oft notwendig. Im Interview mit den etwa 41 Erdherren von Wiaga stellte ich auch die Frage, ob die Hinterbliebenen zur Bestattung einer Verstorbenen seine Erlaubnis einholen müssen. Die Erdherren von Guuta, Zuedema, Bachinsa, Kubelinsa, Longsa, Dogbilinsa, Yisobsa-Yipaala, Bandem und Farinsa müssen zum Beispiel diese Erlaubnis geben. Die Erdherren von anderen Sektionen sagten, dass sie nur eine Information über den Tod verlangen. Wenn der/die Verstorbene ein(e) Hexe(r) (sakpak) war [Endnote 10] oder durch das tanggbain seines/ihres Erdherrn getötet wurde, so müssen die Angehörigen dem tanggbain eine “Säugetier” (dung) stellen. In vielen Fällen (z.B. bei den tanggbana von Bachinsa, Kubelinsa, Bandem) muss es ein Rind sein. Adama (aus Chiok) erklärt ganz allgemein, dass einem teng-nyono eine Kuh gegeben werden muss, wenn der Verstorbene vom tanggbain getötet wurde.
Wenn Erdherren die Erlaubnis zur Bestattung geben müssen, so muss diese auch vor einer Kumsa- und Juka-Totenfeier eingeholt werden. Einige Erdherren erklärten (ohne dass ich die Frage gestellt hatte), dass sie nach Möglichkeit an der Bestattung teilnehmen.

2.7 Trauer und Trauerbesuche

Abb.: Trauer in Bachinsa

Vor der kuub-darika (s.o.) und dem Beginn des Grabschaufelns dürfen keine Trauerbesuche stattfinden oder Trauerbezeugungen geäußert werden. Auch nahe Verwandte müssen bis dahin ihren Schmerz zurückhalten. Zur Sicherheit schickt man mitunter einen Gehöftbewohner an den Hauptzufahrtsweg des Gehöftes, um bei ankommenden Gästen ein lautes Wehklagen zu verhindern.
Nach der Verkündigung des Todes setzen Traueräußerungen der Gehöftbewohner ein, und auswärtige Verwandte oder Freunde suchen das Gehöft hierzu auf (Achaw, fn 73,45). Auch wenn Töchter in weit entfernten Gehöften innerhalb des Bulsalandes verheiratet sind, müssen sie am gleichen Tage kommen. Dieses ist heutzutage auch mit einem Fahrrad oder Wagen möglich. Bevor eine Tochter des Toten das Haus ihres Gatten verlässt, bindet man ein langes Faserseil um ihren linken Arm. Man hält sie daran fest, wenn sie zu schnell zum Haus ihres verstorbenen Vaters laufen will. Durch das Seil will man auch angeblich einen Selbstmord der Tochter verhindern. Während entferntere Verwandte auch schon auf dem Weg trauern, weinen sie erst, wenn sie einige hundert Meter vor dem Hause sind. Wenn ein Vater stirbt, muss die age group eines Sohnes immer bei diesem sein (auch wenn er zur Toilette geht), “um einen Selbstmord zu verhindern”.
Die Größe der persönlichen Betroffenheit über den Tod hat keinen Einfluss auf den Ablauf der Trauerriten. Von außen eintreffende Trauergäste mögen noch 50 Meter vor dem Gehöft keine Anzeichen von Betroffenheit zeigen oder noch untereinander scherzen. Bei Annäherung and das Gehöft beginnen sie jedoch laut zu weinen und “Waasoi” oder andere Trauerausrufe unter Tränen auszustoßen.
Ein trauernder Mann wird bei seinem Gang von einem anderen Mann (chogsoroa oder yigdoa) gestützt (chogsi), eine trauernde Frau von mindestens zwei anderen Frauen, mitunter sogar von einer ganzen Reihe von Begleiterinnen (Inf. Yaw, fn 2006,35a).
Während weibliche Trauergruppen bis zum dalong mit dem aufgebahrten Toten (oder später seiner Totenmatte) ziehen, gehen Männer gewöhnlich nur einige Schritte durch den Haupteingang (nansiung) in den Viehhof (nangkpieng) und von dort zurück zum Abfallhaufen (tampoi) vor dem Gehöft. Ein solcher Trauerzug kann mehrere Male durchgeführt werden. Am tampoi reicht eine Frau oder ein Kind den Trauernden eine Kalebasse klaren Wassers, mit dem sie ihr Gesicht abwaschen. Danach ist das Trauerritual beendet, und es darf wieder gelacht werden.
Für Trauerbesuche gibt es kein Zeitlimit. Auch viele Jahre nach dem Tod treffen noch Trauernde ein. Nicht-verwandte Freunde des Toten sollten nach der Bestattung kommen, denn sie könnten sterben, wenn sie den Leichnam sehen. Sie laufen ständig Gefahr, von ihrem toten Freund mit ins Jenseits geholt zu werden. Nach dem Tod meines ersten Helfers und Freundes Leander Amoak und nach dem Tod Anamogsis, meines Freundes und Hauptinformanten, befürchtete man sogar eine Gefahr für mich, wenn ich noch nach Jahren deren Grab zu Gesicht bekäme [was trotzdem geschehen ist].

(fn 02/03,32b, Information Yaw) Nach dem Tod eines jungen Mannes sagte eine frühere Freundin, dass sie mit ihm sterben wolle. Danach musste sofort ein Ritual der “Rückgängigkeitsmachung” (piirika) ausgeführt werden. Die junge Frau sprach dabei: “Mi le biisa di la, di la le nna, ate n pursi bas” (wörtlich: ‘Was ich gesagt habe, es ist [gilt] dieses, dass ich es ausspucke.’ Frei übersetzt: ‘Meinen Ausspruch nehme ich hiermit zurück’). Danach wurde die Frau mit Asche vom Herd oder tampoi eingerieben, dass der Tote sie nicht erkennen konnte.
Trauerbesuche von sehr entfernten Verwandten oder sogar Europäern, zumal wenn sie nach Abschluss der Bestattungsriten stattfinden, haben einen anderen Charakter. Im Englischen gebrauchen Bulsa man für solche Besuche den Begriff “sympathising” (yika) und nicht “mourning” (kumsa).
1981 (fn 81,14b) besuchten Leander Amoak und ich das Gehöft Azubak Yeri in Bachinsa, um dort zu trauern. Mein Begleiter begann plötzlich in der Nähe des Gehöfts laut zu weinen und zu schreien (“yaa-soi”). Ein kleiner Junge kam aus dem Gehöft, um ihn zu stützen. Leander ging zum Innenhof, wo die Matte war bereits aufgehängt war. dann zum Aschenhaufen (tampoi), zurück zur Matte und dann zum kusung. Ein kleiner Junge brachte ihm eine große Kalebassenschale mit klarem Wasser, um sich damit die Augen zu waschen. Danach konnte wieder gelacht werden.
(Yaw, fn 06,35a): Als Aluesa, der Gehöftherr und (klassifikatorische) Schwiegervater meines Mitarbeiters Yaw, starb, war Yaw in Südghana. Eine Abordnung aus Yaws Wiaga-Gehöft Apok-Yeri zog daher ohne Yaw zum Hause des verstorbenen Aluesa in Wiaga-Sichaasa. Yaw braucht daher den Besuch nicht nachzuholen, aber auch wenn die Gruppe aus Apok-Yeri nicht nach Sichaasa gegangen wäre, hätte er es als Christ nicht getan. Später ging Yaws Frau Tenni mit der Ama (ersten Frau) und anderen Frauen von Apok Yeri nach Sichaasa zum Amadok (Hof der ersten Frau), um dort zu trauern. Dort begrüßte sie auch die anderen Frauen von Anduesa Yeri und dessen Nachbarghöften und gab ihnen Kolanüsse und Getränke für deren Dienste an ihrem Vater. Danach ging sie zu den Männern im kusung, denen sie alkoholische Getränke schenkte, weil sie die Kälte (ngoota) während der Bestattung ausgehalten hatten. Mehrere Schüsse wurden abgefeuert, um den Nachbarn anzuzeigen, dass ein Kind des Toten gekommen war. Hätte Tenni keinen Trauerbesuch abgestattet, so könnte sie auch nach dem Tode ihres leiblichen Vaaters nicht trauern.

Abb.: Der Autor nach der Trauer und der Bemalung mit roter Erdfarbe

Erst nach der Trauer durfte der Autor das Grab seines Freundes Anamogsi sehen.
Trauern des Autors in Anyenangdu Yeri
Von einem Europäer, der mit dem oder der Toten befreundet war, erwartet man nicht, dass er die Bulsa Trauerriten detailgetreu ausführt und schon vor dem Gehöft anfängt, in ein lautes Weinen auszubrechen. Ein Trauerbesuch ist aber auch für ihn unbedingt notwendig, wenn er die Freundschaft des Gehöfts erhalten will. Für diesen Trauerbesuch wird oft das englische Wort “sympathizing” gebraucht.
Nach meinem Aufenthalt von 2005 im Gehöft Anyenangdu Yeri war dessen Vorsteher (yeri-nyono) Anamogsi verstorben. Als ich 2006 in das Gehöft zurückkehrte, erwartete man von mir einige offizielle Trauerbekundungen (fn 2006,1a; fn 2011,1a).
Zuerst besuchte ich die Männer im kusung. Obwohl ich alle schon vorher gesehen hatte, musste noch eine offizielle Begrüßung durchgeführt werden. Von dem mitgebrachten akpeteshi (Palmbranntwein) wurde vor dem Trunk von jedem Anwesenden (von mir zuerst) eine Libation durchgeführt, indem etwas Branntwein auf die Erde gegossen wurde. Hiernach ging ich mit meinem Helfer Yaw in den Innenhof der ältesten Frau des Verstorbenen. Auch hier tranken wir von dem mitgebrachten alkoholischen Getränk, die Libationen entfielen allerdings. Erst hiernach durfte ich das Grab sehen [Endnote 11].
Ein ähnlicher Ablauf des “Sympathising” hatte sich schon 2005 abgespielt, nachdem vor meinem Eintreffen in Ghana meine langjährige Köchin Agoalie, eine Frau Anamogsis, gestorben war [Endnote 12]. Einen Tag nach den Trauerriten, wie sie oben für Anamogsi beschrieben wurden, holte man mich in den Viehhof des Gehöfts. Am Eingang zu Agoalies Wohnquartier stand Ajadoklie, eine Schwiegertochter von Anamogsi. Ajadoklie hatte bei Agoalies Totenfeier die Rolle der Imitatorin (che-lie) gespielt und trug auch jetzt Agoalies Strohhut. In der Hand hielt sie eine Kalebasse mit in Wasser angerührter roter daluk-Erde. Ich wurde von ihr mit der roten Farbe an den folgenden Körperstellen bemalt:

1. senkrechte Striche an beiden Schienbeinen,
2. Striche an den Unterarmen,
3. ein waagerechter Strich auf der Stirn.

Ajadoklie erklärte mir, dass ich genau so während der Feier angemalt worden wäre, hätte ich teilnehmen können. Ein Geldgeschenk an Ajadoklie sollte sie für ihre Dienste als Imitatorin meiner Köchin entschädigen.

2.8 Mattengeschenke bei den Trauerbesuchen und später

Nach dem Tod eines Menschen bis hin zur Juka-Totenfeier werden dem Trauerhaus mehr oder weniger offiziell tiak-Schlafmatten von ausgeheirateten Töchtern und Schwiegersöhnen geschenkt. Die etwas verwirrenden Informationen über Mattengeschenke an das Trauerhaus, sollen der Übersicht halber hier zusammengestellt werden.

2.8.1. Geschenke bei Trauerbesuchen vor den Totenfeiern

(Danlardy, fn 88,305a: Vor dem Funeral einer verheirateten Frau kommen die Brüder der Toten, d.h. Männer aus ihrer Geburtssektion, mit einer Matte (tiak) in das Trauerhaus (d.h. in die Sektion ihres Mannes). Diese Matte bleibt zunächst im Viehhof, die Sterbematte im dabiak (Wohnhof). Später wird die Matte der Geburtssektion zusammen mit einer neuen Kalebasse in den Schlafraum der Toten gestellt. Wenn Töchter der Toten in ihr Elternhaus kommen, sollen sie darauf schlafen und aus der Kalebasse trinken. Dies wird aber heute nicht mehr von allen durchgeführt.
Nach anderer Information wird die Totenmatte später, aber noch vor dem ta-pili yika-Ritual durch die geschenkte Matte ausgetauscht, denn erstere ist durch die Berührung mit dem Toten und den Leichengeruch (piisim) gefährlich geworden. Man wird die ursprüngliche Totenmatte zu einem späteren Zeitpunkt vernichten, indem man sie zum Beispiel in einen Fluss wirft.
(Brief Danlardys, fn 97,63a): Die Matte, auf der der Tote gestorben ist, kann um eine geschenkte Matte, der lie kuub puusa [wörtlich: Tochter, Tod, Begrüßung], gewickelt und so im kpilima dok aufgehängt werden. Bei der Kumsa-Totenfeier wird die lie-kuub-puusa-Matte zusammen mit der Totenmatte verbrannt.
Beobachtung in Wiaga-Goansa (fn 97,47a): Im Zentrum Wiagas (bei Leanders steinernem Wohnhaus) beobachtete ich eine Gruppe mit einer Matte aus Wiaga-Farinsa (Akanko Yeri), dem Elternhaus von Leanders Frau Atoalinpok. Die musikalische Begleitung bestand aus 2 gungong-Trommeln, 1 gori-Trommel und 3 Flöten (wiisa). Sie machten ihren Trauerbesuch in Asik Yeri erst jetzt, 4 Jahre nach Atoalinpoks Tod, weil es Probleme in ihrem Gehöft gegeben hatte. An einem Baum von Goansa führten sie einen kleinen Rundtanz auf.

2.8.2 Mattengeschenke während der Totenfeiern
(fn 88,272a, fn 94,89a) Nach Danlardy Leander stellen bei einem Funeral von Männern oder Frauen die Ehefrauen der Söhne des/der Verstorbenen je eine Matte oder, falls sie es nicht können, eine Kalebasse, die am bui abgelegt wird. Die Matten werden am gbanta-dai an die che-lieba (Frauen, die z.B. als Imitatorinnen Aktivitäten verrichteten) verteilt. Wenn Matten übrig sind, erhalten auch leibliche Töchter des/der Toten je eine Matte. Diese Aussage Danlardys deckt sich mit Beobachtungen bei einer Totenfeier in Wiaga-Mutuensa (fn 88,272). Im Viehhof am Speicher standen dort acht Matten, die gleich nach der Beisetzung des Verstorbenen von dessen Frau und Töchtern angefertigt wurden. Sie wurden nach der Totenfeier verschenkt.
Bei einem Kumsa-Funeral in Guuta wurden, wie üblich, Matten aus dem Nachbargehöft Awusumkong Yeri von verstorbenen Personen geholt, deren Totenfeier gleichzeitig in die Haupttotenfeier eingeschlossen werden sollte. Diese Matten wurden von Totengräbern getragen. Fünf weitere Matten wurden gleichzeitig aus Awusumkong Yeri geholt, es waren aber keine Totenmatten, sondern Geschenksmatten und wurden daher auch nicht von Totengräbern getragen (weitere Beispiele siehe Kapitel 4.2.1.12: Totenmatten aus Nachbargehöften).

3. BESTATTUNGEN

3.1 Aktivitäten vor der Bestattung

(Weitere Details über solche Aktivitäten findet man im Kapitel 3.4.1, Bestattung in Yisobsa)
Nach dem Tod im Kreise der Familie wird zunächst der Gehöftherr unterrichtet (wenn er nicht selbst anwesend war). Dieser wird sich sogleich nach geeigneten Totengräbern (vayaasa, sing. vayiak) umsehen, die noch einmal den eingetretenen Tod bestätigen und den Toten/die Tote dann im dalong (kpilima dok, Ahnenraum) auf der Totenmatte (tiak) aufbahren. Wenn der Tod außerhalb des Gehöftes auftrat, muss noch eine gebrauchte Totenmatte für die Aufbahrung besorgt werden.
Kurz vor der Bestattung wird der Tote abgewaschen. Man zieht ihm die besten Kleidungsstücke an: Mütze und traditionelle Kleidung, die sonst nur auf Festen getragen wird. Ebenso geschieht es bei einer toten Frau. Europäische Kleidung und eine Kopfbedeckung für die Frau sind nicht erlaubt. Ebenso sind rote Kleidungsstücke oder rote Muster oder Streifen in der Kleidung tabu.
She Bae [aka Dorisday] Abiak Ambagwie, eine Teilnehmerin an den Diskussionen in der Facebook-Gruppe Buluk Kaniak, konnte an der Bestattung ihres Vaters nicht teilnehmen, aber sie sah später den Video-Film, der von diesem Ereignis gedreht wurde. Sie berichtet in Facebook über die Kleidung ihres Vaters und ihre eigenen Eindrücke (27.1. 2019

… I think every house [has its way] how they bury their dead, because in my [house] they bury naked. They only dress you with the golung [triangle cloth] and when they get to the grave yard they remove it. I am saying this because when my father died I was not around, but when I got to the house they took a video of him how they laid him and it was [on?] one side, then they used his hands to close his ears. I was angry that it was around March. The sun and the ground was very hot. At least they shouldn’t have removed the smock and they explained that we don’t bury with dress and I don’t know whether that is how everybody does.

3.2 Ort der Bestattung

Der Ort eines Grabes ist von der verwandtschaftlichen Stellung und dem Geschlecht der Toten abhängig. Es scheint kleinere Unterschiede zwischen den verschiedenen Bulsa-Dörfern zu geben. Die folgende Aufstellung bezieht sich vor allem auf Wiaga.

3.2.1. In einen bewohnten Innenhof werden bedeutende alte Männer und oft auch Gehöfsherren, seltener auch Frauen, begraben. In einem mir bekannten Fall wurde die Mutter eines jüngeren Sohns des Gehöftherren im Innenhof dieses Sohnes begraben, da sie die Ehefrau des Gehöftgründers war. Gehöftherren selbst werden meistens im Innenhof der ersten Frau (Amadok), d.h. in der Nähe des Ahnenhauses (kpilima dok) bestattet.
In Wiaga-Sinyangsa war die Bestattung eines Gehöftherrn (yeri nyono) außerhalb des Gehöfts und nicht im Hauptinnenenhof für lange Zeit Gegenstand erregter Diskussionen. Nach dem Tode eines Gehöftherrn ließ ihn sein ältester Sohn außerhalb des Gehöfts begraben. Die genauen Gründe hierfür sind mir nicht bekannt, aber der zweitälteste Sohn (mein Informant) nannte diese Tat eine Schurkerei (villainy). Sie hatte zur Folge, dass auch der älteste Sohn und später mein Informant (beide waren Gehöftherren) außerhalb des Gehöftes begraben werden mussten. Einige Jahrzehnte später beriet man noch darüber, ob man die toten Gehöftherren nicht in den Amadok des Gehöftes überführen und dort neu bestatten sollte.

3.2.2. Im Viehhof (nangkpieng) werden zum Beispiel junge, kinderlose Männer und Frauen (der eigenen Lineage?) begraben.
Auch Fremde aus einer anderen Sektion, die in einem Gehöft ihrer Wohnsektionen sterben, werden, wie es mir in einem Fall aus Wiaga-Badomsa bekannt ist, im Viehhof, nahe ihrem Wohnquartier, begraben (fn 88,231a).
Nach Godfrey Achaw (fn 73,46) begräbt man in Sandema Männer im Viehhof, Frauen außerhalb des Gehöfts am Weg, der zu ihrem Dorf führt. Der Grund ist, dass Männer zum Haus gehören, Frauen sollen schnell zu ihrem Dorf gehen können.
Nach Margaret Arnheim begräbt man in Akanwari Yeri (Gbedema-Gbinaansa) Tote im Viehhof oder im dabiak (Innenhof). Im Viehhof deckt man einen Stein über die Grabstelle, wenn die Grabschale durch Vieh zerbrochen wurde. Eine Bestattung von Erwachsenen außerhalb des Gehöftes ist ungewöhnlich (fn M1978, 52b)

3.2.3. Außerhalb des Gehöfts, nicht weit von der Umfassungsmauer (parik) entfernt, werden vor allem Frauen (Ehefrauen aus einer anderen Lineage, mitunter auch unverheiratete Frauen der eigenen Lineage) begraben. Einige Gehöfte achten darauf, dass ihr Grab an einem Fußpfad liegt, der zu dem Elternhaus der verstorbenen Frau führt.
Margaret Arnheim berichtet von dem ganz außergewöhnlichen Fall, dass in Gbedema ein kleiner Junge außerhalb der Gehöftmauer begraben wurde (fn M46b). Als die Informantin in der Sandema Boarding School war (F1 oder F2) starb in Gbedema ein etwa gleichaltriger Junge. Nach seiner Erkrankung wollte man ihn zur Klinik nach Wiaga bringen, aber er hatte einen Unfall auf dem Weg. Als er im Gehöft starb, sagte ein Wahrsager, die Ahnen wollten nicht, dass er in eine Klinik kommt. Da die Eltern streng katholisch waren, sprachen Katechisten Gebete am Grab. Sein Grab liegt an einer Seite außerhalb des Gehöfts. Dahinter befindet sich ein länglicher Steinhaufen mit vielen Medizintöpfen, Schädelknochen usw. Es sind Ahnen-bogluta. Kein Ahne dieser Familie ist beim Gehöft begraben (alle in Südghana). Die Ahnen wünschten daher das Grab des Jungen dort. Der Gehöftherr von Akanwari Yeri sagte, dass ein Grab in dieser Lage für einen so kleinen Jungen ungewöhnlich ist.

3.2.4. Im oder am Aschenhaufen (tampoi) werden Kleinkinder, die noch keine jüngeren Geschwister haben, beigesetzt.
Margaret Arnheim (fn M61a) berichtet von einem Ereignis in Akanwari Yeri (Gbedema-Gbinaansa): Nachdem man Erde vom tampoi als Dünger für die Felder gebraucht hatte, trat ein starker Regenschauer ein. Im kusung hörte man einen Einsturz am tampoi. Die alten Männer konnten sich nicht erinnern, dass man dort jemals Menschen begraben hatte. Vielleicht war es das Grab eines Pferdes (mit Luftraum). Kinder werden hier meistens hinter dem Gehöft oder hinter dem tampoi beigesetzt.
Adama aus Wiaga-Chiok zeigte mir am tampoi seines Hauses Gräber von kinderlosen Frauen, die woanders gelebt hatten. Anders als bei Kleinkindern wird ihr Leichnam dort in normaler Tiefe begraben (fn 88,180a).

3.2.5 Kinder mit jüngeren Geschwistern bestattet man an dem Fußpfad, der zum Gehöft ihrer Mutter führt. Sebastian Adaanur aus Sandema Yongsa (fn 79,26a) berichtet, dass Erstgeburten einer Frau am Fußpfad und spätere Geburten im tampoi beigesetzt werden. Die von mir in Wiaga beobachtete Beerdigung von Akanchainfiik, die mehrere lebende Geschwister der gleichen Mutter hatte, im tampoi, spricht (für Wiaga) gegen die Aussage von Sebastian.

3.2.6. Kinder, die als kikita, d.h. von einem bösartigen Geist besessene Unholde (und hierzu gehören auch bösartige Zwillinge) werden weitab vom Gehöft im “Busch” (sagi), mitunter sogar in einem anderen Dorf in einem Ameisenhügel beerdigt (siehe auch Kapitel 3.7. Tod und Bestattung eines kikiruk).

3.2.7. Schwangere Ehefrauen werden (nach Entfernung des Foetus) abseits vom Gehöft (aber nicht in einem Ameisenhügel), mitunter auch in einem guuk (einem aufgegebenem Gehöft) begraben.

3.2.8. Eine Bestattung in alten Gräbern, wie es zum Beispiel bei den sprachlich sehr verwandten Koma geschieht, gibt es bei den Bulsa nicht.

3.2.9 Diskussion in der Bulsa Facebook Gruppe Buluk Kaniak über “health” und “treating dead bodies” (initiiert von Augustine Atano, 4. Juli 2020)

John Akanvariyuei Agandin: …when a corpse is sent to the village in a coffin, they will remove the body and bury it separately and then burn the coffin.
Abakisi Akangagnang Lawrence: …You know our palace is a very old house but keeps expanding and men by Buli custom are buried in the nankpieng. But because of the longevity of the house and population increases, burying in the nankpieng became extremely difficult. Then progressive elements within the house including my late father (May he rest well), advocated for a family cemetery but there was resistance from conservatives, sighting serious consequences of such a move. Fortunately, we had a father, our late king [Azantilow] who would give ear to every opinion. To cut matters short, a soothsayer was brought who okayed the burying in coffin and family cemetery. We became pacesetters in that regard and today, almost everyone is buried in coffin and the family cemeteries. Other families have since followed suit and it is catching up in Buluk. Also, family members who have died with diseases, that people are not supposed to touch the body… such persons are not given the usual cultural treatment like bathing and massaging but are kept in coffin and buried.

Die Tatsache, dass jemand eines bösen Todes (kum biok) gestorben ist, hat keinen größeren Einfluss auf die allgemeine Lage des Grabes. Wie bereits gesagt, werden Frauen, die eines kum biok starben, jedoch in einer gewissen Entfernung von den anderen Frauengräbern bestattet.

Wenn auch die örtliche Lage eines Grabes durch die Tradition festgelegt ist, so kommt es doch nach dem Tod zu Diskussionen, wo in dem speziellen Fall das Grab geschaufelt werden soll. Diese Unsicherheit ist oft noch größer, wenn es darum geht, in welchem Gehöft ein Toter begraben werden soll. Vor allem der Ort der Beerdigung einer Frau, die nicht im Hause ihres Gatten starb, ist mitunter Grund für starke Kontroversen zwischen Bewohnern ihres Elternhauses und denen ihres Gatten, von denen beide die Beerdigung und damit meistens auch die späteren Totengedenkfeiern durchführen wollen. Ähnlich verhält es sich beim Tod von Kindern, die dem Elternhaus ihrer Mutter einen Besuch abstatten und dort sterben.
Ein verheirateter Mann mit Frau und Kindern hatte im Streit sein elterliches Gehöft verlassen und ein neues Gehöft gebaut. Nach seinem Tod kam auch mit der Witwe keine Versöhnung zustande. Falls sie stirbt, werden Verwandte aus ihrem Heimatdorf ihre Leiche holen und bei ihrem elterlichen Gehöft bestatten. Falls ein Kind (zu Lebzeiten der Mutter) stirbt, wird es beim neuen Gehöft begraben (Yaw, 2008, fn 08,1).

3.3 Die Totengräber und ihre vayaam Medizin

Die Übersetzungen “Totengräber” oder “grave digger” sind für Buli vayiak (Pl. vayaasa) nicht sehr geeignet, denn das Graben eines Grabschachtes ist nur eine von seinen vielen Aktivitäten, die sich auch auf viele rituelle Angelegenheiten erstrecken.
Vor dem Beginn ihrer Arbeit bereiten sich Totengräber noch in ihrem eigenen Gehöft auf ihre nicht ungefährliche Tätigkeit vor (Ansoateng 1994, fn 4b).

Abb.: Ansoatengs vayaam Medizin am Abfallhaufen
Abb.: Medizin in Ansoatengs Zimmer

3.3.1 Der Totengräber Ansoateng: Medizin, Berufung und Tätigkeit
Ansoateng aus Wiaga-Badomsa erhält durch seine vayaam-Medizin ein Zeichen, dass jemand gestorben ist. Wenn er zum Beispiel eine sehr unruhige Nacht hatte, geht er am nächsten Morgen zu seiner vayaam-Medizin, die in seinem Fall in einem Tontopf am Abfallhaufen (tampoi) steht. Wenn der Deckel des Medizintopfes schräg aufliegt, weiß er dass jemand gestorben ist. Ansoateng füllt dann den Topf wieder mit Wasser auf, trinkt etwas von der Medizin, steckt seine Hand hinein und reibt seinen ganzen Körper ein, um sich so vor allem gegen den gefährlichen piisim-Geruch der Leiche, der zu Erbrechen führen kann, zu schützen [Endnote 14].
Anschließend verschließt er den Topf nicht wieder. Nach der Bestattung schaut er in das Gefäß. Wenn die einzelnen Wurzelstücke (tinangsa) parallel zueinander liegen, kann er das Gefäß wieder schließen. Wenn wenigstens eine Wurzel quer liegt, gibt es in naher Zukunft eine weitere Bestattung, und er lässt den Topf offen.
Es gibt nach Ansoateng vier Arten von vayaam-Medizin, die alle aus Baumwurzeln hergestellt werden:

1. aus den Wurzeln des nicht identifizierten kpagluk-Baumes, die in einer Krokodilhöhle an einem Fluss gewonnen werden. Dies ist die stärkste Medizin. Der Totengräber kriecht in die Höhle und verschließt sie dann mit Dornen, um sich vor dem vielleicht zurückkehrenden Krokodil zu schützen. Dann schneidet er Wurzelstücke des kpagluk-Baumes ab.
2. aus sich kreuzenden Wurzeln des sehr seltenen und nicht identifizierten yik-Baumes
3. aus den Wurzeln eines gaab-Baumes (Diospyros mespiliformis), der nie Früchte trägt
4. aus den Wurzeln des waaung-duob-pok-Baumes (waaung duob = Prosopis africana?)

Alle diese Medizin-Arten bewahrt Ansoateng in seinem Topf am Abfallhaufen auf. Auch Kinder und sehr alte Frauen können von der vayaam-Medizin trinken, wenn sie von dem piisim-Geruch angefallen wurden, aber niemals gebärfähige Frauen. Diese trinken von einer “weißen” Medizin, die nicht am tampoi steht, sondern in Ansoatengs Zimmer im Gehöft. Frauen, die den Toten berühren müssen, können auch mit einer Mischung aus Eselskot und ngmanyak-Gras (nicht identifiziert) baden.
Gleich nach dem Eintreten des Todes übernehmen die “Totengräber” viele wichtige rituellen Handlungen, denn unter allen Anwesenden kennen sie sich am besten aus, was in dieser Situation zu tun ist. Ethnologen, die meinen, dass die Zustimmung des Gehöftherrn und der nahen Angehörigen des Toten ausreicht, um den Ablauf der postmortem Riten zu beobachten und zu fotografieren, können eine große Enttäuschung erleben, wenn das Veto des ersten Totengräbers ihre Arbeit blockiert.
Die einzelnen Totengräber haben verschiedene Funktionen und Befugnisse. Einige dürfen nur graben, andere graben und beerdigen den Toten, oder sie dürfen nur junge Tote bestatten (fn 03.32b). Bei der Ausschachtung eines Grabes und den folgenden Tätigkeiten in einem Gehöft, liegt die Führung bei einem älteren, erfahreneren Mann. Er wird vom elder (kpagi, Vorsteher) der lineage des Toten bestimmt, die die Bewohner von etwa 3-4 Nachbargehöfte (s.o.: kobisa) umfasst. Der offiziell leitende Totengräber ist oft aber an den körperlichen Arbeiten gar nicht beteiligt. Er sitzt zum Beispiel mit den elders des Gehöfts im kusung, fällt von dort aus wichtige Entscheidungen und führt selbst Handlungen in Bezug auf den aufgebahrten Leichnam aus. Auch die körperlich arbeitenden Totengräber haben noch einmal eine Führungsperson, die neben den Grabarbeiten auch andere Tätigkeiten ausführt (s.u.).

Ansoatengs Berufung und Tätigkeit (fn 88,99ff, 14.11.88): Vor 18 Jahren (Bezug: 1988) starben in Badomsa viele Menschen, auch in Ansoatengs Haus. Die Totengräber waren zur Empörung der Nachbarn nicht bereit, alle zu beerdigen. Daher half Ansoateng bei dem Bestattungen. Dann wurde er selbst für lange Zeit sehr krank: Er hatte Gliederschmerzen, und Gesicht und Körper waren geschwollen. Der Grund hierfür war, dass er Leute ohne vayaam-Medizin beerdigt hatte. Er musste sich bestimmte Halme und schwarze Kräuter und Wurzeln (tinangsa) beschaffen, um vayaam herzustellen (s.o.). Auf jedes einzelne Wurzelstück musste er ein Huhn opfern. Wenn nach jedem Opfer das Wurzelstück in die Höhe springt und auf einem bestimmten Platz neben der Opferstelle landet, ist es ein Zeichen, dass der Aspirant Totengräber werden muss.
Es wurde Hirsebrei zubereitet, in ein Loch im tampoi geschüttet und dann mit Hilfe des Fußes mit Kehricht und Steinen vermischt, bis er ganz dunkel geworden war. Statt eines Rührstocks besorgte man sich einen menschlichen Schulterknochen aus einem Grab, der auch als Schöpflöffel gebraucht wurde. Der Brei wurde auf Ansoatengs Bein gelegt und er aß dreimal je einen Bissen davon, indem er ihn mit der linken Hand zum Mund führte. Den Rest schüttete man wieder auf den tampoi, wo er plötzlich verschwand.
Je nach den Eigenschaften und Todesarten der Verstorbenen werden verschiedene vayaam: Medizinen angewendet.

1) für Leprakranke. Ohne diese Medizin ist eine Bestattung nicht möglich.
2) für eine schwangere Frau
3) für einen sakpak (Hexe, Hexer)
4) für einen sakpak-yiik (schlimmere Art eines Hexers)
5) für einen Verstorbenen, dessen Tod mehr als zwei Tage zurückliegt (d.h. mit einsetzender Verwesung)
6) Für Tote, die als kokta noch herumwandeln, wird die dundum Medizin, ein grober rot-brauner Sand, der auch gegessen wird, verwandt.

Meine Frage an Ansoateng, ob er als Totengräber krupaani (oder kurupaani) hat, wurde von Ansoateng mit einem eindeutigen “ja” beantwortet. Ohne krupaani könnte er seine Tätigkeit nicht ausüben. Die kurupaarisa sind in ihm. Wenn er eine kranke Person sieht, weiß er durch diese, ob die Person sterben wird (zur Definition von krupaani siehe auch Kapitel 3.4.2, Fußnote 28).
Wenn Ansoateng in das Zimmer mit den verschiedenen Medizinen geht und er sieht, dass ein Teil der Schwangeren-vayaam aus dem Behälter herausgefallen ist, weiß er, dass eine Schwangere gestorben ist.
Die Bestattung von Babies ist schwieriger als die von einer verwesenden Person, denn es dürfen keine Fehler auftreten (siehe auch Kapitel 3.5.1: Bestattung Akanchainfiiks) Wenn ein Kind als sakpak stirbt, bricht Ansoateng vor der Grablegung seine Hände und Beine, dass es nicht aus dem Grab heraussteigen kann.
Er weiß vor der Bestattung, ob ein Toter ein Hexer (eine Hexe) war. Er kneift den Toten in den Arm. Wenn der Tote zurück kneift, ist er ganz sicher, dass der Verstorbene ein Gespenst (kok) werden wird, und er versucht die passende Medizin zu finden. Einige Totengräber schneiden einer Hexe die Hand, die Ohren, Nase oder Fingernägel auf. Wenn ein solcher Toter einem Lebenden ins Bein beißt, wird dieser ohne Behandlung nach 3 bzw. 4 Tagen sterben. Der Gebissene sucht einen vayiak auf, der dem Toten in seinem Aufbahrungsraum einen Zahn ausschlägt. Er legt den Zahn ins Feuer bis er schwarz wird. Dann mahlt er ihn, fügt etwas Öl hinzu und reibt ihn in die Bisswunde (am Bein) bis die Wunde geheilt ist.
Meine (nochmalige) Frage, in welcher Richtung Tote begraben werden, beantwortet er so. Der Kopf der Männer weist nach Süden, ihr Gesicht nach Osten; der Kopf der Frauen weist nach Norden und ihr Gesicht nach Westen (F.K.: So wurde auch Akanchainfiik begraben, siehe Kapitel 3.5.1).
Wenn Ansoateng beim Ausschachten eines Grabes auf eine Wurzel stößt, so schneidet er sie an beiden Seiten ab und legt sie in seinen Topf mit vayaam Medizin. Wenn er dieses nicht tut, kann jemand sterben.
Ansoateng zeigte mir auch die dundum-Medizin, einen groben rot-braunen Sand (eisenhaltig?), von dem er etwas aß. Die meisten anderen Medizinen müssen erst verbrannt oder angekohlt werden, bevor sie gegessen werden können (fn 88, 100b).
Nach dem Interview zeigte mir Ansoateng zwei helle Kreuze (wie aus Silberbronze) am Fenster seines Zimmers und eine runde, schwarze Scherbe an der Wand beim Gehöfteingang, ein anderes Schutzmittel für den Totengräber.

Abb.: Totengräber von Mutuensa am Abfallhaufen

3.3.2 Vayaam Rituale in Angaung Yeri, Mutuensa  (fn 88,236b)
Am 19.3.89 wurde ein Leprakranker von den vayaasa des Gehöfts und auswärtigen Totengräbern, einschließlich Ansoatengs, bestattet. Allen Totengräbern wurde der Kopf kahl geschoren. Eine Medizin setzte man in einem bimbili an und platzierte sie auf dem tampoi. Der vayaam-bogluk wurde aus dem Raum des Gehöftherrn auf den tampoi gesetzt und erhielt dort das Opfer eines Huhns und eines Schafes. Alle Totengräber und andere nahmen unbekleidet ein Bad, bei dem alle Körperteile mit der Medizin abgewaschen wurden.
Am folgenden Tag (20.3.89) konnte ich selbst von Leuten aus Angaung Yeri weitere Informationen erfahren und einige rituelle Tätigkeiten beobachten. Im Innenhof des Gehöftsherrn wurde das gekochte Fleisch des Schafes an alle aufgeteilt. Viele Frauen aus dem Haus und Nachbarhaus gingen zum tampoi, entblößten den Oberkörper und wuschen Kopf, Arme und Beine. Wegen des Tageslichtes entkleideten sie sich nicht völlig und wünschten kein Foto. Ein kahlgeschorener Totengräber demonstrierte für mich das Bad auf dem tampoi. Dort lagen Blätterbüschel, mit denen er sich abwusch und abschlug, nachdem er sie in das Medizinwasser getaucht hatte. Ein solches Bad schützt auch gegen viele andere Krankheiten.

Abb.: Das samoaning-Gefäß auf dem Drei-Steine-Herd
Abb.: Der vayaam-Schrein, eine Kalebasse mit Opferspruren (Mitte)

3.3.3 Ein vayaam Ritual in Anduensa Yeri, Wiaga-Chiok
Als ich nach dem Tode von Akanchainfiik (s.u.) deren Leiche berührt hatte und solche Berührungen auch in Zukunft stattfinden konnten, riet man mir, mich dem vayaam-Ritual zu unterziehen. Es würde mich nicht nur vor den schlechten Folgen des Leichengeruchs (piisim) schützen, sondern auch ein vorbeugendes Mittel gegen Gespenster sein.
Adaapiim, der Vater meines Mitarbeiters Adama, erklärte sich bereit, das vayaam-Ritual für mich und meinen Assistenten Danlardy in seinem Gehöft in Wiaga-Chiok durchzuführen.
Wir selbst hatten folgende Dinge hierfür zu besorgen: 1 weißes Huhn (kpiak), 1 neues Hackenblatt (kui), 1 Glas Schibutter (kpaam), Hirsemehl (zaa), Salz (yesa) und 1 Ziegenbock (bu-duk), dessen Hoden und Penis für die  Medizin und Herstellung eines Medizinbeutels benötigt wurden (Ich konnten die Ziege für 3500 Cedis im Gehöft kaufen). Die notwendigen pflanzliche Teile (zum größten Teil wohl Wurzeln) werden Leute aus Adaapiims Familie selbst im Busch besorgen [Endnote 15].

Abb.: Ein Huhn wird der flüssigen Medizin geopfert.

Bei unserer Ankunft im Gehöft befanden sich schon mehrere der gesmmelten Medizinarten in einem samoaning-Tongefäß. Von zehn Arten konnte man uns die Namen nennen, drei müssten geheim bleiben. Nach Zugabe von Wasser wurde dieses Gefäß um 17.30 Uhr auf ein Feuer gestellt. Der Gehöftherr holte den vayaam-bogluk, eine geschlossene Kalebasse mit fester, verkohlter Medizin aus dem Gehöft und stellte sie neben das Feuer. Das Hackenblatt lag nun auf dem Tontopf und nahm das Blut der Opfertiere auf. Um 18.30 Uhr wurde ein braunes Huhn (vom Gehöft gestellt) und mein weißes Huhn den beiden Schreinen geopfert.

Abb.: Medizin auf dem Hackenblatt

Ein Problem ergab sich, als mein weißes Huhn nach dem ersten Schnitt nicht aufflattern wollte. Das hätte geheißen, dass mein Opfer nicht angenommen worden wäre. Aber nach einem Nachschnitt an der Kehle flatterte es doch noch auf. Nach Reden (Gebete) vom Gehöftherrn und von mir wurde die Ziege vor den Schreinen über einer kleinen bimbili-Schale, in der das Blut floss, getötet. Dann ließ Adaapiim einige Blutstropfen der noch blutende Ziege auf die beiden bogluta tropfen. Die Ziege wurde daraufhin sofort zerlegt. Ein junger Totengräber nahm nun zwei kleine Holzkohlenstückchen aus dem kleinen vayaam-bogluk, zerrieb getrennt einen Teil von ihnen mit einem Stein auf dem Hackenblatt und einer keramischen Reibschale zu einem schwarzen Pulver, dem er Salz zufügte.

Abb.: Danlardy und der Autor erhalten ein Bad mit heißem Medizinwasser

Danlardy und ich wurden nun zu unserer Badestelle hinter dem tampoi (Abfallhaufen) geführt. Hier hatten gerade schon zwei unbekleidete jüngere Totengräber ihr Bad genommen. Nach dem Entkleiden (ich durfte meine Unterhose anbehalten) und dem Einnehmen einer

Abb.: Einnahme der Medizin

Hockstellung wurde uns abwechselnd sehr heißes und kaltes Medizin-Wasser von einem hinter uns stehenden Totengräber aus einer Kalebassenschale über den Kopf geschüttet. Man hatte uns vorher gesagt, dass man hierzu das kochende Wasser aus dem samoaning-Topf nehme, aber wir brauchten keine Angst zu haben. Wenn wir nicht mit böser Absicht hierher gekommen wären, würden wir keine Verbrennungen erleiden. Als das heiße (kochende?) Wasser geschüttet wurde, wagte ich einen Blick nach hinten. Gleichzeitig mit dem heißen Wasser schüttete ein anderer Totengräber kaltes Wasser, das sich in der Luft und auf dem Körper mit dem heißen Wasser mischte.

Abb.: Hirsebrei und Medizin am Rührstab

Hiernach massierte ein Mann meine Brust und schlug mit einem Laubzweig ziemlich feste auf meine Beine, meinen Kopf und, etwas sanfter, meinen Rücken.
Dann wurden wir wieder zurück zur Herdstelle mit dem Medizintopf geführt. Die geriebene und gesalzene Holzkohlenmedizin hatte man inzwischen mit Schibutter vermischt, und wir mussten dreimal (männliches Prinzip) mit dem Zeigefinger in zwei verschiedene Medizinen tippen und die Medizin zu uns nehmen. Diese Medizin darf nur von Erwachsenen eingenommen werden, die sich auch dem vayaam-Bad unterzogen haben.
Zwischen dem tampoi und kusung hatten inzwischen einige Männer einen “Männer”-Hirsebrei (sa-gaang) ohne Fermentierung zubereitet. Ein unbekleideter Mann strich auf den Rührstab etwas Hirsebrei, darüber flüssige Schibutter und das schwarze Pulver. Der Medizintopf auf dem Feuer und der vayaam-bogluk erhielten nun durch den Gehöftherrn nach einem Gebet folgende Opfer:

1. klares Wasser
2. Hirsebrei aus einer Schüssel
3. öligen Hirsebrei vom Rührstab
4. Blutsuppe (von der getöteten Ziege)
5. zwei Fleischarten (von den beiden Hühnern?)
6. klares Wasser (Medizinwasser wird nie geopfert)

Danlardy und ich erhielten je ein Bein und einen Flügel eines Huhns und ein Vorderbein der Ziege.
Am Essplatz nahe dem kusung-dok aßen wir nun vom Rührstock einen Teil des Hirsebreis, der durch Beimischung des Medizinpulvers eine dunkle Färbung angenommen hatte. Währenddessen badeten mehrere Frauen, erzwungenermaßen auch Adamas kleiner Sohn, am Badeplatz mit der vayaam-Medizin.
Adamas Vater Adaapiim rief Danlardy und mich nun in den kusung und reichte uns dort in einer Kalebassenschale eine rötliche, heiße Medizin aus dem samoaning. Er gab uns ein Stückchen von der verkohlten Medizin zum Mitnehmen und unterrichtete uns über ihren Gebrauch und ihre Wirkung. Wir sollen sie auf einem Hackenblatt zu einem Pulver zerreiben und mit Salz und Schibutter mischen. Sie müsste im Hause aufbewahrt werden und nur vor gefährlichen (nächtlichen) Unternehmungen eingenommen werden, keineswegs aber zu Totenfeiern oder Besuchen mitgenommen werden. Wir bräuchten jetzt keine Angst mehr vor Gespenstern (kokta) zu haben, dürften allerdings keinem erzählen, wenn wir ein Gespenst gesehen hätten. Die Medizin dürfe kein andere essen.
Kleine Stückchen der verkohlte vayaam-Medizin können auch in einem eisernen Armreifen mit einem röhrenförmigen Mittelteil am Körper getragen werden. Ein offener Schlitz in diesem Teil lässt die Medizin ungehindert ihre Wirkung ausüben.
Am 2.4.89 erhielten Danlardy und ich in Chiok unser zweites Bad durch dreimaliges Überschütten mit diesmal lauwarmem Medizinwasser. Von der Medizin mussten wir wieder dreimal trinken.
Am 3.4.89 ging ich alleine im Hellen nach Chiok. Ich konnte mich dort selbst mit dem Wasser durch Überschütten waschen und trank wieder dreimal von der Medizin.
Zwei Stiefmütter von Danlardy wünschten die Gelegenheit zu nutzen und unterzogen sich auch in Chiok dem vayaam-Ritual mit demselben Wasser aus dem samoaning-Topf. Als Frauen mussten sie jedoch viermal (weibliches Prinzip) kommen. Jede von ihnen ließ ein mitgebrachtes Perlhuhn (kpong) und ein Huhn (kpiak) an die beiden Schreine opfern, das Bad nahmen sie durch Überschütten mit dem Medizinwasser. Sie waren nicht vollständig unbekleidet, sondern trugen die alte, traditionelle Blätterkleidung. Es wurde “Männer”-Hirsebrei (sa-gaang) wie bei uns bereitet, aber am Rührstab befand sich diesmal eine Mischung aus Hirsebrei und zerriebener Medizin, die nicht geopfert wurde.
Nach Abschluss unserer rituellen Behandlung fertigte Adaapiim aus der Haut eines Hoden der von mir gestifteten Ziege einen kleinen Beutel. Er reinigte ihn innen mit Sand und füllte ihn dann mit flüssiger vayaam-Medizin. Es ist ein Reservebehälter, der ebenso wie der kleine vayaam-bogluk, im Ahnenraum (dalong) aufbewahrt wird. Adaapiim nimmt ihn mit, wenn er nachts das Haus verlassen muss. Bei einem Besuch des Gehöfts am 24.4.19 stand der große Medizintopf (samoaning) noch immer am tampoi.
Auf Nachfrage erklärte mir Adama, dass der kleine vayaam-bogluk auch segi (Schutzgeist) bei einer segrika-Feier (Schutzgeistverleihung und Namensgebung) werden kann. Die Kinder heißen dann Avayaam, Avayaampok, Avayaamlie oder Atiim (fn 88,252).

3.3.3 Weitere Einzelinformationen zur vayaam-Medizin
Information durch den Totengräber Akperibasi, Sohn Ayomo Ayualis (fn 88, 188b): Die vayaam-Medizin steht auf dem tampoi seines Gehöfts zwischen Sträuchern. Wenn für die Medizin neue Wurzeln gekocht werden, kommen viele Nachbarn und trinken von der Medizin. Sie hilft auch gegen Brechreiz oder gegen die Folgen des Genusses verdorbener Nahrung. Wenn der Totengräber einen verfaulten Leichnam begraben muss, trinkt er von dieser Medizin und wäscht sich damit Hände und Füße.

Abb.: Hühnerfüße an Ayomos Ahnenraum

Information durch den Totengräber Ayomo Ayuali (20.11.88, fn 88,110a). Am kusung steht Ayomos dachoruk (Spaten), der zum Grabschaufeln, aber auch zum Ausheben der Pfostenlöcher verwandt wird. (fn 88, 173b) Ayomo und sein ältester Sohn dürfen als Totengräber nicht einen dachoruk selbst herstellen.
An der Außenwand von Ayomos kpilima-dok hängen außen einige Hühnerfüße. Sie stammen von einem nang fobka Ritual (s.u.) in Sichaasa. Ein Tierschwanz wird bei einem männlichen Toten dreimal, bei weiblichem viermal um die Totenmatte bewegt. Dann wird ein Huhn auf dem Boden totgeschlagen. Das Huhn erhielt Ayomo als Führer der Totengräber. Die Füße wird er für seine vayaam-Medizin verwenden. Eines Tages wird dieser Medizin auf dem tampoi ein Ziegenbock (bu-dok-tiik) und ein rotes Huhn (kpa-moaning) geopfert. Eine schwarze Hackenklinge, die nicht zum Anreiben von Medizin verwandt wird, wird dazugelegt. Allen, die an dem Ritual teilnehmen wollen, werden Kopfhaare mit einer losen Rasierklinge geschoren. Nach der Rasur wird Wasser mit Medizin (tinang) gekocht, und allen Teilnehmern gießt man das heiße Wasser über den geschorenen Kopf, in die Achselhöhlen, Gesäß und Kniekehlen, wobei die Haut verbrennen kann. Dann wird ein Hühnerfuß (s.o.) verkohlt (charred), gemahlen und man fügt Öl und glühende Holzkohle hinzu, sodass Rauch entsteht, den alle Teilnehmer einatmen, und außerdem Ellbogen, Knie und Füße in den Rauch halten. Anschließend essen sie die verkohlte, gemahlene Medizin.
Wenn die Medizin des Toten stärker als seine eigene ist, wird Ayomo sterben (fn 88,238a).

Information Adama, Chiok (fn 88,241a): Es gibt zwei Arten von Bädern: 1. um verschiedene (z.B. schon verweste) Leichen begraben zu können. 2. um der Begegnung mit Geistern vorzubeugen.

Information Akanming (fn 88,136a): Wenn ein Unbefugter den vayaam-Schrein angefasst hat, muss er ein Huhn opfern.

Information tiim-nyono von Yisobsa (fn 94,23a): Er stellt die vayaam-Medizin aus den Wurzeln der beli-cham und vayaam-tengnang (tinang?) Bäume her, indem er die Wurzeln ausgräbt und sie in kaltem Wasser einweicht. Wer unter den Folgen von piisim leidet, zum Beispiel geschwollene Glieder hat, badet in diesem Extrakt. Einige Wurzeln können auch verkohlt gegessen werden.

3.4.1 Tod einer verheirateten Frau (Fallbeispiel aus Wiaga-Yisobsa)

Abb.: Ama mit der Totenmatte

Nur einmal konnte ich die Gesamtheit der an einem Verstorbenen vollzogen Riten in allen Einzelheiten beobachten und dokumentieren, nämlich im Gehöft meines Assistenten Yaw (Apok Yeri, Wiaga Yisobsa, fn 02/3,31a-35b). Dieses lag wohl daran, dass einmal mein Assistent Yaw in Vertretung seines in Südghana wohnenden Vaters der “chief mourner” (kumu nyono, wörtlich „Eigentümer der Totenfeier‟) war, und dass Agyenta, der Vater meines langjährigen Freundes Alfred (jetzt katholischer Bischof der Diozöse Bolgatanga/Navrongo), der Leiter der vayaasa war.

3.4.1.1 Behandlung der toten Frau und Rituale vor der Grablegung
Yaws Schwester Asiuklie war in der Nacht vom 3.- 4. Januar 2003 im Krankenhaus von Sandema verstorben, und Yaw und ich hatten ihren Leichnam auf einem Pickup nach Apok Yeri in Wiaga gebracht. Wäre Asiuklie in Sandema bestattet worden, so wäre ihr Tod als ein Tod in der Fremde (sagi, wörtlich “Busch”) angesehen worden, da sie Apok Yeri vor ihrer Rückkehr aus Südghana noch nicht besucht hatte. Man hätte etwas Erde von ihrem Grab genommen und diese in einer ngarika-Bestattung (siehe unten) in Apok Yeri beigesetzt (fn 02/3,35b).
Nach unserer Ankunft in Apok Yeri wollte man den Leichnam im dalong zuerst nur auf einem Tuch aufbahren, aber der Einspruch eines Mannes aus Apok Yeri hatte Erfolg, und sie wurde auf ein Strohmatte (tiak) gelegt, die eine Bewohnerin (die Ama des Gehöfts) zur Verfügung stellte [Endnote 16]. Als die ausgesuchten Totengräber (vayaasa) den Raum der Toten zum ersten Mal betraten, räusperten sie sich, um ihre Ankunft der Toten mitzuteilen, und sie klopften mit der flachen Hand vier Mal (bei einem männlichen Toten 3 Mal) auf den Boden. Hiernach durften sie die Tote berühren.

Abb.: Die Tote wird auf die Matte gelegt.

Einige ältere Frauen zogen die Tote aus und legten ihr eine einfarbige, dunkle Hüftschnur um, in die auch Blätter eingehängt worden wären [Endnote 17], wenn man ihr nicht später einen Webstreifen (garuk-pali) als Tuchkleidung um ihre Hüften gelegt hätte. Ihre alte Kleidung wurde gewaschen und später bei ihrer Totenfeier am Getreidespeicher (bui) mit anderen Dingen aus ihrem Besitz ausgestellt. Danach könnte sie zum Beispiel von ihrer jüngeren Schwester getragen werden, aber viele Frauen haben Angst, die Kleidung einer Toten anzuziehen.
Als nächstes wischten die Frauen den Körper der Toten mit einem nassen Lappen ab. Die Rasur von Asiuklies Kopfhaaren brachte Probleme mit sich, da alle Aufgeforderten aus Angst diese Tätigkeit ablehnten. Schließlich führte Yaw (entgegen allen Traditionen) diese Arbeit selbst aus (fn 02/3,33a).
Die Massage des Leichnams, die den Körper für die Grablegung durch einen engen Schacht geschmeidig halten sollte, hätte eigentlich von älteren Frauen durchgeführt werden müssen. Da diese sich jedoch vor dieser Aufgabe fürchteten, führten die Totengräber Agyenta und Agbong [Endnote 18] diese Tätigkeit aus (fn 02/3,33a).

3.4.1.2 Suurika (fn 02/3,31b) und andere Riten
Einige weitere Riten mussten noch vor der Grablegung durchgeführt werden. Gegen 13.40 Uhr trank Yaw eine Schale rötlichen Hirsewassers (zamonta-zom) neben der Toten, und eine Frau sprach einige Worte dazu, in denen sie erwähnte, dieses sei ein Begrüßungstrank für Asiuklie, die aus dem Süden Ghanas als eine “Fremde” zurückgekehrt war und vor ihrem Tod das Gehöft noch nicht besucht hatte. Yaw trank das Hirsewasser an Stelle seiner Schwester. Das Ritual wird suurika (rinsing the mouth), tugka (receiving [a drink]) oder tutok moangka (wetting the throat) genannt.
Vor der Grablegung stellte man im kusung die Frage, ob alle die Tote betreffenden Probleme gelöst seien. Yaws Mutter berichtete, dass Yaw in Sandema einen Streit mit seiner Schwester hatte. Nach anfänglichem Sträuben unterzog sich Yaw einem Reinigungsritual, bei dem er und ein Gehöftbewohner ein sehr kleines, hellbraunes Hühnchen hielten, das dann in dieser Stellung in zwei Teile geschnitten wurde (kpiak gebika, fn 02/3,32a+33a; siehe auch ngarika Bestattung, Kapitel 3.7.2.1, mit Foto). Mir wurde die Teilnahme an diesem Ritual erlaubt. Da ich wusste, dass Fotos wahrscheinlich unerwünscht waren, habe ich auf diese verzichtet.

Abb.: Böllerschüsse

Yaw wünschte andererseits, dass vor der Grablegung Böllerschüsse (dagoong naka) abgefeuert wurden, während der älteste Nachbar (Asiidem) dieses völlig ausschloss, da bei den vorangegangenen Bestattungen älterer Männer auch keine Schüsse abgefeuert wurden. Ein Kompromiss wurde gefunden, indem man zwei Schüsse abfeuerte: den ersten für jüngst verstorbenen Personen, einen zweiten für Asiuklie. Nur die Namen von zwei verstorbenen Männern und einer älteren Frau wurden vor dem Abfeuern des ersten Schusses erwähnt, aber andere waren eingeschlossen.
Unmittelbar vor der Grablegung füllten zwei Frauen an einer Stelle zwischen Grab und Gehöfteingang ein großes liik-Gefäß virtuell mit Wasser. Obwohl sie mit einer Kalebassenschale die Bewegungen des Auffüllens machten, war die Schale leer. Das “Wasser” sollte den Durst Asiuklies stillen. In anderen Gehöften kann das Gefäß auch mit realem Wasser gefüllt werden. Nach Information Ansoatengs (Badomsa) wird das Wasser (auch?) zum Anrühren eines Lehmmörtels für den Putz der Grabschale benutzt.

Abb.: Das liik-Gefäß, die Kalebassenschale und der dachoruk

Das liik-Gefäß mit der Kalebasse blieb bis zum Aufhängen der Matte (ta-pili yikka) oder auch noch längere Zeit danach beim Grab liegen und wurden dann in den dalong gebracht. Nach einer Information wird in diesem liik bei der Totenfeier Wasser zur Speisenzubereitung geholt. Am Ende der Totenfeier erhält ihn die Frau, die das Witwenbad organisiert hat, als Geschenk.

3.4.1.3 Bekanntmachung des Todes (kuub darika) und Beileidsbesuche
Die kuub-darika bestand vor allem in der Benachrichtigung von Asiidem, des elders (kpagi) der ko-bisa von Apok Yeri, der in einem Nachbarhaus wohnte. Asiidem seinerseits benachrichtigte die meisten anderen Verwandten.
Nach dem Beginn des kuub-darika und dem Beginn des Grabschaufelns setzten in Apok Yeri Traueräußerungen der Gehöftbewohner ein, und auswärtige Verwandte oder Freunde suchten das Gehöft hierzu auf.
Der Ablauf der Trauerriten in Apok Yeri verlief so, wie er oben (Kapitel 2.7) in allgemeiner Form beschrieben wurde.

3.4.1.4. Die Ausschachtung des Grabes und die Beisetzung
Da die tote Asiuklie in Apok Yeri als kinderlose Tochter des Hauses (yeri-lie) galt, musste sie außerhalb des Gehöftes begraben werden (fn 02/3,31a). An dem Platz, an dem Tote ihr Grab bekommen sollte, stellt man gewöhnlich eine große, umgestülpte Kalebassenschale und wirft einen beliebigen Stein dagegen. Ich beobachtete auch, dass bei der Beerdigung eines Mannes drei Steine gegen die Kalebasse geworfen wurden (bei einer Frau wären es vier gewesen). Der erste, missglückte Versuch, einen Schacht für Asiuklies Grab auszuheben, wurde auch darauf zurückgeführt, dass man dieses kurze Ritual ausgelassen hatte.
Die Schachtarbeiten in Apok Yeri wurden mit folgenden Werkzeugen ausgeführt:

1. zwei Beilklingen, die mit einem geraden Griff einen dachoruk-Grabspaten ergaben.
2. ein gerader, geschälter Ast des Nim-trees, der den Stiel des dachoruk-Spatens abgab.
3. zwei Kalebassenschalen zum Ausschaufeln der vorher mit dem Spaten gelösten Erde.
4. eine Hacke.

Abb.: Begnnende Ausschachtung mit dem dachoruk

Eine Schale Hirsewasser für die TotengräberDie Arbeit begann damit, dass die Hirsestoppeln der letzten Ernte entfernt und der Boden an der Stelle des geplanten Grabes eingeebnet wurden. Um die Grabstelle errichtete man aus aneinander gestellten Hirsehalmen eine kegelförmige Hütte (vorib noai kusung). Sie diente weniger dazu, den Arbeitern Schatten zu spenden, sondern war eher ein Sichtschutz, der sie vor den neugierigen Blicken Unbeteiligter schützen sollte. Diese “Hütte” durften nur die fünf Totengräber und Verwandte der Toten betreten. Ein anderes Tabu (kisuk) bestand darin, dass in der Nähe des Grabstelle kein Name eines Lebenden genannt werden durfte. Er würde sonst sterben.
Um 13.30 Uhr entstand mit Hilfe des dachoruk das erste kleine Loch im Boden, das dann entsprechend dem Umfang der später aufgesetzten keramischen Grabschale erweitert wurde. Anfangs wurde lose Erde mit den Händen entfernt, später mit einer Kalebasse. Nach etwa 20 cm stießen die Arbeiter auf anstehenden Fels, und die Arbeit ging nur noch langsam voran, obwohl ein Totengräber eine stärkere Eisenklinge aus seinem Gehöft geholt hatte.
Dann legte ein Arbeiter den dachoruk-Spaten über das offene Grabloch. Der Hausherr schenkte den Totengräbern ein braunes Huhn (vorub kpiak), das diese durch Schlagen auf den dachoruk-Griff unblutig töteten.

Abb.: Eine Schale Hirsewasser für die Totengräber

Nach Informationen aus Badomsa soll das Huhn vorher bei einem männlichen Toten dreimal, bei einer weiblichen Toten vier mal kreisförmig über dem Grabloch bewegt werden (yulimka). Ist es nicht sofort tot, tötet man es durch einen Fußtritt. Keineswegs darf es vor dem Sterben aufflattern. Später grillten es sich die Männer über einem offenen Feuer und verzehrten es gemeinsam. Eine Schale Hirsewasser, auch ein obligatorisches Geschenk, tranken sie sofort. Zusätzlich, aber nicht obligatorisch, erhielten sie ein Schale Erdnüsse, akpeteshi, von dem eine Libation auf die Erde geschüttet wurde, Hirsebier und Tabak. Mitunter gibt man Totengräbern auch eine Ziege oder, beim Grab eines Gehöftsherrn, ein Schaf, anstelle des Huhns.
Nach dieser Unterbrechung der Ausschachtungen schüttete man das unvollendete Grabloch mit Erde zu und begann mit dem Grabarbeiten an einer anderen Stelle. Als der Grabschacht eine Tiefe von ca. einem Meter erreicht hatte [Endnote 19], wurde er von seinem unteren Boden aus nach allen Richtungen erweitert, sodass dort eine enge, kreisrunde Grabkammer entstand, die etwa doppelt so groß war wie die Eingangsöffnung (fast ein Meter). Ein Totengräber stieg hinab um auszuprobieren, ob sie groß genug war und auch um mir die Körperstellung der Toten zu demonstrieren. Die/der Tote nimmt eine gehockte Embryostellung ein, beide Hände liegen vor den Ohren, wodurch nach einer Information von anderer Seite das Eindringen von Sand verhindert werden soll. Bei alten Männern wird dieses erreicht, indem man je ein Hackenblatt auf die Ohren legt [Endnote 20]. Der Kopf einer bestatteten Frau weist nach Norden ihr Gesicht nach Westen, der Kopf eine Mannes nach Süden, sein Gesicht nach Osten (Info Sandema Kalijiisa, Wiaga-Badomsa u.a.). Frauen liegen auf der linken Seite, Männer auf der rechten (so informiert auch Danlardy Leander, fn 94,86).

Abb.: Der Leichnam wird zum Grab getragen.
Abb.: Vor der Grablegung

Der Leichnam Asiuklies wurde nun in ihrer Matte von den Totengräbern zum Grab getragen und dort in der Grabkammer beigesetzt (guuka: Beerdigung). Anschließend füllten die Totengräber das Grab ganz mit Erde (sika: Auffüllen) und stampften diese mit dem hölzernen Ende des dachoruk fest, damit sie später nicht einfallen kann. Als oberen Grabverschluss diente eine keramische chari-Schale, die jedoch als Grabverschluss boosuk genannt wird. Sie kann alt oder neu, braun oder schwarz sein, darf aber keinen Sprung haben. In der Nähe des Grabes stach (vuri) Agbong ein kleines Loch in den oberen Teil der Schale, damit die Seele (chiik) der Toten bis zur ersten Totenfeier ungehindert aus- und eintreten konnte. Überwiegend hält sich die Seele bei ihrer Totenmatte im dalong auf, kann aber das Grab und den Leichnam kurzfristig besuchen.
Bevor Agbong die Schale auf den nun gefüllten Schacht setzte, führte er mit der Schale einige kreisende Bewegungen aus (yulimka). Beim Aufsetzen musste er darauf zu achten, dass das kleine Schalenloch in die richtige Richtung zeigt. Während viele Informationen und Beobachtungen an Gräbern belegen, dass das Loch in der Schale einer Frau nach Westen zeigt, das eines Mannes nach Osten, behauptete man in Apok Yeri das Gegenteil (Quelle: Yaw).
Die Totenmatte wurde nach der Grablegung wieder zusammengerollt und in den dalong zurückgebracht.
Bei einem Besuch in Apok Yeri am 9. Januar 2003 (5 Tage nach der Bestattung) lagen am Grab noch der Hackengriff, der hölzerne dachoruk-Griff und der liik-Topf. Über der Grabschale war eine Schicht Erde (ohne Verputz!) aufgetragen worden. Darüber hatte man Dornzweige gelegt, um ihre Zerstörung durch Haustiere zu verhindern.
Falls man die hölzernen Griffe später noch gebrauchen will, müssen sie dem nyiinka Reinigungsritual unterzogen werden. Meistens bleiben sie am Grab liegen bis sie verrotten oder Kinder sie wegholen und als Spielzeug benutzen.
Wie beschrieben hatten Frauen das liik-Gefäß und die Kalebasse nur scheinbar mit Wasser gefüllt, das als Trank für die Tote dienen sollte. Aus einem anderen leeren Gefäß markierten sie nun ein Wasserschütten, ohne dass Wasser floss [Endnote 21].
Die beiden Schaufelkalebassen lagen für kurze Zeit am Haupteingang des Gehöfts, dann legte man sie auf das Dach des kusung. Sie werden nach Yaw angeblich bei der Juka-Totenfeier zusammen mit anderen Kalebassen und Tontöpfen rituell zerbrochen (siehe unten), falls sie dann noch vorhanden sind. Die Eisenklingen des dachoruk und die Kalebassen lagen am Gehöfteingang, sie wurden erst nach dem Aufhängen der Matte (tapili yikka) in den dalong gebracht, die Totenmatte Asiuklies stand vor dem dalong, neben ihr eine Holzkiste, in der sich die persönlichen Dinge (Kleidung, Schmuck usw.) der Verstorbenen befanden.

3.4.1.5 Ta-pili yikka (Aufhängen der Totenmatte), vgl. Kapitel Ngarika, 3.7.1.5
AlleTotenmatten von Verstorbenen werden bis zur ersten Totenfeier (Kumsa) auf einer Lattenvorrichtung unter der Decke des dalong aufbewahrt. Hier können sich mitunter bis zu einem Dutzend Totenmatten ansammeln. Die erste Frau des Gehöftherren (Ama) muss genau wissen, welche Matte zu welchem Toten gehört.
Nach der Bestattung des Toten wird die Matte in der Mitte mit einem Tuch umwickelt und im Innenhof der ersten Frau (vor dem dalong) senkrecht aufgestellt. Wenn nach drei Tagen das Datum für eine zeitnahe Totenfeier noch nicht feststeht, wird sie unter der Decke des dalong gelagert. Ansonsten bleibt sie im Innenhof aufrecht stehen [Endnote 22], das heißt, man möchte die Totenriten ohne Unterbrechung, oder, wie Aduedem (2019:13) es ausdrückt: „…they should just continue with the funeral rite‟ (ba deri siak yiili, lit. ‘they should just sing the song’)
Das Ritual der Mattenaufhängung (ta-pili yikka) wird gewöhnlich bald nach der Bestattung durchgeführt, nach einer Information aus Badomsa drei Tage nach der Beerdigung eines Mannes, vier Tage nach der Bestattung einer Frau [Endnote 23]. Die Totengräber erhalten hierfür Hirsewasser, Hirsebier und akpeteshi, aber keine Hühner.

Abb.: Vorbereitungen für die Mattenaufhängung; rechts die Totenmatte mit Tuch

In  Apok Yeri fand das tapili-yika Ritual am 10. Januar 2003, also 6 Tage nach der Beerdigung, statt. Agbong, ein Totengräber (vayiak), und ein Mann aus dem Nachbargehöft Achumbe Yeri führten es aus. Beide hatten einen entblößten Oberkörper und trugen kein Schuhwerk. Sie holten nun die mit einem Tuch umwickelte Matte Asiuklies aus dem dalong, entfernten das Tuch, breiteten die Matte im Innenhof aus und fügten vor dem Zusammenrollen eine sehr einfache Nackenstütze (zu-kpagluk oder dafieluk) ein. Diese Nackenstütze bestand aus einem etwa 30 cm langem Aststück, das in der Mitte mit einem Dechsel etwas verjüngt worden war. Agbong hatte diesen Gegenstand bereits am 4. Januar hergestellt, und er hatte während der Aufbahrung unter Asiuklies Kopf gelegen.

Abb.: Verschnüren der Matte
Abb.: Die Totenmatte am dalong-Eingang
Abb.: Die Totenmatte Asiuklies und anderen unter der Decke des dalong

Die beiden Männer umwickelten die eingerollte Matte an drei Stellen mit der weißen Faser (bog-pieluk). Mit einer gedrillten Schnur (miik) hängten sie sie unter die Decke des dalong. Beide bedauerten, dass sie hierfür keinen Draht oder keine Nylonschnurhatten, denn Termiten können die Faserschnur zerstören, und ein Herunterfallen der Matte wäre ein schlechtes Zeichen gewesen.

3.4.1.6 Diskussionen in Apok Yeri über die noai-boka und gaasika Rituale
(fn 02/03 34a + 35b) Am 10. Januar 2003, gegen 17.15 Uhr hatten sich mehrere ältere und jüngere Männer im kusung versammelt und diskutierten den Ablauf der rituellen Tätigkeiten und Maßnahmen. Hierzu gehörte die Frage, ob die noai-boka, eine Rite mit der Totenmatte zur Ermittlung des am Tode Schuldigen, durchgeführt werden sollte. Wichtigste Argumente gegen diese Durchführung war, dass dieses Ritual für zwei vorher verstorbenen Frauen mit ähnlichen sozialen und genealogischen Positionen, deren Matten auch im dalong hingen, früher nicht durchgeführt wurde und auch dass die Mutter einer dieser Frauen in Südghana lebte und nur sehr schwer für eine Nachholung des Rituals zu erreichen war (zur Ausführung des noai-boka-Rituals, siehe auch Kapitel 3.7.1 und 3.8).
Auch die Durchführung des gaasika-Rituals, das verhindern sollte, dass weitere Kinder von Yaws Mutter Akawai starben, führte – nicht nur in dieser Besprechung – zu einer polemischen Diskussion. Yaw und seine Mutter waren als Christen streng dagegen und konnten sich auch durchsetzen. Sonst hätte dieses Ritual in Ayinyam Yeri, dem Gehöft von Akawais san-yigma (Heiratsvermittler) stattgefunden. Die Frauen dieses Gehöfts hätten Hirsebrei (saab) mit jum-soblik (mudfish, Clarias sp.) und Sauce zubereitet. Im Haupt-Innenhof (der ersten Frau) hätte Akawai etwas von diesem Brei in ihrer rechten Hand [Endnote 24] gehalten, um es dann wegzuwerfen mit den Worten: “Mi piilim bia-kaasung ale nna. Kaasung toaling jam-ya. Fi me ngoa cheng ngang vuutinga. Kan ngman nya kaasima.” (Dies war meine erste Fehlgeburt. Das Verderben [der Tod] ist schon gekommen. Du solltest die Lebenden verlassen [in Ruhe lassen]. Das Verderben [den Tod] sollte man nicht wieder sehen). Dies wäre dreimal geschehen. Beim vierten Mal hätte Akawai die Speisen essen können. Danach hätte man ihr Kopfhaar geschoren und sie wäre wieder nach Apok Yeri gebracht worden. Am nächsten Tag hätte Akawai einen abschließenden Besuch in Anyiyam Yeri gemacht [Endnote 25].
Durch das Auslassen der gaasika glaubten die Befürworter, dass die etwa sechzigjährige Akawai weitere “Fehlgeburten” haben könnte, d.h. dass ihr weitere kinderlose Söhne und Töchter sterben könnten – es sei denn, dass die gaasika doch noch zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt wird. Falls Akawais junge Tochter Rosemon eine Fehlgeburt hat, kann man vielleicht das gaasika-Ritual an ihr in der Fremde durchführen, jedoch nicht in Apok-Yeri.
Akawais Weigerung bedeutet auch, dass dieses Ritual fortan für Kinder von ihr, die selbst schon wieder lebende Kinder ohne vorausgehende Fehlgeburten hatten, wie es in Yaws Familie der Fall ist, tabu ist.

3.4.1.7 Weitere Einzelinformationen zur gaasika
Inf. Danlardy Leander (fn 02/3, 53a): Die gaasika (mit Haarschur) von Danlardys “Schwägerin” (Va Br So Frau) mit mehreren Kindern wurde in ihrem elterlichen Haus durchgeführt “weil sie die einzige Tochter war”. Das Gehöft ihres Gatten gab den Ausführenden ein Perlhuhn (kpong).
Inf. Margaret Arnheim (fn M1978ff. 52a): Wenn die Frau, der der Kopf rasiert werden soll, zum Beispiel im öffentlichen Dienst steht und sie daher keinen Kahlschnitt wünscht, so kann man den Haarschnitt mit dem gleichen Messer auch nur andeuten.

3.4.1.8 Nyiinika (Reinigung durch Rauch)
Das nyiinika-Ritual soll schlechte Einflüsse durch die bei den vorhergehenden Totenritualen verwendeten Werkzeuge verhindern. Es findet stets nach dem Aufhängen der Matte, nicht weit vom Gehöfteingang statt.

Abb.: Das Mattentuch wird durch Rauch gereinigt.

In Apok Yeri (fn 02/03, 35a) wurde durch Verbrennen von reinem Hühnerkot (dem in einigen anderen Gehöften ngmanjek-Gras beigemischt wird), ein Rauch erzeugt, dem man eine reinigende Wirkung zuschreibt und der den Totengeruch von gebrauchten Objekten nimmt. Agbong, der erste der aktiven Totengräber, hielt folgende Gegenstände über den Rauch:

1. die liak-Klinge des dachoruk-Spatens,
2. das Hackenblatt (kunkuri),
3. dagunta: die Eisenrohre, aus denen Böllerschüsse abgefeuert wurden,
4. das Messer (gebik), mit dem dem Hühnchen im kpiak gebika Ritual die Kehle durchschnitten wurde,
5. die Kalebasse, mit der der liik-Topf scheinbar gefüllt wurde,
6. der liik-Topf,
7. Asiuklies Kleidung und das große Tuch, mit dem sie auf der Matte bedeckt war und das später um die eingerollte Matte gewickelt wurde.
8. Einige Personen hielten auch ihre Hände über den Rauch.

Nach der nyiinika wuschen sich die Totengräber mit Wasser die Hände. Zwei Böllerschüsse zeigten die Beendigung aller rituellen Tätigkeiten an.
Vor der Verabschiedung wurden die anwesenden Totengräber mit zwei Flaschen akpeteshi und Hirsewasser bewirtet.

3.4.1.9 Exkurs: Daungta suurika: Reinigung durch Rauch und Wasser (wörtlich “Abwaschen von Schmutz”)
(Eigene Beobachtung und Information durch Danlardy, fn 88,91a).
Eine ähnliche Funktion wie das nyiinika Ritual hatte wohl das daungta suurika oder auch daungta nyiinika genannte Ritual, das ich in Anyenangdu Yeri am 6.11.1988 beobachten konnte.
Mein Helfer Danlardy Leander war mit einer Tochter des Kadema Chiefs verlobt, als diese am 5.11.88 in der Wiaga-Klinik verstarb.
Nach einer Libation auf den Boden (piika) vor dem Traktor fuhr Anamogsis Sohn den Leichnam um 1 Uhr nachts in ihr Elternhaus nach Kadema. Das Mädchen lag auf einem Camping-Bett der Klinik. Neben ihr klagten und trauerten Verwandte während der ganzen Fahrt. Anamogsi musste danach alle mit dem Traktor geplanten kommerziellen Fahrten absagen. Der Kadema-chief schickte ihm sofort ein Schaf.
Am 6.11.88, nachmittags um 17 Uhr, fuhr ein Sohn Anamogsis den Traktor zum Damm, um ihn dort gründlich zu waschen. Gegen 18.15 Uhr musste auf dem Vorplatz (pielim) des Gehöfts Anyenangdu Yeri noch das Reinigungsritual daungta suurika durchgeführt werden, denn an dem Traktor klebte noch trotz des Waschens ein spiritueller Schmutz (daung). Jemand holte eine Scherbe mit einer stark rauchenden Asche [Endnote 26] aus dem Haus und stellte sie neben den Traktor, während Anamogsi eine kurze Ansprache (Gebet?) hielt. Danach wurde die Scherbe mit der rauchenden Asche auf den Anhänger gestellt.
Es folgten Opfer an Anamogsis Vaters Vater Aluechari: zuerst Hirsewasser, dann das Blut eines dunklen Huhns. Das geschenkte Schaf wurde zuerst an den Schrein (bogluk) geführt und sein Kopf darauf gehalten, bevor es neben dem Schrein getötet wurde. Sein Blut floss in einen cheng-Topf. Der junge Opferer (Atoa) nahm einen Hirsehalm, taucht ihn in das Blut, band ihn zusammen und legte ihn auf den Schrein (F.K.: Er sollte wohl das Halsband des Schafes darstellen). Das Schaf wurde sofort enthäutet und sein Fleisch aufgeteilt. Die zu opfernden Eingeweide wurden von Kindern an einem offenen Feuer geröstet: Hühnerleber, Hühnerfleisch, Schafsleber, Schafsfleisch. Dann teilte man das Schaf auf: 1 Hinterbein an Anamogsi und Atinang (ko-bisa), ein Hinterbein ging an Atuiri und Angoong Yeri (ko-bisa), ein Vorderbein an den Traktorfahrer Alhassan aus Wiaga-Goansa, ein Vorderbein und der Großteil der nach dem Opfer verbleibenden Leber an mich (Ich galt als der älteste Sohn Anamogsis). Die Brust (kusiri) wurde an alle Haushalte Anyenangdu Yeris verteilt. Die Hüfte (chiak) und die Innereien schenkte man den Kindern des Hauses. Den Kopf erhielt Atoa als Opferer, die Haut Anamogsis Sohn Akaayaabisa, der das Schaf enthäutet hatte und gerade auch ein Fell für einen neuen Hüftschurz (tangkalung) brauchte.
Anamogsi gab folgende Erklärung über die Notwendigkeit des beschriebenen Rituals ab (fn 88,98a):

Ba nyeem ni (=le) ween soka la, ba nye nganta bala, a nye te logni, di kan ngman kaasi wara. Ba dan kan so di, ku a fe ma (= kama) te di ngman ko nuru de me ya nye dila. Nganta bala, ba boa ween bala ween bala a nyese ti-baasa la, krupaani, se tiiba asa la… se krupaani.
They used to talk about washing [cleaning the tractor], they used these things not to let the lorry spoil anything again. If they do not clean it, it will necessarily kill somebody again. That is how it is. These things, they say, these things resemble evil trees. [Bad trees have] krupaani; like evil trees, like krupaani [Endnote 27].

Daungta suurika in Aniok Yeri
(Anamogsi, fn 88,239a) Atiim (Name geändert), der Leiter der Badomsa-Instrumentalgruppe hatte nach einer Heimfahrt aus Sandema einen tödlichen Traktor-Unfall [Endnote 28]. Sofort nach dem Begräbnis Atiims, um ca. 8 Uhr, wurde in Aniok Yeri über dem Motor des Traktors ein frisches Hühnerei zerbrochen und akpeteshi geschüttet, um den Motor zu reinigen. Am Abend fand in Anyenangdu Yeri eine ähnliche suurika statt, wie nach dem Tod des Kadema-Mädchens. Geopfert wurde aber nur ein Huhn (Riten nicht von F.K. beobachtet)

3.4.2 Tod Apunglies (fn 94,21a)
Apunglie, eine alte Frau, die Schwester Atinangs [Endnote 29], starb in der Nacht zum 16.7.94 in Atinang Yeri, Badomsa. Um 10.20 Uhr wurde ihr Tod durch drei Böllerschüsse angezeigt. Um 10.40 Uhr holten mich Amaami und Azakopo (Söhne Anamogsis) nach Atinang Yeri. Dort saßen die jüngeren Leute im kusung, die alten Männer (Ayomo, Anamogsi, Angmarisi, Atinang) im kusung-dok.

Abb.: Der Grabschacht wurde am Boden erweitert.

Um 11 Uhr beendeten die Totengräber (Ansoateng, Ayomo Ayuali, Ayogsi aus Anue Yeri, Atongka, Asiame Amoabil, Abanyub, Ayoma Anyiik, Aparimoak) das Grabschaufeln im Viehhof. Über dem Grab hatten sie ein Dach gedeckt mit einer Plastikplane und wu-panung-Gras errichtet. Das Grab war etwa 1 Meter tief, die Ausbuchtungen am Boden hatten nicht die volle Körperlänge. Als Werkzeuge dienten ein dachoruk mit sehr breiter Klinge, eine Hacke, eine Kalebasse und ein liik-Gefäß.

Abb.: Über dem Schacht wurde ein Lehmhügel errichtet.

Es trafen laufend neue, laut weinende Trauergäste ein. Ich beobachtete vom kusung aus, wie Apunglie in einer Matte aus ihrem Innenhof getragen wurde. Ihr Kopf war kahl geschoren (?). Nicht nur Totengräber trugen die Matte mit dem Leichnam, man hatte auch einige junge Männer aus dem kusung aufgefordert zu helfen.

Abb.: Ansoateng steckt ein Stöckchen in das Luftloch.

Nach der Grablegung wurden wieder Böllerschüsse abgefeuert. Aus großer Nähe konnte ich das Zuschütten des Grabes, die Errichtung eines Lehmhügels darüber und das Aufsetzen der boosuk-Schale auf den Lehmhügel beobachten. Die Schale war von einer Frau des Hauses zum kusung gebracht worden, ein Mann trug sie zum Grab. Der Schacht (vorub) wurde zuerst mit der ausgehobenen, gelben Erde, dann auch mit abgebrochenen Mauerstücken gefüllt. Ansoateng stampfte die Erde mit einem Fuß fest, die Mauerstücke auch mit einem Balken aus dem Schattendach, das damit teilweise abgerissen wurde. Dann steckte er ein Stöckchen in das kleine Luftloch der aufgesetzten boosuk-Schale und trug eine etwa 20 cm dicke Erdschicht auf, die mit der Hand verstrichen wurde.

Abb.: Der Lehmputz des Grabhügels wird mit den Händen verstrichen.

Aparimoak (der erste Totengräber?) und ein anderer Totengräber (beide kenne ich nicht persönlich) waren mit meinen Aufnahmen nicht einverstanden. Ayomo Ayuali, der nur ab und zu Hand anlegte, sein Sohn Akperibasi, eine Mutuensa Mann und Ansoateng verteidigten mich (Atongka schwieg). Alle Totengräber wuschen sich gemeinsam über dem Grab die Hände (und ihr Gesicht?). Dann berichtete Aparimoak den Männern im kusung-dok, dass die Arbeit getan war.Am 20.7.94, das heißt am 4. Tag nach dem Tod (wie es bei der Bestattung einer Frau üblich ist), fand morgens das noai-boka Ritual statt, nachmittags die Aufhängung der Matte (ta-pili yika). Alles wurde mit Böllerschüssen abgeschlossen (Dies war der Zeitpunkt, zu dem ich hinzu kam). Im kusung saßen: Atinang, Angmarisi, Ansoateng, Anamogsi, John Akanming, Asuebisa, Atoa, Anyik, Akabre und 2 weitere junge Männer. Die Stimmung war diesmal gelöster, nur Apunglies Bruder Atinang war sehr schweigsam.

Abb.: Die Totengräber waschen sich die Hände über dem Grab.

Wenn ich nicht an allen rituellen Handlungen an einer Frau aus dem Nachbargehöft, die ich persönlich gekannt hatte, teilnehmen durfte, so lag diese nicht an dem Gehöftherrn Atinang, sondern allein an dem leitenden Totengräber Aparimoak, den ich nicht persönlich kannte und den ich mit meinen Geschenken vielleicht nicht hinreichend bedacht hatte. Fast alle anderen Totengräber befürworteten meine Teilnahme und gaben mir später bereitwillig Informationen.

3.4.3 Einzelergänzungen anderer Informanten und Autoren zu Bestattungen Erwachsener

3.4.3.1 Ergänzungen J. Aduedems (Sandema-Bilinsa-Pungsa)
Im Jahre 2019 beschäftigte sich der Seminarist Joseph Aduedem mit der Frage, ob katholische Christen traditionelle Bestattungen und Totenfeiern durchführen und an diesen teilnehmen dürfen. Hierzu fertigte er auch eine (bisher zum Teil unveröffentlichte) ausgiebige Beschreibung der Bulsa Bestattungen und “Funerals” an. Wichtigster (einziger?) Informant war sein Großvater (VaVa) Aduedem Alanjo, der nach meiner Ansicht ein fundiertes und exaktes Wissen über die genannten Themen besaß. Die Forschungsergebnisse Joseph Aduedems bilden in vieler Hinsicht eine wichtige Ergänzung zu meinen eigenen Forschungen, einmal weil alles aus der Perspektive Sandemas gesehen wird, während die Schwerpunkte meiner Arbeit vor allem in Wiaga lagen. Außerdem beschreibt er auch, auf dem Insider-Wissen seines Großvaters basierend, Phänomene, die für den Besucher einer Bestattung oder Totenfeier nicht ohne weiteres einsehbar sind. Hier liegen zudem Schwerpunkte auf Riten und Veranstaltungen (z.B. die Juka-Totenfeiern), die von mir nur weniger stark dokumentiert werden konnten. Daher sollen im Folgenden einige wichtige Beschreibungen und Ergebnisse Aduedems über die Bestattungen von Erwachsenen, vor allem so weit sie nicht in ähnlicher Form von mir behandelt wurden, auszugsweise dargestellt werden.

Auszüge aus seinem unveröffentlichten Manuskript (2019: 7ff.) zu Bestattungen in Sandema-Bilinsa-Pungsa

p.7f: The general mourning: When the noai-boka is over, the mat is carried back to the dalong and the general mourning starts [Endnote 30]. Mourning involves wailing, while the women cry from outside and move into the courtyard (dabiak) towards the entrance of the dalong, the men stop at the kraal and move back. Each mourner is usually held by age mates called vaang-chaab. These colleagues would be around the bereaved person until the funeral is over. After this formal mourning ritual, they wash their faces with clear water [Endnote 31].
p.8: …The gravediggers come to the kusung dok to tell the elders that they want to get a place for the deceased
p. 8f: At a point they [the gravediggers] will stop [the digging] and go to inform the elders that “the grave does not go down” and zo-nyiam (millet water), daam (akpeteshi), groundnuts (if there are any) and tobacco are sent to the grave side as gifts for the gravediggers [Endnote 32]. One of the gravedigger burns the tobacco and its smoke is blown into the grave to drive away any living soul that might have entered [Endnote 33]. Later, a fowl and a livestock (goat or sheep) are also sent for sacrifice [Endnote 34].
The digging then continues, the opening is round, about eighteen inches in diameter, but at the depth of about a foot it increases in size and becomes semi-circular, running north and south and reaching a depth of about four feet [Endnote 35].
p. 10: [the burial proper] After the ritual in the dalong the burial proper begins. The mat containing the corpse dressed in burial clothes (i.e. golung, kurukoluk, garigeli and zutok), is carried by two gravediggers on their left shoulders to the tomb, the one with the head side being in front [Endnote 36]. …One of the gravediggers climbs down and receives the corpse, feet first this time, and places it on its side, facing east or west according to whether it is a man or woman respectively [Endnote 37]… If it [the deceased] is a man, the last born is called for the bogta nari ritual [Endnote 38]. In this ritual, women take shea butter in a chinbili (small calabash, ordinarily used either for sowing or serving sheabutter), and another closes the eyes of the last born and he is led to the grave. Over there, the gravediggers take his hands and that of the corpse and rub them together lubricated by the bogta (Hyptissuaveolens Labiatae [Endnote 39]), indicating that that is his (the deceased) last achievement in terms of procreation. After that, the first born comes to bury the father by placing the father well, and when this is done, he throws soil into the tomb three times [Endnote 40].
p.11: After that [finishing the digging] the gravediggers come to the entrance of the kusung and inform the elders that “he (the deceased) said he can no longer live with us and so we have looked for a place for him [Endnote 41].” They are thanked and the sons get refreshment (zo-nyiam, groundnuts, and akpeteshi – daam in Buli) for the elders, women and the gravediggers.
p. 11: The sons can ask the elders to continue with the final funeral rites if they will want to. If they will continue, the ta-pili yika is omitted, if not, the rites follow as below.

3.4.3.2 Ergänzungen durch Leander Amoak (Wiaga-Badomsa)
Ausführliche Informationen gaben mir mein langjähriger Mitarbeiter Leander Amoak und nach seinem Tode (1983) sein Sohn Danlardy Leander.
(fn 81,31b) Wie oben berichtet, wird der oder die Tote in der Matte zum Grab getragen. Voran geht jemand mit der boosuk-Schale. Darin befindet sich mit Wasser vermischte Erde. Mit diesem Mörtel wird der boosuk auf der Erde befestigt. Wenn Leander selbst stirbt, werden wohl Adiak und Ayomo Ayuali die Bestatter sein.
(fn 81,10b) Das kleine Loch in der Grabschale wird in etwa 3/4 der Höhe angebracht. Die Seele des Toten (chiik), die sich gewöhnlich in einem Lumpen in der Totenmatte befindet, kann hier aus- und eintreten. Das Loch dient auch zum Atmen und zur Lüftung [F.K.: Dieses kann nur sinnbildlich gemeint sein, denn über der Leiche liegt eine etwa 1 m dicke, festgestampfte Erdschicht]. Nach der letzten Totenfeier, wenn die Seele ins Totenreich (z.B. Ajiira) gezogen ist, wird das Schalenloch durch den Lehm- oder Zementüberzug der Schale verschlossen. Das Verputzen könnte durch eine Frau oder Tochter Leanders ausgeführt werden. In Leanders traditionellem Gehöft wird dieses jedoch stets von der Witwe seines älteren Bruders Atiim ausgeführt.
(fn 81,31a) Wenn ein Grabdeckel zerstört ist oder einen Sprung hat, muss ein “Tier” (dung) geschlachtet werden. Diese Tötung ist kein Opfer. Das Fleisch wird unter den anwesenden Gästen verteilt.
Leander Amoak hat als elder eine lineage-Segmentes (Ayarik-bisa) an zahlreichen Beerdigungen teilgenommen. Die Unterschiede im Ablauf scheinen von der Bedeutung der verstorbenen Person abzuhängen.
Als Asage, der ältestes Mann von Badomsa und Vorsteher eines Badomsa-Lineage-Segmentes (Ayok-bisa) starb, fand eine Beerdigung statt, die in ihrem Aufwand weit über die gewöhnlicher Bestattungen hinausging.
(fn 81,52a): Es war ein großes Fest mit Trommlern, Tänzen, Kriegstänzen, Gewehrschüssen usw. Grabschaufler waren: Ayomo Ayuali, Asaaluk, Adok, Akpiedem, Alaata, Ajiak und Amoak (Asages ältester Sohn). Asage wurde im Innenhof seiner Mutter begraben. Er trug folgende Kleidungsstücke: die Dreieckshose golung, ein weißes Gewand (tagurik), eine Mütze (zu-tok). Zwei Hackenklingen wurden auf seine Ohren gelegt. Geopfert wurden [F.K.: an wen?] 1 Huhn, 1 Schaf und Hirsewasser. Obwohl Asage sich voll zur traditionellen Religion bekannte, wurde in der katholischen Kirche von Wiaga eine Messer für ihn gelesen.
Leander wies darauf hin, dass auch in dem Ablauf von Bestattungen größere regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Sektionen bestehen. Die Gräber in Wiaga-Guuta werden zum Beispiel gewöhnlich mit Lesesteinen zugedeckt, sodass die Tonschalen nicht mehr zu sehen sind (fn 78,1b).
(fn 81,12a): Akadiri, der Begründer des Yimonsa-Häuptlingstums, befahl seinen Leuten ihn lebendig ins Grab zu legen. Man ließ jedoch ein Loch zum Atmen. Die Leute redeten und reden auch heute noch mit ihm durch dieses Loch. Seine Totenfeier ist bis heute noch nicht abgehalten worden. Kein Fremder (auch nicht Bulsa einer anderen Sektion) darf dieses Gehöft betreten.

3.4.3.3 Einzelinformationen durch Danlardy Leander (nach dem Tode seines Vaters Leander Amoak, 1983)
(fn 84,14a und fn 94,20b) Nach dem Tod Leanders kamen viele Leute in Leanders traditionelles Gehöft Asik Yeri. Alle nahmen an der Beerdigung teil (auch Kleinkinder). Totengräber waren die beiden Nachbarn Ayomo Ayuali und Asaaluk (die auch später die Mattenträger bei der noai-boka waren), ein Besucher aus Akais Haus und andere. Man begann mit dem Grabschaufeln nach Dunkelwerden. Bei Sonnenaufgang wurde Leander begraben. Er trug im Grab einen blauweißen smock (garuk) mit Mütze, aber ohne Sandalen. Aller Armbänder und Amulette wurden ihm abgenommen.
In seiner schriftlichen Arbeit für das Lehrerexamen fasst Danlardy den Ablauf der Bestattungstätigkeiten zusammen [Endnote 42]:
(fn 86,12a): Der Kopf der Toten wird geschoren, ihr Körper gebadet, Ältere Männer tragen ein Lendentuch (golung). Wenn der älteste Sohn es wünscht, wird sein Vater mit golung begraben, sonst auch vollkommen nackend. Einer toten Frau wird auch der Kopf rasiert, sie trägt keine Tuchkleidung, nur eine Hüftschnur (pak), Blätter oder Fasern (vaata). Im kusung beraten die alten Männer, wer den Tod verkünden soll. Vor der Bestattung einer Frau werden Böllerschüsse [aus dagoong-Rohren] zur Explosion gebracht. Man schickt einen Boten an ihr Elternhaus und fragt, ob sie ihre Tochter noch einmal sehen wollen.
Danlardy in einem Telefongespräch und Ergänzungen durch das Internet: Der Sandemnaab starb am 14.11.06. Sofort nach seinem Tod brachten seine Söhne den Leichnam in ihren eigenen Autos nach Bolgatanga, wo er in dem Kühlraum einer Leichenhalle aufbewahrt wurde. Am Abend des 26. Januar 2007 brachten dieselben Söhne den Leichnam nach Sandema, wo er gegen 2 Uhr (27.1.07) heimlich begraben wurde. Bei Tagesanbruch kamen sehr viele Leute und man feuerte auch Böllerschüsse ab. Zur gleichen Zeit wie der Häuptling starb auch in Accra eine Schwiegertochter des Häuptlings. Wegen der Ereignisse in Sandema durfte sie erst am 17.2.07 beerdigt werden.

3.4.3.4 Ergänzungen durch Godfrey Achaw (Sandema-Kalijiisa)
(fn 73,46): Am Bestattungstag wird ein rundes Loch von gewöhnlich mehr als zwei Totengräbern gegraben. Es ist ca. 6 ft tief, bei hartem Boden 3ft. Unten werden nach Norden und Süden in Körpergröße Ausbuchtungen gegraben.
Pro Grab wird nur eine Person bestattet. Godfrey ist sich nicht sicher, ob zwei Brüder in einem Grab bestattet werden können. Der älteste Sohn des Verstorbenen achtet darauf, dass alles ordnungsgemäß ausgeführt wird.
Der Tote wird in zwei übereinander zusammengerollten Matten von zwei männlichen Trägern (Grabschauflern) zum Grab gebracht. Wenn er über eine Mauer transportiert werden muss, können andere helfen. Eine der beiden Matten wird zur Abschirmung senkrecht um das Grab gestellt. Verwandte dürfen den Raum innerhalb der Matte betreten. Der Tote, der noch auf der anderen Matte liegt, wird mit den Füßen zuerst hinabgelassen und von einem Totengräber unten im Grab zurechtgelegt. Das Grab wird mit Erde zugeschüttet und eine Tonschale auf das Grabloch gesetzt. Über der Schale bringt man feuchte Erde so an, dass die halbkugelige Form erhalten bleibt. Dann wird die Matte entfernt [F.K.: das heißt wohl, sie wird wieder ins Haus gebracht].
Opfer über einem Grab gibt es nur bei Totenfeiern. Gräber sollen von Unkraut freigehalten werden.

3.4.3.5 Ergänzungen durch Anamogsi (Badomsa)
(fn 97,13a): Wenn eine verheiratete Frau, die kein Kind geboren hat, stirbt, schlägt man in der Außenmauer ein Loch (von oben bis zum Boden). Durch diese “Lücke” wird der Leichnam der Frau aus dem Gehöft zum Grab getragen. Beim Tode einer schwangeren Frau wird das gleiche Ritual durchgeführt, im ersteren Fall handelt es sich aber nicht um einen bösen Tod (kum-biok).

3.4.3.6 Ergänzungen durch Margaret Arnheim (Gbedema)
(fn M52a): Wenn ein Wahrsager kurz nach dem Tod eines Menschen feststellt, dass der/die Tote(r) ein(e) Hexe(r) war, werden diesen kurz vor der Grablegung Beine und Arme in den Gelenken gebrochen. Wer von den Totengräbern es tut, muss geheim bleiben und die nahen Angehörigen (Frauen, Kinder) erfahren es auch nicht. Die Grabschale solcher Menschen erhält (kurz vor ihrer Aufstellung auf dem Grab) kein Loch. Damit die Hexenkunst des Toten geheim bleibt, wird über die lochlose Schale eine weitere mit einem Loch gesetzt. Die Angehörigen erkennen den Bruch der Knochen daran, dass der Geist (kok) der Hexe nicht kommt und hingestelltes Essen verzehrt. Bei der Beerdigung einer Hexe wird Essen auf die Grabschale gelegt.
(fn M30a): Die Grabschalen werden nur im Innenhof mit Lehm verschmiert, vor dem Gehöft sieht man die unverputzte Tonschale. Gräber sinken oft ab. Im Innenhof schlafen Menschen zwischen den Gräbern, vor dem Besuch eines Friedhofs haben aber viele Angst.

3.4.3.7 Information durch Sebastian Adaanur und eigene Beobachtung
(fn 81,39a): Tod in Awaanka Yeri (Sandema-Yongsa): Am 16.8.1981 starb in Awaanka Yeri eine etwa 55 jährige Frau, die hinter dem Haus bestattet wurde. Am 18.8. befand sich dort ein einfacher Grabhügel mit unverputztem Lehm, wahrscheinlich über einer boosuk-Schale. Daneben lag ein größerer liik-Topf, in dem Wasser transportiert worden war, um Lehm für die Grabdecke anzumischen, außerdem eine Kalebasse, mit der man Wasser geschöpft hatte, ein Grabstock ohne Klinge und ein Hackengriff ohne Eisenblatt (die beiden Eisenteile lagen am Hauseingang). Als ich das Grab sehen wollte, musste ich Geld (F.K. 10 Cedis) auf den Grabhügel legen (Azanggbabil sammelte es sofort ein).

3.4.3.8 Einzelbeobachtungen Franz Kröger
Tod in Abakisi Yeri (fn 73,246a): In der Nacht vom 11. zum 12, August 1974 war eine Frau Abakisis gestorben. Am nächsten Morgen wurde sie beerdigt (12.8.74). Am 13.8. kam ich zu einer Nachfeier. Im großen Kusung saßen die männlichen, patrilinearen Verwandten Abakisis (Abakisi, Asekabta und andere Nachkommen Atebas aus Seitenlinien). Unter zwei Schattenbäumen hatten sich die Verwandten der verstorbenen Frau niedergelassen. Am tampoi waren vier Eisenrohre für Böller schräg in die Erde gesteckt, es wurde aber auch aus alten Gewehren geschossen. Zwölf Frauen mit großen Kalebassen auf dem Kopf kamen im Gänsemarsch aus dem Gehöft. Sie gaben Hirsewasser an die Gäste aus Wiaga (zu denen ich gehörte), später auch Hirsebier, das aus schwarzen Tontöpfen serviert wurde. Eine Frau zog weinend an den anderen Gästen vorbei. Dann begab sich die Wiaga-Gruppe vom Schattenbaum aus singend im Schrittanz ins Haus. Hiermit war die letzte Handlung vorüber. Asekabta und andere verabschiedeten sich.
(fn 73,110a): Grab und Trauer in Bachinsa: Am 15.8.73 war ein matrilinearer Onkel Leanders in Bachinsa gestorben, der am gleichen Tag im Viehhof beerdigt wurde. Am 16.8. gegen 9 Uhr besuchten Leander und ich das Gehöft. Vom Grab sah man nur einen Erdhaufen (Foto). In einem Hof saßen weinend die Frau (Tochter?) des Verstorbenen und 5-6 Trauergäste. Es wurde aber auch gelacht. Wenn die Ehefrau ging, wurde sie von zwei Frauen gehalten. Hinter der Frau an der Wand stand die Totenmatte. Als ich sie fotografieren wollte, bat man mich zu warten, bis man ihr in der Mitte ein Tuch umgelegt hatte, wie es bei Totenmatten eigentlich immer sein sollte. – Etwas später stattete auch Leanders Frau dem Haus einen Trauerbesuch ab.

Abb.: Grab des Verstorbenen
Abb.: Die hinterbliebene Tochter und Gäste

Gräber in Zamsa, Avarisi Yeri (fn 78, 3b): Zwischen der Straße und dem jetzigen Haus liegt ein guuk, der nur aus einem flachen Hügel besteht. Dort befinden sich zwei bogluk-ähnliche, steinlose Gräber von Avarisik und seiner ersten Frau, die früher im Inneren des heutigen guuk errichtet worden waren.

Abb.: Zwei Gräber in Zamsa

ENDNOTEN (Tod und Bestattungen)

1 Das eigentliche Verb für ‘sterben’ ist kpi, für Tod “kum”.

2 Vgl. Kapitel 6.4 (Totenreiche)

3 Siehe BULUK Nr 4 (2005): 59-61

4 S. Kröger 2013

5 (Akanming, fn 88,274a): Nach dem Tod und der Bestattung eines juik-Besitzters legen die Totengräber das Fell auf das Grab. Angehörige und Freunde dürfen nicht weinen, bevor das Fell nicht vom Grab genommen und weggeworfen wird. Das juik erhält keine weiteren Opfer mehr (vgl. Kröger 2013).

6 Vgl. Schott 1973/74: 290 und Kröger 1978: 285-87.

7 In meinem Wohngehöft Anyenangdu Yeri in Wiaga-Sinyangsa-Badomsa werden gewöhnlich vier nahegelegene Gehöfte als kobisa bezeichnet, deren Gehöftherren (1988) von einem Vater abstammen, nach dessen Tod sie ihre eigenen Gehöfte gründeten.

8 Yaw, fn 06,32b: Eine solche offizielle Verkündigung des Todes durch den san-yigma heißt tenglori.

9 Name des Besuchs ist paaka oder paarika, ‘Ankommen’, d.h. Erkundigung, ob die Gruppe nach ihrem Besuch in Asik Yeri wieder gut zu Hause angekommen ist. Der jianta-Besuch, bei dem man sich nach der “Müdigkeit” (jianta) nach dem Heimweg erkundigt, ist kein reiner Höflichkeitsbesuch. Für den Tod eineer alten Frau in Wiaga-Badomsa wurde mir gesagt, dass eine Abordnung ihrer Vatersektion Kubelinsa bei der Bestattung anwesend war. Als sie abzogen, nahmen sie die Seele (chiik) dere Toten mit nach Kubelinsa. Erst nach dem Gegenbesuch (jianta) zog ihre Seele wieder mit den Besuchern zurück nach Badomsa, wo sie sich danach im kpilima dok in oder bei ihrer Totenmatte aufhielt. Dieser Glaube besteht nach Danlardy Leander im ganzen Bulsaland (fn 06,4b).

10 Hexen (sakpaksa) erhalten später eine normale Totenfeier und ziehen auch in das Totenreich ein. Meine Informanten sind sich völlig uneins oder sie bekennen ein Nichtwissen in der Frage, ob böse Taten nach dem Tode irgendwie bestraft werden. “Es ist noch niemand zurückgekommen”, sagte mir ein Gehöftherr. Nach Godfrey Achaw (fn 73,54b) erhalten nur böse Hexen, die von einem tanggbain getötet wurden, keine Totenfeier. Gute Hexen, d.h. Menschen mit der Veranlagung zur Hexerei, erhalten eine Totenfeier. Man findet die ausgeübte Hexentätigkeit zum Beispiel durch das noai-boka Mattenordal heraus (s.u.).

11 Bei einem Trauerbesuch vor der Bestattung wäre es wohl der Leichnam des Toten auf der Matte gewesen.

12 Weitere Einzelheiten zu Agoalies Tod, Bestattung und Totenfeier siehe Kapitel 3.7.3.

13 (Yaw, fn 94, 42b): Bei einer Bestattung im Viehhof darf keiner von einem Flachdach aus zuschauen.

14 Nach Danlardy Leander (fn 88,204b) geht piisim auch von anderen Objekten aus, selbst dann wenn man nichts riechen kann: von menschlichem Kot, von toten Tieren (z.B. den nang-foba Tieren auf dem tampoi, s.u.), und von Kleidung, die während des Einsetzens des Todes getragen wurden. Auch wenn ein keramischer Grabdeckel (boosuk) zerbricht, steigt piisim auf, obwohl der Schacht mit Erde angefüllt wurde. Ein Totengräber muss dann eine neue Schale aufsetzen. Durch Einatmen von piisim kann der Körper anschwellen.

15 (fn 88,241a) Als Adaapiim zu einem echten Totengräber initiiert wurde, der auch schon verwesende Menschen begraben kann, musste er folgende Dinge selbst mitbringen: 1 Schaf, 1 Ziege, 6 Hühner, 5 Perlhühner, Salz und Fett (kpaam). Alle Tiere wurden der neuen vayaam-Medizin geopfert. – Das Initialritual heißt vaam deka (Essen der vayaam Medizin).

16 Diese Matte, an der sehr stark der Totengeruch (piisim) klebte, wurde vor der Kumsa-Totenfeier gegen eine andere ausgetauscht.

17 Dieses war in früheren Zeiten die traditionelle Bekleidung, die vaata (‘Blätter’) genannt wurde. Heute wird sie nur noch bei rituellen Anlässen getragen, z.B. bei Totengedenkfeiern. Auch einige Erdschreine (tanggbana) verlangen von Frauen diese Kleidung, während der männliche Opferer völlig unbekleidet ist.

18 Agbong, ein jüngerer Mann aus Wiaga-Longsa, war der leitende aktive Totengräber, der Anweisungen an die jüngeren Totengräber gab, selbst bei vielen körperliche Arbeiten (z.B. Ausschachten des Grabes) mithalf und wichtige rituelle Aufgaben übernahm, während der alte Agyenta (aus Yisobsa) die meiste Zeit im Kusung bei den Elders saß und wichtige Entscheidungen mittrug.

19 Grabschächte alter Männer erreichen eine Tiefe bis zu 2 Metern. Trotzdem gibt es in neuerer Zeit Kritik an der Bulsa Praxis, Tote in Gehöftnähe außerhalb von Friedhöfen zu begraben. Ein generelles Verbot wird zwar mitunter diskutiert, ist aber wohl kaum durchführbar. Auf dem Höhepunkt der Regenzeit 1988 soll ein Toter, bzw. sein Knochengerippe aus einem Grab ausgespült und von den Fluten davongetragen worden sein, bis es in einem Baum hängenblieb.

20 Information durch Anamogsi (fn 02,16b). Anamogsi wusste nicht genau, ob der männliche Toten die Hackenblätter für den Ackerbau im Jenseits gebrauchen kann. Alte Männer werden nach Anamogsi in ihrem Smock (garuk) begraben.

21 Dieses Wasser wird kpilima nyiam (Ahnenwasser) genannt. Kpilima soll hier weniger direkt auf die Ahnen hinweisen, sondern hat auch in anderen Wortzusammensetzungen die Bedeutung “scheinbar, vorgetäuscht, virtuell”, z.B. in kpilima puuk (Schein-Schwangerschaft), kpilima wie (Cellulitis) und kpilima noai (untere Einkerbung am Blasloch einer Holzflöte, die nicht benutzt wird).

22 Leander Amoak, fn 81,14b; Atuick (2013, Buluk 7)

23 Die ausgebreitete Schlafmatte wird tiak genannt, die aufgerollte ta-pili. Die Grundbedeutung von yigi ist ‘ergreifen’.

24 Nach einer anderen Information nimmt die Rituandin die Speisen in den Mund und spuckt sie dreimal wieder aus.

25 Das gaasika-Ritual fand auch später nicht statt, zumal Abasimi (yeri-nyono eines verwandten Nachbarhauses), der es als ritueller Leiter ausführen sollte, kurz nach der hier beschriebenen Bestattung starb. Eine ausführliche Beschreibung der gaasika und ponika-Riten finden sich bei Kröger 1978: 221-225. Das dem gaasika der Bulsa ähnlichen Ritual gaasing wurde für die Koma beschrieben und durch Fotos illustriert in Kröger und Baluri 2010: 375-79, 393-95.

26 Es wurden Hühnerkot und die Blätter einer Pflanze, die Anamogsi hier ti-baasa (schlechte Medizin) nannte, verbrannt. Den wirklichen Namen der Medizin durfte er mir nicht sagen.

27 Nach Danlardy ist krupaani eine gute und/oder schlechte Komponente der menschlichen Persönlichkeit. Krupaani “acts in a human being”. Ein Totengräber, der kein krupaani hat, kann keinen Toten begraben. Andererseits: Wenn jemand von krupaani besessen ist, wird er aggressiv und zerstört alles.

28 Siehe auch Kapitel 3.8.1.1.

29 Siehe Genealogie Abadomgbana-bisa, Anhang 2.

30 Ibid.

31 Ibid.

32 Aduedem Alanjo, (Sandema-Pungsa), 08/02/2019).

33 [Aduedems Fußnote] Kröger, “Returning Home as a Dead Man”, 2016.

34 [Aduedem, Fußnote 22] The sacrifices involve pouring the zo-nyiam in front of the grave and afterwards the gravediggers drink the rest of the zo-nyiam, then the fowl is moved three times (for a man, four times for a woman) over the grave hole, and then killed by knocking it against the dachoruk-spade and stepping on it with the bare feet. A gravedigger opens three groundnuts and places the seed on the ground near the grave together with a small portion of tobacco. Another kills the goat which is immediately cut into pieces on a bundle of millet straw. The remainder of the food and drink that had not been sacrificed are given to the gravediggers. (cf Kröger, Returning Home as a Dead Man, 2016).

35 [Aduedems Fußnote] Cardinall, The Natives of the Northern Territories of the Gold Coast, 108.

36 Aduedem, 2019.

37 Cardinall, The Natives of the Northern Territories of the Gold Coast, 108.

38 [Aduedems Fußnote] It shows physical separation of the dead person from the living and the last born is his stop in terms of generative processes (birth). [F.K.: bogta < bogluta, shrines; nari = waschen].

39 [Aduedems Fußnote] Franz Kröger, Buli―English Dictionary… 1992.

40 Aduedem, 2019.

41 Aduedem, 2019.

42 Ich habe die Examensarbeit in Wiaga gelesen und konnte mir Auszüge abschreiben, besitze aber kein eigenes Exemplar (F.K.).

Fortsetzung  von Teil 1

3.5 Bestattung von Kleinkindern

3.5.1 Das Beispiel Akanchainfiiks in Anyenangdu Yeri, Badomsa (fn 88, 62-63)
Am 12. Oktober 1988 wurde ich von Ajadoklie, einer Schwiegertochter des Gehöftherrn Anamogsi, in ihr Quartier gerufen. Ihre kleine, etwa einjährige Tochter Akanchainfiik atmete sehr schwer, und – was die Mutter besonders beunruhigte – sie wollte die Brust nicht annehmen, obwohl sie klares Wasser nicht verweigerte. Ich brachte Ajadoklie mit ihrem Kind auf dem Rücken per Moped zur katholischen Klinik von Wiaga. Die Schwester stellte eine Lungenentzündung fest und war verärgert, dass man mit einer so schweren Krankheit erst sehr späte die Klinik aufsuchte. Trotz einer therapeutischen Behandlung (2 Injektionen) und entsprechender Medizin für die häusliche Anwendung meldete mir Akanchainfiiks Vater Akanpaabadai am nächsten Tag, dass seine Tochter verstorben sei.
Im Raum (dok) Ajadoklies hielten ältere Frauen des Gehöfts und der Nachbarschaft (Agoalie, Asiukpienlie u.a.) das tote Kind in ihren Armen. Ich suchte noch nach Herz- oder Pulsschlägen, aber das Kind war schon kalt. Akanpaabadai, der Vater, war sehr niedergeschlagen, aber Ajadoklie arbeitete schon wieder. Vor dem Zimmer versammelten sich Nachbarn (ko-bisa): Atupoak, Ansoateng, Atinang, Gariba und andere, später auch alle älteren Söhne Anamogsis. Im Zimmer und Hof war es ganz still, denn es durfte ja nicht getrauert werden. Ansoateng als Totengräber mit zwei Helfern und Anamogsi führten mich zum tampoi. Nachdem sie noch schnell einen ganz einfachen dachoruk (Spaten) hergestellt hatten, begannen sie am Rande des tampoi zu graben. Anamogsi stoppte ihre Arbeit, weil er hier später einen kusung bauen wollte. Daraufhin suchten sie eine andere Stelle. Das Grab wurde mit dem dachoruk vertieft und die Erde mit den Händen entfernt, später auch mit zwei Kalebassenschalen.
Zwei alte Frauen aus der Nachbarschaft brachten das Kind in einer kleinen, zerfetzten Kindermatte (ta-chiak) zusammen mit einem Büschel Blätter (wogta?) zum Abfallhaufen (tampoi) des Gehöfts. Hätte Akanchainfiik eine jüngere Schwester oder einen jüngeren Bruder gehabt, wäre sie am Fußpfad zu Ajadoklies Elternhaus begraben worden.
Akanpaabadai, der Vater des Kindes, der Gehöftherr Anamogsi, und einige weitere Personen saßen etwa 50 Meter entfernt an der Gehöftmauer [Endnote 43], als Ansoateng das Loch am tampoi mit dem Spaten (dachoruk) in einem Ausläufer des Abfallhaufens auf etwa 50 cm vertiefte. Er riss alle Armbänder, Amulette und die Hüftschnur vom Körper des Kindes [Endnote 44] und legte sie mit den Blättern neben das Grab. An den Fingern des Kindes führte er einige Manipulationen durch, angeblich “um sie weich zu halten”, die genauen Gründe hierfür konnte ich nicht erfahren [Endnote 45].
(fn 64,4b): Ansoateng sagte mir später, er hätte dem Kind Faserbänder angelegt (von mir nicht gesehen) und die Armreifen abgenommen, weil das Kind vielleicht ein wiedergeborener Ahne war. Wenn das Kind mit Armreifen zu den Ahnen kommt, werden die Eltern Schwierigkeiten bekommen. Die Armreifen sind nicht daung (Schmutz).
Ansoateng legte Akanchainfiik nun so in das Grab, dass ihr Kopf nach Süden zeigte, ihr Gesicht nach Osten. Die Beine waren angehockt (Embryostellung?), ihre Hände legte Ansoateng auf ihre Ohren. Dieses ist auch die Grablage für erwachsene Frauen. Dann drehte er das Kind um, dass es mit dem Gesicht nach Westen zeigte. Wie mir Ansoateng später erzählte, darf das Gesicht eines solchen Kindes nie nach oben zeigen, und der Nabel darf nicht mit Erde bedeckt werden. Neben den Leichnam legte Ansoateng ein Stück einer alten Mauer, das vielleicht nur der Grabfüllung diente und füllte dann das Grab mit lockerer Erde wieder auf, die er mit dem Stiel des dachoruk fest stampfte. Er zerbrach die Grabkalebasse mit den Füßen und legte die Scherben zusammen mit dem Griff des dachoruk, der kleinen Strohmatte und den entfernten Hand- Fuß- und Hüftschnüren neben das Grab. Scherben der Kalebassen, die Griffe der Hacke und des dachoruk sowie die Matte legte er westlich neben das Grab, die beiden Klingen wurden später ins Haus gebracht. Die abgerissenen Schnüre und die Blätter lagen östlich neben dem Grab. Alles wurde leicht mit Erde bedeckt.

Abb.: Akanchainfiik’s Grab (der dunkle Lateritstein) mit dem Griff des dachoruk

Ein Helfer holte einen großen Lateritstein, den Ansoateng auf das Grab legte, nachdem er ihn vier mal kreisförmig über dem Grab bewegt hat. Die drei Männer wuschen sich genau über dem Grab zuerst die Hände und Arme, dann das Gesicht (Ansoateng auch die Beine). Den Rest des Wassers schütteten sie auf das Grab.
Ansoateng führte nun mit den männlichen Angehörigen an der Gehöftmauer Wechselgespräche. Es waren wohl Danksagungen.
Um 11.15 Uhr besuchte mich Akanpaabadai und brachte mir den gekochten Flügel eines Hahns, nachmittags dann noch einmal Hühnerfleisch und 7 Eier. Sie galten nicht nur als Dank für die Fahrt zur Klinik, sondern auch, weil ich bei der Bestattung (durch meine Anwesenheit?) “geholfen” hatte.
Nach dem Tod von Akanchainfiik und auch nach ihrer Bestattung durfte nicht getrauert werden, da die Möglichkeit bestand, dass das Baby der Mutter sonst wiedergeboren würde, um diese dann wieder durch erneuten Tod zu verlassen. Akanchain wird keine Totenfeier erhalten.
Nach der Bestattung wurden der Mutter Ajadoklie in ihrem Quartier die Kopfhaare abrasiert, ein Ritual, das ich versäumte zu beobachten (Ajadoklie trug danach auch immer ein Kopftuch). Vielleicht war diese Haarschur (ponika) mit dem gaasika-Ritual verbunden. Wenn die Kopfhaare etwas nachgewachsen sind, rasiert man in die kurzen Haare die Form eines Kreuzes (Ritual: barisika). Auch dieses konnte ich nicht beobachten [Endnote 46].

3.5.2 Weitere Informationen zu Tod und Bestattung von Kleinkindern
Einige der Informationen, die R. Schott und ich zur Bestattungsstelle eines Kleinkindes erhielten, sind widersprüchlich. R. Schott erfuhr zum Beispiel in Sandema, dass das erste Kind, das gleich nach der Geburt stirbt, am Weg zum Elternhaus der Mutter begraben wird, das zweite Kind am Abfallhaufen. Alle folgenden Kinder werden im Viehhof bestattet (vgl. Kröger 1978: 60).
In der Familie Leander Amoaks (fn 73,331b) gab es mehrere Todesfälle kleiner Kinder. Die erste Tochter seiner ersten Frau Maami Atigsidum starb mit einem Jahr, das zweite Mädchen gleich nach der Geburt. Beide wurden am Fußpfad zum Hause der Mutter begraben. Das erste Kind, das sehr früh stirbt, wird gewöhnlich im tampoi begraben, Atigsidums erste Tochter war aber schon zu alt. Nur die Nachgeburt, die einige Stunden nach der Geburt kommt, wird immer im tampoi begraben, ebenso früh verstorbene Kinder bis zu einem Alter von etwa 6 Monaten.
Zwei Söhne Leanders, George und William, starben sehr früh im Krankenhaus und wurden auch dort begraben. Leander nahm nur etwas Erde von deren Grab (in Sandema) und einige Kleiderfetzen und begrub sie außerhalb des Hauses Asik Yeri in der Nähe des tampoi. Der frühere Heiratsvermittler (san-yigma) ihrer Mutter scherte ihr Kopfhaar in seinem eigenen Haus, wo sie auch drei Tage (männliches Prinzip) blieb. Dann ließ der san-yigma Mehl mahlen und er schlachtete ein Perlhuhn. Diese Nahrungsmittel konnte die Frau in ihrem eigenen Hause essen (fn 73,331b; vgl. auch Kapitel 3.7 über ngarika-Bestattungen).
Ähnlich verliefen die Riten, als die Tochter von einem Sohn Leanders starb. Das Kind wurde in einer zerrissenen kleinen Schlafmatte (ta-chiok) zum Grab gebracht und von vier Totengräbern beerdigt. Auch hier nahm der san-yigma (Heiratsvermittler) der Mutter diese für drei Tage in sein Gehöft. Dort wurde ihr Kopf kahl geschoren und das gaasika-Ritual durchgeführt (FB 2005, S. 37).

Abb.: Haarmuster nach Akoasisi

Nach der Auskunft meines Informanten Akoasisi aus Siniensi werden der Mutter nach dem Tod ihres ersten Kindes auch die Kopfhaare abrasiert, nachdem die Haare etwas nachgewachsen sind, findet nur eine teilweise Rasur in Form eines Kreuzes statt (fn 73,295b) [Endnote 47]. Von dieser Ausrasur in Form eines Kreuzes hatten zwar einige meiner Informanten aus Wiaga gehört, aber sie und ich haben ihre Anwendung nie selbst beobachten können.
In der Familie des Wahrsagers Akanming, die in Badomsa wohnt, aber ursprünglich aus Siniensi kommt, werden Kleinkinder im Viehhof begraben Ein großer Stein wird auf das Grab gelegt (fn 86,28a). Akanming und seine Frauen werden im dabiak (an dem der Wahrsagerraum liegt), die Kinder Akanmings (auch Asugbe) in Akanming-Guuk (100 m neben seinem späteren Wohnsitz) begraben.
Im ganzen Bulsaland erhält ein Kind, das nach der Geburt gestorben ist, bevor die gleiche Mutter ein anderes Kind geboren hat, keine Totenfeier.

3.5.3 Wiedergeburt von Kleinkindern
Bei den Bulsa besteht ein fester Glaube an die Wiedergeburt von Kleinkindern, die besonders dann als erwiesen gilt, wenn einer Mutter hintereinander Kinder kurz nach der Geburt sterben. Der Glaube an eine allgemeine Wiedergeburt von Erwachsenen ist nicht verbreitet und wird von vielen angezweifelt. Jedoch kommt es vor, dass ein Kind, das große Ähnlichkeit mit einem verstorbenen Großvater hat, als der wiedergeborene Großvater angesehen wird.
Mein Informant Ayarik Kisito aus Zuedema berichtete mir (fn 73,300), dass einer Frau im Hause seines Großvaters mehrmals Kinder kurz nach der Geburt starben. Nach einer erneuten Geburt legte eine ausgeheiratete Tochter des Hauses (yeri lie) das Kind auf den tampoi und strich etwas Asche auf das Haupt des Kindes. Es sollte hiernach nicht mehr sterben und wiedergeboren werden. Einem toten Kleinkind verdreht man auch einen Finger [Endnote 48], einen Zehen oder ein Bein. Ein neugeborenes Kind wird diese Kennzeichen mit auf die Welt bringen.
Nach Ayarik Kisito (fn 73,300) ist auch eine Wiedergeburt älterer Menschen möglich. Als ein alter, beliebter Mann starb, legte man etwas weiße Asche (buntuem) auf sein Haar. Ein danach wiedergeborener Junge hatte von Geburt an weiße Haare in der Mitte des Schädels, während die Ränder schwarz waren, genau so wie man die Asche bei dem alten Mann gelegt hatte. Einem toten Kleinkind verdreht man auch in Zuedema einen Finger, einen Zeh oder ein Bein. Man kann so kontrollieren, ob es wiedergeboren wird. Es ist nur der Wunsch nach dem Wissen über die Wiedergeburt, keine Therapie.
Ähnliche Maßnahmen mit kleinen Abweichungen berichtet Margaret Arnheim aus Gbedema (fn M, 1978ff, 15a+b): Eine wiedergeborene Person heißt kpi-le-ngman-jamdoa (wörtlich: Sterben und Wiederkommer). Wenn ein Kind zum dritten mal stirbt, werden folgende alternativen Prozeduren an ihm vorgenommen:

1. Ein Zeh wird über den anderen geschoben.
2. Ein Zeh wird gebrochen und nach innen umgebogen.
3. Roter Ton (junung) wird auf eine Stelle des Arms, Oberschenkels oder Gesichts geschmiert. Bei der Wiedergeburt wird diese Stelle heller sein (coloured).
4. An einer Stelle werden Kopfhaare ausgezogen. Das Kind wird mit kahler Stelle wiedergeboren.
5. Weiße Asche wird auf eine Stelle der Kopfhaare gelegt, die nach der Wiedergeburt als weiße Haare erscheint.
6. Der obere Teil eines Ohrs wird umgebogen.

Wenn das Kind mit den beschriebenen Körperdeformationen wiedergeboren wird, gibt man ihm meistens nicht noch zusätzlich einen abwertende Sklavenname (Margaret: It would be too much!). Bevor eine Frau nicht das dritte Kind verloren hat, soll sie nicht weinen, weil das Kind sonst meint, es wäre sehr erwünscht und daher immer wiederkehrt. Beim dritten Kind darf sie weinen, da die Verstümmelungen mit Sicherheit wirken. Margarets Mutter kennt keinen Fall, dass einer Frau danach wieder ein Kind gestorben ist. Wenn ein ungeborenes Kind aus dem Leib einer bei der Geburt gestorbenen Mutter herausgepresst wird (s. o. 3.3.3), sieht man nach, ob das Kind die betreffenden “marks” oder Verstümmelungen hat. Ist dies der Fall, so war dieses die Todesursache für die Mutter und Kind, denn das Kind hätte nach der Geburt keine Möglichkeit gehabt “zurückzukehren”.
Wenn zum Beispiel ein alter Gehöftherr stirbt, wird die nachfolgende Geburt eines Mädchens oder Jungen als seine Wiedergeburt angesehen, wenn eine Ähnlichkeit besteht. Dann braucht das Kind auch keine harten Feldarbeiten zu verrichten und man darf es nicht körperlich schwer bestrafen.
Schwangere Frauen wollen nicht, dass ein sehr alter Mann hinter ihnen vorbeigeht, da sie ihn leicht nach seinem Tode wiedergebären könnten. Wiedergeborene Kinder sterben leicht und werden dann erneut wiedergeboren, wobei sie durchaus das Geschlecht wechseln können. Auch lebende Greise werden mit neugeborenen Kindern in Verbindung gebracht. Wenn der alte Mann stirbt, stirbt auch das Kind.
Margarets Cousin Gabriel erwähnte einmal, dass ein bestimmter Lebender Ähnlichkeit mit einem Toten hat. Dieses ist nicht erlaubt. Auch bei zwei Lebenden ist es nicht höflich, ihre Ähnlichkeit zu erwähnen, wenn beide anwesend sind (Marg. fn M29).
Wenn ein Kind (ohne Ähnlichkeit mit einem Verstorbenen) beleidigt oder geschlagen wird und gleichzeitig gesagt wird, es wäre ein wiedergeborener Ahne, so geschieht ein Unglück (z.B. Eintritt einer Krankheit). Der Wahrsager findet heraus, dass das Kind ein wiedergeborener Ahne war (Marg., fn M34).
Am häufigsten versucht man das Sterben eines wiedergeborenen Kindes zu verhindern, indem man ihm bestimmte Narben im Gesicht und an anderen Körperteilen schneidet (bia-kaasung mobka, evil birth cutting, vgl. Kröger 1978: 128-132 mit 10 Abbildungen von bia-kaasung-Narben).
Oft schneidet man dem Kleinkind auch die Stammesnarben eines anderen Stammes ein und benennt es noch gleichzeitig nach diesem Stamm, z.B. Amoak (Mossi), Ayarik (Yarissa), Azangbiok (Haussa), Akanbong (Akan), Ayorik (Yoruba) oder Afulang (Fulani). Dem Kind können auch die Narben eines Sklaven geschnitten werden und es heißt dann Ayomo [Endnote 49].
Der symbolische Verkauf von Kleinkindern, die nach mehreren früh verstorbenen Babies geboren werden, scheint bei den Bulsa nicht traditionell verankert zu sein. Meine Informantin Margaret Arnheim (fn M59b) kennt jedoch einen Fall aus Südghana, in dem ein Bulsa-Frau aus Gbedema ihr Kind scheinbar an einen Zambarima-Mann verkaufte. Das Kind erhielt den Namen Azambarama. Auch eine scheinbare Aussetzung des Babys im Busch (sagi) scheint es vereinzelt in neuerer Zeit zu geben, wenn Margaret auch hier vermutet, dass dieser Brauch in Südghana von anderen Ethnien übernommen wurde. Das Kind erhält in einem solchen Fall den Namen Asage bzw. Asagelie.
All diese Maßnahmen gehen nach Achaw und anderen davon aus, dass das wiedergeborene Kind ein böser Geist war (Achaw, fn 73,4b) oder dass das Kind von einem bösen Geist immer wieder geholt wird. Die Körperverstümmelungen, die Narben, abwertende Namen, ein gespieltes Aussetzen auf dem Abfallhaufen oder sogar ein Verkauf des Kindes soll verhindern, dass eine übelwollende Macht das Kind nicht wiedererkennt oder einsehen muss, dass das Kind in der menschlichen Familie gar nicht erwünscht ist.
Während einige der hier beschriebenen Riten vermuten lassen, dass man die Wiedergeburt des gleichen Kindes nicht wünscht, erhielt ich von Müttern dagegen die Aussage, dass sie sich ihr verstorbenes Kind in einer erneuten Geburt zurückwünschen. Dafür spricht auch eine Information R. Schotts (1966), dass das erste Kind, das einer Frau stirbt, an der äußeren Hauswand in der Nähe der Küche (gbanglong) der Mutter beerdigt wird, damit die Frau es leicht noch einmal gebären kann.

3.6 Tod und Bestattung eines kikiruk

Vorbemerkung: Kikita (pl.) sind gewöhnlich bösartige Buschgeister in menschlicher Gestalt. Äußere Zeichen eines kikiruk sind körperliche Absonderheiten (kleine Gestalt, ungewöhnlich großer Kopf, abnormale Anzahl von Zehen oder Fingern, Frühreife, Hasenscharte und andere Missbildungen, vgl. Kröger 1978: 57-58). Auch Zwillinge werden gewöhnlich als kikita angesehen, wenn auch Unsicherheit bei einigen Informanten besteht, ob auch harmlose Zwillinge kikita sind. Immerhin werden auch harmlose und ältere Zwillinge abseits vom Gehöft an einen geheimen Ort in einem gusunguri-Ameisenhügel begraben. Bei einem späten Tod hat jedoch ihr Status als kikita keinen Einfluss auf die Abhaltung der Totenfeiern (Anamogsi, fn 102,16a und Leander, fn 73,98b).

Alle Angaben der folgenden Auflistung beziehen sich auf das einzige von mir beobachtete kikiruk-Begräbnis in Wiaga-Sinyangsa am 17.4.1989 (fn 88,260+262 und fn 01,12b).
Nach einer Zwillinggeburt in Sichaasa weigerte sich einer von ihnen, an der Brust der Mutter zu trinken, was ihn ziemlich eindeutig als kikiruk herausstellte. Am 17. April 1989 kam der Vater des Kindes (er war nicht Gehöftherr) in mein Wohngehöft Anyenangdu Yeri und kaufte eine Medizin, “damit das Kind die Brust annimmt”. Nach Einnahme der Medizin starb das Kind [Endnote 50]. Dieses war der letzte eindeutige Beweis, dass das Kind ein kikiruk war. Der Vater bat den Gehöftherrn meines Wohngehöftes, seinen Sohn zu begraben, doch dieser hatte Angst, dass er damit Gefahren für sein eigenes Gehöft heraufbeschwor. Er besuchte mehrere Totengräber, um sie zu dieser Aufgabe zu bewegen, doch alle hatten die gleichen Befürchtungen und sagten ab, sodass er schließlich die Aufgabe selbst übernehmen musste. Meine Bereitschaft, das Kind zu begraben, war keine Lösung, da ich als Hausbewohner Anamogsis praktisch die Aufgabe für ihn ausgeführt hätte.

Abb.: Die Kalebasse mit der kikiruk-Medizin und dem sie-Besen

Die jungen Männer graben mit dem dachoruk ein Loch in den Ameisenbau.
Gegen 21 Uhr zogen drei Söhne des Gehöftherrn meines Wohngehöftes und ich als Totengräber in das Sichaasa-Gehöft. Nach kurzen Reden im kusung gingen wir zu dem Rundhaus (dok), auf dessen Boden das Baby auf einigen alten Tüchern lag. Es hatte einen recht großen Kopf und roch schon stark. Aus einer großen sauberen Kalebasse besprenkelte der älteste Sohn mit einem sie-Besen, der nur aus wenigen Grashalmen bestand, das Kind und den Raum mit der kikiruk-Medizin. Der Vater entfernte die Halsschnur und suchte aus einem Topfstapel einen schwarzen samoaning-Topf aus. Zwei Söhne verstauchten des Kind (mit dem Kopf zuerst) in diesem Gefäß und schlossen es mit einer kpalabik-Schüssel als Deckel.
Mit diesem Topf und einer alten Hacke, an dessen anderem Griffende man einen Axtklinge aufgezogen hatte, zogen wir vier Totengräber zusammen mit dem Vater zu einem flachen Ameisenhügel mit einem Krater in der Mitte, der einige 100 Meter vom Gehöft entfernt lag. Der Vater zog sich sofort zurück nachdem er uns den Hügel gezeigt hatte.
Die gusunguri Ameisen (black ants) stellen mit ihren scharfen Schneidewerkzeugen sehr kleine Schnittwunden in der menschlichen Haut her, die wenig schmerzen und nicht gerötet oder entzündet sind. Es tritt nur ein winziger Bluttropfen aus der Haut. Die Ameisen sollten den Körper des Kindes möglichst schnell zerkleinern und völlig zerstören.

Abb.: Mit der Beilklinge schlagen die Männer Löcher in den Keramiktopf.
Abb.: Sie sprenkeln Medizhinwasser auf das Grab.

Die drei jungen Männer hackten zuerst mit der Hacke, dann mit dem dachoruk (am anderen Ende der Hacke) den Hügel auf und gruben ein Loch, in das der samoaning-Topf gerade passte. Mit der Beilklinge schlugen sie an zwei Seiten des Keramiktopfes und am Deckel Löcher, damit die Ameisen umso leichter in den Topf eindringen konnten. Danach sprenkelten sie wieder Medizinwasser auf den Topf und das ganze Grab. Wir vier wuschen uns mit dem Medizinwasser Hände, Füße und Gesicht. Der dünne Besen blieb auf dem Grab liegen. Im Gehöft des Vaters wurden wieder einige Reden gehalten. Als offizielle Bezahlung nahmen wir folgende Tiere und Gegenstände mit: eine Ziege, ein kleines dunkles Huhn, die kombinierte Hacke mit Spaten (dachoruk), die Kalebasse (aus der gesprenkelt wurde) und als freiwilliges Geschenk noch ein gesprenkeltes Huhn.

Abb.: Opfer an das wen von Anyenangdu

Am übernächsten Tag (19. April 1989, 17.10 Uhr) opferte der Gehöftherr von Anyenangdu Yeri durch seinen Sohn Akanpaabadai zuerst das zusätzlich geschenkte Huhn über dem wen-Schrein von Anyenangdu und dessen mit Noppen versehenen Medizintopf, danach opferte er das Blut des dunklen Huhns und der Ziege der kikiruk-Medizin (siehe Foto). Der mit Blut verschmierte Halsstrick der Ziege und ein Stück ihres Schwanzes legte Akanpaabadai auf die blutige Opferstelle. Ein Sohn zerteilte die Ziege mit einem Haumesser auf einem umgestülpten Mörser, einige kleine Jungen rösteten sich sofort die Gedärme und die Hoden der Ziege.
Um 17.40 Uhr erhielt der Medizinschrein die zubereitete Leber und etwas Fleisch der Ziege. Anschließend tranken die vier Totengräber (Akanpaabadai, Abiisi, Atoa und ich) aus einer sehr kleinen Kalebasse von der kikiruk-Medizin, die keinen Beigeschmack hatte. Auch andere Teilnehmer dürfen von dieser wässrigen Medizin trinken [Endnote 51].

Abb.: Opfer an die kikiruk-Medizin

3.7 Ngarika: Bestattung eines in der Fremde Verstorbenen

3.7.1 Ngarika in Achaab Yeri, Badomsa [Endnote 52]
Das folgende Kapitel wurde bereits in der Zeitschrift BULUK 9 (2016: 53-62) in englischer Sprache unter dem Titel: ‟Returning Home as a Dead Man – The Bulsa ngarika-burial‟ veröffentlicht. Es wird hier mit einigen Kürzungen und kleinen Veränderungen (z.B. einiger Namen) abgedruckt.
Eine vollständige ngarika mit allen Details konnte ich nur im Gehöft Achaab Yeri (Wiaga Badomsa) 2005 beobachten und durch Fotos dokumentieren. Nach Anordnungen eines Wahrsagers musste die Bestattung eines vor langer Zeit vielleicht in Chana Verstorbenen (Apung) durchgeführt werden. Alle unten stehenden Angaben beziehen sich auf diese ngarika.
Da einige rituelle Handlungen denen einer normalen Bestattung Erwachsener gleichen, konnten einige Redundanzen nicht vermieden werden. Einige zusätzliche Informationen verschiedener Informanten befinden sich am Schluss dieser Beschreibung.
Ich bedanke mich bei dem Yeri Nyono Achaab, bei Anamogsi, der als kpagi (elder), Leiter der Rituale war, und bei den Totengräbern, dass ich auch die Rituale beobachten und fotografieren durfte, die als geheim gelten und durch Matten von allen anderen Anwesenden abgeschirmt wurden (z.B. das Formen der Lehmfigur, das kpiak gebika Ritual im Ahnenraum (dalong) sowie die Grablegung “des Verstorbenen” hinter einer Abschirmung).

3.7.2 Returning Home as a Dead Man – The Bulsa ngarika-burial
(FB 2005, S. 165-182, Buluk 9, 2016: 53-61; Namen geändert) …In the following I am going to describe the burial of a man named Apung who died and was buried many years ago “in the bush” (sagi po), which means outside of the Bulsa area. For reasons that I will clarify shortly, the man could not receive a traditional burial near his native compound.
When the younger brother of Achaab, a compound head (yeri nyono) in Wiaga, died in 2004, Achaab had to consult a traditional diviner (baano) quite often. In the divining sessions, it was discovered that the future would bring numerous calamities to Achaab’s family because the burial of Apung, a former inhabitant of the compound, had not been carried out. Apung had left the Bulsa area a long time ago and, according to the results of a divination, had died in Chana (Kasena area). Nobody knew the location of his grave and nobody in Wiaga had seen him in his lifetime.
One afternoon in February 2005, the inhabitants of Achaab Yeri and many neighbours met in front of the compound. The old men, among them the kpagi (most senior elder) of Achaab’s lineage section, were the main officiants of all rituals in Achaab Yeri, and they discussed the coming events of the day in the kusung (meeting room in front of the compound). Most of the women had a chat under a big tree, although a few of them were sitting around the deceased’s rolled-up death mat in the dalong (ancestors’ room, Fig. 1). All were served millet beer (daam).
In the afternoon a woman, accompanied by some elders, the gravediggers and most other women carried the mat to a footpath toward Chana (Fig. 2) which was supposed to be the deceased’s place of death. After some long speeches, one gravedigger unrolled the mat. Usually, if somebody was buried in a foreign town or village, some earth from his grave and a piece of cloth containing his “body-dirt” (daung, e.g. sweat or blood) is kept inside the rolled-up mat. As these things were not available in Apung’s case, they had substituted them with a white cloth provided by Achaab’s people. The gravedigger poured some water on the ground, formed a mud ball from the wet earth (Fig. 3) and wrapped it in the white cloth (Fig. 4).
The mat, with the mud ball and the cloth in it, was carried to a place near the meeting room (kusung) in front of the compound where the noai-boka ordeal was performed. Usually this ritual is of very great importance and is carried out with a great deal of exertion since it reveals who among the living or dead were guilty of the deceased’s death. Here, however, everybody was sure that the mat would not declare one of those present as guilty or run with the two gravediggers holding it to the house of the culprit since nobody had known Apung while he was living.
Achaab, standing in front of the mat, asked questions which were answered by the mat. If the mat came forward via its carriers, this signified a ‘yes’; if the mat went backwards via its carriers, this signified a ‘no’. At last the kpagi advised Achaab to abridge the procedure. The final result was that no living person had caused Apung’s death (Fig. 5).
The mat was carried back to the dalong again, and the general mourning started. Male relatives, supported by a male or female friend, and women, supported by one or two other women – all of them walked towards the mat shedding ample tears and uttering cries of woe, although they were only distantly related to the deceased (Fig. 6). Everybody could see, however, that they were not genuinely affected by the death of a man whom they had never seen in their lifetime. After this formal mourning ritual, they washed their faces with clear water and were cheerful again.
At about 5 p.m. two gravediggers went into the dalong after they had removed the wet mud ball from the white cloth and formed a human figure out of it. From this point on, the figure was regarded as Apung’s corpse (Fig. 7).

3.7.2.1 Digging the Grave and Burying the Mud Figure
Immediately after forming the figure, the gravediggers started the preparations for digging the grave north of the compound entrance (nansiung). One of them placed a calabash on the chosen spot and, with his traditional spade (dachoruk), drew a circle around it at a distance of about 10 cm (Fig. 8). Then he threw a stone against the calabash three times, a ritual the sense of which could not be explained [Later I learnt that it should certify the locality of the grave].
The first phase of the excavation was carried out with a hoe blade, a calabash bowl, the dachoruk spade and the gravediggers’ bare hands (Fig. 9). The depth of this mock grave of less than half a metre did not reach that of a real grave (i.e. more than one metre). At the bottom of the shaft, there were small indentations of approximately 20 cm which were used to accommodate the head and legs of the dead body. After it had grown dark, the work at the grave was performed by the light of traditional torches, i.e. burning single millet stalks (miena). After the digging had been finished, the dachoruk (spade) was placed over the hole to demonstrate that no living being might enter the grave again (which, in any case, would have been impossible due to the small proportions of the shaft and the grave chamber).
Achaab, the head of the compound, had prepared millet water, groundnuts, a small bag of tobacco, a bottle of akpeteshi (distilled palm wine) and, later, also a fowl and a goat for sacrifices and as gifts for the gravediggers.
At 9 p.m. millet water was poured as a sacrifice (kaabka) in front of the grave [Endnote 53] and afterwards the gravediggers drank the rest. Before the chicken was sacrificed, the first gravedigger moved it three times over the grave hole, killed it by knocking it against the dachoruk-spade and stepping on it with his bare feet (Fig. 10). In contrast to other sacrifices, this fowl was not allowed to flutter before dying. The first gravedigger opened three groundnuts and placed the seeds on the ground near the grave together with a small portion of tobacco. A neighbour killed the goat which was immediately cut into pieces on a bundle of millet straw (Fig. 11). The remainder of the food and drink that had not been sacrificed was given to the gravediggers.
The ritual procedure could not go on in Achaab Yeri before they had not made up for two omissions at former burials. According to the lakori-principle (cf. Kröger 2012), rituals that were performed in the past may be performed differently in the present, but the additions or changes have to be re-performed for the older recipients. Two members of Achaab’s sub-lineage, who had lived in neighbouring compounds, had died some years before and had been buried without receiving the sacrifice of a goat. Therefore relatives of the deceased left Achaab Yeri with two goats which they killed over the graves of these two neighbours in their compound. A third goat was killed for some deceased people of Achaab Yeri, including a woman [Endnote 54].
When all were back in Achaab Yeri, the kpiak gebika ritual [Endnote 55] was performed. I had heard about this ritual before, but none of my former informants had ever seen it because it was top-secret and not even close family members are allowed to watch it. After two gravediggers had entered the dalong, the entrance was entirely closed by the death-mat (tiak). Then one of the two men inside opened it again and asked me to enter. Inside I was even allowed to take photos. One gravedigger took a fowl, removed the shielding mat just a little and a hand from outside caught the other half of the fowl. Later I learnt that the man outside was Achaab and that his eyes had been closed for this ritual by another person’s hand. When the two men were holding the fowl, it was cut in two with a cutlass (Fig. 12). Through this ritual all of the conflicts and annoyances between the deceased and his survivors should be eliminated through the chicken taking over all of the guilt and then being killed for it. This ritual is secret because the souls of all living persons, especially of the deceased’s friends and relatives, are in danger of being enticed to follow the defunct to the realm of the dead if they see this ritual.
Later I discussed with my Bulsa friends why I, a stranger who had never before been in Achaab Yeri, was allowed to watch the ritual in the dalong. One or all of the following reasons might be applicable: For more than thirty years I had been a very good friend of the kpagi, the main officiant of the whole burial performance who had given his permission. I was also a good friend of the senior gravedigger who might have protested. My position as a complete stranger to the house might even have been of advantage for me since the deceased probably had no particular desire to demand my companionship in the realm of the dead.
After the rituals in the dalong the burial proper began.
The mud figure, dressed in a white cloth (Fig. 13) [Endnote 56], which functioned as the triangular underwear (golung) and a wooden headrest (zukpaglik) carved by one of the neighbours were wrapped in the death mat, which, covered with a blue-and-white cloth, was arried to the grave. There it was unrolled and set up in a vertical position around the grave. This is to shield the burial activities (which have an esoteric character) against any spectators except the gravediggers and close family members. Three gravediggers and I were inside the mat-fence. One older and experienced man stood outside the mat and occasionally gave some advice or instruction. The mud-figure in its white golung was placed in the grave.
Achaab was called to inspect the grave, give his consent to the work done and touch the dead “body” (i.e. the wrapped up mud figure). He threw three handfuls of earth into the shaft and added a big white smock (garuk, Fig. 14). The grave cover, a ceramic vessel (chari) was pierced (Fig. 15) so that the soul of the deceased can freely leave and re-enter the grave, e.g. for residing within the death mat. The grave cover was moved (yulim) three times over the grave in a circular way by Achaab before it was fixed over the shaft. The man outside of the mat fence objected to the way the white smock had been folded before being placed into the grave because it allowed the soul of a living person to hide in it and join the dead man. It was taken out, unfolded, folded again and returned into the grave [Endnote 57].
Before they started throwing earth into the grave, the first gravedigger put his foot in the grave in order to prevent earth from intruding into the ears and eyes of the “dead body” (Fig. 16). The earth in the grave was pressed with the upper end of the spade (dachoruk) to prevent the grave from sinking in later. The ceramic vessel (boosuk) with some sand in it was placed on a small mound of earth over the grave (Fig. 17). The hole in the vessel, filled with a splinter of a millet stalk (ngmeeni) to prevent earth or dirt from intruding into it, had to be placed facing the east. One gravedigger sprinkled water on the boosuk-vessel, plastered it with wet mud and drew a cross in the wet plaster with one of his fingers (here not regarded as a Christian symbol!). Washing their hands (as part of the ritual) and placing the long handle of the spade (dachoruk) and the calabash used for sprinkling water beside the grave finished the gravediggers’ activities at the grave. The blade of the spade was kept at the main entrance (nansiung) of the compound and the mat with a blue cover cloth around it was placed in the main courtyard (dabiak) in front of the ancestors’ room (dalong). Its thinner end was on the ground, a placement that is strictly forbidden for mats without a ritual context. It is now no longer called tiak (sleeping mat) but ta-pili (rolled up mat).

3.7.2.2 Ta-pili yika (Hanging up the Mat) and Nyiinika (Smoking)
Three days after the burial, the ritual of “hanging up the mat” (ta-pili yika) took place in the late afternoon, as it is the general custom among the Bulsa. While the mud figure represented the deceased man during the burial activities, it was now the mat, dressed in a blue-white cloth, which symbolized the dead person. The destination of all condolence visits was and will be the mat and not the grave.
After the obligatory speeches in the kusung, two bare-chested gravediggers took the mat, which had been standing in the inner courtyard (Fig. 18) in front of the ancestors’ room (dalong) for the preceding three days. The gravediggers prepared the mat, which was rolled up and contained the wooden headrest (zukpaglik), for the “hanging up” by wrapping untwisted fibre around it (Fig. 19). Achaab, the head of the compound, was only a spectator without any functions at this ritual. The gravediggers carried the mat into the dalong and fixed it under the roof beside the mat of another deceased person of the compound (Fig. 20). The fibre strings will perhaps later be replaced by nylon strings or wires to make them termite-proof. During the funeral celebrations, these mats will be used for various rituals and will finally be burnt on a field outside of the compound.
After the ta-pili yika ritual, the gravediggers went to a place near the entrance of the compound and started a fire in a bowl (kpalabik) for smoking (nyiini) things that had been used during the burial and still contained the smell (piisim) of the “corpse” (i.e. the mud figure). I forgot to ask what was actually burnt, but on a similar occasion in another compound the fuel consisted of dried chicken faeces and ngmanyak-grass. The objects were cleaned by holding them in the smoke. They included, for example, the blue-white cover cloth of the mat (Fig. 21), a ceramic vessel (liik) which had contained water for mixing the plaster of the grave-cover, a calabash bowl (chin) and the hoe blade that had been used for digging the grave. After cleansing them with smoke, all of these things could be used for secular purposes again. The long handle of the spade (dachoruk) and one calabash, both of which were still lying on the grave, were not included in this procedure.
In order to announce the conclusion of all the burial rituals, Achaab’s son fired some shots in front of the compound not by using an old muzzle-loader but using the specific Bulsa instrument called da-goong (Fig. 22) which consists of an iron tube with an ignition hole at one side (about its function cf. Kröger 2001: 653-54).

3.7.2.3 Comparison with Ordinary Burials
It is worth noting that the ngarika-burial resembles an ordinary burial to a very high degree. Of course all activities concerning the dead human body as such are not performed or are considerably reduced. These activities include, for example, the confirmation of death, washing the corpse, shaving his/her hair and massaging the dead body to delay rigor mortis (thus enabling the corpse to pass through the narrow grave shaft and be positioned in the small grave chamber). Some of the other rituals are altered slightly. The noai-boka of a person who died in the compound can also be performed in the cattle-yard (nangkpieng). In the kpiak-gebika ritual, it is usually the person who had some conflict with the deceased who is holding one end of the chicken, while here Achaab probably represented all (living and dead?) inhabitants of his compound. It is surprising that the activity of digging the grave with all of its small rituals is nearly identical in the two burial variations. These similarities include:
• screening the area by means of the death mat,
• throwing small stones against the calabash,
• piercing the ceramic grave cover with a hole (boosuk)
• circling the boosuk before placing it on the grave with the hole directed to the east (for men),
• inspection of the grave by the compound head and/or his eldest son when the gravediggers’ work has nearly been finished,
• all of the details of the ta-pili yika rituals three days after the burial,
• smoking the objects that had some contact with the ‟corpse‟.
It is worth mentioning that in Achaab Yeri one gravedigger even tried to avoid earth intruding into the corpse’s ears by placing his leg in the grave since the procedures followed during an ordinary burial cannot be applied here (e.g. putting the hands of the deceased or hoe blades on his ears). Also the smoking of certain objects does not make much sense since the mud figure doesn’t emit any smell (piisim).
The cause for not leaving out a ritual which does not make any sense in the ngarika burial may be rooted in the great sense of respect for tradition as well as in the fear that discriminating against the person who died in a foreign place might provoke his anger and thus endanger the living.

3.7.2.4 Ngarika-Burials in Modern Times
There have always been cases where Bulsa have died outside their traditional area. In the pre-colonial 19th century, when Babatu the slave raider haunted parts of Northern Ghana, many Bulsa were abducted, and their relatives never heard from them again. The (ngarika-) burials and final funeral rites for some of them have been performed in the meantime, while others are still pending.
In colonial times many Bulsa were recruited for the Gold Coast Regiment, and some of them even died in Europe during the First World War. To earn some of the British money that had been introduced by the colonial power, Bulsa walked (!) to Kumasi and other towns for the opportunity to work in one of the cocoa plantations.
After Independence in 1957, it was the magnetic attraction of the big towns in Southern Ghana that moved young men to leave their native villages and look for job opportunities or to start a life of hard work in one of the gold mines (e.g. in Obuasi). In quite modern times, countries in Europe or North America became attractive, particularly among the educated Bulsa youth. A great deal of these migrants were looking forward to returning to Buluk as rich and respectable men or women. Others, perhaps married to European or American partners, became so assimilated into their new culture and its prosperous life that they gave up all plans of returning home for good.
All these people were faced with the question of what would happen to their body after death. Very rich Bulsa uttered in their last will that their body should be transported in a coffin by aeroplane in order to be buried near their father’s compound within a more or less traditional ritual framework [Endnote 58]. Other less wealthy Bulsa knew that when they died, their sons could not afford these high transport costs and instead requested that their sons go home to the traditional Bulsa areas with a piece of cloth containing the body-dirt (daung) and a handful of mud from their father’s foreign grave which would be used to perform the ngarika-burial. Again others were content only to be buried in the foreign country.
A new influence on the performance of burials was exerted by Christianity and – to a lesser extent – Islam (cf. Atuick 2013: 36-42). Devout Christians usually wish to be buried with the ceremonies of their own new religion, and this not only holds for deaths abroad but also for Bulsa villages [Endnote 59]. For people in such a situation, the double burial is apparently on the rise. A few days after the Christian burial at a cemetery, a ngarika is performed with a cloth and the mud from the grave. Even for non-Christians and non-Moslems who die in a hospital (e.g. in Sandema), it may be inevitable that he or she is buried near the hospital and the relatives must be content with the performance of the ngarika.
Although the number of deaths outside Buluk will probably increase, it is not certain whether the quality of the ngarika will suffer changes. Many of the rituals which no longer make sense for a burial without a corpse (e.g. preventing mud from intruding into the ears of a mud figure or smoking objects to remove their piisim-smell) may be dropped. For Christians the ngarika may possibly become only an old custom with a folkloristic character. The idea that the ritual is necessary for a happy afterlife in the company of ancestors may no longer be of any value.

3.7.3 Weitere Informationen über ngarika-Bestattungen
Mein Mitarbeiter Yaw Akumasi gab mir 1997 eine allgemeine Beschreibung einer ngarika-Bestattung (fn 97,9a+b). Das heißt, er verfasste seinen Bericht, bevor ich eine solche Bestattung (2005) in Achaab Yeri und die normale Bestattung eines Erwachsenen (Yaws Schwester, †2003) selbst beobachten konnte.
Falls ein Bulsa im Süden gestorben ist, nimmt man etwas Erde von seinem Grab (im Süden) und wickelt sie in ein weißes oder rotes Tuch [Endnote 60]. Wenn die Erde im Bulsaland angekommen ist, bleibt die Überbringergruppe in einer gewissen Entfernung vom betroffenen Gehöft stehen (z.B. an einer Straße) und wartet dort (limsika). Die Hausbewohner gehen der Gruppe mit einer neuen Matte (ta-pili) entgegen und wickeln das Tuch mit der Erde in die Matte. Auf dem freien Platz (pielim) vor dem Gehöft wird das noai-boka-Ritual mit der Matte durchgeführt. Danach gibt man den Tod bekannt (kuub darika) und informiert die Nachbarn, die nicht an der noai-boka teilgenommen haben. Alle trauern durch lautes Wehklagen. Am Aufbewahrungsort der Matte (Totenraum) nimmt man einen Stock [F.K. zukpaglik?] in der Stärke und Länge eines Unterarms und wickelt einen golung Schurz darum, der nicht unbedingt neu sein muss. Wenn ein Tier (z.B. ein Huhn) über die Matte am Boden läuft (gaamka), so gehört dieses Tier auch den Totengräbern, weil sich angeblich der Tote dieses Tier wünschte. Ein Totengräber führt nun [nacheinander?] Kinder und Brüder des Toten [F.K.: die wohl einen Konflikt mit dem Toten zu Lebzeiten gehabt haben] in das Totenzimmer, wobei er ihnen die Augen zuhält. Man holt ein sehr kleines Huhn, das der/die Verwandte und ein Totengräber gleichzeitig halten. Ein anderer schneidet es mit einem Messer in zwei Teile (kpiak gebika). Alles Übel [zum Beispiel Konflikte mit dem Toten] befindet sich danach in dem Hühnchen (kpa-gebing), das nicht verzehrt sondern fortgeworfen wird.
Vor den Grabarbeiten (vorub tuka) töten die Totengräber ein Huhn (ta-pili kpiak, = Huhn der Matte), ein Perlhuhn, eine Ziege oder einen Hund, dessen Fleisch den Totengräbern gehört. Das Grab verbreitet sich auch im unteren Teil, wird aber nicht sehr tief (z.B. one foot). Wenn etwa die Hälfte der Grabarbeiten vollendet ist, bringen Frauen des Hauses den Totengräbern Hirsewasser. Falls sie auch eine Ziege oder ein Schaf schenken, so gehört deren Fleisch allen Anwesenden.
Nach Fertigstellung des Grabes bringt ein Totengräber die Matte mit der Erde und dem Stock mit dem golung (Schurz) zum Grab, wo alles außer der Matte begraben wird. Die Matte wird im Innenhof vor dem Totenraum aufrecht hingestellt (sali, anlehnen), wobei das dicke [F.K.:?] Ende unten ist. Sie bleibt hier bei einem verstorbenen Mann 6 Tage, bei einer verstorbene Frau 8 Tage stehen (Bei Regen darf sie ins Haus geholt werden). Alle Leute sollen sehen, dass dieses der Ort ist, von dem der/die Tote kam. Am 6. (8.) Tag kommen vayaasa und binden weiße Fasern (bog-pieluk) der kazagsa Pflanze oben (am “Kopf”, zuk) und unten (am “Schwanz”, jiuk) um die Matte [tiak-yikka] und bringen sie dann in den dalong (oder dayiik oder einen anderen Raum), wo sie unter der Decke aufgehängt wird (tiak yikka = Aufhängen der Matte). Sie bleibt hier bis zur Totenfeier.
Ein Kind, das keine jüngeren Geschwister hat (biik basika, ‘Kind, das die Eltern verlassen hat’, erhält zur ngarika-Bestattung nur eine kleine, zerrissene Matte (ta-chiok), die nach der Bestattung ihres Inhalts fortgeworfen wird, d.h. auch kein tiak-yikka Ritual erhält.
Ein ngarika-Begräbnis spielt auch eine Rolle, wenn vor langer Zeit in Mann (zum Beispiel in den Sklavenkriegen) verschollen ist und man nicht einmal weiß, ob er gestorben ist. Von einem solchen Fall berichtet mein Mitarbeiter Leander Amoak (fn 79,18a).
Abonwari (Leanders VaBr) war seit den Sklavenkriege Ende des 19. Jahrhunderts verschollen, vielleicht wurde er von Sklavenjägern gefangen. Man wusste noch in den 1970er Jahren nicht, ob er noch lebte. In diesem Fall wäre er noch yeri-nyono des Gehöfts und alle Opfer könnten nur stellvertretend für ihn durchgeführt werden. (fn 79,30b): Trotzdem war Leanders Vater Asik zu Lebzeiten offizieller yeri-nyono von Asik Yeri, der allen Ahnen opferte, weil er einmal ein Gehöft in Sichaasa gegründet hatte und dann in Badomsa an der Stelle des alten Gehöfts wieder ein Haus erbaute, für das Abonwari nicht mehr yeri-nyono war. Als Asik starb, bekam er eine ordentliche Totenfeier, da man annahm, dass Abonwari noch lebte. Auch Asiks ältester Sohn Atiim opferte selbst, da Abonwari nicht zu seinem Gehöft gehörte. Leander darf nicht opfern, weil die Totenfeier seines Bruders und Vorgängers Atiim noch nicht abgehalten wurde. Diese kann aber erst nach Abonwaris Feier abgehalten werden. Man wird sie wahrscheinlich kurz hintereinander legen (F.K. 2019: Abonwaris Totenfeier wurde immer noch nicht abgehalten, da man Angst vor bösen Folgen hat, fn 79,35). Vor wichtigen Ereignissen, zum Beispiel vor der Neuerrichtung der Ahnenschreine am 20.7.79, geht Leander ins Gehöft und informiert Abonwari, dass ein bestimmtes Ritual oder eine Feier jetzt stattfindet. Er steht dabei vor dem kpilima dok und spricht hinein.
Als Leander unter einer schweren Augenkrankheit litt (Ende der 1960er Jahre?), ging er deswegen zu einem Wahrsager. Dieser fand heraus, dass Abonwari tot war und die ausstehende Beerdigung der Grund für Leanders Augenkrankheit war. Leanders älterer Bruder Atiim (yeri-nyono) nahm deshalb etwas Erde vom Atekauk-Grundstück (Erde: Körper des Toten) in der Nähe von Asik Yeri, wickelte sie in ein Tuch und bestrich damit Abonwaris Schlafmatte. Vor dem Betreten des Hauses mit der Matte wollte Atiim den Grund des Todes durch das noai-boka Mattenritual herausfinden. Er sagte unter anderem: “Du bist jetzt eine tote Person. Hat Asik [Leander’s Vater] deinen Tod verschuldet?” Die Matte blieb stehen (= nein). “Hat eins von Asik’s Kindern Deinen Tod verschuldet?” (nein!) “Hattest du selbst Schuld?” Die Matte lief zum kpilima dok, wo Abonwaris Schrein (bogluk) stand. Die Elders blieben am Eingang stehen. Nach einer Wiederholung der noai-boka kam die Matte zum gleichen Ergebnis. Darauf wurden aus Abonwaris Matte das Tuch mit Erde und zusätzlich noch 1 Mütze, 1 smock (garuk), 1 Dreieckstuch (golung), 1 Hackenblatt (“to put on his ear”) begraben (F.K.: Wahrscheinlich wurden mit diesen Beigaben frühere Tote bestattet). Im Innenhof schlachtete man einen Hahn (kpiak vorub) und ein Schaf für die vayaasa (oder ve tuerisa, grave diggers).
Die beiden Töchter Abonwaris kamen zwar weiter nach Asik Yeri, sie aßen aber nicht von Opferspeisen, da ihr Vater, dessen Totenfeiern noch nicht abgehalten wurde, eigentlich der Hausherr sein müsste.
Mitunter hilft eine ngarika-Bestattung auch, Konflikte zwischen dem Elternhaus einer verheirateten Frau und dem ihres Gatten zu verhindern oder zu entschärfen (Yaw und Anamogsi 2005, FB, S. 5+9):
Anamogsis Frau Agoalie starb kurz nach ihrem Auszug aus dem Gehöft ihres Mannes (Dezember 2004) in ihrem Elternhaus in Sandema-Nyansa und wurde dort ohne Teilnehmer aus dem Gehöft ihres Gatten beerdigt. Einige Tage nach der Verkündigung des Todes (darika) erschien eine Gruppe aus Anyenangdu Yeri in Nyansa, um dort zu trauern. Da Anamogsi ihre Totenfeier abhalten wollte, beschaffte er sich im Nyansa Gehöft (wahrscheinlich durch seine Frau Ayabalie, eine Verwandte Agoalies) Erde vom Grab in einer Kalebassenschale und einige Kleidungsstücke ohne offizielle Erlaubnis, aber unter stillschweigender Duldung der Nyansa Gehöftbewohner. Da dieser Akt heimlich und eigentlich unerlaubt war, konnten Personen aus Nyansa auch nicht zur ngarika-Beerdigung in Anyenangdu Yeri kommen, die 2-3 Wochen nach dem Tod stattfand. an der aber Anamogsi nicht teilnahm. Agoalie’s Graberde und ein Kleidungsstück wurden in Aluechari Guuk, einem früheren Wohnsitz von Anamogsis verstorbenen Vatersvater Aluechari unter einem gaab-Baum in einer ngarika-Bestattung beigesetzt. Vertreter von Nyansa kamen jedoch später zur Totenfeier, nachdem Anamogsi einige “Tiere” (dungsa) für die Mühen der Bestattung an das Nyansa-Gehöft bezahlt hatte. Es gab und gibt keinen Streit zwischen den beiden Häusern. Die noai-boka am Bestattungsort mit der Matte aus Nyansa ergab, dass Agoalie selbst Schuld an ihrem Tod war, weil sie ihren Auszug nicht angekündigt hatte (FB 2005, S. 5 und 9).

Tod von Akanmings Enkelin (fn 88,231b und 88,202b): Am 13.3.89 kam Akanmings ältester Sohn Anamnya Johnson aus dem Süden und meldete den Tod seiner ältesten Tochter Comfort (*1970, Studentin des Business College von Awasa). Er brachte Unterwäsche (pants) und Erde vom südlichen Grab mit. Diese wurden an einem Fußpfad an der Nordseite des Gehöfts von den Totengräbern Asaaluk und Ansoateng begraben. Bei meinem Besuch lagen neben dem Grabhügel ein liik-Topf, in dem Wasser zum Anmischen der Erde für den Grabhügel geholt wurde, ein grober dachoruk Stiel und eine mittelgroße Kalebasse. (Inf. Danlardy: Diese Dinge blieben dort 4 Tage liegen und wurden dann zerstört). Am Eingang des Gehöfts lagen die dachoruk- und Hackenklingen auf dem Boden. Am 17.3.89 befand sich am Grab nur noch der dachoruk- und Hackenstiel. Die beiden Klingen lagen danach unter dem Strohdach des kleinen kusung-dok (vgl. fn 202b).
In der Schilderung einer ngarika aus dem Süden Ghanas, wie sie mir Ayarik Kisito (fn 73,311b) gegeben hat, finden sich einige Unterschiede zu dem bisher beschriebenen. Wenn jemand in der Fremde gestorben ist, holt man neben persönlichen Dingen auch seine Matte heim. Die Träger bemalen ihr Gesicht ganz oder nur mit einem “mark” auf der linken Wange mit Erdfarben an.

3.8 Das noai-boka Ritual [Endnote 61]

Vorbemerkung: Dieses wichtige Ritual wurde bereits mehrmals im vorausgehenden Text erwähnt. Im Folgenden erscheint eine vollständige Wiedergabe der übrigen sich in meinem Besitz befindlichen Informationen, die auch aufzeigen sollen, dass das Ritual in weiten Teilen des Bulsalandes mit kleinen örtlichen Varianten praktiziert wird.

Durch das noai-boka Ritual versucht man, den tiefere Ursache für einen Tod herauszufinden, indem der Gehöftherr oder die Person größter Seniorität [Endnote 62] Fragen an die Totenmatte stellt. Zeitlich kann es an verschiedenen Stellen des rituellen Ablaufs nach einem Todesfall durchgeführt werden, sogar noch Jahre danach. Auch bei der späteren Totenfeier kann es, oft wohl in verkürzter Form, (noch einmal?) vollzogen werden. Im Normalfall findet es kurz vor dem Aufhängen der Matte (ta-pili yikka) statt.

3.8.1 Informationen aus Wiaga
3.8.1.1 Nach einem tödlichen Unfall
Yaw Akumasi gab mir Einzelheiten über das noai-boka Rituals und andere Methoden (Erdtrinken, Wahrsager), den am Tode schuldigen zu finden.

If they cannot find the guilty person in a noai-boka Ritual, the landlord takes a stone into his left hand and mentions one name in a low voice, because he does not want to annoy that person in public. Then he throws the stone in the direction of the standing mat. If the mat comes forward (yes) he does not mention the name in public. He goes to the soothsayer to find out the truth. If he confirms his first suspicion, then he [the performer] calls all the ko-bisa and the “killer” before hanging the mat (fn 01,36b).

Falls der Beschuldigte den Verdacht eingesteht, muss er bestimmte Opfer bringen. Falls er leugnet, holt man Erde vom Grab des Toten und veranlasst ein Erdtrinken (vorub tengka nyuka oder boosuk tengka nyuka) [Endnote 63]. Ein solches Erdtrinken kann ein ganzes Haus töten. Falls der Verdächtigte unschuldig ist, wird der yeri-nyono sterben, sonst der verdächtigte Mörder. Falls letzterer ein Geständnis ablegt, muss er schwören, dass er nie wieder andere Menschen töten wird.
(fn 11,8a) Wenn man den Grund des Todes schon durch einen Wahrsager kennt wird keine noai-boka abgehalten.
(fn 88, 230 +b) Der Todesfall eines jungen Mannes Atiim (Name geändert), der eigentlich zu einer Sektion in Gbedema gehörte, aber schon seit langer Zeit in Wiaga-Badomsa lebte, hatte zu viel Aufsehen geführt. Er war Mitglied der Musikantengruppe von Badomsa, die am 13.3.1989 bei einem großen Fest in Sandema gespielt hatte. Spät in der Nacht wurden die Musiker und andere mit einem Traktor zurück nach Wiaga gebracht. Dabei fiel Atiim vom Traktors, wurde von dessen Anhänger überrollt und starb sofort.
Nachts um 1.30 Uhr, gleich nach seinem Tod, wurde seine noai-boka abgehalten, die etwa eine Stunde dauerte. Akabandoa, der yeri nyono von Atiims Gehöfts, stand am Gehöfteingang und stellte die Fragen. Die Matte, in der sich zuerst der Leichnam befand, war etwa 5 Meter von ihm entfernt. Mattenträger waren Akperibasi (Abasitemi Yeri), Lamisi, Vitus (beide Aniok Yeri) und Aduok aus Apanka Yeri.
Akabandoa rief 3-4 mal: Atiim! Dann stellte er folgende Fragen:

1. Ist dir ein Übel aus diesem Haus gefolgt? [d.h.: Ist jemand aus diesem Haus schuld?] – Die Matte geht zurück (nein).
2. Wenn dir ein Übel aus einem anderen Hause gefolgt ist, dann komm vor (nein).
3. Musstest du sterben, weil du lange Zeit deinen Eltern nicht geopfert hast? Die Matte kommt etwas nach vorn (bedingtes ja). Die Leiche wäre hierbei beinahe aus der Matte gefallen. Daher legte man die Matte auf die Erde und trug den Leichnam ins Haus, wo man ihn auf eine neue Matte legte. Des Toten Kleidung wurde jedoch in die Ordal-Matte eingewickelt.
4. Akabandoa fragte nun die Matte, ob er selbst durch ein bestimmtes Streitgespräch, das er zwei Tage zuvor mit Atiim hatte, schuldig an seinem Tod wurde. (Als Atiim mit einem Freund vom Sandema Markt zurückkam, redete er mit dem Gehöftherrn über die geplante Fahrt nach Sandema zur Wahl eines neuen Häuptlings von Kadema. Als Akabandoa ihm sagte, er solle nicht nach Sandema gehen, wurde Atiim zornig). Die Matte kam etwas nach vorn.

Hiernach sagte Akabandoa: “Anamogsi, ya bu wom” und Anamogsi (der kpagi) stellte von nun an die Fragen (Geschah der Wechsel deswegen, weil Akabandoa durch die vierte Frage mit schuldig geworden war?)
1. Ist dir ein Übel aus diesem Haus gefolgt? – Die Matte geht zurück (nein)
2. Die Trommlergruppe kam oft nach Anyenangdu Yeri. Anamogsi hatte den Musikern gesagt, dass sie in jedem Innenhof essen und trinken könnten. Wenn daher einer von Anamogsis Leuten Schuld am Tod ist, dann soll die Matte ihn (Anamogsi) umwerfen. – (nein)
3. Liegt der Grund bei Atiim selbst? (nein)
4. Wurde er in Sandema magisch vergiftet? (nein)
5. Hat er in Sandema etwas Falsches (nicht im magischen Sinne) gegessen oder getrunken? (ja) Man bezieht dieses wohl auf seinen übermäßigen Alkoholgenuss.
Akabandoa stellte noch einmal seine beiden ersten Fragen an die Matte. Darauf gab er eine öffentliche Erklärung ab: Atiim war in der letzten Regenzeit sehr krank und Akabandoa ging mit ihm zum Wahrsager, der als Grund für die Krankheit herausfand, dass Atiim den Schreinen seiner Eltern hinter dem Gehöft lange nicht geopfert hatte. Er gab als Grund an: “Weil sie mir keine Frau beschafft haben”. Akabandoa veranlasste ihn zu opfern und die Krankheit verschwand. Danach stellte Atiim aber seine Opfer wieder ein. Nach dieser Erklärung kam die Matte vor (ja, Bestätigung der Aussage).
Zu einem späteren Zeitpunkt kam heraus, dass auch seine Weigerung, dem tanggbain Pung Muning zu opfern, weil es ihm keine Frau besorgt hatte, an seinem Tod mitschuldig war.

3.8.1.2 Nach einem Konflikt
Leander Amoak (fn 79,51a-b) berichtete mir von einem Konflikt, der sich wohl in den 1960er Jahren, d.h. vor dem Beginn meiner Feldforschungen bei den Bulsa, zugetragen hatte. Adiak und Akankisi (beide Badomsa) hatten Streit und brachen jeden Kontakt untereinander ab. Als Adiaks Schwester starb, sollten sich alle Nachkommen Ayariks zur Totenfeier (etwa 1967) versammeln. Akasilik, der Sohn Akankisis, und alle Ehefrauen seines Gehöfts und seiner sub-lineage (Asanduok-bisa) erschienen nicht. Adiak, Azueras Nachkommen, Akanming und Asiks Nachkommen erschienen jedoch zur Totenfeier. Hierdurch wurde der Hass verschärft. Daraufhin starb in Anyoripo Yeri (Asanduok-bisa) Agadila’s Frau. Man lud auch Adiak zur Beerdigung ein, aber er kam nicht, während Leander Amoak, der elder aller Ayarik-bisa, die Feier besuchte. Leander stand vor dem Gehöft Anyoripo und forderte die Totenmatte (mit schmutziger Kleidung des Toten in ihrem Inneren) auf, zum noai-boka Ordal herauszukommen, damit die Beerdigung stattfinden konnte. Die Matte kam heraus und Leander stellte folgende Fragen:
1. Falls Abonwari nicht das richtige Oberhaupt der Ayarik-bisa ist oder noch lebt, und so den Tod verschuldet hat, soll die Matte sich vorwärts bewegen. – Sie geht zurück (nein).
2. Falls Akadak, der yeri-nyono von Anyoripo Yeri (Asanduoks Familie), die Ahnen-bogluta beleidigt hat, soll die Matte vorkommen. – Sie bewegt sich zurück (nein).
3. Dann nahm Leander einen Stein, spuckte darauf und stellte in Gedanken (oder leise gesprochen?) folgende Frage: Wenn Agadila, der Gatte der Toten und ihr Stiefvater [F.K: Schwiegervater?] Akadak Grund des Todes waren, soll die Matte dem Stein folgen, den Leander fortwarf. Daraufhin sprang die Matte auf Leander und auf den Stein. Leander sagte nun der Öffentlichkeit, was er gedacht (bzw. leise gesagt) hatte.
4. Akadak (sein Stiefsohn stand neben ihm) spuckte nun auf einen (den?) Stein und dachte (oder sprach leise?): Bin ich der Schuldige? Die Matte kam nach vorn (ja). Er sagte aber keinem, was er gedacht und warum er der Schuldige war.
Die Leiche wurde nun beerdigt. Nach vier (weibliche Zahl) Tagen musste Leander nach Anyoripo Yeri kommen, um die Matte aufzuhängen. Er blieb in einem gewissen Abstand auf einem Feld vor dem Gehöft stehen, weigerte er sich aber, näher zu kommen, obwohl ihn Akadak abholen ließ. Die Weigerung begründete er damit, dass Akadak ihn nicht berichtet hatte, was Akadak mit leiser Stimme zu dem Stein gesprochen hatte. Die Matte wurde dann zwar von Hausbewohnern aufgehängt, aber nicht offiziell durch Leander. So wurde Leander in den Streit verwickelt. Kurz darauf starb Akasiliks Stiefsohn (Akasilik lebte noch). Leander ging nicht zur Beerdigung und sie begruben ihn allein. Dann starb Achang (1975?). Leander kam nicht zur Bestattung, Dann starb Akasilik (1976?). Leander wurde zur Bestattung eingeladen. Da Akasilik viel für die Ayarik-bisa getan hatte, ging Leander nach Abapik Yeri und bat sie, zur Bestattung zu kommen. Sie sagten zu. [F.K.: Da sich in Abapik Yeri die ältesten Ahnenschreine Badomsas befanden, musste ganz Badomsa kommen]. Auch Leander ging hin. Als nach drei Tagen (männlicher Toter) die Matte aufgehängt werden musste, weigerte sich Leander zuerst, da er den Grund für den Tod von Agadilas Frau wissen wollte. Akadak holte Leander aus dem kusung und erzählte ihm abseits von den anderen die wahre Geschichte [über seine Schuld].
1978, als ich den Schwerpunkt meiner Feldforschungen von Sandema nach Wiaga verlegte, war der Streit vollkommen beigelegt.

3.8.2 Informationen aus Sandema

3.8.2.1 Beschreibung durch Godfrey Achaw aus Sandema-Kalijiisa (fn 73,44a+b+45)
Der älteste Sohn des Toten stellt sich nackend in den Haupteingang mit dem Gesicht zum Inneren des Gehöfts, während zwei nackte Männer die Matte, auf der der Tote gestorben ist, herausbringen. Der älteste Sohn stellt Fragen an die Matte. Wenn die in der Frage genannte Person ihn getötet hat, so wird die Matte voran getrieben (=ja), wenn nicht, geht die Matte zurück. Auch zum Haus des Mörders können die Träger getrieben werden. Dort springen die beiden Träger mit der Matte über die Innenmauer in den Hof des Mörders, und die Vorderseite der Matte stößt den Mörder nieder. Verwandte des Toten konnten früher versuchen, diese “schuldige” Person zu töten, wenn andere nicht eingriffen (Godfrey hat dieses nur von anderen gehört).
Folgende Fragen können vom ältesten Sohn unter anderem gestellt werden:

1. Bin ich es selbst, der den Tod verursacht hat?
2. Ist es jemand aus dem Haus, der dich nicht liebt?
Wenn ein yeri nyono gestorben ist, steht auch sein Nachfolger nackend am Eingang. Wenn die Matte den Mörder nicht findet und zurückkehrt, bleibt er am Eingang stehen, während der älteste Sohn zurück ins Haus geht. Der Nachfolger fragt:
3. Wenn ich die Ursache bin, schlag mich nieder.
4. Sind fremde Frauen [F.K. eingeheiratete Ehefrauen?] aus anderen Dörfern von jemandem dort verleitet worden?
5. War es die Schuld des Toten selbst, dass ihn die Ahnen geholt haben?
6. War dieses ein natürlicher Tod?
(Die Reihenfolge der Fragen 2-5 liegt nicht fest). Nachdem die Todesursache gefunden ist, darf getrauert werden.

3.8.2.2 Auszüge aus Aduedem’s unveröffentlichten Studie (2019, Kap. 1.1.1, S. 6f)
Normally, the dressed corpse is chocked to sit at the far end in the ancestral room (dalong) alone facing the entrance [Endnote 64] while the straw mat he/she was lying on is folded and carried out by two half-dressed [Endnote 65] young men [Endnote 66] from the extended family/clan. When they reach the cattle kraal (nankpieng), they stop and the also half-dressed person delegated by the family (either a son [Endnote 67] or a relative) [and] having been instructed by the elders, meets the mat from outside. He introduces himself to the mat by mentioning his name and saying he is there to find out the cause of his death. Usually, if the mat comes forward via its carriers, this signifies a ‘yes’; and if the mat goes backwards via its carriers, this signifies a ‘no’ [Endnote 68]. The sample below illustrates a person who was killed by witches:

[1] Atampoi (the deceased), is it me Ajuibili that is here today to find out why you are lying down?
[2] Your death, is it from God (natural) or an unnatural one? If it is from a natural one come forward and if the mat moves backwards, it means an unnatural death.
The person will proceed.
[3] If it is not natural, were you killed by others or is [was] it your own activities that brought this calamity upon you?
If the mat moves forward (in the affirmative), he asks again:
[4] If others know about your death, are they people who are far or people who are from within [the compound]?

The questioning continues till they are satisfied with the results. However, in the course of responding to the questions, when there are deep seated secrets, the person can whisper whatever he wants to ask into pebbles and throw the pebbles [away], and the responds would be known only to the person doing the noai-boka and the mat, i.e. the dead person. After the funeral, the person will then communicate the information to those concerned.
(p. 33) Taking the noai-boka for example, while it is not impossible for the spirit of the dead person to reside in the mat and respond to the commands given it, the bible forbids communicating with the spirit of dead people to obtain information – necromancy (Lev 19:31, 20:6, 27 and Deut 18:11).

3.8.3 Informationen aus Gbedema (durch Margaret Arnheim)
(Marg., fn M23) Wenn ein Toter im eigenen Haus (im weiteren Sinne) gestorben ist, wird die noai-boka mit der Matte durchgeführt. Wenn jemand im Busch gestorben ist oder in einem fremden Haus, dann legt man ihn auf drei (oder mehr) Stöcken (Symbole für Busch). Wenn er außerhalb des eigenen Dorfes gestorben ist, wickelt man Erde vom Pfad dorthin in ein Tuch des Toten [wickelt es in die Matte] und führt das noai-boka Ritual aus.
(fn M28a) Das noai-boka Ritual wird sofort nach dem Tode noch vor der Bestattung am Hauseingang durchgeführt und noch einmal bei der zweiten Totenfeier.
(fn M80,28a) Gleich nach dem Tod einer kinderlosen Frau wird die nangaang-Mauer [an der Hinterseite des Gehöfts] an einer Stelle durchschlagen und der Leichnam der Frau durch das Loch zum noai-boka Ritual hinausgetragen (va nangaang jo oder nak parik jo). Nach der noai-boka wird der Leichnam wieder ins Haus getragen und die Wand sofort repariert.
(fn M81,45b) Margarets Cousine war eine tüchtige Marktfrau in Fumbisi. Von einer eifersüchtigen Mitfrau wird sie sakpak (Hexe) genannt. Der Makel blieb, und ihr Geschäft ging zurück. Auch ihre eigene Mutter fraget sie, ob sie jemals menschliche Seelen gegessen habe. Die Mutter fürchtete, dass sie selbst die Hexerei auf ihre Tochter übertragen hat [F.K. die Anlage zur Hexerei wird matrilinear vererbt]. Als sie starb, fand die Matte im noai-boka heraus, dass sie keine Hexe war, sondern von ihrem jüngst verstorbenen Vater geholt wurde. Ihre Mutter war nun sehr erleichtert und sprach offen über diese Angelegenheit.

ENDNOTEN (Tod… zweiter Teil) 43-68

(Die Endnoten 1-42 befinden sich im 1. Teil des Kapitels „Tod, Bestattungen…‟)

43 Nach einer anderen Aussage nehmen an dem Begräbnis eines Kleinkindes keine Hausbewohner als Zuschauer teil.

44 Nach Danlardy Leander werden nur die schlechten Amulette usw. zerstört. Sie können mit der Matte verbrannt werden. Nach anderer Information zerschneidet man sie in kleine Stücke und wirft sie in der Regenzeit in einen Fluss. Die guten Amulette können bei einem Erwachsenen seinem Sohn gegeben werden.

45 Vielleicht handelte es sich hier um ein Verdrehen der Finger, wie es unten beschrieben wird.

46 Vgl. Kröger 1978: 223f.

47 Vgl. Kröger 1978:60.

48 Es ist möglich, dass die oben erwähnte “Manipulation” an den Fingern Akanchainfiiks eine solche Verdrehung war.

49 Über die Skarifizierungen, die Kinder nach einer Totgeburt oder dem frühen Tod von Geschwistern erhalten, siehe Kröger 1978: 128-132.

50 (fn 01,12b) Die Medizin besteht aus einer wässrigen Lösung der Wurzeln des kikiruk-Baumes, der nur im “tiefen Busch” wächst. Dem Vorwurf, er werde mit dieser Medizin ein menschliches Wesen töten, weist der tiim-nyono (Medizin-Besitzer) zurück mit dem Argument, dass die Medizin für gewöhnliche Menschen völlig harmlos ist und er selbst zum Beweis eine größere Menge zu sich nehmen könnte. Auch ich (F.K.) habe von dieser Medizin getrunken.

51 Es war die gleiche Medizin, die der kikiruk getrunken hatte und gleich danach gestorben war.

52 Das Verb ngari bedeutet ‘holen’. Hier wird eine Bestattung von einem anderen Ort geholt. – Die Namen aus dem Gehöft, in dem die ngarika ausgeführt wurden (neuer Name Achaab Yeri), habe ich geändert.

53 In Buli, the language of the Bulsa, the verb kaabi (to sacrifice) is used for these offerings at the grave, but my informants agree that libations or killing animals for the dead person are not real ancestral sacrifices, because the deceased will hold the status of an ancestor only after the second funeral celebration (Juka).

54 The omission of my participation in these “sacrifices” was not due to a prohibition on the part of my hosts, but to my having fallen asleep during a short rest in the kusung.

55 According to Yaw the kpiak-gebika ritual should “undo any hidden curses and protect the living”.

56 I forgot to ask whether this was the white cloth of the footpath or whether they had replaced it by a small white golung. Bulsa smocks and golung-underwear are offered on Bulsa markets in miniature sizes. My first idea that they are jokingly worn by small babies was wrong. They are exclusively used for funeral purposes.

57 Achaab told me later that also a miniature smock might have been used for this burial.

58 Heute gibt es eine Möglichkeit, die Leiche in Kühlräumen einzufrieren und sie auch noch längere Zeit nach dem Tode ins Bulsaland zu transportieren.

59 Ergänzung 2019 (fn 2011,15a in Deutschland): Mein Freund Alfred Agyenta (heute Bischof der Bolgatanga-Navrongo Diozöse) erzählte mir, dass sein streng katholischer Vater vor seinem Tod zwei Alternativen für seine eigene Beerdigung aufgestellt hat. Entweder wollte er auf dem Friedhof der Missionsstation oder neben seinem neuen Haus in der Nähe der Missionsstation begraben werden. Nach seinem Tod wollten jedoch sein ko-bisa seine Beerdigung im traditionellen Yisobsa-Gehöft durchführen. Als sie sich nicht durchsetzen konnten, holten sie etwas Erde vom Grab und führten eine zweite Bestattung im elterlichen Gehöft durch.

60 Wenn der oder die Tote im Bulsaland gestorben ist, holt man gewöhnlich auch die Totenmatte. Nach Ayarik Kisito (fn 73,31b) bemalen die Träger der Matte ihr Gesicht mit einem roten Laterit-Strich in der Form einer Bulsa-Stammesnarbe.

61 (fn 01,36b): Noai-boka oder noai-chiika (vomiting of the mouth; man chii ká n siok noai. ‘I vomited my brother’s mouth’, i.e. I caused my brother to speak [through the mat]).
Vgl. auch Kap. 3.7.1, in dem der Ablauf eines noa-boka Rituals basierend auf eigenen Beobachungen, in verkürzter Forme beschrieben wird.

62 Nach dem Tode Leanders musste der älteste Sohn von Leanders älterem Bruder die Fragen stellen. Da er jedoch schon sehr früh dem Leben eines traditionellen Gehöfts entfremdet war, stand Akanming, ein erfahrener Elder, hinter ihm und flüsterte ihm jede zu stellende Frage vor.

63 Ein solches Ritual wurde von mir (F.K.) 2005 in Anyenangdu Yeri beobachtet und dokumentiert.

64 (Fußnote 9 bei Aduedem) The entrance would be closed.

65 (Fußnote 10 bei Aduedem); The shirt is removed leaving only trousers, and the trousers are folded upwards in the form of shorts.

66 (Fußnote 11 bei Aduedem) These young men must not necessarily be undertakers.

67 (Fußnote 12 bei Aduedem) Sons include the brothers’ male children because, the “English word [nephew] is never used by Bulsa for their brothers’ sons,” (cf Franz Kröger, Ancestor Worship Among The Bulsa Of Northern Ghana, Klaus Renner Verlag, Hohenschäftlarn, 1982, p. 85.). The equivalent of nephews in Buli for a sister’s sons is tua bisa (children of daughters) or ngesingsa.

68 (Fußnote 13 bei Aduedem) Kröger, “Returning Home as a Dead Man”, 2016.

 

4. DIE KUMSA TOTENFEIER

4.1 Vorbemerkung zu den Totenfeiern

4.1.1 Terminologische und methodische Überlegungen
Methodische Überlegungen: Unsere Darstellungsweise der beiden großen Totenfeiern der Bulsa (Kumsa und Juka) musste im Vergleich zum ersten Teil dieser Abhandlung leicht geändert werden.
Während im ersten Teil Zitate aus meinen Feldnotizen weitgehend in eine textliche Darstellung eingebaut wurden oder dem Schlussteil eines Kapitels (“Weitere Informationen”) beigefügt wurden, bilden die Feldnotizen bei der Darstellung der Totenfeiern das eigentliche chronologische Gerüst. Analysen und Zusammenfassungen werden als Einzelaufsätze im Anhang präsentiert.
Der Versuch, die Riten der Bulsa-Totenfeiern verschiedener Dörfer in ein chronologisches Nacheinander zu ordnen, ist mit großen Schwierigkeiten verbunden:

1. Viele Riten begleiten mit Unterbrechungen fast die ganze Totenfeier oder erstrecken sich zumindest über mehrere Tage (z.B. Imitation, Rasseln an der Matte, Umzüge um das Gehöft).
2. Viele Riten verlaufen fast unabhängig voneinander oder zumindest parallel.
3. Es bestehen Unterschiede in den einzelnen Dörfern und Sektionen, einige Riten treten nur in bestimmten Klansektionen auf.
4. Der chronologische Ablauf liegt nicht vollständig fest, sondern wird vor Beginn der Feier von den alten Männern im kusung-dok beraten und festgelegt. Sie entscheiden zum Beispiel auch, ob ein Ruhetag eingelegt wird und ob einige Riten ausgelassen oder an anderer Stelle vollzogen werden.
Die vorliegende Aufstellung kann daher nur grob darüber Auskunft geben, welche Riten und andere Aktivitäten man an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Tageszeit vielleicht erwarten kann. Die Nummerierung wurde vor allem zum Zwecke einer leichteren Referenz durchgeführt.

Name: Die erste Totengedenkfeier wird in dieser Arbeit, auch in Anlehnung an den gängigen Gebrauch meiner Informanten, als Kumsa (pl.) bezeichnet.
Azognab (2020) gebraucht die Buli Bezeichnung kuub-kumsa. E. Atuick (2020: 37f.) schreibt: …the kuub-kosik (dry funeral rites)… involves performance [kumsa] of the funeral [kuub]… Die erste Totenfeier nennt er kuub-kumka.
In Ghana gebraucht man auch die englische Bezeichnung “dry funeral” für die Totenfeiern, im Gegensatz zum “fresh funeral”, der Erdbestattung gleich nach dem Tode. Das Wort “funeral” ohne Attribut bezieht sich meistens nur auf die beiden Totengedenkfeiern.
R. Asekabta (Brief): I think kuub-kumka means the art of performing a funeral or how to perform a funeral. Kuub-kumsa means the performance of a funeral and Kumsa is a short form of performing a funeral for example (Kuumu Kumsa ale chum – the performance of the funeral will be tomorrow)
F. Kröger: Dictionary Buli-English: kumsa, n.pl. 1. mourning, weeping, crying… 2. funeral; kuub, pl. kumsa, kuuna death case, funeral celebration

Besuchte Totenfeiern des Autors
Kumsa-Totenfeiern (oder Teile von ihnen) wurden (falls nicht anders angemerkt) in den folgenden Gehöften besucht:

Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (fn 60-65), 17.-18. April 1973: Totenfeier für einen im hohen Alter (90) im März 1973 verstorbenen Schmied (er soll angeblich noch gegen Babatu gekämpft haben). Besucht wurde nur der tika dai.
Asebkame Yeri, Wiaga-Chiok (fn 88.119a – 121a): abgehalten für einen Mann, eine verheiratete Frau und zwei Kinder. Besucht wurde nur die Feier des gbanta-dai (6.12.88).
Wiaga-Sichaasa (fn88,185): Funeral eine alten Mannes und einer alten Frau, ein kurzer Besuch am 19.1.89 (tika dai)
Akadem Yeri (fn 88,197+200a+b): Wiaga-Yisobsa: für fast einem Dutzend Männer und Frauen, Besuche am 28.1.1989 (tika) und 31.1.1989 (gbanta)
Acha Yeri, Sandema-Chariba (fn 88,221b+222a); Besuch am 5.3.89: gbanta für eine eingeheiratete Frau
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa-Anuryeri (fn 88,223-226): Vater von James Agalic, dem Assistenten und Informanten von R. Schott und F. Kröger; Besuch: 1.-4. Tag (7.3.-10.3.89)
Abanarimi Yeri, Wiaga-Chiok-Ayaribisa (fn 233a+b): für zwei eingeheiratete Frauen (Riten hinter dem Gehöft), eine zurückgekehrte Tochter (vor dem Gehöft) und einen Jungen; Besuch am gbanta dai (16.3.89)
Abapik Yeri, Wiaga-Badomsa: 5.9.90 (fn 88,305b) ausführliche Informationen und Fotos durch Danlardy Leander
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa, Totenfeier für Anyenangdu, dem Vater meines Hauptinformanten Anamogsi: 3.3.91-6.3.91 (Fotos und Informationen durch die Teilnehmer M. Striewisch und Danlardy Leander, ausführliche Informationen und Erklärungen durch Anamogsi und andere Hausbewohner)
Obwohl ich selbst diese Totenfeier in Anyenangdu Yeri, meinem Wohngehöft zwischen 1978 und 2011, nicht besuchen konnte, stehen mir für diese das reichhaltigste Material zur Verfügung. Noch bis 2011 konnten alle strittigen Fragen diskutiert und beantwortet werden.
Agbain Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 01,3a+b): Besuch: tika dai (13.2.01) und gbanta dai (gbanta an 2 Tagen: 15. und 16.2.01).
Atinang Yeri, Wiaga-Badomssa (fn 06, 6a+b; 10a, 27.1.2006): Kumsa Mitte März 2005 (nicht teilgenommen, Hauptinformation durch Anamogsi, Danlardy und Yaw; abgehalten für Verstorbene aus Atinang Yeri: Atinang, Angmarisi (jüngerer Bruder Atinangs), Kweku (jung), aus Anyenangdu Yeri: Awenbiisi, Asuebisas Sohn Akansang, Agoalie, Adiki (Azumas kleine Tochter); Beschreibung in den fn nur 1.-3. Tag; Imitatorin Atinangs: Atakabalie (Anyiks Frau), für Angmarisi Name entfallen, für Agoalie: Ajadoklie. Ergänzung durch einen Brief Danlardys: als Agoalie in ihrem Elternhaus starb, wurde sie dort begraben und ein funeral gefeiert. Später wurde in Anyenangdu Yeri eine zweite Totenfeier abgehalten.
Agaab Yeri, Wiaga-Yisobsa-Chantiinsa (fn 08.15) für 2 männliche Tote und 5 Frauen; Besuch: 17.2.08: kalika; 21.2.08: gbanta
Adiita Yeri, Wiaga-Yisobsa-Guuta; 22.2.08: kalika; 24.2.08: gbanta (tika fiel aus). Nur eine späte Phase wurde vom Autor selbst beobachtet.
Ataamkali Yeri, Wiaga-Longsa; Gehöft des Kambonnaabs und Erdherren Afelik: 25.-29.1.2011 (tika dai, kpaata dai, gbanta dai)

Information Danlardy: Brief vom 7.5.2004 (fn 2002/3,55a*): Frauen-Totenfeiern können auch zweimal abgehalten werden, z.B. wenn die Ehefrau im Haus ihrer Eltern stirbt, dort das funeral (Totengedenkfeier) abgehalten wird und der Gatte es dann in sein Gehöft holt. Agoalies funeral wurde in Sandema-Nyaansa und in Anyenangdu Yeri abgehalten.
Vom 2.-6. Mai 2004 hielt Anamogsi Agoalies und Abiisis funerals in Atinang Yeri zusammen mit denen von Atinang Yeri ab (von mir nicht beobachtet).

4.1.2 Die Seele (chiik) des Toten
Der folgende, einleitende englische Text wurde in gekürzter Form entnommen aus: F. Kröger: Religious and rebellious elements in Bulsa funeral rituals, Buluk 10 (2017): 97-99.

Although the Bulsa are often regarded as one of the best-studied ethnic groups in Northern Ghana, their funeral rituals, with their interweaving of innumerable religious rites and secular acts of various kinds, have never been the subject of a general monographic publication.
The basic religious idea of funeral celebrations may lie in preparing a transition of the deceased from the land of the living to the land of the dead. In order to understand this process better, it is necessary to clarify which parts of the human personality are affected by certain rites concerning the deceased. The Bulsa attribute a number of personality components to each person.
One of them is nyuvuri (cf. nyueri, ‘nose’, and ‘vuum‘ life) or the “pulsating life”, which is mainly revealed in the respiratory movements. Another component is the “life force” or pagrim, which is not only shown in physical strength but also in the immunity from and resistance against harmful spiritual influences, e.g. ghosts, witches, bush-sprites, etc. (cf. Kröger 1978: 143-145). The personality components mentioned so far play only a subordinate role in burial and funeral rituals. More important are the functions and activities of the following three components (ibid. 140-143):
• The body (nying, pl. nyingsa)
• The wen, a divine power associated with an individual, but worshipped by sacrifices to a shrine outside the body (Kröger 1982: 6ff and 2003: 254ff)
• The soul (chiik, pl. chiisa)
The dead body and its odour (piisim) may be a great danger to the living. Only the initiated grave diggers know exactly how to deal with it. The corpse of a deceased is usually buried on the day of death. This activity usually takes place within the narrow circle of one’s own family (cf. 3.4 und 3.5).
The veneration of a deceased person’s wen is intensified only years or decades after the burial. Although during the funeral celebration the wen-shrines of the deceased exist in the compound, sacrifices to these or any other rituals concerning them are not a part of the funeral celebration.
As will be explained in more detail below, the soul (chiik) of the dead is paramount among the religious events of the first funeral celebration. After the funeral, the personality of the dead man is represented less by the tomb than by the sleeping mat (tiak, rolled: ta-pili) on which the dead man died, for it is regarded as the abode of his soul. In the past and even in some compounds of the present, this entailed leaving a small dish of food in the ancestral room every evening and, on the next morning, removing the untouched food. This means that the dead man did not consume the food in a material sense, but only took its power or substance as nourishment. Afterwards it was consumed by humans or fed to animals. Furthermore, certain preferences of the deceased, for example his enjoyment of beer, kola nuts or tobacco are respected by placing these luxuries for some time in the ancestral room.
The soul of the dead is not always enclosed in the mat or hovering around it. It can, for example, visit the deceased’s body in the grave (boosuk). In order to have free access, a small hole is left in the ceramic cover of the grave until the end of the final funeral.

Abb.: Der amtierende Gehöftsherr Leander Amoak informiert seinen Ahnen Abonwari über ein rituelles Ereignis

According to information from Gbedema, some Bulsa (usually thoughtlessly) invite the ancestors or the dead to eat with them by uttering the following sentence before eating: Ni de abe ni ge te mu (You eat before you give me). Moreover, a ceramic pot (liik) with drinking water, located in a corner of each courtyard, should never be empty so that recently deceased persons and ancestors can serve themselves here.
When the head of a compound (yeri-nyono) dies, it is either his eldest brother or his eldest son who performs all important rituals and they are also responsible for the deceased’s soul . However, they exercise these rites only for the deceased and must inform their predecessor about every important ritual in the compound by speaking to his soul in the mat.

Information Godfrey Achaw (fn 73,178): Eine Seele kann stark (powerful) oder schwach sein. Eine Person mit starker Seele ist schwer zu töten oder zu schädigen.
Die Seele kann den Körper des Nachts verlassen und alle Orte, die sie tagsüber besucht hat (und auch andere), noch einmal aufsuchen. Wenn die Seele nachts von einem Gespenst verfolgt wird, träumt der Schlafende davon. Nach dem Tod wird die Seele einer Hexe zum Gespenst (kok). Die Seele anderer Menschen geht nach dem Tod zu Naawen (Gott), oder, wie andere sagen, ins Ajiroa Totenreich. Wenn ich [Godfrey] sterbe, werde ich in Ajiroa mit meinem Körper neu geboren, aber Fremde können mich nicht sehen. Man erwartet aber gleichzeitig noch Körperreste im Grab. Die Speisen, die Familienangehörig in den Raum, in dem sich die Matte befindet, stellen, sind für das chiik des Toten bestimmt. Jeder kann die Speisen später essen, nur nicht die Gatten der Verstorbenen.

Information Apusik (Sandema-Kobdem?) während Awuuliimbas Totenfeier (fn 88,126b): Die Seele des Toten zieht nach der Juka-Feier ins Totenreich Ajiroa. Andere sagen, dass die Seele nach den Totenfeiern weiterhin in dem bui (Speicher) des Toten wohnt. Wenn die Seele von Ajiroa aus ihr altes Gehöft besucht, wohnt sie auch im bui. Der [runde] Stein [tintankori] auf dessen Boden symbolisiert auch die Seele.
Danlardy in seiner Examensarbeit (fn 86,12a): Jeder Mensch (nurbiik) hat drei Seelen (chiisa): 1. eine geht nach dem Tod zu Gott, 2. eine lebt im toten Körper weiter, 3. Die sitana-Seele wird beim Tod vernichtet, d.h. sie stirbt mit ihm. Die dritte Seele verleitet den lebenden Menschen Böses zu tun.

Information Margaret (fn M79,8b): Sie selbst fürchtete sich vor Kühen. Sie hatte einen Traum, dass sie von Kühen gehetzt wurde. Die Nachbarn sagten ihr, dass Hexen ihre Seele verfolgten.
Azognab 2020: 56: The fourth interview question to the [15] respondents was: What happens to the human person after death? All the respondents answered that the chiik (soul) of the person hovers around the tapili (death mat), the boosuk (grave) and the dalong or kpilima-dok… until the death and funeral rites and rituals are properly completed.

4.1.3 Allgemeine Informationen zu den Totenfeiern
(Vgl. auch 7. Ergänzungen… (7.1.-7.5) und F. Kröger 2017: 97-113: Religious and rebellious elements in Bulsa funeral rituals)

4.1.3.1  Aufhebung von Tabus (kisita, Sing. kisuk) des Alltagslebens
(oder: Tätigkeiten während der Totenfeier, die im Alltagsleben nicht ausgeführt werden dürfen)
Information Godfrey Achaw (fn 73,32): Wenn ein Ehebruch während eines Festes geschieht, wird er nicht als Ehebruch angesehen und die Frau braucht ihren Mann nicht zu informieren. Andere aufgehobene Tabus bei großen Festen sind: Ein Kalijiisa Mann kann eine Kobdem Frau heiraten, aber die Heirat innerhalb einer Sektion ist nicht erlaubt. Die Aufhebung der Tabus gilt nur bei: 1. Funeral eines großen, alten Mannes, 2. Harvest Festival Fiok (November – Dezember), 3. in bestimmten Fällen bei Opfern an das Land.
Information Apusik, Sandema (fn 88,226b): Bei einem Funeral werden folgende Tabus aufgehoben:

1. Suma (Rundbohnen) und tue (kleine Bohnen) werden zusammen in einem Topf gekocht
2. Man darf Tuch oder Kleidung auf das Dach des kusung oder kusung-dok legen (sonst kisuk)
3. Bestimmte Lieder dürfen nur bei Totenfeiern gesungen werden.
4. Man darf im Haupteingang (nansiung) stehen bleiben.
5. Sonst darf man nicht innerhalb und außerhalb des Viehhofs trauern (?).
6. Nur am kpaata-dai besteht eine sexuelle Freizügigkeit.

Information Yaw (fn 06,34b): Aufhebung von Tabus bei Funerals: 1. Man darf Totenlieder singen, 2. Matten werden mit der Spitze zum Boden aufgestellt, 3. Gewöhnlich darf man nicht über liegende Matten schreiten. Falls dieses geschehen ist, muss man zurückspringen und um die Matte herumgehen. Wenn ein Tier über die Matte schreitet, wird es sofort getötet. 4. Sex außerhalb des Gehöfts ist sonst strikt tabu. 5. Kochen von suma und tue Bohnen in einem Topf ist sonst tabu.
Yaw hat von einer Aufhebung des Exogamie- oder Inzestgebotes noch nie etwas gehört. Ein Stehenbleiben im Eingang ist auch bei Totenfeiern verboten (nach anderer Information erlaubt).
Information Yaw (fn 01,2b): Imitation bei einem weltlichen Fest (tigi) ist tabu (kisuk)
Information Danlardy, Yaw, u.a. (fn 94,22a): Der älteste Sohn eines Verstorbenen darf dessen Kleidung zu Lebzeiten nicht tragen. Bei der Kumsa bekleidet er sich hiermit, bevor die Imitatorin diese Kleidung anzieht.
U. Blanc (2000: 55, 136f und 145): Die Intonation der Rhythmen beim zong-zuk cheka (Musizieren auf dem Flachdach) ist außerhalb der Totenfeier tabu (kisuk).

4.1.3.2 Weitere allgemeine Kurz-Informationen zur Kumsa-Totenfeier

Totenfeiern für Frauen

F.K.: Gewöhnlich werden die Totenfeiern von verheirateten Frauen im Gehöft ihres Ehemannes zusammen mit den Feiern von verstorbenen Männern abgehalten.
Wird eine Totenfeier nur für Frauen ausgeführt, so entfallen zum Beispiel die Kriegstänze ganz. Wenn außerdem die Mattenverbrennung schon auf den ersten Tag verlegt wird, so fällt der ganze zweite Tag aus (so auch Aduedem).

Zeitliche Abhaltung der Feiern

Information Godfrey Achaw (fn 73,47): Die erste Totenfeier findet entweder in der nächsten Trockenzeit oder Jahre später statt.
(fn 73,54b): Die Reihenfolge in der Abhaltung von Totenfeiern: In den vier Nachbargehöften in Yongsa (ko-bisa) muss jedes auf das Funeral eines Nachbarhauses warten. Aber nach 20-30 Jahren werden die vier Häuser wohl ganz selbständig sein (ohne Wartepflicht).
Information Yaw (fn 01,2b): Anders als in Sandema dürfen Totenfeiern in Wiaga nicht an einem Markttag beginnen. In Sandema werden viele Einzelriten usw. ausgelassen, besonders an Markttagen.

Aduedem 2019: 12f: This part of the final funeral rites [Kumsa] takes three or four days for the average male or female respectively, or four or five days of an elderly man or woman of status respectively. It depends on the part of Buluk, when final funeral rites of mixed sexes are celebrated together, in Chuchuliga and some other parts, the male funeral takes precedence, whereas in Sandema and the southern part of Buluk, the female funeral takes precedence. Thus, the days are followed according to whose funeral takes precedence in cases of mixed celebrations.

Irrtümlich für lebende Personen abgehaltene Totenfeiern

Information Akambonnaba, Cape Coast (fn 73,53a): Wenn jemandes Totenfeier abgehalten wurde, gilt er als tot. Sein Vater musste im Krieg einen Krankenwagen fahren und in Siniensi erhielt man die Nachricht, dass er im Krieg gefallen sei. Man hielt seine Totenfeier ab. Obwohl er wieder auftauchte, galt er als tot und durfte nie wieder in Siniensi erscheinen (seine Kinder wohl). Er starb am 24.2.67.
Information Godfrey Achaw (fn 73,53a): Godfrey kennt auch einen Fall, dass man für einen verschollenen Mann eine Totenfeier abhielt. Dieser geht nach seiner unversehrten Rückkehr ins Bulsagebiet nicht mehr nach Sandema. Wenn er dort in einem Auto vorbeikommt, zieht er sich ein Tuch über den Kopf. Er darf auch aus Sandema keine Geschenke annehmen oder dort Geschenke geben. Außerhalb Sandemas dürfen ihn Leute aus Sandema besuchen.
Information Margaret Arnheim (fn M20b): Im Krieg wurden irrtümlich funerals Lebender abgehalten. Als sie zurückkamen, wurden sie wieder in die Gemeinschaft aufgenommen. Man sagt, dass sie ein sehr langes Leben haben werden.

Miiga-Totenfeiern

Abb.: Ritual-miiga aus Wiaga Chiok

Information Leander Amoak und ein Schmied (Ako?) aus Wiaga Chiok (fn 73,151):
Das Miiga-Funeral: Bei ganz bedeutenden Männern der Schmiedesektion wird ein Teil ihrer Totenfeier schon zu Lebzeiten abgehalten. Dabei spielt eine Schmiedezange (miiga), die mit Lederfransen zu einem “Wedel” umfunktioniert wurde, eine große Rolle. Sie dient dazu, böse Geister zu vertreiben. Bei einem miiga-funeral werden schon mehrere Kühe geopfert, aber nicht auf dem Aschenhaufen (tampoi). Wenn die Person später stirbt, werden keine weiteren Tiere geopfert. Vor einigen Wochen hat ein sehr kranker Mann eine solche miiga-Ehrung erhalten, ist aber kurz danach gestorben. Leander selbst hatte nie von einem miiga-funeral gehört. Eine miiga wurde für mich angefertigt (s. Foto), die sich jetzt im Völkerkundemuseum Werl befindet.
Information Thomas Achaab aus Sandema Choabisa (fn 73,151b): Die miiga spielt auch in Sandema eine große Rolle, wenn ein großer, alter Mann stirbt. Dann werden noch am Sterbetag die mit Lederstreifen verzierte miiga und eine Eisenstange (iron rod) um das Haus getragen.

Die verstorbene Person und ihre Totenfeier

Information Godfrey Achaw (fn 73,55a): Wenn jemand ganz plötzlich stirbt (z.B. durch ein tanggbain) erhält er keine Totenfeier. Seine Sterbematte wird am Sterbetag verbrannt und er wird auch ausnahmsweise als Mann außerhalb des Gehöfts beerdigt. Frauen, die im Wochenbett sterben, erhalten gewöhnlich eine Totenfeier. Wenn ein Kleinkind bis zu etwa 3 Jahren, nach dem kein Kind geboren wurde, stirbt, erhält es keine Totenfeier.
Information Yaw (fn 97,39b) Die Totenfeiern von Erdherren und Schmieden gleichen vollständig denen anderer Personen.
Information Yaw (fn 23b): Frauen, die nie Kinder hatten, auch nicht eine Tochter von einem anderen Mann, bekommen die Totenfeier eines Mannes.

Tabus

(Siehe auch 4.1.3.1: Aufhebung von alltäglichen Tabus des Alltagslebens bei Totenfeiern)
Information Godfrey Achaw (fn 73,48a): In den 3 (bei männlichen Toten) bzw. 4 Tagen (bei weiblichen Toten) schlafen nur die Frauen im Gehöft, die Männer schlafen außerhalb des Gehöfts.
(fn 73,69): Godfrey (Kalijiisa-Yongsa) und sein Freund John aus dem Nachbarhaus, das zu Kalijiisa Chariba gehört, sind am gleichen Tag geboren. Falls in Johns Haus eine Totenfeier stattfindet, muss John im Hause von Godfrey (Anpan Yeri) schlafen und essen bis die Feier vorbei ist und zwar auch dann, wenn Godfrey nicht anwesend ist. Er kann von dort aus alle Veranstaltungen der Feier besuchen.
Eigene Beobachtung bei der Seifenherstellerin Rita Atuick (fn 94,11a): Als ich Rita besuchte, um die Seifenherstellung zu beobachten, lag ihr Bruder, der neue Häuptling von Wiaga, in ihrem kusung. Er durfte das Häuptlingsgehöft während der 4 Tage der Totenfeier seines Vorgängers Asiuk nicht betreten.

Konflikte

Information Danlardy Leander (fn 88,1): Adiaks Tod: Es gab nach Leanders Tod viel Streit zwischen Leanders Kindern und Adiak, weil Adiak Danlardy drängte, die Totenfeier von Abonwari (gestorben wohl im 19. Jahrhundert) abzuhalten, denn dadurch wäre er selbst kpagi der Ayarik-bisa geworden. Als Adiaks Frau starb, wollte Danlardy ihre Totenfeier mit der von Abonwari, Atiim und Leander verbinden. Daraufhin hielt Adiak die Feier seiner Frau alleine ab.
Information Ayarik Kisito (fn 73,319b): Jujus: Das magische Mittel jugi (pl. juga) wird nur bei Totenfeiern gebraucht. Es ist ein schwarzes Pulver (zerriebene Holzkohle), das auf die Erde gestreut wird. Jeder, der darauf tritt, bekommt Elephantiasis.

Abb.: Musikgruppe auf Anyenangdus Kumsa-Feier

Musikinstrumente
Information Leander Amoak (fn 81,30): Bei Totenfeiern [F.K. bei Umzügen um das Haus?] sollten gespielt werden: 6 Flöten (wiisa), 2 Zylindertrommeln (ginggana), 2 Kalebassentrommeln (goa), 1 Sanduhrtrommel (gunggong), 1 Paar sinsaara-Rasseln
bei Kriegstänzen: 1 dunduning-Trommel, 1 Doppelglocke (sinleng), 1 tanpain Horntrompete (ähnlich der namuning-Horntrompete)
Zum Vergnügen und zum Tanz: 1 Kalebassentrommel (gori), 1 Paar sinyaara-Rasseln (als Korbrasseln oder runde Kalebassenrasseln)

Weitere Informationen

Information Godfrey Achaw  (fn 73,60a): Totenfeier Atekobas am 17.4.73: Veranstalter war das Oberhaupt [kpagi] von Choabisa, für die Kosten musste der älteste Sohn aufkommen. Atekoba wurde in einem Wohnhof seines Gehöfts beerdigt [ma-dok?]. Um 23 Uhr, vor dem ersten Tag, setzte Regen ein (ein gutes Zeichen). Man glaubte, dass Atekoba ihn veranlasst hatte. Männer stiegen auf Flachdächer und führte ohne Helm, aber mit einer Axt Kriegstänze auf. Solche Tänze führt man auch aus, wenn Regen lange auf sich warten lässt.
Information Sebastian Adaanur (fn 79,11b): Die Funerals von Doninga unterscheiden sich in vielen Dingen von denen Sandemas.

Information Margaret (fn M52b): Margaret ging in einer völlig fremden Sektion in Siniensi zur Totenfeier (mit Mary Assibi, die weitläufig mit dem Gehöft verwandt war), weil es dort ein großes “packed funeral” gab, d.h. die Feiern vieler Personen waren zusammengelegt. Ba tigsi kunanga ngomsi. They “pack” (oder “collect”) funerals.
Information Margaret (fn M,61a): Wenn nur die Kumsa-Feier, nicht aber die ngomsika-Feier (=juka) ausgeführt werden, so sagt man “nye kuub zaani” (eine Feier zur Hälfte ausführen).

4.1.4 Vorbereitungen und Planungen zur ersten Totenfeier

Längere Zeit vor der Totenfeier werden die Kosten für Tieropfer etc. aufgestellt und geplante Einladungen diskutiert.

4.1.4.1 Geplante Einladungen und Kostenaufstellungen für Asik Yeri, Wiaga-Badomsa
Für die noch ausstehenden Totengedenkfeiern (einschließlich des im 19. Jahrhundert verstorbenen Abonwari) werden immer wieder neue zeitliche und finanzielle Pläne gemacht. Meines Wissens (F.K.) sind sie bis heute (2022) noch nicht ausgeführt.
Information Danlardy Leander (fn 86.7a): Die ausstehenden Totenfeiern in Asik Yeri wird man wahrscheinlich in zwei Abteilungen durchführen: zuerst die ältere Generation (Abonwari), dann die jüngere Generation (Atiim und Leander). Adiak drängt Danlardy zu den Totenfeiern und beschimpft ihn. Ich (F.K.) solle ihn fortan nicht mehr besuchen.
Information Danlardy Leander (fn 2002/3,55a*): Planung Leanders Funeral: Das Gehöft Asik Yeri wird vorher renoviert; offizielle Einladungen gehen an Ayarikbisa, Adum Yeri und Aluecharis Familie. Das Funeral wird kombiniert mit denen von Abonwari, Akanzaaleba, Atiim Maami, Atoalinpok und Aparing. Die Organisation liegt bei Michael Atiim (Krankenpfleger), Danlardy und den jüngeren Geschwistern. Sie stellen auch das Geld für die nang-foba-Tiere, für cheri-Opfer, für Hirsebrei (saab) und Reis für die Beköstigung der Gäste, Malz (kpaam) für Pito zur Verfügung.
Einladungen und Kosten für die geplanten Totenfeiern in Asik Yeri

Information Danlardy Leander, 24.1.2006 (fn 06,5a):
Am 7.1.06 wurde ein vorbereitendes Treffen in Asik Yeri veranstaltet:
Folgende “uncles” und “aunts” (i.e. matrilinearen Verwandten), bzw. Vertreter ihrer Lineages sollen zu den geplanten Totengedenkfeiern (Leanders u.a) eingeladen werden (s. Genealogie im Anhang):

1. Wabilinsa: Awon Yeri
2. Dokbilinisa: Achambe (Achagbe?) Amoak
3. Gbedema chief’s house: Akan-nyemi
4. Bilinsa: Akpadiak
5. Longsa: Ajaana
6. Chiok: Assibi
7. Kadema (Atongkas Verwandte)
8. Chiok: Abavare (Atongkas Verwandte)

Vorher müssen noch folgende Totenfeiern besucht werden (einschließlich die von matrilinearen uncles und aunts):

1. Abonwaris Frau in Gbedema, Besuch durch 2-3 Leute; als Geschenke Kolanüsse und 2 Gallonen Alkohol
2. Gbedema Chief’s Compound: Zum Funeral von Akan-nyemi ist ganz Badomsa zur Teilnahme eingeladen
(3.?) Für Ayarik (Apaarichangs Sohn) : Getränke, Kolanüsse, Schießpulver,
(Für die geplanten funeral Besuche:)
Alkohol: 1 Gallone zur Begrüßung, 1 Gallone für “intention”, 2 Gallonen für die Badomsa Leute, die mitgehen; 1 Gallone “dispatch” (?)

Gesamtkosten (für funeral Besuche und die geplante Feier in Asik Yeri);
zusammen 7 Gallonen Alkohol 385.000 Cedis (7 x 55.000 Cedis) [2006: 35,8 €]
3 Flaschen Schießpulver 105.000 Cedis (3×35.000 Cedis) [2006: 9,77 €]
1 Kalebasse Kolanüsse 50.000 Cedis [2006: 4,65 €]
1 Ziege 100.000 Cedis [2006: 9,31 €]
5 Schalen (bowls) gekeimte Hirse 50.000 Cedis [2006: 4,65 €]
4 Schalen Reis 68.000 Cedis [2006: 6,33 €]
Suppenzutaten 142.000 Cedis [2006: 13.22 €]
Summe 900.000 Cedis [2006: 83,71€]

Die 900.000 Cedis müssen von den Familienmitgliedern aufgebracht werden, die Geld verdienen: Danlardy als Rektor der Arabic School, Anangkpienlie (trader), Michael Abaalsa (nurse)…
Jeder muss 150.000 Cedis [2006: 13,96 €] bezahlen. Michaels Frau Atta sammelt das Geld ein.
Für Februar 2006 ist das “Greeting” geplant, für März oder April das Funeral.

Benötigte Opfertiere für die Totenfeier in Asik Yeri:
A) Nang-foba Tiere (am tampoi)

a) Für männliche und weibliche Verstorbene der eigenen Lineage:
Für Abonwari, Atiim, Leander (†1985) und alle verstorbenen Töchter zusammen ein Schaf und Hühner
b) Für eingeheiratete Frauen:
ein Schaf und ein Huhn für jede der folgenden Frauen:
1. Atoalinpok (Danlardys Stiefmutter, †1994), 2. Maami Atigsidum (Danlardys Stiefmutter, †1995), 3. Achimpoore (Atiims Gattin, Danlardys FBW), 4. Abonwari’s Frau, die im 19. Jahrhundert von Sklavenjägern entführt wurde (funeral in Gbedema?)

B) Cheri-Opfertiere
4 Ziegen für die eingeheirateten Frauen
1 Schaf für alle Männer (zusammen)

Weitere Auslagen für kpaam tue (gekeimte Hirse für Hirsebier, das zum Teil schon den Verwandten vor Beginn der Feier angeboten wird), Schinüsse, Bohnen, Rundbohnen usw.
Information Danlardy Leander 1.6.06 (fn 06,4b): Geplante Totenfeiern in Asik Yeri: Eine dreitägige Totenfeier ist für folgende Männer und “Töchter” geplant: Abonwari, Leander Amoak (†1985), Atiim, Ajaring (Atongkas Vaters Schwester), Paulina Abaala (Michaels Frau, †2002) und Adaanlie (Danlardys Schwester). Am letzten Tag (gbanta) beginnt (ohne Ruhetag) die Totenfeier für die Ehefrauen: Abonwaris Frau, Atoalinpok (Leanders Frau, †1993), Achinpoari (Atiims Frau). Sie dauert 5 Tage, inklusive 1 Ruhetag.

4.1.4.2 Geplante Einladungen und Termine, Apok Yeri, Wiaga Yisobsa-Napulinsa

Informant immer Yaw Akumasi Williams (vgl. Genealogie im Anhang 3)
(fn 02,21): In Apok Yeri hat man lange darüber diskutiert, welche “uncles” (matrilineare Verwandte) und “in-laws” (Familien der Ehefrauen) zu den anstehenden Totenfeiern eingeladen werden sollen. Verwandte der eigenen Sektion werden nicht eingeladen, sie sind Veranstalter. Man muss feststellen, welche Totenfeiern vorher noch eingeholt werden müssen, z.B. von Asuk, dem verstorbenen Gatten von Amelinyang(a) aus Gbedema. Man wird den san-yigma Kwame Atongdem (chief’s house) mit einem Hackenblatt, einem Armreif und Tabak nach Gbedema schicken. Beschlussfassend in den Planungen sind die drei Gehöftherren von Apok Yeri (Ayuekanbe), Ayienyam Yeri (Abasimi) und Akanguli Yeri (Asiidem), nicht aber elders aus dem fernen Napulinsa (siehe Genealogie Apok Yeri, Anhang 3)
(fn 02,23b: Amelinyanga brachte aber die doglie Awenlemi nach Apok Yeri, die Akalabey und Francis gebar. Amelinyanga verließ Apok Yeri, als Asuk noch lebte, während ihre doglie Awenlemi blieb. Als Awenlemis Tochter Awabilie (vor Asuk) starb, rasierte man das Kopfhaar ihrer Mutter nicht. Als Asuk starb, ging Awenlemi zurück in ihr Elternhaus in Gbedema, nachdem sie vorher an anderer Stelle verheiratet gewesen war. Asuks funeral konnte nicht abgehalten werden, weil eine seiner Frauen (Awenlemi) abwesend war. Apok Yeri hat (2002) bereits den Gbedema Compound begrüßt, und man wird Tiere (Schaf, Ziege) nach Gbedema schicken, weil Apok Yeri nichts getan hat, als Amilenyanga in Gbedema starb. Es ist eine Art Rückerstattung für die Tiere, die man den vayaasa bei der Bestattung gegeben hat. Wenn in Gbedema ein bestimmter Schrein noch ein Opfer verlangt, wird man auch für diese Kosten aufkommen müssen. Man schickte auch Armreifen und eine nabiin-soruk Kette nach Gbedema, weil Awenlemis Tochter Awablie starb. Awenlemi wird die Kette und die Armreifen tragen, wenn sie nach Apok Yeri kommt, aber auch während der funerals. Später legt sie sie ab, sie bleiben aber ihr Eigentum. Das Schicken der Tiere und des Schmucks ist indirekt auch ein Werben, dass Awenlemi zurück nach Apok Yeri zu ihren Kindern kommt. Bei ihrer Ankunft wird ihr Kopfhaar vollkommen geschoren werden. Wenn das Haar bis zum funeral nachgewachsen ist, wird es erneut geschoren. Beim Funeral ist sie pokogi (Witwe) von Asuk. Wenn Gbedema-Leute kommen, bringen sie einen großen busik-Korb voll zamonta und Erdnüsse mit, um ihre Tochter Amelinyanga in das Gehöft ihres Gatten zurückzubringen. “Ti liewa a kuli wa chorowa yeni”. Man wird nie erwähnen, dass sie schon seit langem tot ist. Das Rasieren des Kopfhaares heißt: pukongta bobika (‘binden’ weil sie eine Zeitlang an das Innere des dalong gebunden ist).
Information Yaw (fn 06,35b): Das Funeral von Yaws Schwiegervater in Aluesa Yeri (Sichaasa): Etwa vier Tage vor Beginn (nach Ansetzen der gekeimten Hirse) wird Asiidem, Yaws san-yigma, nach Apok Yeri kommen, nachdem ein Bote aus Aluesa Yeri ihn (Asiidem) informiert hat (Asiidems Mutter kam aus Sichaasa). Yaw hat keinen zweiten san-yigma.
Information Yaw, 19.12.02 (?):. Angmanweenboa aus Apok Yeri hatte einen Mann aus Wabilinsa geheiratet. Als ihre Stiefmutter in Apok Yeri krank wurde, kam sie mit ihrem kleinen Sohn Apung (Yaws Vaters Vater) zurück in ihr Elternhaus. Apung blieb in Apok Yeri und sein Kumsa-Funeral wurde dort abgehalten (Juka noch nicht). Eigentlich hätte Wabilinsa das Funeral von Angmanweenboa und Apung anfordern müssen. Apung heiratete im Süden Angmanyieba aus Sandema-Bilinsa. Ihre Vollschwester Ayigmi, die bei ihrem Onkel (Haus ihrer Mutter) in Azong Yeri, Kubelinsa (Goldem?) lebte, wollte ihrem Gastgeberhaus gefällig sein. Sie stahl aus ihrem Elternhaus die Totenmatte von ihrer Mutter aus Bilinsa und brachte sie nach Azong Yeri. Ayigmi heiratete einen Bruder Akais (Badomsa) und lebt als einzige Person in dessen Gehöft. Ihre Tochter Asagipok lebt heute nach geschiedener Ehe in Asisapo Yeri (Badomsa). Asajipoks Sohn Mahmudu lebt in Bolgatanga.
In Apok Yeri versucht man Kompromisse zu finden. Sie wollen zum Beispiel die Matte von Azong Yeri holen und sie dann Amoboari Yeri in Bilinsa geben. Falls die Matte dort ist, können Bilinsa-Leute zu Ayigmis Totenfeier in Badomsa kommen (sonst nicht). Als Angmanyieba starb, kamen Bilinsa-Leute nach Apok Yeri zur Begrüßung, aber sie durften nicht trauern (kisuk). Auch andere, die nach Apok Yeri kommen, dürfen nicht trauern (auch Azong Yeri nicht), nur begrüßen. Yaw, der jetzt die Angelegenheit seines VaVa in Apok Yeri leitet, durfte um Angmanyieba trauern. Es fand aber keine offizielle Verkündigung (kuub darika) des Todes statt. Es besteht kein echter Streit zwischen den einzelnen Häusern, nur rituelle Verbote. Wabilinsa muss mit einem Schaf nach Apok Yeri kommen, um Apungs funeral nach Wabilinsa zu holen. Yaw könnte das Wabilinsa-Gehöft besuchen, aber nicht über Nacht bleiben, da sonst sein Leben in Gefahr wäre. Yaw und sein Vater Akumasi gelten als Angehörige von Apok Yeri, weil Apungs und Angmanyiebas Totenfeiern dort abgehalten wurden.

4.1.4.3: Planungen in Anyenangdu Yeri, Wiaga Badomsa
Information Akanpaabadai 30.1.89 (fn 88,199b): In einigen Jahren wird die Totenfeier Anyenangdus gefeiert werden, zur Zeit ist alles noch nicht ausdiskutiert. Außerdem werden die Totenfeiern von Atuiri, Angoong, Atuiri pooma (5!), Anyik pok, Afelibiik pooba baye, Amuning Ali (Atinang yoa), Akanminiba (Akais Vater) abgehalten werden. (Die geplante Feier wurde 1991 ohne meine Anwesenheit durchgeführt).
Information Danlardy über Anyenangdu Yeri, 12.2.07: Anamogsi verrichtete das Kumsa-Funeral von Agbiera ( 1.1.2006), Akanpaabadai und Akumlie in Anyenangdu Yeri am 28.12.06, das Juka-Funeral am 3.1.07ff. Es waren nicht viele Personen dort, denn vorher hatte es eine Streit mit Akanjaglie gegeben, nachdem Söhne Anamogsis Teile von ihrem Gehöft niedergerissen hatten. Vor den funerals war der Streit beigelegt und Akanjaglie nahm als Witwe Akanpaabadais an den Totenfeiern teil. Über eine Planung dieser Totengedenkfeiern ist mir nichts bekannt.

Abb.: Wahrsagersitzung in Wiaga Badomsa

4.1.4.4 Wahrsagerbesuche
Vor der Durchführung einer Totenfeier werden immer zahlreiche Wahsagerbesuche durch den Gehöftherrn notwendig sein. Unmittelbar vor dem Beginn der Kumsa-Feier, befragt dieser den Wahrsager vor allem über die Durchführung der Feier und über die Leiter der Feier (elders, kuub nyam), die alle wichtigen Entscheidungen fällen. Ein Teil dieser Leiter der Feier kommen wohl immer aus einer anderen Sektion. Eine Totenfeier in Wiaga-Sinyangsa-Badomsa wird wohl immer von Elders aus Sinyangsa-Kubelinsa durchgeführt, für Sandema-Kalijiisa sind mir zwei Feiern bekannt, in denen Elders aus der Nachbarsektion Bilinsa die Leitung übernommen hatten.
Information Danlardy Leander (fn 94,86b): Die Veranstalter einer Totenfeier (kuub nyam) kommen immer aus der eigenen Sektion und einer verwandten Nachbarsektion. Für die Totenfeiern von Abonwari, Atiim, Leander, Atoalinpok und Maami ist diese Nachbarsektion Kubelinsa.Kurz vor Beginn der Kumsa treffen die ausgewählten Elders im Trauergehöft ein. Sie nehmen im kusung-dok (Versammlungsraum mit geschlossenen Wänden) platz, diskutieren das Fest und werden mit Hirsebier und Hirsewasser bewirtet.

4.1.4.5 Vorbereitendes Treffen ein oder mehrere Tage vor der Feier

Anyenangdu Yeri, 28.2.1991 (drei Tage vor Beginn der Feier)
Die Veranstalter und Ältesten aus Anyenangdu Yeri beraten im kusung. Anamogsi, Atinang, Ansoateng, Atupoak, Akayabisa und Akabre beraten sich getrennt im Viehhof (siehe Foto). Sie schicken einige von ihnen zu den Ältesten im kusung, um ihnen ihre Entscheidung mitzuteilen (getrennte funerals für Aluecharis Söhne).

Abb.: Bewirtung mit Hirsebier im kusung
Abb.: Die ko-bisa Anyenangdu Yeris haben sich zu einer getrennten Sitzung im Viehhof versammelt.

Den Ältesten wird ein Topf Pito und eine Schale Hirsewasser geschickt; Akperibasi (Abasitemi Yeri) teilt es aus (siehe Foto). Man zeigt den Ältesten 5 Flaschen Schießpulver und die Schießrohre (“buried guns”, da-guunta), um zu beweisen, dass man auf die funerals gut vorbereitet ist; das Schießpulver wird durch einen Schuss getestet.
Aduedem 2019: 13: …the sons or relatives call the yie nyam (landlords) to the house and inform them that they should perform their funeral for them (ni kum ti kuumu te ti). When they fix the day, there will be another announcement to all (as usual, young men are sent to the houses to inform them) that the following day, they shall be removing Mr A’s mat.

4.1.5 Zug zum Markt
Der Zug zum Markt scheint in Wiaga seltener und inoffizieller zu sein als in Sandema. In jedem Fall muss die verstorbene Person alt und angesehen gewesen sein. Ich erlebte ihn nur einmal während der Juka-Feier im Gehöft des Wiaganaab, das direkt neben dem Markt liegt.
Information Godfrey Achaw (fn 73,46, 49a): Am Markttag vor der Totenfeier ziehen alle Musikanten zum Haus des Toten. Zusammen mit Hausbewohnern, Nachbarn und Verwandten gehen sie danach zum Markt. Die Männer der Sektion tragen ein Tierfell (Kuh, Ziege, Schaf) um die Hüften und eine Axt (liak) über die Schultern. Sie ziehen einmal um den Markt und machen bekannt, dass am nächsten Tag eine Totenfeier stattfindet. Es wird viel getrunken. Der chief mourner […] muss die Musikanten mit Hirsebier versorgen. Die Musikgruppe besteht aus Trommeln (besonders ginggaung), Flöten und Hörnern. Abends ziehen alle zum Trauerhaus und man bleibt dort. Der Beginn der Totenfeier liegt nach 12 Uhr mittags, da die Leute morgens nach Hause gehen wollen, um ihr Vieh zu füttern etc.

4.2. Zur chronologische Auflistung der Ereignisse der Kumsa Feier

Der Ablauf der ersten Totengedenkfeier erstreckt sich über 3-4 Tage, mit Einschluss eines Ruhetages (vuusum dai) bis zu 5 Tage. Die oft geäußerte Behauptung, dass die Feier einer verstorbenen Frau 4 Tage, die eines Mannes 3 Tage dauert, scheint nicht immer mit der praktischen Durchführung in Einklang zu stehen, zumal bei einer Feier für nur eine oder mehrere Frauen ein Teil der Riten (zum Beispiel Kriegstänze) fortfallen (z.B. in Longsa 2011). Die Bezeichnungen für die einzelnen Tage sind vielfältig:
1. Tag: Kalika (Sitzen), kuub kpieng (große Totenfeier) oder taasa yiika dai (Entfernen der Matten)
2. Tag: Tika dai (Versammlungstag) oder leelik dai (Kriegstanztag). Azognab gebraucht auch die Bezeichnungen kuub-guka dai (s.u.) und yiili siaka dai (day of dirge).
3. Tag: Kpaata dai (Sheabutter-Tag) oder kpaam-tue dai (Sheabutter-Bohnen-Tag)
4. Tag: Gbanta dai (Divinationstag)
Ein Ruhetag (vuusum dai) kann vor dem kpaata dai eingeschaltet werden (s.o.).
Dieser Ablauf wurde von mir durch meine Besuchen von Totenfeiern in Wiaga und Sandema und auch von meinen Informanten vielfach bestätigt.
E. Atuick (2020: 38f.): Where a deceased woman’s is among the funerals being performed, there is a mandatory rest day on the third day, which is called vuusum [resting]… Where the funerals involve only deceased males, there is no vuusum during the funeral performance.
Azognab (Sandema-Abilyeri, Information aus Siniensi) beschreibt den Ablauf und die Bedeutung der ersten beiden Tage unterschiedlich von dem oben aufgestellten Schema:
On the number of days taken for the dry funeral, the following information was gathered in an interview [Endnote 70]. The period for each funeral ranges between three and four days but that of chiefs and yeri-nyam or kpaga (elders who are family lineage heads) may be longer. The first day of the ‘dry funeral’ celebration is the kalika dai (literally, ‘sitting day’) The kalika dai is applied to funeral celebrations of the traditional leaders such as chiefs, tengnyam and yerinyam (family heads). The second day is “kuub-guka dai” (literally; day of burial, the day in which the death mat which represents the deceased person is disposed). OrPreview (opens in a new window)dinary funerals start on this day, and in this case, the day is called yiili siaka dai (literally; the day of dirge). This is followed by the kpaata dai (literally; shea butter day). However, if the deceased was a female, a chief, tengnyona or a family head before his death, one day of rest described as vuusum dai is observed before “the shea butter day” [Endnote 71]. The fourth day is the gbanta dai (day of divination) [Endnote 72].

4.2.1: Erster Tag: Kalika oder kuub kpieng dai oder taasa yieka dai (Entfernen der Matten)

4.2.1.1 Information der Ahnen durch Opfer
4.2.1.2. Versammlung der Elders und Nachbarn
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,223a) 7.3.89: Gegen 10 Uhr (oder vorher?) finden erste Beratungen der Söhne Awuliimbas und der Abgeordneten aus der Nachbarsektion Bilinsa im kusung-dok statt. James Agalic erklärt ihnen, warum hier auch einige Weiße an den Riten teilnehmen wollen. Auch zwei Männer aus Bilinsa sind da (matrilineare Verwandtschaft und Mitveranstalter).
Anyenangdu Yeri 3.März 1991: Im kusung versammeln sich die Ältesten aus verschiedenen Häusern Badomsas: Angoong Yeri, Atinang Yeri, Atuiri Yeri, Akanming Yeri, Adaateng aus Adaateng Yeri, Asante aus Atengkadoa Yeri (= Asisapo Yeri), Akutinla (=Akutuila?) Yeri, Abui aus Anue (Aniok) Yeri, Akannyeba aus Ayoaliyuema (Ayualiyomo?) Yeri, Amanchinaab aus Amanchinaab Yeri; aus Kubelinsa: Akpiuk, Ayiruk, Adaanuruba, Aniyeng; aus Sichaasa: Ateng-yong aus Akan-nyevari Yeri und Akayeng und Brunu aus Akayeng-Yeri. Kubelinsa hat die Leitung bei den Diskussionen, aber Badomsa-Männer diskutieren immer mit. Die Ältesten im kusung bekräftigen nach einer Beratung die Entscheidung, dass es richtig war, das funeral von Anyenangdu vorzuziehen (siehe 4.1.4.5); zwei jüngere Männer (Asante und Abui) gehen zu Anamogsi, um ihn vom Einverständnis der Ältesten zu informieren. Nach der Bewirtung mit Hirsebier akzeptieren sie das Funeral.

Atinang Yeri, Wiaga-Badomsa (fn 06,6a), Daten durch Yaw: Mitte März 2005, 14.00-17.30 Uhr: Treffen der Nachbarn (Amoak Adum, Abuuk, Ansoateng, Akaayaabisa, Aleeti, der seinen Bruder Asuebisa vertrat, Ayuekanbe, Afelibiik Abuumi, Anyik, später auch ein Sohn Atupoaks; alle kamen aus Badomsa). Anamogsi war nur am 1. Tag im kusung, aber er musste alle Nahrungsmittel usw. stellen. Die Männer im kusung fragten ihn, ob alles bereit sei.
Aduedem 2019:14: When the kobisa and other people have gathered on that day, the sons or relatives prepare zo-nyiam: three calabashes; groundnuts: three calabashes and drinks (akpeteshi: three bottles). They give a calabash each of zo-nyiam and groundnuts and a bottle of the drink to the elders (both yie nyam and kobisa) in the kusung and the women inside the dabiak.

4.2.1.3 Vorzeigen des hergestellten Hirsebiers
Anyenangdu Yeri,  3. März 1991: Anamogsi zeigt den Ältesten 3 Töpfe Pito (1 für Anyenangdu, 2 für die anderen funerals), um zu zeigen, dass alle Vorbereitungen abgeschlossen sind;

Abb.: Anamogsi bereitet die Waffen im Ahnenhaus vor.

4.2.1.4. Waffen werden zum Speicher gebracht
Anyenangdu Yeri: 3. März 1991, gegen 9.00 Uhr: Anamogsi bereitet im kpilima dok die Waffen (Bögen und Köcher mit Medizin) seines Vaters Anyenangdu im dalong vor.
Später liegt auch eine Axt (liak) und eine Streitaxt (kpaani) am Speicher.
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa-Anuryeri (fn 88,223b): Nach dem Heraustragen der Matten in den Viehhof holt der älteste Sohn Awuliimbas Bogen und Köcher des Verstorbenen aus dem Ahnenraum und läuft mit ihnen zum zentralen Speicher im Viehhof, wo er sie an einer Seite befestigt.
Agbain Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 01,3a): Am Nachmittag des zweiten Tages liegen am Speicher: 1 Köcher, 1 Bogen, viele Kalebassen, 1 Metallkoffer, 1 Koffer mit Kleidung der Toten.

4.2.1.5 Bewirtung der Gäste im kusung mit Hirsebier

4.2.1.6 Anzeigen des Beginns der Feier durch einen Böllerschuss

4.2.1.7 Der zentrale Getreidespeicher wird geschlossen
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa (fn 94,87b 97,51a, 9763b*): Die obere Öffnung des zentralen Getreidespeicher wird am ersten Tag des Kumsa-funerals, nach dem ersten Lied (yiili) geschlossen (bui lika) und wird am Ende des 4. Tages (gbanta) wieder geöffnet (bui laka).
Information Danlardy (fn 01,22a): Die obere Öffnung des Speichers von Anyenangdu Yeri war nicht völlig geschlossen.

Abb.: Singende Elders ziehen zum Speicher (Guuta)

4.2.1.8 Zug der singenden Elders zum Speicher (kum yiila): an mehreren Tagen
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa: Die Elders ziehen zum Speicher (bui) des Verstorbenen und zurück in den kusung dok. Dabei singen sie Totenlieder (kum yiila). Danach beginnt ein zweiter Umzug.
Adiita Yeri, Wiaga-Yisobsa-Guuta An diesem Tag ziehen die Elders vier mal singend vom kusung dok zum bui (14.35 Uhr, 15.44 Uhr, 16.07 Uhr, 16.48 Uhr); ein Zug dauert etwa 5 Minuten. Der Vorsänger und musikalischer Leiter der Männergruppe ist Akanbong aus einem anderen Gehöft Guutas.
Asebkame Yeri, Wiaga-Chiok (fn 88,120b): Am gbanta Tag müssen die Totenlieder ausfallen, da nicht genug Sänger da sind (in Sandema ist am gleichen Tag die Agric-Show).
Information Yaw (fn 97,19b): Kum-yiila der Männer. Der Vorsänger wird bei der Planung (vor Beginn der Totenfeier) von den Männern im kusung-dok bestimmt. Meistens wählen sie den ältesten aus, der diese Amt an den besten Sänger der Gruppe abgibt. Ein zweiter nicht-benannter Sänger setzt spontan in den Gesang ein. Wenn keiner den ersten Vers wiederholt, wird der erste Sänger Probleme haben. Der erste und zweite Sänger singen denselben Satz, aber der erste Sänger singt lauter.

Information Danlardy Leander (fn 94,86*): Umzüge der Elders finden am 1., 2. und 4. Tag statt.
U. Blanc (2000: 138): Während die Männer ihre ersten vier kum-yiila singen, dürfen die Frauen weder klagen noch singen. Es sollten auch keine Musikinstrumente gespielt werden.
Aduedem 2019: 14: The male singer then intones the funeral song at the main entrance and all join in the chorus and they move to the mat, and back. He intones again and everyone joins and they enter the kraal again and back to outside. After the second singing, the sons bring a fowl saying: “we are giving this to our father.”
Azognab 2020: 43 (Information Anaab Anakansa, Sandema): The traditional status of the deceased before his or her death determines whether ginganna nakka (beating of cylindrical drums) should accompany the dirges of the men or not. It is the men who start singing the dirges first before the women.
p. 43f.: …dirges [are sung] around the house if the deceased persons are women, landlords or chiefs. For the funeral of ordinary men, the men’s dirges are sung from outside into the cattle yard and back up and down before the nang foba.

Abb.: Trommler auf dem Flachdach (Anyenangdu Yeri)

4.2.1.9 Zong-zuk cheka Trommelmusik auf dem Flachdach
Anyenangdu Yeri: 3.3.91 nach 14.30 Uhr: Auf dem Flachdach links neben dem Gehöfteingang spielen Musikanten auf Trommeln. Im Viehhof spielt man die dunduning-Trommel und die sinleng-Doppelglocke.
U. Blanc (2000: 136f und 145): Hierdurch (und durch Böllerschüsse) wird auch den umliegenden Sektionen der Beginn der Totenfeier angekündigt (darika, Verkündigung). Die Intonation dieser Rhythmen außerhalb der Totenfeier gilt als Tabu (kisuk).

Abb.: Naapierik ginggana in Anyenangdu Yeri 1991

4.2.1.10 Naapierik ginggana (kriegstanzähnlicher Tanz)
Anyenangdu Yeri, 3.3.91, nach 14.30 Uhr:: Männer aus Badomsa führen unverkleidet mit einfachen Stöcken einen kriegstanzähnlichen Tanz auf, indem sie auf den tampoi zu schreiten. Es sind Akansuenum (Asisapo Yeri), Aparik-moak (Aparik Yeri), Bawa (Akpeedem Yeri), Atupoakbil (Angoong Yeri), Abui (Aniok Yeri). Der erste einer jeden Tanzphase, der den tampoi erreicht hat, scheidet aus.
Information Godfrey Achaw (fn 73,47b): [F.K.: Ist der folgende Tanz identisch mit Naapierik ginggana?] Nagela Tanz am Abfallhaufen. Obwohl der nagela-Tanz gewöhnlich nicht von Frauen getanzt wird, tanzen hier Männer und Frauen gemischt in Zweiergruppen hintereinander. Im tampoi befindet sich ein Loch. Bevor jemand mit dem Tanz beginnt, legt er etwas Geld in dieses Loch. Es ist für die Musikanten bestimmt. Alle Verwandten des Toten müssen tanzen oder wenigstens etwas Geld geben. Die männlichen oder weiblichen chief mourners dürfen ein lebendes Huhn am Loch töten und dann hineinwerfen. Nach diesem Tanz beginnt die Geschenkeverteilung (siehe siinika).
U. Blanc (2000:137): Einige Informanten ordnen das naapierik ginggana Ritual gleich nach dem zong zuk cheka ein, andere nach der Zerstörung der Matten (tiak juka).

Abb.: Zwei Totenmatten werden aus Atinang Yeri geholt.

4.2.1.11 Weitere Totenmatten werden aus dem Nachbargehöften geholt
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa 3.3.91, 15.30 Uhr:
Aboali (Atinang Yeri) Asie und die Totengräber Adok und Akpeedem gehen zum benachbarten Atinang Yeri, um die Matten für zwei weitere funerals zu holen (ngari kumu ta jam): Ali Amuning (jüngerer Vollbruder Atinangs) und Awogmi, Angmarisis Sohn; Anyavoinbey aus Awala Yeri trägt Bogen und Köcher; Apintiiklie aus Aninama Yeri trägt 2-3 Kalebassen. Die beiden Toten aus Atinang Yeri werden in die Totenfeier Anyenangdus eingeschlossen.
Adiita Yeri, Wiaga-Yisobsa-Guuta. Um 14.48 Uhr zieht fast die ganze Festgesellschaft (außer den Elders im kusung-dok) zu dem ca. 1 km entfernten Gehöft Awusumkong Yeri (auch Guuta), um die Totenmatte eines verwandten männlichen Toten zu holen. Die Matte, zusammen mit zwei Bögen, einem Köcher, einer Tuchtasche mit dem Tuch für die Matte, wird von Totengräbern zum Trauerhaus Adiita Yeri getragen und dort am bui aufgestellt. Fünf weitere Matten wurden gleichzeitig aus Awusumkong Yeri geholt, es sind aber keine Totenmatten, sondern Geschenkmatten und wurden daher auch nicht von Totengräbern getragen.

4.2.1.12 Der älteste Sohn des Verstorbenen und die Imitatorin ziehen die Kleidung des Toten an
Anyenangdu Yeri (fn 94,22a), 3.3.91, 16.00 Uhr: Anamogsi, der älteste Sohn des Verstorbenen Anyenangdu, zieht dessen Kleidung an. Hiermit wird ein Tabu aufgehoben, das seit dem Tode Anyenangdus bestanden hatte [Endnote 73]. Sofort danach zieht die Imitatorin Agoalie diese Kleidung an.

4.2.1.13 Schießen eines Pfeils
Anyenangdu Yeri, 3.3.91, nach 16.00 Uhr: nach der Einkleidung von Anyenangdus ältestem Sohn und der Imitatorin wird ein Pfeil (pein) in den Busch [unbebautes Land?] geschossen.
F.K.: Von diesem Brauch habe ich an keiner anderen Stelle gehört. Auch konnte man mir keinen Grund hierfür geben.

4.2.1.14 Die Witwen ziehen zur Totenmatte am Speicher
Adiita Yeri, Wiaga-Guuta: (Nur in Guuta beobachtet, keine Fotos erlaubt) Die Witwen ziehen zur Totenmatte am Speicher. Ich sehe, dass eine Witwe dreimal die Matte (ihres verstorbenen Gatten?) berührt.

4.2.1.15 Sinsanguli-Gesänge (Frauen singen zur Begleitung von Korbrasseln)
Diese Gesänge finden am 1. und 2. Tag statt. Auch am vierten Tag werden sie zum Beispiel in Wiaga-Sinyangsa noch gespielt, in Wiaga Chiok nicht. U. Blanc schreibt, dass die sinsangula am 4. Tag nach einigen Informationen nicht mehr geschlagen werden.
Akadem Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 88,200a+b), 31.1.89: Auch am gbanta dai um 12 Uhr singen Frauen und schlagen sinsanguli-Rasseln am bekleideten Getreidespeicher (bui). Unter dem Frauen befinden sich auch Danlardys Mütter Maami und Atoalinpok.
Acha Yeri, Sandema-Chariba (fn 88,221b + 223b); 5.3.89 gbanta: Im Viehhof ist eine an den Seiten offene Hütte aus Hirsehalmen errichtet worden. Darunter sitzen Frauen aus Chana und rasseln vor den Strohmatten aus Chana. Ihre Leiterin und Vorsängerin (?) ist die in Badomsa verheiratete Kasena Frau Akututera (Frau Ayanaabs). Ein busik-Korb steht für Geldspenden u.a. bereit. Auf dem Strohdach liegen Hirsebündel (auch Geschenke).

Abb.: Sinsangula Frauen in Sandema-Choabisa

Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (fn 73,61): Im Viehhof liegt die Totenmatte und um sie herum sitzen singenden sinsangula-Frauen. In der Matte des Toten befinden sich sein zukpaglik (Nackenstütze) und sein Pferdeschwanz-Fliegenwedel. An einem Speicher hängt die Kleidung des Toten und eine rote Mütze, neben dem Speicher steht eine Holztruhe und darauf liegt der mit Kauris besetzte Kalebassenhelm des Toten.
Adiita Yeri, Wiaga-Guuta (fn 2008, 15b): Nachdem die Witwen zur Matte gezogen sind, platzieren sich Frauen mit kleinen, schwarzen sinsangula-Rasseln um die liegende Matte. Ihre Leiterin ist Ayomalies Mutter.
Awuliimba, Sandema Kalijiisa (fn 88,225b), 9.3.89: Am gbanta dai beschwert sich die Leiterin Akututera (Kasena Ehefrau in Kalijiisa), dass die ganzen Einnahmen [der sinsangula-Frauen] an die Bilinsa-Frauen gegangen sind. Sie wäre mit 1/4 der Einnahmen für die Kalijiisa Frauen einverstanden gewesen. Außerdem nahmen die Kalijiisa Frauen schon am fresh funeral teil.
Information Yaw (fn 97,19b): sinsangula yiila: Eine Vorsängerin beginnt (keri), eine zweite Frau übernimmt allein die nächste Zeile, dann fallen alle ein. Mitunter gibt es auch drei Vorsängerinnen oder eine Vorsängerin singt die erste Zeile allein zweimal. Die Vorsängerin wird zu Beginn der Totenfeier von den sinsangula-Frauen bestimmt. Meistens ist es die Älteste, die dann diese Aufgabe an eine andere weitergeben kann. Die zweite Sängerin wird nicht bestimmt.
U. Blanc (2000:138): Die Frauen beginnen ihre Totengesänge nach dem zong zuk cheka bei der Totenmatte im Viehhof. Die Lieder bestehen aus Wechselgesang einer oder zweier Vorsängerinnen und dem Chor. Sie werden ständig von sinsangula-Rasseln begleitet.
E. Atuick 2020: 72-73 (für den 4. Tag; nach dem kusung-Besuch [der Imitatorin mit den sinsangula-Frauen]): After spending time in the kusung, she rises and goes back into the compound amid singing and dancing by her and her entourage. As soon as they go inside the compound, they continue the singing of dirges, some of which contain insults and words of mockery directed at the men. In one of the songs I personally heard, while observing the ritual performance, the lyrics contain the following lines:

I am going to get a dog instead of giving birth to men who will not stay at home but run off with women while hunger kills us. If they are not running away with women, they are probably drunk and lying in a gutter somewhere along the road. Is it not better to have a dog as a puppy instead of giving birth to misfortunes as children?

Thus, through singing of songs, Bulsa women have the license to direct words of criticism, mockery, and vulgar insults at their men without getting into trouble as the men do not countenance such behavior in ordinary times. In fact, Bulsa culture frowns upon women talking back at men or openly criticizing them in public, but occasions such as funerals provide women opportunities to openly criticize or take on the men through music and other ways. It was, therefore, not surprising that I heard many songs in which the women were criticizing, mocking, or insulting the men during my observation of the rites.
While the singing is going on, the men, led by the kobiik in charge of the funeral, gather an animal, millet and sorghum, drinks (especially pito, a beer made from sorghum or millet), and millet flour mixed with plenty of water in a giant calabash, and present them to the women after casting a spell on any witch or wizard who might want to poison these things. The animal and foodstuffs are meant for the preparation of ritual food while the drinks and flour in water are for the refreshment of the women who sat throughout the night preparing funeral meals and mourning the deceased by singing dirges.

4.2.1.16 cherika, cheri deka (Imitation): Diese dramatischen Szenen können am 1, 2, und 4. Tag stattfinden. Ein männlicher Verstorbener wird gewöhnlich von der Frau eines seiner Söhne imitiert. Die Wahl dieser Frau hängt darüber hinaus nicht nur von ihrer genealogischen Stellung ab, sondern von den schauspielerischen Leistungen, die man ihr zutraut, denn sie muss kleine Stehgreif Episoden aus dem Leben des Toten aufführen.

Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa: Am Morgen des gbanta dai: cheri-deka:

Der blinde Anyenangdu wird von seiner Schwiegertochter Agoalie imitiert, die sich mit dem Eisenstock Anyenangdus einen Weg durch die Menschenmassen bahnt. Sie trägt Anyenangdus Kleidung und seinen Hut.
Die Imitatorin zieht mit den sinsanguli-Frauen durch das Gehöft zum kusung dok und setzt sich zu den Ältesten (Danlardy: Ba ta yeri-nyono a nyini a pa te kusung dema). Nach Danlardy begann das Gespräch mit der folgenden Frage an die Elders: “Warum seid ihr hier in diesem Gehöft?” Sie antworteten: “Anyenangdu starb und wir sind hier, um sein funeral abzuhalten”.

Nach weiteren Fragen und Antworten geht die Imitatorin mit ihren Begleiterinnen wieder in das Gehöft. Die Frauen und Agoalie setzen sich um den Speicher Anyenangdus, und Anamogsi gibt ihnen eine Flasche Akpeteshi, einen Topf Hirsebier und zwei große Kalebassen mit Hirsewasser.

Abb.: Agoalie imitiert ihren Schwiegervater Anyenangdu
Abb.: Agoalie (Anyenangdu) im kusung-dok bei den Elders
Abb.: Die Awuliimba Imitatorin tröstet eine weinende Frau

Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,225b), 9.3.89, vor der Tötung des Esels: Die Frau des ältesten Sohns Awuliimbas imitiert den Toten. Sie trägt einen Männersmock, legt sich in den kusung, verlangt Kolanüsse und gräbt sie in den Boden ein, damit sie kein anderer findet. Sie wird mit Awuliimba angeredet. Später kommt eine zweite Frau in Männertracht hinzu. Sie imitiert einen 1987 verstorbenen Sohn Awuliimbas, dessen Kumsa schon abgehalten wurde.

Eine andere Szene: Die Imitatorin Awuliimbas beschwichtigt eine schreiende Frau, die zu ihren Eltern zurückkehren will, weil ihr Mann sie geschlagen hat. Sie (Awuliimba) versucht sie zu trösten und im Haus zu halten. Außer dem Imitator tragen Awulimbas älteren Töchter und Bruders Töchter auch seine smocks (z.B. Clement´s Schwester).
Agaab Yeri (fn 15b) Wiaga-Yisobsa-Chantiinsa, 17.2.08: Die Imitatorin trägt Männerkleidung und einen Strohhut; gespielte Szenen um 9.19 Uhr, 11.53 Uhr und 11.58 Uhr. Sie verwickelt andere Männer und Frauen in Raufereien und verbalen Streit (der Verstorbene war sehr streitsüchtig)

Abb.: Agaab Yeri: Die Imitatorin rauft sich mit einem Widersacher des Verstorbenen.

Sichaasa, Wiaga (fn 88, 185b), 19.1.89: 2. Tag: Die Imitatorin war die älteste Frau des Hauses. Sie trug, wie die Verstorbene zu Lebzeiten nur Blätterkleidung und einen leeren busik-Korb auf dem Kopf.
Adiita Yeri, Wiaga-Yisobsa-Guuta (fn 08,15b), 22.2.08: Erst nach der Mattenverbrennung, gegen 18 Uhr, des ersten Tages besucht die Imitatorin den kusung dok und führt dort Gespräche mit den Elders. Sie dreht sich Zigaretten und raucht. Draußen hat sie eine (gespielte) erregte Diskussion mit einer anderen Frau.
Atinang Yeri, Wiaga-Badomsa: Atinangs Imitatorin war Atakabalie, die Frau seines Sohnes Anyik. Atinangs Bruder Angmarisi wurde von einer anderen Frau imitiert. Yaw kann sich nicht an ihren Namen erinnern. Agoalie wurde von Ajadoklie (Schwiegertochter von Agoalies co-wife Agbiera) imitiert. Der unverheiratete Kweku galt als biik (Kind) und wurde nicht imitiert.

Information  Robert Asekabta über den Begriff cheri: Cheri denotes simply the activities, behaviour and attitude of the person whose funeral is being performed. Cheri-deka is normally performed in the case of an elderly person. The person performing this function is normally the wife of the deceased’s son or his brother’s son’ s wife.
The Che-lie [Atuick: cheri-deiroa, impersonator of a deceased person] is normally reponsible for the following duties:
1) Taking the mat(s) to the bin (bui). Normally there are two. 2) Brewing the pito by the bin 3) Supervising the extraction of sheabutter from the sheanuts. 4) Boiling of the beans 5) She also boils the bitter pito (datuek). 6) The Che-lie also smears all the children and grandchildren of the deceased, his brothers and cousins etc. with red clay-paint. In other words the Che-lie acts as the manager of the funeral in the nangkpieng.

Information Margaret Arnheim, Gbedema (fn M28a und 34b): Aktionen der Imitatoren sind nicht an ein Geschlecht gebunden. Sie werden oft schon zu Lebzeiten festgelegt, wenn man sieht, dass jemand den Toten gut imitieren kann. Es braucht kein bestimmter Verwandter zu sein. Eine tote Frau wird meistens durch eine andere Frau dargestellt, ein toter Mann kann auch durch einen Mann imitiert werden.
(fn M37a): Die Imitatorin trägt des Toten rote Kappe, falls der Tote ein älterer Mann war, der eine solche Kappe trug. Man sagt: Wa vug wa zu-tok (Sie – die Imitatorin- trägt [wörtlich “covers”] seine rote Kappe). Wenn der Tote zum Beispiel zu Lebzeiten von einem kleinen Kind geführt wurde, führt das gleiche Kind den Imitator.

Information Leander Amoak (fn 81,28a): Sowohl bei der Totenfeier eines Mannes oder einer Frau ist die Imitatorin weiblich. Bei der Totenfeier eines Mannes ist es eine Schwiegertochter des Toten, bei der Feier einer Frau, eine Verwandte aus ihrem Elternhaus. Diese Frau ist auch verantwortlich für viele andere Tätigkeiten: Sie trägt die Körbe nach draußen und sie bemalt Verwandte mit rotem Ton. Bei Leanders Bruder Atiim wird es seine Schwiegertochter (Michael’s Frau) sein, bei Abonwari (Ahne des 19. Jahrhunderts) wird es Leanders erste Frau Atigsidum sein. Die Frau imitiert den Toten ohne Respekt. Wenn der Tote laut war, schreit sie ständig herum, wenn er viel trank, spielt sie den Betrunkenen. Buli Name für Imitatorin: che(ri) deeroa.
Information Danlardy (fn 94,91b*): che-lieba are those who imitate the dead person. No actual meaning of che.
Information Yaw (fn 01,2b): Imitation bei einem weltlichen Fest (tigi) ist tabu (kisuk).

U. Blanc (2000: 146): Sowohl am ersten wie am zweiten Tag findet die cherika statt. In der Regel ist die Imitatorin eine Schwiegertochter des männlichen oder der weiblichen Toten. Grundsätzlich kann jeder Verwandte diese Rolle übernehmen.

Aduedem 2019: 49 “Cheri deka” is meant to bring vivid memories of the lost soul. It also gives a gist of the kind of life lived by the dead person to people who never had the opportunity of knowing the deceased person in life. The mock play when done well especially of a spectacular person could attract much attention and [give] colour to the ceremony. In all of them people are reminded of the dead person’s life and how the person would be missed. Others too get to know how the dead person once lived life.
Adumpo Emile Akangoa, Facebook group Buluk Kaniak, March 29, 2019: Notwithstanding the fact that globalization has had a toll on the cohesion of our extended family system, funerals are still being communally performed in Buluk. Cheri-deka must not necessarily be done by daughters-in-law in the nuclear family. Whenever there is no daughter-in-law in the nuclear family to play that role, they get somebody from the extended family to do it.
Azognab 2020: 49 (Information Akaalie Aginteba, Sandema 2018): The name of the meal [cheri saab] is carved from the cheri-dierowa (a daughter-in-law of the deceased who imitates and acts like him or her during the funeral). The cheri-dierowa wears the dress of the deceased and acts like him or her when he or she was alive. She does this from the beginning of the kuub-kumsa to the end. Usually, the imitation brings out both the past good and bad character of the deceased. It is often claimed, the spirit of the deceased person in question could possess the ‘imitator’ (cheri-dierowa) to portray the exact character of the deceased during the funeral.
The significance of the cheri-deka (…imitating and acting out the lifestyle of the deceased…) is that it reminds the community about the deceased’s past character whether good or bad [Endnote 74]. The cheri-deka therefore, serves as a lesson for the living, who may endeavour to lead good lives so their cheri-deka will be praiseworthy.

Azognab 2020: 45: Every Bulsa funeral has personnel who are directly in charge of the whole ritual apart from the elders in the kusung dok …this personnel usually comprise yeri-lieba (literary; daughters of the house) if the deceased was a man, or che-lieba (married women in the family lineage, who hail from the same village or town where the deceased hailed from) if the deceased person was a woman.

E. Atuick 2020
Evans Atuick schrieb seine M.A. Thesis über Women, agency, and power relations in funeral rituals: A study of the Cheri-Deka ritual among the Bulsa of Northern Ghana. Es ist die bisher umfangreichste Darstellung des cheri-deka Rituals. Auch andere Riten werden von Atuick in der richtigen Reihenfolge eingefügt und beschrieben. Daher soll hier die Darstellung zur cheri-deka und der cheri-deiroa [cheri-dieroa] (Atuick, S. 67-99) in nur leicht gekürzter Form wiedergegeben werden. Kritisch angemerkt werden muss, dass es nicht immer ganz klar wird, an welchem Tag der ersten Totenfeier bestimmte Teilrituale vollzogen werden.

p. 65: Ideally, the wife of the first son of a Bulsa man or woman must play the role [of the cheri-deiroa]…
p. 67ff: …the cheri-deka ritual commences on the second day of the kuub-kumka when the tapili… is discarded [after the war-dances (leilika)]… the cheri-deiroa [che-dieroa] is told by the chilie [female master of ceremony for the funeral] to dress up in her father’s tankalung… if the deceased was a man… But if the deceased was female, she is told to put on leaves, pick her mother’s sapiri… and busik and go out. In the case of a deceased male she must join the men for the leilika [war-dance] around the compound three times, in the case of a deceased female, she must… dance along as they play the drums around the compound four times. When these ritual dances are over, the cheri-deiroa can disrobe… and go about her normal chores. …However … relations of the deceased persons will engage with her in the same way…
On Kpaata dai…the cheri-deiroa must be the first person to start the fire used for cooking the beans… She cracks the first shea nut… (Siehe kpaata dai, 4.3.4.1).f
…Meanwhile, when the men are sharing their share of the cheri-deka meat [F.K.: am 4. Tag der Kumsa-Feier], they will call the cheri-deiroa and give her the chest of the animal that is usually reserved for landlords. This symbolizes her status as a landlord during her performance as the living copy of the deceased, elderly male. After taking her share of the meat, she goes in search of sons-in-law of the deceased who have come to mourn their parent-in-law. She will play with or talk nicely to sons-in-law who were on good terms with the deceased person before their demise but will attack others who were never on good terms with him or her. She does similar things to friends and other relations of the deceased person; treating each as her deceased parent-in-law would have dealt with them in his or her lifetime. They, in return, understanding the game, play along and even give her money or other gifts they used to give to the deceased in his or her lifetime on earth, as a way of appeasing the soul of their parent-in-law, friend, or kinsman/woman.
Moreover, on this final day [of the Kumsa], the grave of the deceased is plastered as part of the funeral rites and the cheri-deiroa again has a role to play there. The male kobiik leading the funeral will send a message to the female chilie to send the cheri-deiroa to them to help put the grave in shape.
… a Bulsa family may perform the kuub-juka rites immediately after the end of the kuub-kumka celebration. In this case, the cheri-deiroa has no break in the performance of her impersonator role but will continue for the next four days throughout the juka rites until the end. However, where the juka rites are postponed to a future date, be it months or years, the cheri-deiroa can keep her role in abeyance until the family is ready before resuming her duties and responsibilities to make the funeral successful.
[F.K.: Der folgende Text bezieht sich auf den bogsika dai, oft vor dem ersten Tag oder am ersten Tag der Juka-Totenfeier] The kuub-juka rites normally start with a journey to the maternal uncle’s compound of a deceased man or the paternal compound of a deceased woman for two main reasons: to collect things for the performance of the final rites, and to inform them about the intention to dispatch the restless soul of the deceased to the land of the dead, where he or she will find lasting, peaceful rest among his or her forebears. The cheri-deiroa must dress up in the deceased’s clothing and animal skin, carry his walking stick, etc., if he was a man, or carry her basket and food stick if she was a woman, and follow the travelling team to the compound of the deceased. The travelling team to a deceased man’s maternal uncle’s compound usually includes children of the deceased, one or two of their kinsmen, the cheri-deiroa, and her female escort(s). The travelling team that goes to a deceased woman’s paternal compound includes her children, the san-yigma [her marriage intermediary], one or two kinsmen, the cheri-deiroa, and her female escort(s).
As soon as they arrive at the compound, the cheri-deiroa continues her role as impersonator of the deceased by reenacting the same kind of interaction that he or she had with his or her relatives when he or she was alive and used to visit them. She will play with those she knows the deceased had good relations with and attack others that he or she disliked while alive. Some of these people, who fully understand the game of cheri-deka, will straight away engage the cheri-deiroa in the same manner they dealt with the deceased as soon as she appears at the compound in the deceased’s apparel. She must respond to their acts or speeches in equal measure as if she is the deceased person who is still alive and interacting with them.
While this is going on, the delegation enters the compound and sends for the elders to inform them about their mission. The leader of the delegation, speaking on behalf of the rest, exchanges pleasantries with the elders and says to them, “Your son (or daughter) wants to go home and that is why I have come to inform you before giving him/her permission to go home and rest.” After this, the delegation is fed and refreshed by the family before rising up to start their compound-to-compound rounds within the lineage for the collection of foodstuffs, especially millet and sorghum, as well as guinea fowl and other domesticated fowl that they can catch or kill. During this compound-to-compound travel, the delegation will visit every compound on the maternal side of a deceased man’s lineage or the paternal side of the deceased woman’s lineage, for the collection of foodstuffs and birds. The cheri-deiroa, just like her late parent-in-law used to do, has license to play with any of her uncles by catching any livestock that belongs to him without any resistance. Hence, with the assistance of her team, she can catch and kill as many birds as she can, as long as the birds are found in any of the compounds in the paternal lineage of the parent-in-law she is impersonating. After they have covered every compound within the lineage, collecting everything they need to collect, they will return to the original compound the deceased is related to or hails from. By the time they arrive there, there is enough food and drink for them to feast, after which all households of men within that compound will contribute their own share of foodstuffs and birds for them to add to whatever they had already collected from neighboring homes before returning home.
(p. 81) …The final rites of a man’s funeral occur on the fourth day [of the Juka] when the louk [lok] is broken in the middle of the compound’s yard. The cheri-deiroa has a role to play here. She must be present when the birds collected from the deceased’s mother’s compound are dedicated to the spirit of a deceased man’s louk before it is broken and shattered in the main yard of the compound…Following the war dancing, the eldest son of the deceased performs the final sacrifice of the rites on the left wall of the main entrance of the compound. While standing there, he gathers all the live fowls brought from the earlier visit to his late father’s mother’s lineage and those donated by friends and sympathizers to help him complete his father’s funeral rites, and sacrifices them on the wall. He does this by hitting the fowl, one by one, against the wall to die. While their blood flows down the wall he says, “Ba ko parik! Ti kowa kumu yai nueri kama!” [“They have killed a wall! Our father’s funeral is now over!”]. This sacrifice literally marks the end of the funeral rites for the deceased man, and by extension, the role of the cheri-deiroa. The next thing is for all the dead birds to be plucked and cooked for all present, including the cheri-deiroa, to eat to their satisfaction before dispersing.
However, the juka rites of a woman are much more complex, with the cheri-deiroa playing a much more influential role. In this case, women from the paternal home of the deceased mother-in-law must arrive in the evening of the third day of the rites to sleep over. They usually come along with their own puuk (a ball-like object made from certain leaves [Endnote 75] that symbolizes the womb of a woman during funeral performances) to participate in the rites. The wives in the compound, as a group, must acquire a puuk for the rites to commence. The cheri-deiroa must also acquire a puuk for the rites. The next morning, on the fourth and final day of the rites, the visiting women will take their puuk to the san-yigma’s compound to hand it over to him and ask him to help them present it to the husbands of their sister. The san-yigma then leads them to the compound where the deceased lived, exchanges pleasantries with the elders, and hands over the puuk to them…
At the same time, women in the funeral compound are also preparing food that must remain on fire until those returning with the puuk and food from the san-yigma’s compound stand apart from the compound and send for the women inside to come and meet them. As soon as they get the message, the chilie will cause drinks, flour mixed with plenty of water, and saab to be made ready for them to take along for those waiting outside. On meeting them, the women from the funeral compound, together with the cheri-deiroa, will serve those waiting with the food and drinks they came with and collect the puuk and food brought from the san-yigma’s compound to take back inside the funeral compound.
The following day, all three puusa [plural of puuk] are taken back to the same spot where the women met the previous day and broken into pieces, except for the puuk provided by women of the deceased person’s compound, which is handed over to the cheri-deiroa for keeping. Thus, the puuk provided by the women from the deceased’s paternal home and the one provided by cheri-deiroa are both destroyed, but the one from the wives from the compound sponsoring the funeral is presented by the chilie to the cheri-deiroa as an inheritance from her deceased mother-in-law. Being the eldest son’s wife, the cheri-deiroa receives this puuk as the rightful inheritor of the deceased’s household and property, and she is expected to keep this until her own demise. The juka rites, and by extension, the role of the cheri-deiroa, are finally brought to an end when the compound elders kill and present an animal, usually a goat or sheep, to the deceased woman’s paternal relatives who brought the puuk, to take home with them.

4.2.1.17 Rituelle Behandlung der Angehörigen
Handstrick, Tuch, rote Mütze, nabiin-soruk Halskette, Glocke, Anmalen mit daluk-Ton
Das Anlegen von Schnüren und Tüchern ist an allen Tagen und Uhrzeiten möglich. Es sollte hier unterschieden werden: einerseits zwischen kurzen Handstricken (boom/ buoom) oder Tüchern, die ein Freundschaftssymbol sind, und andererseits den langen Stricken, die nur nahen Verwandten des/der Toten angelegt werden (“um Selbstmord zu verhindern”).
Adiita Yeri, Wiaga-Guuta (fn 2008,15b), 21.2.08: Am 1. Tag um 17 Uhr erscheint ein Mann mit einem Bündel geflochtener Handstricke, die verteilt werden. Alle Kinder und andere ganz nahe Verwandte erhalten einen Strick für ihre linke Hand (danach erfolgt die Bemalung und das Anlegen der nabiin-soruk-Kette).
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,224a+b), 8.3.89: Am 2. Tag flechten die Frauen an der Matte boom-Schnüre. Ursprünglich wurde ein Tuch nur vom nong um die Hand seiner Freundin (ihres Freundes) gewickelt (zum boblik: Anlegen der Schnüre). Bei den deutschen Gästen Barbara Meier und Annette Schierwater wurde es aber auch von einer Frau (Akututera?) getan. Am gbanta-Tag geben die Empfänger das Tuch mit dem erhaltenen eingeknoteten Geld und einem Aufgeld an die Vergeberin zurück.
Asebkame Yeri, Wiaga-Chiok (fn 88,119b), gbanta-dai: 6.12.88, 13.15 Uhr: Einer voll bekleideten Frau legt man im Viehhof vor zwei Kisten mit den persönlichen Gegenständen des toten Mannes ein über 1m langes, geflochtenes buoom-Seil um die linke Hand, indem die beiden schon vorhandenen Handschlaufen über ihre Hände gezogen werden. Außerdem erhält sie eine nabiin-soruk-Kette und eine hohe rote Mütze. Ihre Arme, Beine und Gesicht werden mit rotem junung/daluk Ton beschmiert.
Eine Frau mit roter Mütze und schwarzem Kopftuch legt sich eine dünnere gedrehte Kordel dreimal um die Hüfte (diese Hüftschnur schnitt sie vorher auf der Unterlage eines großen Steins mit einem kleinen Stein von einer langen Schnur ab): Mehrere Frauen tragen eine gedrehte Kordel schärpenhaft über Brust und Schulter.
Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (fn 60b). 18.4.73: Frauen tragen einen Strick oder ein buntes Tuch um dem linken Handgelenk.
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,225b), 9.3.89: Die buoom-Schnüre werden nach dem Wahrsagen neben den Speicher gelegt, die Witwenschnüre über die nangaang-Mauer geworfen.

Information Danlardy Leander (fn 88,82a), 1995: In Badomsa werden die Witwenschnüre in den Schlafzimmern der Witwen aufbewahrt.
Information Ayarik Kisito (fn 73,311b): Wenn ein junger Mann ein kurzes Strick um die Hand hat, heißt es, dass er eine Freundin (nong) hat, die dieses gebunden hat. Eine Ehefrau bindet es nie bei ihrem Gatten. Bei verheirateten Frauen tut es die Mutter des Gatten, bei einem Mann die eigene Mutter. Bei einer nong-Freundschaft geht die Ehefrau nach dem Funeral mit Nahrung zur Freundin ihres Mannes und bedankt sich, dass sie mitgeholfen hat. Diese Freundin (nong) ist meistens verheiratet, aber auch wenn sie unverheiratet ist, kann der Mann sie nie heiraten.
Information Margaret Arnheim (April 1980, fn M24b): busum-boong: das Tuch für das Handgelenk bekommt ein männlicher Trauernder stets von seiner Freundin, es braucht aber nicht immer seine pok nong zu sein. Die Faserschnur wird oft auch im Haus von Verwandten von einer beliebigen Person angelegt.
Information Godfrey Achaw (fn 73,49a): Alle Kinder des oder der Toten erhalten ein langes Seil an der linken Hand zur Verhinderung eines Selbstmordes. Das Seil wird zusammen mit dem Abwaschen der Farbe entfernt. Die Seile werden neben die Eingangssäule des Haupteinganges gelegt und später verbrannt.
Information Yaw (fn 01,8b) Eine Frau nimmt ein Seil oder ein Kopftuch und bindet es zusammen mit etwas Geld um das Handgelenk eines Freundes oder einer Freundin. Auch mehr als 5 Seile oder Kopftücher sind möglich. Die Rückgabe ist wieder mit einem Geldgeschenk (nach Vermögensverhältnissen) verbunden, das nicht unbedingt höher sein muss, als das Gegebene. Bei der Rückgabe kann man sagen, dass das Geld für Seife verwendet werden kann, da das Tuch schmutzig geworden ist.

Abb.: Glocke (logi)

Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa: Anamogsi, dem jüngsten Sohn des verstorbenen Anyenangdu, wird eine Glocke angehängt. Sie kann um den Hals oder am Gürtel getragen werden.
Awuliimba (fn 88,223b); 5.3.89 gbanta: Akututera befestigt eine Glocke an der Gürtelschlaufe von Clement Agalics Hose und legt ein geflochtenes Band um Clements Hand. Clement ist der jüngste Sohn des Toten. Es wird allgemein angenommen, dass zwischen einem Vater und seinem jüngsten Sohn das engste Verhältnis besteht. Durch die Glocke soll der jüngste Sohn leicht zu finden sein und Selbstmordabsichten sollen vorgebeugt werden.
Asebkame Yeri, Wiaga-Chiok (fn 88,120b): Ein etwa siebenjähriger Junge trägt eine Glocke an seiner Hüftschnur (Gürtel?). Es ist angeblich der Sohn des Gehöftherrn (F.K.: Warum nicht des Verstorbenen?)
Information Godfrey Achaw (fn 73,49a): Dem Letztgeborenen des Toten wird eine Glocke an den Gürtel gehängt.

Abb.: Frau mit roter Mütze, Bemalung und nabiin-soruk Kette (Agbain Yeri)
Abb.: nabiin-soruk
Abb.: Rote Mützen und nabiin-soruk Ketten

Das Anlegen erfolgt wohl meistens am 1. Tag, ist aber an allen Tagen und zu allen Uhrzeiten möglich, auch am 2. Tag und Gbanta Tag. Das Aufsetzen der roten Mützen und das Anlegen der nabiin-soruk Ketten geschieht gewöhnlich direkt hintereinander. Wie unten noch dargelegt wird, kann auch der bekleidete Speicher im Viehhof eine rote Mütze auf einer langen Stange erhalten.
Asebkame Yeri, Wiaga-Chiok (fn 88,119b), gbanta-dai: 6.12.1988, 13.15 Uhr: Nach dem Anlegen eines geflochtenen buoom-Seils legt man einer Frau eine nabiin-soruk-Kette (mit gestreiften Rosetta-Perlen) an und setzt ihr eine hohe rote Mütze auf. Darüber bindet sie sich ein schwarzes Kopftuch.
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa, 1. Tag, 17.00 Uhr: Dem ältesten (jüngsten?) Sohn Anyenangdus (das Einzelkind Anamogsi ist beides) wird eine nabiin-soruk-Kette umgehängt und eine rote Mütze aufgesetzt. Die Kette besteht aus Rosetta-Perlen, die in der Kolonialzeit auch als Zahlungsmittel Verwendung fanden. Sie gehört dem Ahnen Aluechari, darf aber bei Totenfeiern von männlichen und weiblichen Verwandten Aluecharis benutzt werden.
Adiita Yeri, Wiaga-Guuta (fn 08,15b): Nach der Bemalung aller Kinder erhält der jüngste Sohn eine rote Mütze und die nabiin-soruk Kette.
Acha Yeri, Sandema-Chariba (fn 88,221b); 5.3.89, gbanta: Die älteste Tochter der Verstorbenen trägt eine Perlenkette und eine rote Mütze.
Information Margaret Arnheim 1978ff (fn M28a): zutok muning vukka: wearing the red cap of the deceased person.

Information Danlardy Leander: Frauen, deren ganzes Gesicht mit roten Streifen angemalt wird, tragen auch die rote Mütze.
Azognab 2020: 45f. (sein Informant: Afrafrarik Atenalim, Sandema Tankunsa 2018): Daughters from this family, where the ritual is being performed who married elsewhere, are expected to visit the funeral dressed in smocks, red hats (zutoak muina ), with ropes in [on] their left wrists if the deceased was their real father or mother or even uncle or aunt. If they fail to come with these dresses, they will be offered some by the funeral personnel for a small amount of money.

Anmalen naher Verwandter
Anmalen = daluk saka (sa = schmieren). Daluk darf bis nach der Wahrsagersitzung am gbanta dai nicht abgewaschen werden (er verschwindet aber oft durch Schweiß). Das Anmalen ist an allen Tagen und Uhrzeiten möglich.

Abb.: Anmalen in Anyenangdu Yeri 1991
Abb.: Anmalen in Longsa 2011

Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa, 1991: Bei der Totenmatte im Viehhof schmiert eine Frau rote daluk-Farbe auf die Gesichter und Körper naher Verwandter des Toten, zum Beispiel seiner Söhne, verheirateter und unverheirateter Töchter. Die Anmalerin stammt nicht aus dem Trauergehöft, aber sie kann aus der gleichen Sektion sein. Hier kommt sie aus Abapik Yeri (Badomsa). Die Malerin erhält Geld für ihre Tätigkeit.
Asebkame Yeri, Wiaga-Chiok (fn 88,119b): gbanta-dai: 6.12.88, 13.15 Uhr:
Nach dem Anlegen eines langen buoom-Seils und einer nabiin-soruk-Kette werden Arme, Beine und Gesicht einer voll bekleideten Frau mit rotem junung/daluk Ton beschmiert.
Adiita Yeri, Wiaga-Yisobsa-Guuta (fn 08,15b) 22.2.2008, 17.42 Uhr: (nach dem Anlegen der Handstricke, aber vor dem Anlegen der roten Mützen und der Kette): Eine Frau bemalt nahe Verwandte des Toten im Viehhof mit roter Lateritfarbe (auch noch am 2. Tag und am gbanta-Tag)
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa-Anuryeri (fn 88,224a); Video 3700, 8.3.89: Nach 11 Uhr, am 2. Tag, wird vor der Matte eine Frau in Blätterkleidung mit daluk angemalt. Die weißen Teilnehmer (einschließlich Prof. Schott) bekommen einen langen Strich auf die Stirn, Söhne und Töchter erhalten Striche wie Bulsa tribal marks.
Akadem Yeri, Wiaga-Yisobsa. Hinter dem Speicher steht ein Topf mit angerührtem rotem Ton für die Bemalung der nahen Angehörigen.
Acha Yeri, Sandema-Chariba (fn 88,221b); 5.3.89 gbanta: alle nahen Verwandten erhielten am 1. Tag Bemalung, die am gbanta Tag durch Schweiß verschwunden war.
Agbain Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 01,3a): 2. Tag nach 16 Uhr: Eine ältere Frau bemalt Gesicht und Körper der Töchter mit rotem daluk-Ton.
Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (1973): Nahe Verwandte sind am ganzen Körper mit roter Farbe beschmiert, weitläufigere tragen nur einen roten Strich auf der linken Wange (wie tribal mark).
Ataamkali Yeri, Wiaga-Longsa (2011); Afeliks Compound. Am 2. Tag (tika-dai) werden nahe Verwandte neben der Matte im Inneren des Compound angemalt.
Sichaasa, Wiaga (fn 185b), 19.1.89, Information durch Danlardy Leander: Verschiedene Stufen von Trauerbemalungen:
a) Nur ein Streifen roten daluk mit weißer Asche wird auf die linken Backe gemalt (auch Danlary hätte dieses eigentlich in Sichaasa haben müssen).
b) Das ganze Gesicht ist mit roten Streifen bedeckt. Die Frauen, die eine solche Bemalung bekommen, tragen auch eine rote Mütze. Hierzu gehört auch Dans Mutter Adaaminyini, die aus Abilyeri stammt.
c) Der ganze Körper ist rot bemalt. Die Frauen haben einen bloßen Oberkörper und tragen zum Teil nur vaata (Blätter oder Fasern) und ein buoom Band um die linke Hand. Viele Trauernde tragen nabiin-soruk-Kette um den Hals.

Information durch Margaret Arnheim aus Gbedema, (fn M24b): April 1980: Funeral Bemalung: Je näher der Trauernde dem Toten stand, desto mehr rote Lateritfarbe wird vermalt. Auf jedem Ober-, Mittel- und Unterarm werden je 3 fingerbreite, nicht regelmäßige, ca 10 cm lange Striche gemalt. Gesichtsnarben (siehe Zeichnung) können auch zu einer Fläche verschmiert sein
Information Yaw (fn 97,1b), ähnlich auch Danlardy (fn 97,50b): Die Bemalung soll verhindern, dass der/die Tote nahe Angehörige erkennt [und mit ins Totenreich nimmt]. Wenn man mit der Bemalung schläft, bringt es Segen.
Information Godfrey Achaw (fn 73,49a): Alle nahen Verwandten, besonders die Kinder des Toten erhalten Anstrich am ganzen Körper, andere Verwandte erhalten nur Strich (wie tribal mark) auf der Backe. Der oder die Letztgeborene erhält besonders viel Farbe. Die Erde wird am 3. oder 4. Tag nach Opferung des Ziegenfleisches entfernt. Vorher ist kein Vollbad erlaubt, wohl dürfen Hände und Gesicht gewaschen werden.
Information Ayarik Kisito (fn 73,311b): Am ersten Tag einer Totenfeier werden die Körper der Kinder des Verstorbenen rot bemalt. Wenn man mit dem Toten nur verwandt war, bekommt man ein “red mark on the left cheek”. – Die rote Farbe dient zur Identifizierung (Kennzeichnung) der Kinder und besagt “You are in danger”. Die Feinde wollen bei einer Totenfeier besonders die Kinder des Toten schädigen.
U. Blanc (2000:3): Die rote Farbe für Söhne und Töchter darf bis zum gbanta dai nicht abgewaschen werden. Auch die Schnüre müssen bis gbanta dai getragen werden.

Abb.: Umzug in Anyenangdu Yeri 1991

4.2.1.18 Umzüge um das Gehöft
An allen Tagen können Gruppen von Elders und Gästen tanzend und singend um das Trauergehöft ziehen. Sie werden von Musikgruppen begleitet. Beobachtet wurden sie in Awuliimba Yeri, Anyenangdu Yeri, Atekoba Yeri, Asebkame Yeri u.a.
Asebkame Yeri (fn 88,120), gbanta dai: Gastgruppen tanzen um das Haus:. Folgende zwei Tänze werden getanzt: duelinka (langsam) und na-gela (schneller). Sie werden oft im Wechsel getanzt, im Gänsemarsch oder in einer Reihe.
Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (fn 73,61a): Am ersten Tag (16.4.73) zieht man dreimal um das Gehöft. Nach jedem Umzug kommen Tänzer und Musikanten zur Matte und trommeln und tanzen dort.
(fn 73,63b), 19.4.73: Umzüge um das Gehöft. Nur am ersten Tag mussten es genau 3 Umzüge sein, danach ist die Zahl beliebig, ein einziger Umzug genügt. Als Musikinstrumente werden nur 3 ginggaung-Trommeln gespielt.

Abb.: Bekleideter Speicher in Anyenangdu Yeri 1991
Abb.: Waffen, Truhen und Kleidung des Toten in Asebkame Yeri

4.2.1.19 Bekleidung des Speichers und Hinterlassenschaften am Speicher
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa-Anuryeri, 1989: Die Totengräber stecken einen langen Ast in den Getreidespeicher (Fotografierverbot!). Darüber legen sie ein buntes Tuch und darüber einen weißen Männer-smock (garuk). Auf die Astspitze steckt man eine rote Mütze.
Anyenangdu Yeri (1991) Zur Bekleidung des Speichers wurde ein großes Tuch Anyenangdus verwandt, das der Verstorbene bei festlichen Gelegenheiten als Toga (ga-tiak) trug. Die neue Matte ist die letzte von Mattengeschenken der Töchter von Anyenangdu und Atinang Yeri. Der Ast (gaab) mit Blättern soll Schatten für die sinsangula-Frauen spenden. Rechts die Waffen (einschließlich Kriegshelm) und ein Foto Anyenangdus.
Asebkame Yeri, Wiaga-Chiok (fn 88,120b): Am bui stehen zwei Truhen mit Sachen des toten Mannes, darüber ein brauner smock (garuk) und ein blaues Tuch, außerdem drei Bögen, ein Kriegshelm und die Kalebasse mit rotem Ton zum Anmalen. Die Hinterlassenschaften der Frau stehen vor dem dabiak (Innenhof): ein sehr langer sa-piiri-Rührstock und zerstörte Töpfe.
Akadem Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 88,197a), 28.1.89: Notiz vom tika-dai: Der Getreidespeicher im Viehhof ist am Vortage bekleidet worden. Oben befindet sich eine rote Mütze. Hinter dem bui steht ein Topf mit angerührtem daluk-Ton; an mehreren Stellen liegen Gegenstände der Toten (siehe Foto).

Information Apusik: Eine Bekleidung des Speichers gibt es nur bei sehr alt gestorbenen Männern.
Azognab 2020: 43 (sein Informant: Anab Anankansa, Sandema): Some of the traditional belongings of the deceased, such as the smock, log-pak (the quiver), the bow and arrow, the calabash helmet, the kpaani or liak (axe), bunlok or foruk (travelling bag) and others if the deceased was a male, are placed by the ta-pili (‘death mat’). If the deceased was a female, some of her cloths, pots, bowls, her local ‘meat basket’ or yolung and other things which are considered [to contain] his or her ‘body dirt’ are all placed by the ‘death-mat’ as if he or she is in the process of packing to make a journey to a distance place. I observed, however, that in modern days, the number of the deceased’s belongings placed in the cattle yard during funerals is minimized.

Abb.: Abreiben der Matten, Anyenangdu Yeri 1991

4.2.1.20 Nang-foba Mattenriten mit Hühnern
Die folgenden Mattenriten werden von einigen Informanten als Vorbereitung für das nang-foba Ritual bezeichnet, nach anderen sind sie Teil dieses Rituals. Nach Danlardy Leander werden sie im ganzen Bulsagebiet als Teil des nang-foba Rituals betrachtet.
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa, 1. Tag, 3.3.91, 17.30 Uhr: Die Totenmatten werden aus dem Ahnenraum in den Haupt-Innenhof gebracht, und jede wird von den beiden Totengräbern mit einem anderen Huhn, einem Stück Stoff und dem Pferdeschwanz-Fliegenwedel Anyenangdus zweimal abgerieben. Für den wichtigsten Toten Anyenangdu wird hierfür ein Hahn gebraucht. Die Hühner werden durch Schlagen auf den Boden getötet und zum tampoi gebracht.
Dieses Mattenritual findet sonst im Viehhof statt (s. nang foba), an diesem Tag tragen jedoch Frauen der Nachbarschaft die Matten erst anschließend in den Viehhof (ta-pila yierika).
Atinang Yeri, Wiaga-Badomsa, Information Yaw (fn 06,6): Die Totengräbern Ayogsi (Aniok Yeri), Musa (? Achilim Yeri) und Atongka holen je eine Totenmatte (mit dem zukpaglik) aus dem kpilima dok von Anyenangdu Yeri. Jeder Matte folgt wenigstens eine Frau, z. B. Asiukpienlie aus Anyenangdu Yeri und eine “Tochter” aus Atinang Yeri. Die Matten werden im Ama-dok von Atinang Yeri aufgestellt (Das nang-foba Ritual hat Yaw nicht gesehen).
Awuliimba Yeri, Sandema-Kalijiisa-Anuryeri: Zwei Totengräber gehen in den dalong und lösen die Matte, die mit festen Stricken unter der Decke befestigt war. Danach gehen Frauen in den dalong. Die erste Matte wird im Innenhof halb aufgerollt, ein einfacher zukpaglik hineingelegt und dann wieder zugerollt. Um die Matte wird ein buntes Tuch gelegt. Die elders beraten sich im kusung-dok über das Heraustragen der Matte. Akututera (die Frau Ayanaabs, Yongsa), die die Leiterin der aktive Frauen ist und eine andere Frau tragen die Matte (ohne Stofftuch) unter das Schattendach im Viehhof. Es beginnt ein großes Weinen an der Matte. Anschließend werden die Tränen mit Wasser abgespült. Eine innere und ein äußere Matte und das bunte Tuch werden zusammengerollt.
Adiita Yeri, Wiaga-Yisobsa-Guuta (fn 08,15b), 14.45 Uhr: Der Totengräber Akanligpare holt mit bloßem Oberkörper die Matte aus dem dalong in den Hauptinnenhof. Ein Mann bringt Hühner von außen in den Viehhof. Um 15.31 Uhr bringen zwei Totengräbern mit bloßem Oberkörper die Totenmatte zum Viehhof und platzieren sie zwischen vier Getreidespeichern. In der Matte befindet sich ein zukpaglik (Nackenstütze). Ein Totengräber mit bloßem Oberkörper streicht dreimal mit dem Huhn (oder Hühnerbündel?) über die Matte(n), von der Breitseite zur Schmalseite. Dabei sagt er mehrmals “Lag!” (Öffne dich!) Danach schlägt er das Huhn auf der Erde tot. Ebenso geschieht es mit einem zweiten Huhn. Mit einem Fliegenwedel wird die Matte abgerieben. Die toten Hühner werden draußen auf den Aschenhaufen geworfen. Die Matte wird um 5.37 Uhr mit einem Tuch bedeckt.
Agaab Yeri, Wiaga-Yisobsa-Chantiinsa, 15.50 Uhr: Zwei Totengräber mit bloßem Oberkörper bestreichen die Matten mit einem Hühnerbündel und treten dann neben der Matte die Hühner mit bloßen Füßen tot. Um 16.02 Uhr werden wieder Matten mit Hühnerbündeln abgerieben und die Hühner totgetreten.

Information Danlardy Leander (fn 94,86b*): Während des Abreibens der Matten mit den Hühnern sagt man den Toten, dass man diese Hühner für sie am tampoi töten wird.
Information Ayomo Ayuali (fn 88, 226b). An Ayomos kpilima dok hängen außen einige Hühnerfüße. Sie stammen von Funerals in Sichaasa und Yisobsa, bei denen Ayomo als vayiak fungierte. Die Hühner wurden als nang-foba-Hühner getötet.
Aduedem 2019: 14: …two gravediggers go into the ancestral room and cut down the mat (which was hanged through the tapili yika ritual). Two women then bring it out and place it in the kraal by a bui (barn) [Endnote 76]. The sons bring a cloth and it is kept inside the mat, and they bring his (the deceased’s) logta-quiver [Endnote 77], picture, luggage etc. and place them by the bui and women then sit by the mat.
Azognab 2020: 42-43: The first day… the removal of the ta-pili or ‘death-mat’ is done first. The ‘death- mat’ is usually removed by the vayaasa (undertakers) from the sampok (a net made of ropes or strings and local rafters tied above in the local hall for storing mats) and placed in the court yard. From there, the ta-pili is carried and placed by a barn or a grain store in the nankpeeng (cattle yard) if the deceased was a male, or near the ginganngi (a wall with a ladder leaned against it, which serves as the entry to the court yard in the Bulsa home), if she was a female. The barn or the ginganngi (?) as the case may be, is where the focus of the visitors to the funeral will henceforth be.

4.2.1.21 Nang foba der Säugetiere
Die nang foba Säugetiere werden immer am Abfallhaufen (tampoi) unblutig getötet. Sie dienen den Verstorbenen der Totenfeier für ihr Leben im Totenreich. Sie können (in Wiaga und Sandema?) nur von Totengräbern gegessen werden, die vorher eine bestimmte Medizin eingenommen haben. Nach Yaw (fn 01,2b) dürfen in Fumbisi und Kanjaga auch andere von dem Fleisch der nang-foba Tiere essen.
Information Leander Amoak (fn 81,28a): Der Buli Ausdruck nang-foba wird nur für das Funeral-Ritual gebraucht. Das ähnliche Ritual nach einem Ehebruch heißt kabong kpiak, allerdings sagt man hierbei auch “ba fob kabong“. Das Fleisch der unblutig getöteten Tiere wurde früher nur von den Tallensi gegessen, heute auch von einigen Totengräbern, nachdem sie eine Medizin eingenommen haben.
Information Margaret Arnheim 1978ff (fn M30b): Beim nang-foba Ritual werden Tiere ohne Blutvergießen durch Erschlagen getötet (z.B. Esel, Kühe). Diese Tiere können dann nur von jemand gegessen werden, der vorher eine bestimmt Medizin gegessen hat. Die Medizin wird nur einmal im Leben gegessen. Wenn man ohne diese Medizin Fleisch der nang-foba Tiere isst, bekommt man ein geschwollenes Gesicht und einen geschwollenen Bauch. Der Name nangsa (legs) und fobka (beating) kann von Margaret nicht erklärt werden.

Abb.: Das Rind wird mit einem Knüppel unblutig getötet, Anyenangdu Yeri 1991

Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa 3.3.91, 18.10 Uhr: Die ausgesuchte Kuh wird von den Totengräbern mit einem Knüppel getötet und auf den tampoi geworfen. Die Hühner (siehe. 4.2.1.20), mit denen die Totenmatten abgerieben wurden, werden dort zwischen die Vorderläufe der Kuh gelegt, dazu die Kalebasse, mit der das Grab des Toten geschaufelt und in die das Blut der Opfertiere (Schaf oder Ziege) aufgefangen wurde. Der Verstorbene soll auf seinem Weg ins Ahnenreich aus dieser Kalebasse trinken. Die getötete Kuh wird später unter den Totengräbern aufgeteilt.
Sichaasa, Wiaga (kurzer Besuch am 19.1.89) Beobachtung am 2. Tag (tika): Auf dem tampoi liegen 4 Schafe, 4 Hühner und 4 große Kalebassen (z.T. mit kleineren Kalebassen darin). Die toten Tiere haben keine Verletzungen: Die Schafe wurden mit einem dicken Stock erschlagen, der auch auf dem tampoi liegt; ihre Bäuche sind aufgequollen und sie riechen schon.
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,223b), 7.3.89: Gegen 15 Uhr beraten die Elders im kusung-dok über die Tötung der Tiere. Aus dem kusung wird ein sehr großer guri (Holzhammer) geholt. Ein junger Totengräber schlägt im Viehhof mit dem guri auf den Kopf des Esels. Der tote Esel wird heraus zum tampoi geschleift. Ein Mann schlägt weiter auf Kopf, Rippen, Hoden usw. des toten Esels. Hier wird auch ein dunkles Huhn durch Schlagen auf die Erde getötet und unter den Kopf des Esels gelegt. Der Schwanz des Esels wird abgeschnitten und in den Mund des Esels gelegt. Auf diesem Esel soll Awuliimba ins Totenreich reiten (Für alles Fotografierverbot).

Abb.: Der mit einem Holzhammer (vorn) getötete Esel in Atekoba Yeri 1973
Abb.: Nang-foba Tiere in Abapik Yeri

Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (fn 60a) 17.4.73: Ein weißer Esel wurde morgens mit einem Holzhammer erschlagen (nicht beobachtet). Er liegt auf dem Abfallhaufen zusammen mit den Knochen von Tieren, die zu der Zeit geopfert wurden, als Atekoba Gehöftherr war oder vom Gehöftherrn auf der Jagd erlegt wurden (F.K. 1995: letzteres sehr unwahrscheinlich), außerdem die Kalebassen, mit denen das Grab geschaufelt wurde. In die Kalebassen kann man Münzen für den Toten werfen (werden sofort entleert). An den nächsten Tagen riecht der Esel schon; er kann nur von bestimmten Männern (Totengräbern) unter Zugabe von Medizin gegessen werden.
Agaab Yeri, Wiaga-Yisobsa-Chantiinsa 2008, 15.52 Uhr: Auf dem tampoi wird das erste Schaf (Ziege?) totgeschlagen, dann in Abständen weitere Schafe bis 16.05 Uhr. Die Schafe werden ordentlich in eine Reihe gelegt und die toten Hühner daneben erschlagen.
Akadem Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 88,197): Auf dem tampoi liegen am tika-Tag (28.1.89) mehrere tote Tiere: 4 Schafe, 1 Ziege?; daneben Knüppel (und oder dachoruk?) und Kalebassenschalen.
Sichaasa, Wiaga (fn 88,185a), 19.1.89: Am 2. Tag beobachtet: Bei diesem Funeral eines alten Mannes und einer alten Frau liegen 4 Schafe, 4 Hühner und 4 große Kalebassen auf dem tampoi (Tötung nicht gesehen). Die Tiere wurden mit einem dicken Stock, der auch auf dem tampoi liegt, erschlagen. Ihre Bäuche sind aufgequollen und sie riechen schon.
Atinang Yeri, Wiaga-Badomsa (fn 06,10a, nach Informationen durch Anamogsi am 3.2.2006 über nang-foba Tieropfer für den verstorbenen Atinang u.a):
für Atinang: naab (Kuh), für Angmarisi (Bruder Atinangs): padiak (Widder), Kweku, Awombiisi, Akansang, Agoalie und Adiki: je ein posuk (Schaf).
Ataamkali Yeri (Afelik), Wiaga Longsa (fn 11,7a): Am zweiten Tag (tika dai, 26.1.2011) sehen wir ein totes Schaf auf dem tampoi.
Abapik Yeri, Wiaga-Badomsa (fn 88, 305b): Danlardy Leander schickte mir Bilder mit Informationen vom Kumsa-Funeral in Abapik Yeri. Foto: Die getöteten nang-foba-Tiere liegen auf dem tampoi. Kalebassen, mit denen die Gräber geschaufelt wurden und die bis zur Totenfeier im kusung versteckt waren, liegen auf ihnen. Sie sollen das Blut der Tiere bedecken. Das funeral wurde für 8 Personen abgehalten. Dan: nang-foba-Tiere dürfen nur von vayaasa (Totengräbern) verzehrt werden.
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa und Sandema-Kalijiisa: Die alten Männer beraten sich im kusung über die Anzahl der Säugetiere, die im nang-foba Ritual getötet werden sollen.
Information Danlardy: Siehe Kostenaufstellung für Opfertiere der geplanten Totenfeier in Asik Yeri, 4.1.4.1

Evans Atuick (2013: 39f.): …the nangsa fobka is the act of killing one or more animals to symbolically cleanse and detach the deceased from all worldly possessions/things he or she left behind on earth. In this case, the animal(s) is/are usually beaten to death and left on top of the rubbish dump (tampoi) for a day or two and can only be eaten by the undertakers (vayaasa)…
U. Blanc (2000:145): Der Gesang der Elders muss dem nang-foba Ritual vorausgehen. In vielen Fällen endet der 1. Tag mit dem nang-foba Ritual. Es kann auf den nächsten Tag verschoben werden, wenn die vorhergehenden Riten zu viel Zeit in Anspruch genommen haben.
J. Agalic, MA-Arbeit, S. 26 und 31 (fn 88, 4a): nang-foba: killing an animal at the entrance by hitting its head with a cudgel. The carcass is put on the tampoi. Towards sunset it is removed by undertakers who eat it or throw it away to be eaten by vultures. For old men they kill a donkey for him to ride to the land of the dead.
Aduedem 2019: 14: They bring an animal (goat, sheep or cow) and … the animal is killed by strangling. The strangling is called nangsa fobika and this “symbolically detaches the dead from all worldly things” [Endnote 78].
p. 15: …holding a leg of the animal (nang-foba), it is pulled out onto the rubbish heap (tanpoi), and the fowl is placed in between the forelimbs of the animal. Those two calabashes that were left at the main entrance during the burial rites are now removed from the kusung and placed on the rubbish heap close to the dead animals (nang-foba).
Evans Atuick 2013: 39: Now let’s talk about killing animals during funerals… As a matter of fact, this practice is in two forms namely nangsa-fobka (literally ‘beating/slapping of legs’) and kpaglika (literally ‘leaning against’ [the nang-foba]). On the one hand, the nangsa-fobka is the act of killing one or more animals to symbolically cleanse and detach the deceased from all worldly possessions/things he or she left behind on earth. In this case, the animal(s) is/are usually beaten to death and left on top of the rubbish dump (tampoi) for a day or two and can only be eaten by undertakers (vayaasa) or persons who have taken the magical ‘medicine’ (vayaam) of undertakers; vayaam is believed to be potent enough to prevent ghostly spirits from haunting one who has eaten it.
Azognab 2020: 43: The climax of the kuub-kumsa ritual (‘the dry funeral’performance) is the rite of nangsa fobka (killing of fowls and animals for the deceased person by smashing them)…
These fowls are contributed by the sons and daughters of the deceased person, other relatives and/or members of the immediate family of the deceased person… The fowls together with the sheep and cattle as the case may be, are smashed after singing dirges around the house…
p. 44 (Information through Anaab Anankansa, Sandema): As the smasher receives the fowl or the animal, he smashes it and throws it on top of the tampoi (ash heap or compost heap) in front of the house.
These dead animals are left on the tampoi till the ta-pili is transposed. The vayaasa (undertakers) will then carry them (the nang foba) away for food. I was told the nang foba are eaten by only the vayasa and no any other persons.

4.2.1.22 Die Ohren der Witwe(n) werden verstopft
Nur von Aduedem 2019:16 erwähnt: Meanwhile, the widow is brought to the kraal by other women, and the woman presiding over the funeral (kali kuumu zuk) [Endnote 79] uses shea nut tree leaves (cham vaata) to block the widow’s ears [Endnote 80]… After blocking her ears with the cham vaata, a hut is erected in the kraal for her and she sits there with those women following her (ko lieba, women from her paternal place/town who got married to her marital place/town).

4.2.1.23 Zug zum Markt
Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa: Man hatte wohl einen Zug zum Markt geplant, aber er fällt aus.
Danlardy Leander 17.4.96: Der Zug zum Markt ist auch in Badomsa bekannt, er ist allerdings reine Unterhaltung (entertainment).

4.2.1.24 Trauerbesuche
Nahe Verwandte kommen am 1. oder 2. Tag, die Schwiegersöhne am 4. Tag. Allgemeine Beschreibungen von Trauer und Trauerbesuchen befinden sich in Abschnitt 2,7.
Atinang Yeri, Wiaga-Badomsa, März 2005 (fn 06,6a): Zum Funeral von Atinang kommt Anyiks Tochter mit ihrem Mann am 2. Tag. Beide trauern vor der Matte getrennt. Atinangs Tochter Asie kommt mit einer ganzen Gruppe aus ihrer Pentecost Kirche.
Information Yaw (fn 06,6): Am ersten Tag trauern wohl nur Frauen, Trauergruppe von außen kommen am 2. Tag.

4.2.2 Zweiter Tag: tika dai oder leelik dai (“Versammlungstag” oder “Kriegstanztag”)

Wird die Kumsa Totenfeier nur für eine oder mehrere Frauen abgehalten, so fällt die Aufführung der Kriegstänze aus. Es kann auch der ganze zweite Tag ausgelassen werden. Das zweite wichtige Ereignis des 2. Tages, die Verbrennung der Totenmatte, wird dann auf den Abend des ersten Tages gelegt.
Atinang Yeri, Wiaga-Badomsa: Information durch Yaw 27.1.06: Mehrere christliche Frauen aus Anyenangdu Yeri (und Ablegergehöfte) erscheinen nicht, obwohl sie nicht verreist sind. Asuebisa, der im Süden ist, lässt sich durch seinen jüngeren Bruder Aleeti vertreten. Anamogsi war ab dem 2. Tag immer anwesend.

4.2.2.1 kpagluk-Opfer
Weder die sprachliche Bedeutung von kpagluk (Seniorität? E. Atuick 2012:39f: ‘leaning against.. the nang foba) i.e. die Korrektur vorhergehender  nang-foba Opfer?,  noch seine Funktion konnten ganz eindeutig geklärt werden. Nach mehrseitiger Information sollen in diesem Ritual Versäumnisse an in der Vergangenheit verstorbenen Personen nachgeholt werden, um so die lakori-Ordnung wieder herzustellen [Endnote 81]. Oft handelt es sich nicht um ein echtes Versäumnis, sondern man möchte auf der aktuellen Totenfeier (z.B. als Folge eines einsetzenden Reichtums) etwas einführen, das bei gleichartigen Feiern der jüngsten Vergangenheit nicht praktiziert wurde. Im kpagluk-Opfer muss die Anzahl und Art der geopferten Tiere für vergangene nang-foba Opfer angepasst bzw. nachgeholt werden. Die Ausführungen der kpagluk-Opfer entsprechen nicht immer diesen theoretischen Vorgaben, denn oft ist gar nicht zu erkennen, welcher Ahne zufriedengestellt werden soll.
Die Ehefrauen des Toten dürfen nicht vom Fleisch der kpagluk-Opfertiere essen, auch nicht andere Ehefrauen, deren Mann vor 3 (männliche Zahl) Jahren oder kürzerer Zeit verstorben ist.

Atinang Yeri, Wiaga-Badomsa, Information Anamogsi (fn 06,10a): Als kpagluk-Tiere für Verstobene der Kumsa (März 2005) wurden getötet: Atinang: padiak (Widder), Angmarisi: padiak und Hühner von den Kindern seines Bruders; Kweku: nichts; Agoalie: die Töchter aus Anyenangdu Yeri gaben für sie Hühner und Perlhühner, Adiki: nichts, Awenbiisi: nichts, Asuebisas Sohn Akansang: nichts.
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa 43.1991, 10.00 Uhr; kpagluk: Totengräber töten am Gehöfteingang mit dem Messer einen Esel und ein Rind (lalebiik). In den Mund und Anus des Esels stecken sie Tücher, denn wenn er schreit oder furzt, müsste ein weiterer Esel getötet werden. Der Schwanz der Kuh wird sofort abgeschnitten. Das in einem chari und kpalabik aufgefangene Blut der beiden Tiere wird ins Gehöft getragen.
Von den kpagluk-Tieren wurden die Nacken und die Hinterbeine den Onkeln (ngisingsa) gegeben. Die Kuh wird später unter den Kubelinsa-Leuten aufgeteilt, nur Kopf und Nacken erhält Anamogsis Familie, die Därme (bita fi-nyuok) gibt man den Hirtenjungen. Der Esel wird unter den Badomsa-Gehöften aufgeteilt (Kopf und Nacken an Anamogsi, Därme an Hirten).
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,224a); 8.3.89: Mittags, nach dem Zug zum tanggbain, werden ca. 45 Kühe zusammengetrieben und hieraus drei dunkle ausgesucht, zum Gehöftseingang gezerrt und mit dem Messer getötet (Fotos nicht erlaubt). Ihr Blut läuft in eine Kalebasse und eine chari-Schüssel. Dann schneidet ein Totengräber zuerst die Kehle, dann die Beinsehnen auf. Der abgeschnittene Schwanz wird schon an den Empfänger gegeben.

Abb.: Getötete Rinder in Atekoba Yeri

Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (fn 73,63): Am 3. Tag (19.4.73; kpaata dai auf den 4. Tag verschoben), morgens um 9.30 Uhr, wird eine Kuh und ein Stier mit einem besonderen Messer der Schmiede geschlachtet. Die Rinder sollen dem Toten im Jenseits neue Rinder zeugen. Diese Rinder sind aber auch für 3 Männer aus Choabisa, die vorher gestorben waren, und bei deren Totenfeiern man keine Kühe geopfert hatte. “So können sie sich nicht beschweren” (Frauen bekommen nie ein Kuhopfer). Den Rindern wird Fleisch von der Brust und den Hinterschenkeln abgeschnitten und den Ältesten im kusung gegeben; es wird nach dem Alter verteilt. Die Elders schicken das Fleisch in ihr Gehöft, die Schwänze bekommen die Elders von Yongsa und Nabonsa (?), da Bilinsa den Schwanz schon beim letzten Funeral bekommen hat. Bilinsa kann einen Schwanz bekommen, da Kalijisa und Bilinsa von einem Vater abstammen; Abilyeri könnte nie einen Schwanz bekommen. Am Abend wird angeblich Fleisch an andere Verwandte ausgegeben (nicht gesehen). Alle Frauen des Toten dürfen nicht vom Fleisch der Opfertiere essen, auch die Ehefrauen nicht, deren Mann vor drei Jahren oder kürzerer Zeit verstorben ist. Im kusung wird das Fleisch verteilt.

Information Danlardy Leander (fn 94,86*): Witwen dürfen nicht von kpagluk– und nang-foba Tieren essen, da an den Tieren der (rituelle) Schmutz (daung, Plural dangta) ihre Gatten klebt. Sonst kann jeder von den kpagluk-Tieren essen, von den nang-foba Tieren aber nur die Totengräber.
U. Blanc (2000:148f) Nach Blanc wird beim Töten der kpagluk-Tiere die -Doppelglocke (sinleng oder sinlengleng) und eine kleine Zylindertrommel (ginggaung diak) geschlagen. Sie bringt auch (S. 149) Notendarstellungen der Rhythmen der beiden Instrumente.
J. Agalic,  MA-Arbeit (fn 88,4a): kpagluk…carried out at the funeral of an old wealthy man, its meat (e.g. of cows) is shared among the kobisa.
Evans Atuick (2013: 39f) …kpaglika (literally ‘leaning against’ [the nang-foba]) …is the practice of killing an additional animal (kpagluk) or a number of animals (kpagluta) in addition to the nang-foba… in order to pacify other older ancestral spirits who were not given the same treatment during their final funeral rites. Thus, the kpaglika is only done in rare cases where an adult male who died and had the funeral rites performed long before the current funeral, was not given the type of animal(s) and the number of them used as nang-foba during the current kuub.
For instance, if a man’s deceased father was not given a cow as nang-foba during his final funeral rites, and he himself dies and the rites are to be performed; if his family are wealthy enough to use a cow for his nang-foba, then another cow must be killed (kpaglug or kpaglugta – if many) and added for their deceased grandfather, who is the older of the two, hence, according to Bulsa custom, he ought to be served/given anything before the younger one could be served or given his share of it. The kpaglug or kpaglugta is/are usually deposited at or close to the main entrance (nang-siuk) to the compound and can be eaten by any person regardless of his or her status (one does not need to be an undertaker or to have eaten vayaam to be able to eat the kpaglug/kpagluta).
Azognab 2020: 43: The climax of the kuub-kumsa ritual (‘the dry funeral’ performance) is the rite of nangsa fobka …and sometimes, kpa(g)lika or kpa(g)luk (killing of extra animals during the funeral by smashing them for other family members with high ranks who did not have the privilege of that honour during their funerals)… No dry funeral performance can be done among the Bulsa people without nang foba or nangsa fobka.
p. 44: In a certain sense, the deceased often also acts as a messenger to the next world, he receives ‘messages’ of kpa(g)lika animals from his family to certain family members in kpilung (the land of the living dead).

Abb.: Kinderkriegstänze am Ahnenhaus, 1973
Abb.: Zug zum Alogta-tanggbain, Atekoba Yeri 1973

4.2.2.2 Zug zum Ahnenhaus (guuk) und zum Erdheiligtum (tanggbain)
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa-Anuryeri (fn 88,224a): Kriegstänzer, die Imitatorin (in der Kriegstanzgruppe) und andere Personen aus Awuliimbas Haus ziehen zum etwa 500 m entfernten Nachbarhaus (guuk?). Die Gruppe schreitet einmal um ein kleines tanggbain und um den tampoi. Vor der Rückkehr zum Trauerhaus Awuliimbas finden Gespräche der elders im kusung statt.
Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa, nach 14 Uhr (fn 73,64a): Mit Kriegstänzern und Musikern zieht die ganze Besucherschar zum verfallenen Ahnenhaus (guuk) von Choabisa. Dort finden Kriegstänze (auch der Kinder-Kriegstänzer) statt. Der bogluk des ältesten Ahnen, ein großer Steinhaufen unter einem Baum, wird begrüßt. Später zieht ein Großteil der Festgesellschaft (mit Kindern und Frauen) zum Alogta-Tanggbain von Choabisa. Meine Helfer Godfrey Achaw,
Augustine Akanbe und ich bekommen keine Erlaubnis mitzugehen. Thomas Achaab aus Choabisa darf mitziehen. Er berichtet mir: Zuerst wurde das tanggbain am Rande des Hains begrüßt. Völlig nackend zogen die Elders zum tanggbain, einem Steinhaufen mit Tontopf und einem Seil auf dem Steinhaufen im Inneren des Haines. Die Frauen trugen Blätterbekleidung. Wenn keine Opferhandlung stattfindet, darf man mit voller Kleidung in den Hain gehen. Um 15.15 Uhr ist die Gruppe vom tanggbain zurück.
Information Danlardy Leander 17.4.96 (fn 94,86*): In Badomsa zieht man nur bei den Totenfeiern von sehr bedeutenden Männern zum guuk. Der Zug findet am ersten (kalika) oder zweiten Tag (tika dai) statt, bei der Juka-Totenfeier am senlengsa dai. In Badomsa wird bei Totenfeiern kein tanggbain besucht, aber der teng-nyono wird vor Beginn des Funerals informiert.

Abb.: Die Matten im Viehhof von Anyenangdu Yeri, 1991

4.2.2.3 Mattentragen (nach außen zu einem Schattenbaum und zurück zum Viehhof)
Die Bedeutung dieses Rituals konnte nicht ganz erklärt werden. Wichtig ist wohl die Betonung der verwandtschaftliche und gefühlsmäßige Bindung der eingeheirateten verstorbenen Frauen zu ihrem Elternhaus in einer anderen Sektion.
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa 16.40 Uhr: Die aufgerollten Totenmatten (außer der von Anyenangdu, die am Speicher bleibt) werden verkehrt herum in eine Ecke des Viehhofes an die Außenmauer gestellt. Ältere Frauen des Gehöftes (Agbiera und Asiukpienlie) identifizieren die Matten, damit sie in der richtigen Reihenfolge stehen. Ein Totengräber reißt ein Stück Kordel von jeder Matte und gibt es den älteren (lebenden) Ehefrauen.

Akadem Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn. 88,197a), 28.1.89: Über ein Dutzend Tote sind in die Feier eingeschlossen. Ein ganzer Haufen Matten liegt ca. 100 Meter entfernt vom Gehöft; darauf liegen busik-Körbe. Die Matten der verstorbenen Töchter des Gehöfts, deren Totenfeiern schon in der Sektion des Gatten abgehalten wurden, sind neu und ganz dünn. Bei den Matten singen Frauen. Die Matten ziehen, jeweils von zwei Frauen getragen, in Richtung auf das Gehöft, bleiben jedoch oft stehen. Auf mich kommt eine Matte zu und eine Trägerin fällt zu Boden. Ich gebe 50 Cedis und die Matte bewegt sich wieder. Die Matte einer aus Chiok eingeheirateten Frau geht zu den Chiok-Leuten und nur das Klagen und Singen der Yisobsa-Leute bringt sie schließlich in den Viehhof. Wenn alle Matten dort sind, kann man mit den Kriegstänzen beginnen.
Ataamkali Yeri,  Afeliks Gehöft in Wiaga-Longsa (fn 11,7a), 26.1.11: Frauen tragen die Matte der Toten vom Innenhof unter einen Schattenbaum. Sie sitzen auf Bänken und Stühlen um die Matte herum. Am Baum gelehnt steht ein Rührstock und eine (obligatorische) Kalebasse. Die Kalebasse (chin tuin) soll immer in der Nähe der Matte sein und später Wasser für die Reise der toten Seele ins Totenreich aufnehmen. Ohne diese Kalebasse bewegt sich die Matte nicht.
Die Männer ziehen singend viermal zur Matte (einmal mit Trommeln). Im Dunkeln wird die Matte zurück zum Innenhof gebracht, danach auf einem Feld verbrannt.

Abb.: Matte mit sinsanguli-Frauen unter einem Schattenbaum, Atamkaali Yeri 2011

Agbain Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 01,3a): Als wir um 16 Uhr ankommen sitzen die sangula-Frauen mit je einer Rassel schon um zwei Totenmatten unter einem Mangobaum außerhalb des Gehöfts. Die Männer sitzen in einem offenen kusung.
Zwischen 16 und 18 Uhr zieht eine Gruppe Männer singend zu den sinsangula-Frauen und sagt ihnen, sie sollten die Matten fertig zum Einzug [ins Gehöft] machen. Die Frauen wickeln die Matten auf, wobei auch mehrere Matten übereinander gewickelt werden. Je zwei Frauen nehmen eine Matte und ziehen tänzelnd los. Jede Matte will zu ihrem Elternhaus, eine Matte stürzt. Schließlich kommen alle Matten wieder im Viehhof an. Ein kleiner Junge (Enkel) wird dort mit weißer Asche eingerieben. Gegen 18 Uhr ziehen wir ab. Es folgen wohl noch Reden und die Verbrennung der Matten.
Sichaasa, Wiaga (fn 185a), 19.1.89: Funeral eines alten Mannes und einer alten Frau. Am Spätnachmittag tragen zwei Frauen, umgeben von Trommlern, die Matte der verstorbenen Frau, die zurück zum Haus ihres Vaters in Sandema-Abilyeri will. Die Trommler halten sie durch ihr Trommeln zurück, aber die Matte will noch nicht zurück ins Haus. Sie will noch herumgetragen werden. Als sie im Haus ist, setzen Kriegstänze ein.

Information Danlardy Leander (fn 94,86*): Totenmatten werden am 1. Tag zu den Bäumen vor dem Gehöft gebracht.
U. Blanc (2000: 183ff.) Matten der Toten müssen von den ko-lieba wieder in den Viehhof gebracht werden, wo sie sich von den Lebenden verabschieden. Sie werden von einer ginggana-Trommelgruppe begleitet. (S. 187) Es werden letzte kum-yiila gesungen.

4.2.2.4 Kriegstänze (leelisa, Sing. leelik)
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa, 4.3.91, 17.30 Uhr: Kriegstanzgruppen aus verschiedenen Sektionen erscheinen. Sie ziehen zuerst zur Matte Anyenangdus, die als einzige am Getreidespeicher (bui) im Viehhof liegengeblieben ist (siehe 4.2.2.3: Matten im Viehhof). Dann werden Kriegstänze aufgeführt.

Abb.: Kriegstänze in Anyenangdu Yeri 1991

Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,224a); 8.3.89: Nach 11 Uhr treffen Kriegstanzgruppen ein, z.B. eine Chariba-Gruppe. Eine Frau wischt den Schweiß der Krieger ab.
Akadem Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 88,197a), 18.15 Uhr: Sammeln der “Krieger” zu Aufführung der Kriegstänze. Wenn alle Matten wieder im Viehhof sind, kann man mit den Kriegstänzen beginnen.

Ataamkali Yeri,  Wiaga-Longsa, Afeliks Gehöft (fn 11,7): Da die Totenfeier einer eingeheirateten Frau abgehalten wird, fallen alle Kriegstänze aus.

Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (fn 73,61b): Ab Mittag treffen Abordnungen der Sektionen Tankunsa, Bilinsa und Choabisa mit Kriegstänzern zu verschiedenen Zeiten ein und gehen zuerst zum Viehhof, wo sie die Matte begrüßen. Danach werden Kriegstänze aufgeführt. Ein Kriegstänzer hat ein lebendes Huhn und eine Hacke am Körper baumeln.

Abb.: Vorn eine Kindertanzgruppe, Atekoba Yeri 1973

Auch kleine Jungen haben eine Kriegstanzgruppe gebildet, die durchaus ernst genommen wird. Man lässt sie auch an die Matte heran. Ihre Helme sind einfache Kalebassen mit zwei kleinen Stöcken als “Hörner”, ihre Kriegsäxte sind einfache Stöcke (fn 73,66b) .
(fn 73,64a) Am 3. Tag (gbanta?) um 14.00 Uhr werden wieder Kriegstänze aufgeführt, aber nur die Tanzgruppe aus Kalijiisa ist anwesend. Man zieht danach zum Ahnenhaus.

Information Godfrey Achaw (fn 73,49a): Kriegstänze beginnen im Haus, der Älteste [Sohn?] führt sie an.

Information Danlardy Leander:  Alle Nachbarsektionen sollen Kriegstanzgruppen schicken. Die eigene Sektion ist immer durch Kriegstänzer vertreten.
Information Yaw (fn 97,16b): Musikinstrumente zum Kriegstanz: dunduning: 1-2 (dunduning diak und dunduning chogsung) oder 2 ginggaung (ginggaung diak und ginggaung chogsung). Sie können nur auf weltlichen Festen (z.B. dem Fiok-Fest in Sandema) zusammen mit einer Sanduhrtrommel (gunggong-diak) gespielt werden, nie bei Totenfeiern. Weitere Begleitinstrumente: 2 senlengsa Doppelglocken (diak und chogsung), 1 chang-Kastagnette, kantain-Hörner, tagalik Flöten als Ersatz für tapiliok Flöten. Glocken (logni) sind nach Belieben am Köcher befestigt, ihr Klang wird nur durch Bewegung erzeugt. Das kantain Horn ist kleiner als namuning, es gibt nur eine Größe. Es ist tabu, ein kantain-Horn außerhalb eines Festes zu blasen.

Information Margaret Arnheim (fn M10+29b): Kriegstänze sind Nachahmungen von Stieren. Es gibt drei Tanzfiguren: 1. langsam vorwärtstrotten, 2. schnelles Rückwärtsschreiten, 3. rückschauendes Rumpfkreisen.

Abb.: Kriegstänzer von Sandema-Kalijiisa-Yongsa, 1973

Siehe auch Kröger in Buluk 11 (2018): Cultural Heritage and Tourism: Bulsa Dances, S. 45-48.
U. Blanc (2000: 87ff.): Kriegstänze (tugurik-yiila) werden an den beiden ersten Tagen, nie am kpaata dai und gbanta dai getanzt. In Badomsa begannen die Kriegstänze abends, nachdem Matten zum Verbrennen bereitgestellt waren. Die Kriegstanzgruppen treffen im Verlauf des Tages ein, grüßen zuerst die Matten der Verstorbenen und ziehen dann tanzend um das Gehöft. Musikinstrumente: ginggaung (Zylindertrommel) ist immer obligatorisch. (S. 97). In Sandema werden auch gurmansiak und tagalik gespielt.
(S.193-96): Sowohl die jeweils eigene Ausstattung der Krieger als auch bestimmte Bewegungen und Gesten beim Tanz gehören zu den Zeichen einer Art von ‘Geheimsprache’… um miteinander zu kommunizieren” (S. 193). Im Idealfall sollte jede an der Totengedenkfeier teilnehmende Sektion eine Kriegstanzgruppe mitbringen. Tatsächlich verfügen nicht mehr alle über die entsprechenden Instrumente, Tänzer und Utensilien (ibid.). Obwohl grundsätzlich nur Männer Kriegstänzer sein können, reihen sich mitunter Frauen in ihre Reihen ein ohne den vollen Status eines Kriegstänzers zu erhalten (S. 194). Wenn nach Ansicht vieler älterer Informanten Kriegstänze nur bei bedeutenden Persönlichkeiten aufgeführt werden können, gehören sie heute doch zum festen Bestandteil einer jeden Totengedenkfeier (S. 194).

Abb.: Atekoba Yeri: Ansprache des Elders (1973)

4.2.2.5 Ansprachen (moolinka)
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa 18.30 Uhr: Rede Anamogsis (als ältester Sohn und/oder Gehöftherr?), danach die kobisa (hier Gehöftherren der vier kobisa-Gehöfte): Atinang, Ansoateng und Atupoak vor dem Gehöft. Nach Danlardy Leander müssen in Badomsa wenigstens der yeri nyono und ein kobiik eine Rede halten.
Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (fn 73,60 18.4.73, 15.45 Uhr: Rede des Elders von Choabisa in leiser Stimme, wobei ein anderer Mann respondiert, d.h. er wiederholt die Sätze in voller Lautstärke. Nach jedem Absatz erfolgt eine Pause mit einer Ululation der Frauen (wuuling oder weeling). Zwei Hornbläser auf einem Flachdach geben in Pausen Signale und Applaus. Inhalt der Rede des Elders von Choabisa:

a) Willkommen an alle Anwesenden und Dank für die, die bei der Vorbereitung zum Fest mitgeholfen haben.
b) Bei einer solchen Veranstaltung ist es leicht, jemandem durch Juju Schaden zuzufügen, aber alle sollen gewarnt sein, es auf diesem funeral zu tun. Alle Anwesenden ständen unter dem Schutz des tanggbains. Wenn jemand durch Juju Schaden zufügt, so wird das tanggbain ihn innerhalb der nächsten drei Tage töten. Wenn einer der Anwesenden innerhalb der nächsten drei Tage stirbt, so ist er als Übeltäter überführt. Der Redner wird in diesem Fall dem tanggbain ein “Tier” (dung) opfern. [Er nennt die Tierart nicht, da sonst der Übeltäter nachts das gleiche Tier vor dem tanggbain töten und dort liegenlassen könnte. Das tanggbain könnte ihm dann nicht schaden. Opfern darf der Übeltäter das Tier nicht, er würde sonst sterben].
c) Der Redner verkündet, dass von nun an auch begrenzt innerhalb von Kalijiisa geheiratet werden kann, d.h. zwischen Choabisa und anderen Kalijisa-Subsektionen [dies war schon vor drei Jahren bei einer Totenfeier eines anderen alten Mannes in Kalijiisa-Anyeri (Anuryeri?) verkündet worden. 1973 bestand erst eine solche Ehe].
d) Er hofft, dass auf diesem Fest alle Junggesellen eine Frau finden werden, so dass es beim nächsten Funeral keine Junggesellen mehr gibt.
e) Alle Teilnehmer sollen sich gut verstehen und sich lieben, dann wird es Regen und eine gute Ernte geben.

Sichaasa, Wiaga (kurzer Besuch am 19.1.89): Ein alter Mann hält eine Ansprache und ein jüngerer Mann respondiert. Er sagt auch, dass gestern Abend jemand eine Brille verloren hat, der Finder möge sie abgeben.

Information Godfrey Achaw (fn 73,19a): Der älteste Sohn, der für die Totenfeier seines Vaters verantwortlich ist, hält eine Rede am 1. Tag der Kumsa, wenn Geschenke an Freunde ausgeteilt werden oder auch (wenigstens in einigen Teilen des Bulsalandes) am 3. Tag [?].
Information James Agalic, M.A. thesis (fn 86,2b): Ein elder bittet um Schutz der Ahnen für die Menschenansammlungen.

Abb.: Aparimoak schlägt ein Loch in die Außenwand, Anyenangdu Yeri 1991

4.2.2.6 Bogen, Köcher und andere Waffen
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa 4.3.91, 19.15 Uhr: Anamogsi bringt drei Köcher des Toten zu den Elders im kusung-dok, die sich mit einem Lied von dem Toten verabschieden.
Anyenangdu Yeri (fn 94,22a): Am gbanta dai: logta nyinika (wörtlich: “Herauskommen der Köcher”): Der Totengräber Aparimoak schlägt ein Loch in die Außenmauer. Vor dem Loch (parika teng) wird ein Schaf (ram) getötet. Durch das Loch werden Pfeile und Bogen (Martin Striewisch: auch Köcher) dreimal nach außen gereicht, bevor sie von den Totengräbern in deer Juka-Feier zerstört werden. Vor dem Loch wurde ein Widder getötet. Das Loch wurde am letzten Tag (gbanta dai) wieder geschlossen (parik lika).
Information Anamogsi über Danlardy (fn 97,69*b), Januar 2000: Der Bogen wird nur am Ende der Kumsa-Feier durch die Mauer gereicht und dann sofort wieder zurückgereicht. Danach bringt man ihn zurück in den dalong, wo er bis zur Juka-Feier bleibt.
Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa: Gegen 17 Uhr, vor der Mattenverbrennung, wird der Bogen des Toten vor dem Gehöfteingang zerbrochen.

Information Godfrey Achaw (fn 73,47b): Vor den Kriegstänzen muss der älteste Sohn den Bogen des Vaters so stark biegen, dass er zerbricht. Da dieses nicht so einfach ist, wird er vorher mit der Axt angeritzt

Azognab 2020: 46 (Information durch Afrafrarik Atnealim, Tankunsa 2018): During this ritual of the war dancing, at the third return from the grain store to the nansuing (the gate to the court yard), the eldest son breaks the tom (bow) of his late father or uncle as the case may be, and wails.

4.2.2.7 Nangfoba tabika (Tritt auf die toten nangfoba-Tiere)
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa: 43.91, 19.30 Uhr: Anamogsi geht in Kriegertracht zum tampoi und setzt einen Fuß auf die nangfoba-Tiere.
Agbain Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 01,3a): Nach 16 Uhr des 2. Tages tanzen 2 Männer zum tampoi, wo zwei Ziegen mit aufgeblähten Bäuchen liegen. Später kommt auch eine größere Gruppe mit wenig Verkleidung.

Sichaasa, Wiaga (fn 88,185a), 19.1.89: Alle ziehen zum tampoi, auf dem die toten Tiere (drei Schafe und drei Hühner) und Kalebassen liegen. Drei Trommler (Abiisi, ein Mann aus Ayomos Haus und ein anderer Musikant) spielen 15 Minuten lang den gleichen Rhythmus. Nachdem ca. 5 Böllerschüsse abgefeuert wurden, erscheinen die Tänzer ohne Kriegstanz-Kostüme: Die Reihe, voran ein sehr alter Mann, tanzt zum tampoi. Der alte Mann tritt auf ein totes Schaf und scheidet aus der Gruppe aus, dann der zweite (3., 4. und 5.?). Der Rest tanzt einmal gegen den Uhrzeigersinn um das Gehöft; auch Frauen mit Stöcken haben sich angeschlossen. Folgende Instrumente wurden gespielt: 3 ginggana (Zylindertrommeln), wiisa (Flöten), aber keine Hörner und keine Sanduhrtrommel.

Information Danlardy Leander (fn 94,86*), 17.4.96: Bei der nangfoba-tabika tanzt der älteste Sohn des Toten immer an erster Stelle und setzt auch als erster seinen Fuß auf das tote Tier…

Abb.: Mattenverbrennung in Anyenangdu Yeri, 1991

4.2.2.8 Tiak juka (Mattenverbrennung)
Anyenangdu Yeri,  Wiaga-Badomsa, 19.30-20.00 Uhr: Die Matten werden zu einem Feld hinter dem tampoi herausgebracht. Anyenangdus Matte wird vorher einmal um das Gehöft getragen, dann werden alle Matten gemeinsam verbrannt.
Sichaasa, Wiaga (fn 88,185a), 19.1.88: Gegen 18 Uhr wird die Matte aus dem Haus herausgetragen und sofort auf einem Feld angesteckt: Hiernach gehen die meisten Leute nach Hause.
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,224a), 8.3.89: Kurz vor 18 Uhr wird die Matte (2 Matten?) von 2 Totengräbern aus dem Viehhof herausgetragen. Frauen mit Schafsfleisch im Fell, auch Krieger und viele andere Leute folgen. Man zieht dreimal um das Gehöft, dann wird die Matte vor dem Haus (doning) angesteckt. Verbrannt werden zwei Matten (waren sie vorher ineinandergerollt??): Auf einer Matte ist Awuliimba gestorben, die andere Matte wurde neu nach dem Tode hinzugefügt. In einer Matte ist Awuliimbas zukpaglik (Nackenstütze).
Ein Mann (ältester Sohn? Totengräber?) nimmt von Müttern ca. einjährige Kinder und schwenkt sie dreimal durch das Feuer. Information Apusik: Dieses sind biakaasung-Kinder (Fehlgeburts-Kinder). Das Ritual verhindert, dass sie von bösen Geistern (chicheri-baasa) durch Anfälle (convulsions) heimgesucht werden. Dieser Ritus ist nach Danlardy Leander (17.4.96) in Wiaga unbekannt.
Akadem Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 88,197a-b), 28.1.89: Mattenverbrennungen: ca. 18.30:
Information durch einen Nachbarn: Die Matten werden im Westen vom Gehöft verbrannt, weil der Wind zur Zeit von Osten weht. So kann der Geruch der Matten (piisim) nicht zurückwehen. Durch den Brand wird piisim, der noch von der Krankheit des Toten an den Matten haftet, vernichtet. Reiche Leute kaufen sich auch Chemikalien oder Parfüm gegen den Geruch und besprengen Matten damit. Das Fotografieren der Mattenverbrennung ist nach Rückfrage bei den Elders im kusung ohne Probleme erlaubt (Sie hatten mir die Erlaubnis für alles gegeben, nur Frauen in Blättern sollte ich nicht fotografieren).
Atekoba Yeri,  Sandema-Choabisa: Gegen 17 Uhr wird das Schattendach im Viehhof abgerissen und die Matte herausgetragen. Nach dem Zerbrechen des Bogens vor dem Gehöfteingang (s.o.) laufen zwei Männer mit der Matte zweimal im Uhrzeigersinn um das Gehöft, das 3. Mal gegen die Uhrzeigerrichtung. Dann laufen sie mit der Matte zum Tal und wieder halbwegs zurück. Hier wird die Matte angezündet. Dabei gibt es keine Zuschauer: Während die Matte abbrennt, ziehen alle zum Gehöft. Ein Mann, und später auch Frauen sagen, dass es nicht richtig war, dass ich das Mattenritual gefilmt habe.
Adiita Yeri, Wiaga-Yisobsa-Guuta: Da hier der 2. Tag ausfiel (nur 3 Tage für männliche Tote), wurde die Matte am 1. Tag verbrannt: Um 18.12 Uhr bringen 2 Totengräber mit bloßem Oberkörper die Matte (zwei Matten?) zum Verbrennungsplatz. Sie tragen die Matte unter den Armen (anfangs auch vom ersten Mann auf der Schulter, aber nie auf dem Kopf). Es werden Grashalme um die Matte gelegt und angezündet (18.14 Uhr). Es gibt fast keine Zuschauer.
Ataamkali Yeri, Afeliks Gehöft in Wiaga-Longsa (fn 11,7a) 26.1.11: Die Matte wird aus dem Gehöft herausgetragen und abseits des Gehöft im Dunkelwerden verbrannt. Die beiden Mattenträger sagen uns, wir hätten vorher um Erlaubnis zum Fotografieren bitten sollen.
Information Godfrey Achaw (fn 73,47b): Männer und Frauen ziehen singend um das Gehöft. Beim letzten Umzug wird die Totenmatte von Totengräbern im Laufschritt getragen. Kinder des Toten werfen Geld auf die Matte und andere Leute folgen um Geld aufzuheben und zu behalten. Die Matte wird, gefolgt von allen Leuten und Trommlern, zu einem Tal gebracht und dort angesteckt. Zurück beim Gehöft wird ein Tanz am tampoi veranstaltet.

R. Schott: Kalibisa: 18.30 wird die Matte um das Haus getragen, dann verbrannt.
U. Blanc (2000:183f.): Das Ritual wird gewöhnlich kurz vor Sonnenuntergang durchgeführt. Alle Schlafmatten der Verstorbenen müssen im Viehhof zusammengetragen werden.
Aduedem 2019: 16 [Am Abend des 1. Tages:] Toward evening/dust, the widow is sent inside and the gravediggers come to pick the mat for burning (juka). While they take the mat, the singer intones the third time the funeral song, and if the dead person was a yeri-nyono, all those he called his sons (bisa) perform a war dance (lielik) with his logta as the mat is being taken away. Moving a bit far from the house, the gravediggers remove the cloth that was kept inside and set the mat ablaze – it is forbidden for anyone to get into contact with the heat of that fire. By burning the ta-pili, the soul of the deceased is released, but it does not enter the land of the dead…

4.2.3 Dritter Tag: kpaata dai oder kpaam-tue dai
Am 3. Tag werden Bohnen- und Hirsegerichte zubereitet, deren Reste am gbanta dai der Gehöftmauer geopfert werden (siehe 4.2.4.6: parik kaabka).
Die ausführlichste Beschreibung und Analyse des kpaata-dai findet sich bei U. Blanc (2000: 197-207). Auszüge aus ihren Ergebnissen werden im folgenden verkürzt zusammengefasst:
U. Blanc 2000: 197f: Oft dauern die Speisezubereitungen den ganzen Tag. Mitunter reichen sie auch bis in die Nacht hinein, bis das Essen am nächsten Morgen an die Verwandten verteilt werden kann. Die weiblichen Mitglieder des Hauses, in dem die Totenfeier stattfindet, liefern Bohnen und Hirse für den Hirsebrei (kpaata-saab). …Die Schwiegertöchter des Toten sind für die Zubereitung des kpaam-tue zuständig, d.h. die gleichen Frauen, die auch die Imitation (cherika) am 1. und 4. Tag als cheri-lieba durchführen.
(S. 198) Die musikalische Gestaltung übernehmen am Abend ausschließlich die älteren Musiker, während bis dahin vor allem Kinder und Jugendliche zur Unterhaltung beigetragen haben. Ein Ensemble einer ko-bisa Sektion spielt zwei Kalebassentrommeln (gora), zwei Flöten (wiisa), und zwei Achselhöhlentrommeln (gunggona).
(S. 199) Am Abend wird das Bohnengericht verteilt. Zunächst nehmen sich die Frauen und Kinder, Sängerinnen, andere Helferinnen und Kinder ihren Anteil, dann servieren die Frauen den vor dem kusung-dok wartenden Männern das Essen [Endnote 82]. Danach stimmen die Elders die kum-yiila oder die kpaam-tue-yiila an, bei deren Beginn alle Mahlzeiten beendet sein müssen, sonst droht den Essenden der Tod [Endnote 83]. Die Reste der Mahlzeit werden vergraben.
(S. 200) Das kpaam-tue Mahl wird von Blanc als ein rituelles Mahl beschrieben, an dem auch die Ahnen und die Seelen der Verstorbenen teilnehmen.
(S. 205) Die Gesänge der Frauen (kpaata yiila) gleichen den Liedern der sinsangula-Frauen.
(S. 203) Sie können auch auf Missstände hinweisen oder die Männer im kusung-dok kritisieren.

Atekoba Yeri,  Sandema-Choabisa (fn 73,65b): Morgens finden wieder Tänze und Umzüge statt. Die Bohnen- und Ölriten sollen erst gegen Mitternacht stattfinden. Ich (F.K.) kann (wegen einer Malaria) nicht teilnehmen.
Sichaasa (fn 88,185b), 21.1.18: Die öligen Bohnen werden abends zwischen 20 und 21 Uhr gegessen. Auch Gästen (Danlardy) bietet man solche an. Sonst finden tagsüber keine bedeutenden Ereignisse statt.
Ataamkali Yeri, Wiaga-Longsa, Afeliks Compound (fn 11,7b): Zubereitung von Pito (siehe 4.2.3.1), von Schibutter (4.2.3.2) und des Bohnengerichts: (4.2.3.3)
Die Frauen kochen nur für Schwiegerverwandte des Gehöfts. Sie selbst nehmen nicht am Essen teil (?).

Aduedem 2019: 17: At dawn the sons send millet to the presiding woman’s (kuumu zuk kaldowa) house. She receives the millet and dismisses them. Then she goes to the bush and gets some leaves of sheanut trees (cham vaata) and mwanyak (a kind of grass) and brings them to the funeral house by the early hours of the day. On getting close, she sits (down) on the way – at a reasonable distance. Then the sons, preparing zo-nyiam, go to meet her there. They will thank her and bring her to the back of the house (nan-gaang) with the items. Over there, she mixes the leaves and the grass in a clay pot containing water. The widow is led out there, with women forming a wall covering her as she goes. Untwisted fibre (bok) or strings (miik), depending on the family/section of Buluk, is used to tie around her waist, chest and head and then she sits (down). The untwisted fibre or strings identify the widow as such and also emphasize her still close connection to the dead spouse and therefore, they should not be removed until the widow’s remarriage. The presiding woman baths her with the mixture she prepared with the leaves and the mwanyak. Afterwards, zo-nyiam is prepared and given to her (widow). She sips some of the zo-nyiam into her mouth and spits it at her left, front and right. She does that four times. Then the presiding woman fetches some of the zom into her palm. She puts it in her mouth and does like she did to the zo-nyiam (zom powedered millet, nyiam water) [Endnote 84]. Then she is led inside again, where the presiding woman prepares another zo-nyiam for her and this time she drinks the water and eats the zom if she likes. The woman prepares T.Z also with bogta soup and mud fish for her (the widow) and she eats that too if she likes.

E. Atuick 2020: 86: On kpaata-dai, the cheri-deiroa must be the first person to start the fire used for cooking the beans and the shea butter oil before other women can take over. She cracks the first shea nut before any other woman can help with cracking and pounding the nuts for processing of the oil.
She must also enter the ancestral room with fire on a bunch of straws for the men to see and bind the louk [quiver] three times with a rope. Usually, an animal is killed to pacify the louk before tying it on the left, middle, and right parts, respectively. After this, they will carry the louk and the dead animal up to the roof top. While up there, they lift the animal and hold it upside down, together with the louk, make three loud cries, and drop the animal at the back of the compound. As soon as this is done, both the men and the cheri-deiroa must jump after the animal over the wall to the back of the compound where the men will skin the animal and give the cheri-deiroa the thigh of the animal as her share.
In the early hours of day when the kpaam-tue is ready, the cheri-deiroa must be the first person to serve herself before any other person can touch the food. When she is ready to serve herself, she enters the place where the food is with a clay bowl and uses a ladle to fetch the food three times or four times depending on the sex of the deceased person she is impersonating…
At dawn, when the drums are played to herald the end of the eating of the kpaam-tue, the cheri-deiroa, dressed as the deceased, goes to stand near the main entrance of the compound and makes a waliing [prolonged, melodious, shrill cry] three or four times depending on the sex of the deceased whose funeral is being performed. While making the series of waliingsa, she will say after each one [cry] so that the men in the kusung can hear, “I need a cow but not a sheep or goat.” Once the men hear the waliing and the demand for an animal, they know the cheri-deiroa is preparing to join them in the kusung. (Fortetzung s. 4. Tag, 4.2.4.1)

Abb.: Brauen von Hirsebier in Longsa, 2011

4.2.3.1 Hirsebrei und Hirsebier-Zubereitung
Ataamkali Yeri,  Afeliks Gehöft in Wiaga-Longsa: 28.1.11. (fn 11,7b): am Vormittag wird Pito (daam) zubereitet. Um 16.30 Uhr ist das Hirsebier fertig.
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa: In den Felsmörsern beim neuen Gehöft wird Hirse gestampft, die für die Beköstigung der Besucher vorgesehen ist. Gleichzeitig braut Agoalie Pito für den nächsten Tag (gbanta dai daam).
Margaret Arnheim 1979: Daam dika – The Brewing of Millet Beer. [unveröffentlichtes Manuskript]: Beschreibung der Zubereitung in allen Einzelheiten.

4.2.3.2 Schibutterherstellung
(Ein ausführlicher Bericht über die Herstellung der Schibutter bei den Bulsa findet sich in Kröger 2001: 217-218)
Anyenangdu Yeri,  Wiaga-Badomsa (5.3.91): Abends wird Schibutter vor dem kusung von Akumlie, Agbiera und Achibilie hergestellt: Sie bringen zwei große chari-Schüsseln mit gerösteten Schinüssen zum Mörser, wo sie zerstampft und dann zwischen zwei Steinen zu einer dunklen Paste zerrieben werden. Die Tätigkeit hält bis zum Anbruch der Dunkelheit an.
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,225a), 9.3.89: Als ich um 18.30 Uhr ankomme, sind fast keine Gäste dort. Im Norden des Gehöftes stampfen drei Frauen im großen Mörser die zerkleinerten Schinusskerne im Rhythmus: kom manika: ‘xxx ‘xxx (3/4 Takt). Dieser Rhythmus kann auch von 4 arbeitenden Frauen geschlagen werden. Der gewöhnliche Rhythmus einer einzigen Frau ist: ‘x ‘x ‘x.
Um 19.00 Uhr werden Reibsteine zum kusung gebracht. Daneben graben Frauen ein Loch mit der Hacke und streuen groben Sand (tan-buusum) in die Grube, damit sich später das Fett besser trennen lässt.

Abb.: Auf dem Weg zur Nika-nika Mühle, Ataamkali Yeri 2011
Abb.: Eine kleine Menge Schibutter wird getrennt hergestellt, Ataamkali Yeri 2011

Ataamkali Yeri,  Afeliks Gehöft in Wiaga-Longsa: 28.1.11. (fn 11,7b): Die Frauen des Hauses gehen in die vier Nachbargehöfte der ko-bisa und erhalten dort Schinüsse, Okro und Dawadawa. Unter dem “Mattenbaum” des Vortages erhitzen zwei Frauen in einem großen Metalltopf Schinüsse. Während früher die dunkle Masse (kpaama) zwischen zwei Steinen gerieben wurde, bringt man sie hier in Aluminium-Schüsseln zur Motor-betriebenen Nika-nika Mühle.
Am Gehöftseingang haben Frauen (Schwiegertöchter?) dunkle Schibutter auf den Reibsteinen erstellt. Sie wird gekocht. Solange sie noch sehr heiß ist, wird sie mit einem Stock gerührt, später mit den Händen geknetet und geschlagen.
Aduedem 2019:18: Meanwhile, women from the neighbourhood bring Bambara beans (suma), beans (tue), sheanuts (jigsa), saab-zom (flour for TZ) etc. to the funeral house for the evening ceremonies. These stuffs are collected together and preparations on them start straight away. The sheanuts are processed (pounded, fried, milled, processed and boiled) to obtain shea butter (kpaam).

4.2.3.3 Bohnen (suma und tue)
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa: Nach Einbrechen der Dunkelheit, während draußen noch die Schinüsse gemahlen werden, kocht man Bohnen (suma und tue) und fügt später Schibutter hinzu.
Verteilung und Verzehr des Bohnengerichtes: a) Frauen im Innenhof Agbieras (Sängerinnen und Helferinnen), b) Elders im kusung-dok, c) Allgemeinheit (bimbaasa tue ne poi) im kusung: Es entsteht ein hektisches Gerangel (viel fällt auf den Boden)
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,225a), 9.3.89: Bei meiner Ankunft (18.30 Uhr) kochen die Rundbohnen (suma) schon. Es dürfen keine Gewürze hinzu gegeben werden. Wenn die Rundbohnen etwa halb gar sind, werden die Bohnen (tue), die eine kürzere Kochzeit haben, hinzugegeben. Gewöhnlich ist es verboten, Rundbohnen und Bohnen zusammen zu kochen (kisuk). Das aus beiden Bohnenarten zusammengesetzte Gericht wird kpaam-tue genannt.
Awuliimba, Information durch Martin Striewisch: Um 3 Uhr (10.3.89) wird das Bohnengericht in Awuliimba Yeri verteilt. Nach dem Mahl beginnen Funeral Songs. Wer dann mit dem Essen nicht fertig ist, wird sterben. Martin geht um 5 Uhr.
Information Apusik (fn 88,226b): Die Bohnen gelten als Nahrung für den Toten.
Ataamkali Yeri, Afeliks Gehöft in Wiaga-Longsa (fn 11,7b), 28.1.11: Auf einem Topf über dem Feuer kochen Bohnen (keine Rundbohnen!) für die Schwiegerverwandten.
Information Godfrey Achaw, Sandema-Kalijiisa (fn 73,48a): Bohnen und Rundbohnen dürfen sonst nicht zusammen gegessen werden. Die von Frauen mit viel Öl gekochte Nahrung wird nachts den Männern gebracht. Die Männer stürzen sich darauf, bevor die Frauen es den Männern geben. Nach dem Essen singen die Männer ein Lied und gehen dreimal (bei einem männlichen Toten) bzw. viermal ins Haus. Wenn ihr Lied anfängt, muss das Essen aufhören. Die restliche Nahrung muss weggeworfen werden und darf von keinem gegessen werden.
Information Danlardy Leander (17.4.96): Es dürfen dem Bohnengericht kein Salz und keine anderen Gewürze beigefügt werden. Nachts zwischen 2 und 3 Uhr werden die nahen Verwandten ins Haus gerufen, um das Bohnengericht zu probieren. Die öligen Bohnen werden zwischen 20 und 21 Uhr gegessen und auch an Gäste verteilt.
Information Danlardy Leander 5.9.96: Ein Teil der Bohnen bleibt im Kochtopf (gewöhnlich samoaning). Diese werden am folgenden Tag der Mauer geopfert (Umkehrung der Bräuche in der Reihenfolge)
Information Margaret, Gbedema (fn M34b): Den Bohnengerichten darf kein Salz und kein Pfeffer zugefügt werden. Margaret hat heimlich für sich Gewürze zugefügt.
Aduedem 2019, p. 18: siehe 4.2.3.2
Azognab 2020: 47 (several informants): On the third day (second day for funerals of ordinary men) which is the kpaata dai (literary; shea butter day), raw beans are prepared and served with shea butter in large quantities. These beans are termed kpaamteui [kpaam-tue] (Shea butter beans or oil beans)… Both the living and the dead share this meal as a symbol of their union and communion as a family and community.
The meal is normally ready after midnight and it is assumed that the living dead eaten [eat] first, after that the living can also partake of it… The deceased person must enjoy this for the last time in this life with the living relatives before going to the next world. But because he or she is now in the spirit form, he or she does not eat pepper and salt and so that is why the beans prepared should be without salt and pepper. The beans will be served to the elders in the kusung first. The custom here is that the elders must ask for more shea butter on three occasions if it is a man’s funeral or on four occasions if it is a woman’s funeral. This is done through delegates from the nisom (elders). Each time they ask for shea butter from the women in the court yard, they must be given more. The meal is shared both to the women in the dabiak (court yard) and to the men and children outside. Everyone, including a visitor, is allowed to take part in eating… After the meal, the men sing dirges to and from the cattle yard three times for a man’s funeral and four times for a woman’s funeral. The women on the other hand, sing their dirges in the court yard since the ta-pili (‘death mat’) is now absent in the cattle yard, having been disposed the previous day.

4.2.3.4 Zubereitung und Verzehr
Aduedem 2019: 18: By late evening, the Bambara beans and the beans are also set on fire in the same pot – which is forbidden in ordinary daily life – and in the night, TZ too is prepared. When the varieties of the foods are done, say by late night, the women serve [are served] first, the deceased [then the deceased’s] sons (bisa) [are served] the kpaam tue (literally, oily beans, a mixture of Bambara beans and beans with plenty oil-shea butter inside), then the daughters and [then] the food is distributed to everyone. The serving of the TZ also follows the same pattern. The kpaam tue ngobika (eating of kpaam tue) continues till towards dawn, mostly accompanied by the youth amidst drumming and dancing in some cases. Towards dawn, the women serve the kpaam tue in an earthenware bowl (kpalabik), put the oil in a chimbili (small calabash for serving oil or sowing) and put it on top of the kpaam tue and then with some TZ, they send it out to the kusung [Endnote 85]. Two “courageous” youth pour the oil into the kpaam tue and send the chimbili inside saying: kpaam ka kpaam ka”-literally translated as “no oil no oil”! The women inside will collect and give oil to them and when they get out, they pour the oil out, go back and repeat the same procedure. When they do it the third time, they stop and eat everything that was brought out [Endnote 86].

4.2.3.5 Schreittänze und Gesang
Anyenangdu Yeri,  Wiaga-Badomsa: Die Elders singen Bohnen-Lieder (kpaam-tue-yiila): Zug zum Speicher des Toten und einmal um das Gehöft
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa-Anuryeri: Nach dem Mahl beginnen funeral songs.
U. Blanc (2000: 16) Kpaam-tue-yiila der Männer und sinsangula Gesänge der Frauen (sinsangula: s. gbanta dai); S. 17: Witwen, die bisher in ihren Räumen verweilen und klagen, werden, fest gestützt auf ko-lieba, hinausbegleitet und nehmen am Gesang teil. Es findet kein abschließendes Ritual statt. Der Übergang zum gbanta dai ist fließend.
Aduedem 2019: 18: By cock crow when everything might have been eaten, those outside (the youth) sing the kpaam tue yiili [Endnote 87]. The women also come to the bui (barn) and sing their version of the kpaam tue yiili.

 

4. DIE KUMSA TOTENFEIER

4.1 Vorbemerkung zu den Totenfeiern

4.1.1 Terminologische und methodische Überlegungen
Methodische Überlegungen: Unsere Darstellungsweise der beiden großen Totenfeiern der Bulsa (Kumsa und Juka) musste im Vergleich zum ersten Teil dieser Abhandlung leicht geändert werden.
Während im ersten Teil Zitate aus meinen Feldnotizen weitgehend in eine textliche Darstellung eingebaut wurden oder dem Schlussteil eines Kapitels (“Weitere Informationen”) beigefügt wurden, bilden die Feldnotizen bei der Darstellung der Totenfeiern das eigentliche chronologische Gerüst. Analysen und Zusammenfassungen werden als Einzelaufsätze im Anhang präsentiert.
Der Versuch, die Riten der Bulsa-Totenfeiern verschiedener Dörfer in ein chronologisches Nacheinander zu ordnen, ist mit großen Schwierigkeiten verbunden:

1. Viele Riten begleiten mit Unterbrechungen fast die ganze Totenfeier oder erstrecken sich zumindest über mehrere Tage (z.B. Imitation, Rasseln an der Matte, Umzüge um das Gehöft).
2. Viele Riten verlaufen fast unabhängig voneinander oder zumindest parallel.
3. Es bestehen Unterschiede in den einzelnen Dörfern und Sektionen, einige Riten treten nur in bestimmten Klansektionen auf.
4. Der chronologische Ablauf liegt nicht vollständig fest, sondern wird vor Beginn der Feier von den alten Männern im kusung-dok beraten und festgelegt. Sie entscheiden zum Beispiel auch, ob ein Ruhetag eingelegt wird und ob einige Riten ausgelassen oder an anderer Stelle vollzogen werden.
Die vorliegende Aufstellung kann daher nur grob darüber Auskunft geben, welche Riten und andere Aktivitäten man an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Tageszeit vielleicht erwarten kann. Die Nummerierung wurde vor allem zum Zwecke einer leichteren Referenz durchgeführt.

Name: Die erste Totengedenkfeier wird in dieser Arbeit, auch in Anlehnung an den gängigen Gebrauch meiner Informanten, als Kumsa (pl.) bezeichnet.
Azognab (2020) gebraucht die Buli Bezeichnung kuub-kumsa. E. Atuick (2020: 37f.) schreibt: …the kuub-kosik (dry funeral rites)… involves performance [kumsa] of the funeral [kuub]… Die erste Totenfeier nennt er kuub-kumka.
In Ghana gebraucht man auch die englische Bezeichnung “dry funeral” für die Totenfeiern, im Gegensatz zum “fresh funeral”, der Erdbestattung gleich nach dem Tode. Das Wort “funeral” ohne Attribut bezieht sich meistens nur auf die beiden Totengedenkfeiern.
R. Asekabta (Brief): I think kuub-kumka means the art of performing a funeral or how to perform a funeral. Kuub-kumsa means the performance of a funeral and Kumsa is a short form of performing a funeral for example (Kuumu Kumsa ale chum – the performance of the funeral will be tomorrow)
F. Kröger: Dictionary Buli-English: kumsa, n.pl. 1. mourning, weeping, crying… 2. funeral; kuub, pl. kumsa, kuuna death case, funeral celebration

Besuchte Totenfeiern des Autors
Kumsa-Totenfeiern (oder Teile von ihnen) wurden (falls nicht anders angemerkt) in den folgenden Gehöften besucht:

Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (fn 60-65), 17.-18. April 1973: Totenfeier für einen im hohen Alter (90) im März 1973 verstorbenen Schmied (er soll angeblich noch gegen Babatu gekämpft haben). Besucht wurde nur der tika dai.
Asebkame Yeri, Wiaga-Chiok (fn 88.119a – 121a): abgehalten für einen Mann, eine verheiratete Frau und zwei Kinder. Besucht wurde nur die Feier des gbanta-dai (6.12.88).
Wiaga-Sichaasa (fn88,185): Funeral eine alten Mannes und einer alten Frau, ein kurzer Besuch am 19.1.89 (tika dai)
Akadem Yeri (fn 88,197+200a+b): Wiaga-Yisobsa: für fast einem Dutzend Männer und Frauen, Besuche am 28.1.1989 (tika) und 31.1.1989 (gbanta)
Acha Yeri, Sandema-Chariba (fn 88,221b+222a); Besuch am 5.3.89: gbanta für eine eingeheiratete Frau
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa-Anuryeri (fn 88,223-226): Vater von James Agalic, dem Assistenten und Informanten von R. Schott und F. Kröger; Besuch: 1.-4. Tag (7.3.-10.3.89)
Abanarimi Yeri, Wiaga-Chiok-Ayaribisa (fn 233a+b): für zwei eingeheiratete Frauen (Riten hinter dem Gehöft), eine zurückgekehrte Tochter (vor dem Gehöft) und einen Jungen; Besuch am gbanta dai (16.3.89)
Abapik Yeri, Wiaga-Badomsa: 5.9.90 (fn 88,305b) ausführliche Informationen und Fotos durch Danlardy Leander
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa, Totenfeier für Anyenangdu, dem Vater meines Hauptinformanten Anamogsi: 3.3.91-6.3.91 (Fotos und Informationen durch die Teilnehmer M. Striewisch und Danlardy Leander, ausführliche Informationen und Erklärungen durch Anamogsi und andere Hausbewohner)
Obwohl ich selbst diese Totenfeier in Anyenangdu Yeri, meinem Wohngehöft zwischen 1978 und 2011, nicht besuchen konnte, stehen mir für diese das reichhaltigste Material zur Verfügung. Noch bis 2011 konnten alle strittigen Fragen diskutiert und beantwortet werden.
Agbain Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 01,3a+b): Besuch: tika dai (13.2.01) und gbanta dai (gbanta an 2 Tagen: 15. und 16.2.01).
Atinang Yeri, Wiaga-Badomssa (fn 06, 6a+b; 10a, 27.1.2006): Kumsa Mitte März 2005 (nicht teilgenommen, Hauptinformation durch Anamogsi, Danlardy und Yaw; abgehalten für Verstorbene aus Atinang Yeri: Atinang, Angmarisi (jüngerer Bruder Atinangs), Kweku (jung), aus Anyenangdu Yeri: Awenbiisi, Asuebisas Sohn Akansang, Agoalie, Adiki (Azumas kleine Tochter); Beschreibung in den fn nur 1.-3. Tag; Imitatorin Atinangs: Atakabalie (Anyiks Frau), für Angmarisi Name entfallen, für Agoalie: Ajadoklie. Ergänzung durch einen Brief Danlardys: als Agoalie in ihrem Elternhaus starb, wurde sie dort begraben und ein funeral gefeiert. Später wurde in Anyenangdu Yeri eine zweite Totenfeier abgehalten.
Agaab Yeri, Wiaga-Yisobsa-Chantiinsa (fn 08.15) für 2 männliche Tote und 5 Frauen; Besuch: 17.2.08: kalika; 21.2.08: gbanta
Adiita Yeri, Wiaga-Yisobsa-Guuta; 22.2.08: kalika; 24.2.08: gbanta (tika fiel aus). Nur eine späte Phase wurde vom Autor selbst beobachtet.
Ataamkali Yeri, Wiaga-Longsa; Gehöft des Kambonnaabs und Erdherren Afelik: 25.-29.1.2011 (tika dai, kpaata dai, gbanta dai)

Information Danlardy: Brief vom 7.5.2004 (fn 2002/3,55a*): Frauen-Totenfeiern können auch zweimal abgehalten werden, z.B. wenn die Ehefrau im Haus ihrer Eltern stirbt, dort das funeral (Totengedenkfeier) abgehalten wird und der Gatte es dann in sein Gehöft holt. Agoalies funeral wurde in Sandema-Nyaansa und in Anyenangdu Yeri abgehalten.
Vom 2.-6. Mai 2004 hielt Anamogsi Agoalies und Abiisis funerals in Atinang Yeri zusammen mit denen von Atinang Yeri ab (von mir nicht beobachtet).

4.1.2 Die Seele (chiik) des Toten
Der folgende, einleitende englische Text wurde in gekürzter Form entnommen aus: F. Kröger: Religious and rebellious elements in Bulsa funeral rituals, Buluk 10 (2017): 97-99.

Although the Bulsa are often regarded as one of the best-studied ethnic groups in Northern Ghana, their funeral rituals, with their interweaving of innumerable religious rites and secular acts of various kinds, have never been the subject of a general monographic publication.
The basic religious idea of funeral celebrations may lie in preparing a transition of the deceased from the land of the living to the land of the dead. In order to understand this process better, it is necessary to clarify which parts of the human personality are affected by certain rites concerning the deceased. The Bulsa attribute a number of personality components to each person.
One of them is nyuvuri (cf. nyueri, ‘nose’, and ‘vuum‘ life) or the “pulsating life”, which is mainly revealed in the respiratory movements. Another component is the “life force” or pagrim, which is not only shown in physical strength but also in the immunity from and resistance against harmful spiritual influences, e.g. ghosts, witches, bush-sprites, etc. (cf. Kröger 1978: 143-145). The personality components mentioned so far play only a subordinate role in burial and funeral rituals. More important are the functions and activities of the following three components (ibid. 140-143):
• The body (nying, pl. nyingsa)
• The wen, a divine power associated with an individual, but worshipped by sacrifices to a shrine outside the body (Kröger 1982: 6ff and 2003: 254ff)
• The soul (chiik, pl. chiisa)
The dead body and its odour (piisim) may be a great danger to the living. Only the initiated grave diggers know exactly how to deal with it. The corpse of a deceased is usually buried on the day of death. This activity usually takes place within the narrow circle of one’s own family (cf. 3.4 und 3.5).
The veneration of a deceased person’s wen is intensified only years or decades after the burial. Although during the funeral celebration the wen-shrines of the deceased exist in the compound, sacrifices to these or any other rituals concerning them are not a part of the funeral celebration.
As will be explained in more detail below, the soul (chiik) of the dead is paramount among the religious events of the first funeral celebration. After the funeral, the personality of the dead man is represented less by the tomb than by the sleeping mat (tiak, rolled: ta-pili) on which the dead man died, for it is regarded as the abode of his soul. In the past and even in some compounds of the present, this entailed leaving a small dish of food in the ancestral room every evening and, on the next morning, removing the untouched food. This means that the dead man did not consume the food in a material sense, but only took its power or substance as nourishment. Afterwards it was consumed by humans or fed to animals. Furthermore, certain preferences of the deceased, for example his enjoyment of beer, kola nuts or tobacco are respected by placing these luxuries for some time in the ancestral room.
The soul of the dead is not always enclosed in the mat or hovering around it. It can, for example, visit the deceased’s body in the grave (boosuk). In order to have free access, a small hole is left in the ceramic cover of the grave until the end of the final funeral.

Abb.: Der amtierende Gehöftsherr Leander Amoak informiert seinen Ahnen Abonwari über ein rituelles Ereignis

According to information from Gbedema, some Bulsa (usually thoughtlessly) invite the ancestors or the dead to eat with them by uttering the following sentence before eating: Ni de abe ni ge te mu (You eat before you give me). Moreover, a ceramic pot (liik) with drinking water, located in a corner of each courtyard, should never be empty so that recently deceased persons and ancestors can serve themselves here.
When the head of a compound (yeri-nyono) dies, it is either his eldest brother or his eldest son who performs all important rituals and they are also responsible for the deceased’s soul . However, they exercise these rites only for the deceased and must inform their predecessor about every important ritual in the compound by speaking to his soul in the mat.

Information Godfrey Achaw (fn 73,178): Eine Seele kann stark (powerful) oder schwach sein. Eine Person mit starker Seele ist schwer zu töten oder zu schädigen.
Die Seele kann den Körper des Nachts verlassen und alle Orte, die sie tagsüber besucht hat (und auch andere), noch einmal aufsuchen. Wenn die Seele nachts von einem Gespenst verfolgt wird, träumt der Schlafende davon. Nach dem Tod wird die Seele einer Hexe zum Gespenst (kok). Die Seele anderer Menschen geht nach dem Tod zu Naawen (Gott), oder, wie andere sagen, ins Ajiroa Totenreich. Wenn ich [Godfrey] sterbe, werde ich in Ajiroa mit meinem Körper neu geboren, aber Fremde können mich nicht sehen. Man erwartet aber gleichzeitig noch Körperreste im Grab. Die Speisen, die Familienangehörig in den Raum, in dem sich die Matte befindet, stellen, sind für das chiik des Toten bestimmt. Jeder kann die Speisen später essen, nur nicht die Gatten der Verstorbenen.

Information Apusik (Sandema-Kobdem?) während Awuuliimbas Totenfeier (fn 88,126b): Die Seele des Toten zieht nach der Juka-Feier ins Totenreich Ajiroa. Andere sagen, dass die Seele nach den Totenfeiern weiterhin in dem bui (Speicher) des Toten wohnt. Wenn die Seele von Ajiroa aus ihr altes Gehöft besucht, wohnt sie auch im bui. Der [runde] Stein [tintankori] auf dessen Boden symbolisiert auch die Seele.
Danlardy in seiner Examensarbeit (fn 86,12a): Jeder Mensch (nurbiik) hat drei Seelen (chiisa): 1. eine geht nach dem Tod zu Gott, 2. eine lebt im toten Körper weiter, 3. Die sitana-Seele wird beim Tod vernichtet, d.h. sie stirbt mit ihm. Die dritte Seele verleitet den lebenden Menschen Böses zu tun.

Information Margaret (fn M79,8b): Sie selbst fürchtete sich vor Kühen. Sie hatte einen Traum, dass sie von Kühen gehetzt wurde. Die Nachbarn sagten ihr, dass Hexen ihre Seele verfolgten.
Azognab 2020: 56: The fourth interview question to the [15] respondents was: What happens to the human person after death? All the respondents answered that the chiik (soul) of the person hovers around the tapili (death mat), the boosuk (grave) and the dalong or kpilima-dok… until the death and funeral rites and rituals are properly completed.

4.1.3 Allgemeine Informationen zu den Totenfeiern
(Vgl. auch 7. Ergänzungen… (7.1.-7.5) und F. Kröger 2017: 97-113: Religious and rebellious elements in Bulsa funeral rituals)

4.1.3.1  Aufhebung von Tabus (kisita, Sing. kisuk) des Alltagslebens
(oder: Tätigkeiten während der Totenfeier, die im Alltagsleben nicht ausgeführt werden dürfen)
Information Godfrey Achaw (fn 73,32): Wenn ein Ehebruch während eines Festes geschieht, wird er nicht als Ehebruch angesehen und die Frau braucht ihren Mann nicht zu informieren. Andere aufgehobene Tabus bei großen Festen sind: Ein Kalijiisa Mann kann eine Kobdem Frau heiraten, aber die Heirat innerhalb einer Sektion ist nicht erlaubt. Die Aufhebung der Tabus gilt nur bei: 1. Funeral eines großen, alten Mannes, 2. Harvest Festival Fiok (November – Dezember), 3. in bestimmten Fällen bei Opfern an das Land.
Information Apusik, Sandema (fn 88,226b): Bei einem Funeral werden folgende Tabus aufgehoben:

1. Suma (Rundbohnen) und tue (kleine Bohnen) werden zusammen in einem Topf gekocht
2. Man darf Tuch oder Kleidung auf das Dach des kusung oder kusung-dok legen (sonst kisuk)
3. Bestimmte Lieder dürfen nur bei Totenfeiern gesungen werden.
4. Man darf im Haupteingang (nansiung) stehen bleiben.
5. Sonst darf man nicht innerhalb und außerhalb des Viehhofs trauern (?).
6. Nur am kpaata-dai besteht eine sexuelle Freizügigkeit.

Information Yaw (fn 06,34b): Aufhebung von Tabus bei Funerals: 1. Man darf Totenlieder singen, 2. Matten werden mit der Spitze zum Boden aufgestellt, 3. Gewöhnlich darf man nicht über liegende Matten schreiten. Falls dieses geschehen ist, muss man zurückspringen und um die Matte herumgehen. Wenn ein Tier über die Matte schreitet, wird es sofort getötet. 4. Sex außerhalb des Gehöfts ist sonst strikt tabu. 5. Kochen von suma und tue Bohnen in einem Topf ist sonst tabu.
Yaw hat von einer Aufhebung des Exogamie- oder Inzestgebotes noch nie etwas gehört. Ein Stehenbleiben im Eingang ist auch bei Totenfeiern verboten (nach anderer Information erlaubt).
Information Yaw (fn 01,2b): Imitation bei einem weltlichen Fest (tigi) ist tabu (kisuk)
Information Danlardy, Yaw, u.a. (fn 94,22a): Der älteste Sohn eines Verstorbenen darf dessen Kleidung zu Lebzeiten nicht tragen. Bei der Kumsa bekleidet er sich hiermit, bevor die Imitatorin diese Kleidung anzieht.
U. Blanc (2000: 55, 136f und 145): Die Intonation der Rhythmen beim zong-zuk cheka (Musizieren auf dem Flachdach) ist außerhalb der Totenfeier tabu (kisuk).

4.1.3.2 Weitere allgemeine Kurz-Informationen zur Kumsa-Totenfeier

Totenfeiern für Frauen

F.K.: Gewöhnlich werden die Totenfeiern von verheirateten Frauen im Gehöft ihres Ehemannes zusammen mit den Feiern von verstorbenen Männern abgehalten.
Wird eine Totenfeier nur für Frauen ausgeführt, so entfallen zum Beispiel die Kriegstänze ganz. Wenn außerdem die Mattenverbrennung schon auf den ersten Tag verlegt wird, so fällt der ganze zweite Tag aus (so auch Aduedem).

Zeitliche Abhaltung der Feiern

Information Godfrey Achaw (fn 73,47): Die erste Totenfeier findet entweder in der nächsten Trockenzeit oder Jahre später statt.
(fn 73,54b): Die Reihenfolge in der Abhaltung von Totenfeiern: In den vier Nachbargehöften in Yongsa (ko-bisa) muss jedes auf das Funeral eines Nachbarhauses warten. Aber nach 20-30 Jahren werden die vier Häuser wohl ganz selbständig sein (ohne Wartepflicht).
Information Yaw (fn 01,2b): Anders als in Sandema dürfen Totenfeiern in Wiaga nicht an einem Markttag beginnen. In Sandema werden viele Einzelriten usw. ausgelassen, besonders an Markttagen.

Aduedem 2019: 12f: This part of the final funeral rites [Kumsa] takes three or four days for the average male or female respectively, or four or five days of an elderly man or woman of status respectively. It depends on the part of Buluk, when final funeral rites of mixed sexes are celebrated together, in Chuchuliga and some other parts, the male funeral takes precedence, whereas in Sandema and the southern part of Buluk, the female funeral takes precedence. Thus, the days are followed according to whose funeral takes precedence in cases of mixed celebrations.

Irrtümlich für lebende Personen abgehaltene Totenfeiern

Information Akambonnaba, Cape Coast (fn 73,53a): Wenn jemandes Totenfeier abgehalten wurde, gilt er als tot. Sein Vater musste im Krieg einen Krankenwagen fahren und in Siniensi erhielt man die Nachricht, dass er im Krieg gefallen sei. Man hielt seine Totenfeier ab. Obwohl er wieder auftauchte, galt er als tot und durfte nie wieder in Siniensi erscheinen (seine Kinder wohl). Er starb am 24.2.67.
Information Godfrey Achaw (fn 73,53a): Godfrey kennt auch einen Fall, dass man für einen verschollenen Mann eine Totenfeier abhielt. Dieser geht nach seiner unversehrten Rückkehr ins Bulsagebiet nicht mehr nach Sandema. Wenn er dort in einem Auto vorbeikommt, zieht er sich ein Tuch über den Kopf. Er darf auch aus Sandema keine Geschenke annehmen oder dort Geschenke geben. Außerhalb Sandemas dürfen ihn Leute aus Sandema besuchen.
Information Margaret Arnheim (fn M20b): Im Krieg wurden irrtümlich funerals Lebender abgehalten. Als sie zurückkamen, wurden sie wieder in die Gemeinschaft aufgenommen. Man sagt, dass sie ein sehr langes Leben haben werden.

Miiga-Totenfeiern

Abb.: Ritual-miiga aus Wiaga Chiok

Information Leander Amoak und ein Schmied (Ako?) aus Wiaga Chiok (fn 73,151):
Das Miiga-Funeral: Bei ganz bedeutenden Männern der Schmiedesektion wird ein Teil ihrer Totenfeier schon zu Lebzeiten abgehalten. Dabei spielt eine Schmiedezange (miiga), die mit Lederfransen zu einem “Wedel” umfunktioniert wurde, eine große Rolle. Sie dient dazu, böse Geister zu vertreiben. Bei einem miiga-funeral werden schon mehrere Kühe geopfert, aber nicht auf dem Aschenhaufen (tampoi). Wenn die Person später stirbt, werden keine weiteren Tiere geopfert. Vor einigen Wochen hat ein sehr kranker Mann eine solche miiga-Ehrung erhalten, ist aber kurz danach gestorben. Leander selbst hatte nie von einem miiga-funeral gehört. Eine miiga wurde für mich angefertigt (s. Foto), die sich jetzt im Völkerkundemuseum Werl befindet.
Information Thomas Achaab aus Sandema Choabisa (fn 73,151b): Die miiga spielt auch in Sandema eine große Rolle, wenn ein großer, alter Mann stirbt. Dann werden noch am Sterbetag die mit Lederstreifen verzierte miiga und eine Eisenstange (iron rod) um das Haus getragen.

Die verstorbene Person und ihre Totenfeier

Information Godfrey Achaw (fn 73,55a): Wenn jemand ganz plötzlich stirbt (z.B. durch ein tanggbain) erhält er keine Totenfeier. Seine Sterbematte wird am Sterbetag verbrannt und er wird auch ausnahmsweise als Mann außerhalb des Gehöfts beerdigt. Frauen, die im Wochenbett sterben, erhalten gewöhnlich eine Totenfeier. Wenn ein Kleinkind bis zu etwa 3 Jahren, nach dem kein Kind geboren wurde, stirbt, erhält es keine Totenfeier.
Information Yaw (fn 97,39b) Die Totenfeiern von Erdherren und Schmieden gleichen vollständig denen anderer Personen.
Information Yaw (fn 23b): Frauen, die nie Kinder hatten, auch nicht eine Tochter von einem anderen Mann, bekommen die Totenfeier eines Mannes.

Tabus

(Siehe auch 4.1.3.1: Aufhebung von alltäglichen Tabus des Alltagslebens bei Totenfeiern)
Information Godfrey Achaw (fn 73,48a): In den 3 (bei männlichen Toten) bzw. 4 Tagen (bei weiblichen Toten) schlafen nur die Frauen im Gehöft, die Männer schlafen außerhalb des Gehöfts.
(fn 73,69): Godfrey (Kalijiisa-Yongsa) und sein Freund John aus dem Nachbarhaus, das zu Kalijiisa Chariba gehört, sind am gleichen Tag geboren. Falls in Johns Haus eine Totenfeier stattfindet, muss John im Hause von Godfrey (Anpan Yeri) schlafen und essen bis die Feier vorbei ist und zwar auch dann, wenn Godfrey nicht anwesend ist. Er kann von dort aus alle Veranstaltungen der Feier besuchen.
Eigene Beobachtung bei der Seifenherstellerin Rita Atuick (fn 94,11a): Als ich Rita besuchte, um die Seifenherstellung zu beobachten, lag ihr Bruder, der neue Häuptling von Wiaga, in ihrem kusung. Er durfte das Häuptlingsgehöft während der 4 Tage der Totenfeier seines Vorgängers Asiuk nicht betreten.

Konflikte

Information Danlardy Leander (fn 88,1): Adiaks Tod: Es gab nach Leanders Tod viel Streit zwischen Leanders Kindern und Adiak, weil Adiak Danlardy drängte, die Totenfeier von Abonwari (gestorben wohl im 19. Jahrhundert) abzuhalten, denn dadurch wäre er selbst kpagi der Ayarik-bisa geworden. Als Adiaks Frau starb, wollte Danlardy ihre Totenfeier mit der von Abonwari, Atiim und Leander verbinden. Daraufhin hielt Adiak die Feier seiner Frau alleine ab.
Information Ayarik Kisito (fn 73,319b): Jujus: Das magische Mittel jugi (pl. juga) wird nur bei Totenfeiern gebraucht. Es ist ein schwarzes Pulver (zerriebene Holzkohle), das auf die Erde gestreut wird. Jeder, der darauf tritt, bekommt Elephantiasis.

Abb.: Musikgruppe auf Anyenangdus Kumsa-Feier

Musikinstrumente
Information Leander Amoak (fn 81,30): Bei Totenfeiern [F.K. bei Umzügen um das Haus?] sollten gespielt werden: 6 Flöten (wiisa), 2 Zylindertrommeln (ginggana), 2 Kalebassentrommeln (goa), 1 Sanduhrtrommel (gunggong), 1 Paar sinsaara-Rasseln
bei Kriegstänzen: 1 dunduning-Trommel, 1 Doppelglocke (sinleng), 1 tanpain Horntrompete (ähnlich der namuning-Horntrompete)
Zum Vergnügen und zum Tanz: 1 Kalebassentrommel (gori), 1 Paar sinyaara-Rasseln (als Korbrasseln oder runde Kalebassenrasseln)

Weitere Informationen

Information Godfrey Achaw  (fn 73,60a): Totenfeier Atekobas am 17.4.73: Veranstalter war das Oberhaupt [kpagi] von Choabisa, für die Kosten musste der älteste Sohn aufkommen. Atekoba wurde in einem Wohnhof seines Gehöfts beerdigt [ma-dok?]. Um 23 Uhr, vor dem ersten Tag, setzte Regen ein (ein gutes Zeichen). Man glaubte, dass Atekoba ihn veranlasst hatte. Männer stiegen auf Flachdächer und führte ohne Helm, aber mit einer Axt Kriegstänze auf. Solche Tänze führt man auch aus, wenn Regen lange auf sich warten lässt.
Information Sebastian Adaanur (fn 79,11b): Die Funerals von Doninga unterscheiden sich in vielen Dingen von denen Sandemas.

Information Margaret (fn M52b): Margaret ging in einer völlig fremden Sektion in Siniensi zur Totenfeier (mit Mary Assibi, die weitläufig mit dem Gehöft verwandt war), weil es dort ein großes “packed funeral” gab, d.h. die Feiern vieler Personen waren zusammengelegt. Ba tigsi kunanga ngomsi. They “pack” (oder “collect”) funerals.
Information Margaret (fn M,61a): Wenn nur die Kumsa-Feier, nicht aber die ngomsika-Feier (=juka) ausgeführt werden, so sagt man “nye kuub zaani” (eine Feier zur Hälfte ausführen).

4.1.4 Vorbereitungen und Planungen zur ersten Totenfeier

Längere Zeit vor der Totenfeier werden die Kosten für Tieropfer etc. aufgestellt und geplante Einladungen diskutiert.

4.1.4.1 Geplante Einladungen und Kostenaufstellungen für Asik Yeri, Wiaga-Badomsa
Für die noch ausstehenden Totengedenkfeiern (einschließlich des im 19. Jahrhundert verstorbenen Abonwari) werden immer wieder neue zeitliche und finanzielle Pläne gemacht. Meines Wissens (F.K.) sind sie bis heute (2022) noch nicht ausgeführt.
Information Danlardy Leander (fn 86.7a): Die ausstehenden Totenfeiern in Asik Yeri wird man wahrscheinlich in zwei Abteilungen durchführen: zuerst die ältere Generation (Abonwari), dann die jüngere Generation (Atiim und Leander). Adiak drängt Danlardy zu den Totenfeiern und beschimpft ihn. Ich (F.K.) solle ihn fortan nicht mehr besuchen.
Information Danlardy Leander (fn 2002/3,55a*): Planung Leanders Funeral: Das Gehöft Asik Yeri wird vorher renoviert; offizielle Einladungen gehen an Ayarikbisa, Adum Yeri und Aluecharis Familie. Das Funeral wird kombiniert mit denen von Abonwari, Akanzaaleba, Atiim Maami, Atoalinpok und Aparing. Die Organisation liegt bei Michael Atiim (Krankenpfleger), Danlardy und den jüngeren Geschwistern. Sie stellen auch das Geld für die nang-foba-Tiere, für cheri-Opfer, für Hirsebrei (saab) und Reis für die Beköstigung der Gäste, Malz (kpaam) für Pito zur Verfügung.
Einladungen und Kosten für die geplanten Totenfeiern in Asik Yeri

Information Danlardy Leander, 24.1.2006 (fn 06,5a):
Am 7.1.06 wurde ein vorbereitendes Treffen in Asik Yeri veranstaltet:
Folgende “uncles” und “aunts” (i.e. matrilinearen Verwandten), bzw. Vertreter ihrer Lineages sollen zu den geplanten Totengedenkfeiern (Leanders u.a) eingeladen werden (s. Genealogie im Anhang):

1. Wabilinsa: Awon Yeri
2. Dokbilinisa: Achambe (Achagbe?) Amoak
3. Gbedema chief’s house: Akan-nyemi
4. Bilinsa: Akpadiak
5. Longsa: Ajaana
6. Chiok: Assibi
7. Kadema (Atongkas Verwandte)
8. Chiok: Abavare (Atongkas Verwandte)

Vorher müssen noch folgende Totenfeiern besucht werden (einschließlich die von matrilinearen uncles und aunts):

1. Abonwaris Frau in Gbedema, Besuch durch 2-3 Leute; als Geschenke Kolanüsse und 2 Gallonen Alkohol
2. Gbedema Chief’s Compound: Zum Funeral von Akan-nyemi ist ganz Badomsa zur Teilnahme eingeladen
(3.?) Für Ayarik (Apaarichangs Sohn) : Getränke, Kolanüsse, Schießpulver,
(Für die geplanten funeral Besuche:)
Alkohol: 1 Gallone zur Begrüßung, 1 Gallone für “intention”, 2 Gallonen für die Badomsa Leute, die mitgehen; 1 Gallone “dispatch” (?)

Gesamtkosten (für funeral Besuche und die geplante Feier in Asik Yeri);
zusammen 7 Gallonen Alkohol 385.000 Cedis (7 x 55.000 Cedis) [2006: 35,8 €]
3 Flaschen Schießpulver 105.000 Cedis (3×35.000 Cedis) [2006: 9,77 €]
1 Kalebasse Kolanüsse 50.000 Cedis [2006: 4,65 €]
1 Ziege 100.000 Cedis [2006: 9,31 €]
5 Schalen (bowls) gekeimte Hirse 50.000 Cedis [2006: 4,65 €]
4 Schalen Reis 68.000 Cedis [2006: 6,33 €]
Suppenzutaten 142.000 Cedis [2006: 13.22 €]
Summe 900.000 Cedis [2006: 83,71€]

Die 900.000 Cedis müssen von den Familienmitgliedern aufgebracht werden, die Geld verdienen: Danlardy als Rektor der Arabic School, Anangkpienlie (trader), Michael Abaalsa (nurse)…
Jeder muss 150.000 Cedis [2006: 13,96 €] bezahlen. Michaels Frau Atta sammelt das Geld ein.
Für Februar 2006 ist das “Greeting” geplant, für März oder April das Funeral.

Benötigte Opfertiere für die Totenfeier in Asik Yeri:
A) Nang-foba Tiere (am tampoi)

a) Für männliche und weibliche Verstorbene der eigenen Lineage:
Für Abonwari, Atiim, Leander (†1985) und alle verstorbenen Töchter zusammen ein Schaf und Hühner
b) Für eingeheiratete Frauen:
ein Schaf und ein Huhn für jede der folgenden Frauen:
1. Atoalinpok (Danlardys Stiefmutter, †1994), 2. Maami Atigsidum (Danlardys Stiefmutter, †1995), 3. Achimpoore (Atiims Gattin, Danlardys FBW), 4. Abonwari’s Frau, die im 19. Jahrhundert von Sklavenjägern entführt wurde (funeral in Gbedema?)

B) Cheri-Opfertiere
4 Ziegen für die eingeheirateten Frauen
1 Schaf für alle Männer (zusammen)

Weitere Auslagen für kpaam tue (gekeimte Hirse für Hirsebier, das zum Teil schon den Verwandten vor Beginn der Feier angeboten wird), Schinüsse, Bohnen, Rundbohnen usw.
Information Danlardy Leander 1.6.06 (fn 06,4b): Geplante Totenfeiern in Asik Yeri: Eine dreitägige Totenfeier ist für folgende Männer und “Töchter” geplant: Abonwari, Leander Amoak (†1985), Atiim, Ajaring (Atongkas Vaters Schwester), Paulina Abaala (Michaels Frau, †2002) und Adaanlie (Danlardys Schwester). Am letzten Tag (gbanta) beginnt (ohne Ruhetag) die Totenfeier für die Ehefrauen: Abonwaris Frau, Atoalinpok (Leanders Frau, †1993), Achinpoari (Atiims Frau). Sie dauert 5 Tage, inklusive 1 Ruhetag.

4.1.4.2 Geplante Einladungen und Termine, Apok Yeri, Wiaga Yisobsa-Napulinsa

Informant immer Yaw Akumasi Williams (vgl. Genealogie im Anhang 3)
(fn 02,21): In Apok Yeri hat man lange darüber diskutiert, welche “uncles” (matrilineare Verwandte) und “in-laws” (Familien der Ehefrauen) zu den anstehenden Totenfeiern eingeladen werden sollen. Verwandte der eigenen Sektion werden nicht eingeladen, sie sind Veranstalter. Man muss feststellen, welche Totenfeiern vorher noch eingeholt werden müssen, z.B. von Asuk, dem verstorbenen Gatten von Amelinyang(a) aus Gbedema. Man wird den san-yigma Kwame Atongdem (chief’s house) mit einem Hackenblatt, einem Armreif und Tabak nach Gbedema schicken. Beschlussfassend in den Planungen sind die drei Gehöftherren von Apok Yeri (Ayuekanbe), Ayienyam Yeri (Abasimi) und Akanguli Yeri (Asiidem), nicht aber elders aus dem fernen Napulinsa (siehe Genealogie Apok Yeri, Anhang 3)
(fn 02,23b: Amelinyanga brachte aber die doglie Awenlemi nach Apok Yeri, die Akalabey und Francis gebar. Amelinyanga verließ Apok Yeri, als Asuk noch lebte, während ihre doglie Awenlemi blieb. Als Awenlemis Tochter Awabilie (vor Asuk) starb, rasierte man das Kopfhaar ihrer Mutter nicht. Als Asuk starb, ging Awenlemi zurück in ihr Elternhaus in Gbedema, nachdem sie vorher an anderer Stelle verheiratet gewesen war. Asuks funeral konnte nicht abgehalten werden, weil eine seiner Frauen (Awenlemi) abwesend war. Apok Yeri hat (2002) bereits den Gbedema Compound begrüßt, und man wird Tiere (Schaf, Ziege) nach Gbedema schicken, weil Apok Yeri nichts getan hat, als Amilenyanga in Gbedema starb. Es ist eine Art Rückerstattung für die Tiere, die man den vayaasa bei der Bestattung gegeben hat. Wenn in Gbedema ein bestimmter Schrein noch ein Opfer verlangt, wird man auch für diese Kosten aufkommen müssen. Man schickte auch Armreifen und eine nabiin-soruk Kette nach Gbedema, weil Awenlemis Tochter Awablie starb. Awenlemi wird die Kette und die Armreifen tragen, wenn sie nach Apok Yeri kommt, aber auch während der funerals. Später legt sie sie ab, sie bleiben aber ihr Eigentum. Das Schicken der Tiere und des Schmucks ist indirekt auch ein Werben, dass Awenlemi zurück nach Apok Yeri zu ihren Kindern kommt. Bei ihrer Ankunft wird ihr Kopfhaar vollkommen geschoren werden. Wenn das Haar bis zum funeral nachgewachsen ist, wird es erneut geschoren. Beim Funeral ist sie pokogi (Witwe) von Asuk. Wenn Gbedema-Leute kommen, bringen sie einen großen busik-Korb voll zamonta und Erdnüsse mit, um ihre Tochter Amelinyanga in das Gehöft ihres Gatten zurückzubringen. “Ti liewa a kuli wa chorowa yeni”. Man wird nie erwähnen, dass sie schon seit langem tot ist. Das Rasieren des Kopfhaares heißt: pukongta bobika (‘binden’ weil sie eine Zeitlang an das Innere des dalong gebunden ist).
Information Yaw (fn 06,35b): Das Funeral von Yaws Schwiegervater in Aluesa Yeri (Sichaasa): Etwa vier Tage vor Beginn (nach Ansetzen der gekeimten Hirse) wird Asiidem, Yaws san-yigma, nach Apok Yeri kommen, nachdem ein Bote aus Aluesa Yeri ihn (Asiidem) informiert hat (Asiidems Mutter kam aus Sichaasa). Yaw hat keinen zweiten san-yigma.
Information Yaw, 19.12.02 (?):. Angmanweenboa aus Apok Yeri hatte einen Mann aus Wabilinsa geheiratet. Als ihre Stiefmutter in Apok Yeri krank wurde, kam sie mit ihrem kleinen Sohn Apung (Yaws Vaters Vater) zurück in ihr Elternhaus. Apung blieb in Apok Yeri und sein Kumsa-Funeral wurde dort abgehalten (Juka noch nicht). Eigentlich hätte Wabilinsa das Funeral von Angmanweenboa und Apung anfordern müssen. Apung heiratete im Süden Angmanyieba aus Sandema-Bilinsa. Ihre Vollschwester Ayigmi, die bei ihrem Onkel (Haus ihrer Mutter) in Azong Yeri, Kubelinsa (Goldem?) lebte, wollte ihrem Gastgeberhaus gefällig sein. Sie stahl aus ihrem Elternhaus die Totenmatte von ihrer Mutter aus Bilinsa und brachte sie nach Azong Yeri. Ayigmi heiratete einen Bruder Akais (Badomsa) und lebt als einzige Person in dessen Gehöft. Ihre Tochter Asagipok lebt heute nach geschiedener Ehe in Asisapo Yeri (Badomsa). Asajipoks Sohn Mahmudu lebt in Bolgatanga.
In Apok Yeri versucht man Kompromisse zu finden. Sie wollen zum Beispiel die Matte von Azong Yeri holen und sie dann Amoboari Yeri in Bilinsa geben. Falls die Matte dort ist, können Bilinsa-Leute zu Ayigmis Totenfeier in Badomsa kommen (sonst nicht). Als Angmanyieba starb, kamen Bilinsa-Leute nach Apok Yeri zur Begrüßung, aber sie durften nicht trauern (kisuk). Auch andere, die nach Apok Yeri kommen, dürfen nicht trauern (auch Azong Yeri nicht), nur begrüßen. Yaw, der jetzt die Angelegenheit seines VaVa in Apok Yeri leitet, durfte um Angmanyieba trauern. Es fand aber keine offizielle Verkündigung (kuub darika) des Todes statt. Es besteht kein echter Streit zwischen den einzelnen Häusern, nur rituelle Verbote. Wabilinsa muss mit einem Schaf nach Apok Yeri kommen, um Apungs funeral nach Wabilinsa zu holen. Yaw könnte das Wabilinsa-Gehöft besuchen, aber nicht über Nacht bleiben, da sonst sein Leben in Gefahr wäre. Yaw und sein Vater Akumasi gelten als Angehörige von Apok Yeri, weil Apungs und Angmanyiebas Totenfeiern dort abgehalten wurden.

4.1.4.3: Planungen in Anyenangdu Yeri, Wiaga Badomsa
Information Akanpaabadai 30.1.89 (fn 88,199b): In einigen Jahren wird die Totenfeier Anyenangdus gefeiert werden, zur Zeit ist alles noch nicht ausdiskutiert. Außerdem werden die Totenfeiern von Atuiri, Angoong, Atuiri pooma (5!), Anyik pok, Afelibiik pooba baye, Amuning Ali (Atinang yoa), Akanminiba (Akais Vater) abgehalten werden. (Die geplante Feier wurde 1991 ohne meine Anwesenheit durchgeführt).
Information Danlardy über Anyenangdu Yeri, 12.2.07: Anamogsi verrichtete das Kumsa-Funeral von Agbiera ( 1.1.2006), Akanpaabadai und Akumlie in Anyenangdu Yeri am 28.12.06, das Juka-Funeral am 3.1.07ff. Es waren nicht viele Personen dort, denn vorher hatte es eine Streit mit Akanjaglie gegeben, nachdem Söhne Anamogsis Teile von ihrem Gehöft niedergerissen hatten. Vor den funerals war der Streit beigelegt und Akanjaglie nahm als Witwe Akanpaabadais an den Totenfeiern teil. Über eine Planung dieser Totengedenkfeiern ist mir nichts bekannt.

Abb.: Wahrsagersitzung in Wiaga Badomsa

4.1.4.4 Wahrsagerbesuche
Vor der Durchführung einer Totenfeier werden immer zahlreiche Wahsagerbesuche durch den Gehöftherrn notwendig sein. Unmittelbar vor dem Beginn der Kumsa-Feier, befragt dieser den Wahrsager vor allem über die Durchführung der Feier und über die Leiter der Feier (elders, kuub nyam), die alle wichtigen Entscheidungen fällen. Ein Teil dieser Leiter der Feier kommen wohl immer aus einer anderen Sektion. Eine Totenfeier in Wiaga-Sinyangsa-Badomsa wird wohl immer von Elders aus Sinyangsa-Kubelinsa durchgeführt, für Sandema-Kalijiisa sind mir zwei Feiern bekannt, in denen Elders aus der Nachbarsektion Bilinsa die Leitung übernommen hatten.
Information Danlardy Leander (fn 94,86b): Die Veranstalter einer Totenfeier (kuub nyam) kommen immer aus der eigenen Sektion und einer verwandten Nachbarsektion. Für die Totenfeiern von Abonwari, Atiim, Leander, Atoalinpok und Maami ist diese Nachbarsektion Kubelinsa.Kurz vor Beginn der Kumsa treffen die ausgewählten Elders im Trauergehöft ein. Sie nehmen im kusung-dok (Versammlungsraum mit geschlossenen Wänden) platz, diskutieren das Fest und werden mit Hirsebier und Hirsewasser bewirtet.

4.1.4.5 Vorbereitendes Treffen ein oder mehrere Tage vor der Feier

Anyenangdu Yeri, 28.2.1991 (drei Tage vor Beginn der Feier)
Die Veranstalter und Ältesten aus Anyenangdu Yeri beraten im kusung. Anamogsi, Atinang, Ansoateng, Atupoak, Akayabisa und Akabre beraten sich getrennt im Viehhof (siehe Foto). Sie schicken einige von ihnen zu den Ältesten im kusung, um ihnen ihre Entscheidung mitzuteilen (getrennte funerals für Aluecharis Söhne).

Abb.: Bewirtung mit Hirsebier im kusung
Abb.: Die ko-bisa Anyenangdu Yeris haben sich zu einer getrennten Sitzung im Viehhof versammelt.

Den Ältesten wird ein Topf Pito und eine Schale Hirsewasser geschickt; Akperibasi (Abasitemi Yeri) teilt es aus (siehe Foto). Man zeigt den Ältesten 5 Flaschen Schießpulver und die Schießrohre (“buried guns”, da-guunta), um zu beweisen, dass man auf die funerals gut vorbereitet ist; das Schießpulver wird durch einen Schuss getestet.
Aduedem 2019: 13: …the sons or relatives call the yie nyam (landlords) to the house and inform them that they should perform their funeral for them (ni kum ti kuumu te ti). When they fix the day, there will be another announcement to all (as usual, young men are sent to the houses to inform them) that the following day, they shall be removing Mr A’s mat.

4.1.5 Zug zum Markt
Der Zug zum Markt scheint in Wiaga seltener und inoffizieller zu sein als in Sandema. In jedem Fall muss die verstorbene Person alt und angesehen gewesen sein. Ich erlebte ihn nur einmal während der Juka-Feier im Gehöft des Wiaganaab, das direkt neben dem Markt liegt.
Information Godfrey Achaw (fn 73,46, 49a): Am Markttag vor der Totenfeier ziehen alle Musikanten zum Haus des Toten. Zusammen mit Hausbewohnern, Nachbarn und Verwandten gehen sie danach zum Markt. Die Männer der Sektion tragen ein Tierfell (Kuh, Ziege, Schaf) um die Hüften und eine Axt (liak) über die Schultern. Sie ziehen einmal um den Markt und machen bekannt, dass am nächsten Tag eine Totenfeier stattfindet. Es wird viel getrunken. Der chief mourner […] muss die Musikanten mit Hirsebier versorgen. Die Musikgruppe besteht aus Trommeln (besonders ginggaung), Flöten und Hörnern. Abends ziehen alle zum Trauerhaus und man bleibt dort. Der Beginn der Totenfeier liegt nach 12 Uhr mittags, da die Leute morgens nach Hause gehen wollen, um ihr Vieh zu füttern etc.

4.2. Zur chronologische Auflistung der Ereignisse der Kumsa Feier

Der Ablauf der ersten Totengedenkfeier erstreckt sich über 3-4 Tage, mit Einschluss eines Ruhetages (vuusum dai) bis zu 5 Tage. Die oft geäußerte Behauptung, dass die Feier einer verstorbenen Frau 4 Tage, die eines Mannes 3 Tage dauert, scheint nicht immer mit der praktischen Durchführung in Einklang zu stehen, zumal bei einer Feier für nur eine oder mehrere Frauen ein Teil der Riten (zum Beispiel Kriegstänze) fortfallen (z.B. in Longsa 2011). Die Bezeichnungen für die einzelnen Tage sind vielfältig:
1. Tag: Kalika (Sitzen), kuub kpieng (große Totenfeier) oder taasa yiika dai (Entfernen der Matten)
2. Tag: Tika dai (Versammlungstag) oder leelik dai (Kriegstanztag). Azognab gebraucht auch die Bezeichnungen kuub-guka dai (s.u.) und yiili siaka dai (day of dirge).
3. Tag: Kpaata dai (Sheabutter-Tag) oder kpaam-tue dai (Sheabutter-Bohnen-Tag)
4. Tag: Gbanta dai (Divinationstag)
Ein Ruhetag (vuusum dai) kann vor dem kpaata dai eingeschaltet werden (s.o.).
Dieser Ablauf wurde von mir durch meine Besuchen von Totenfeiern in Wiaga und Sandema und auch von meinen Informanten vielfach bestätigt.
E. Atuick (2020: 38f.): Where a deceased woman’s is among the funerals being performed, there is a mandatory rest day on the third day, which is called vuusum [resting]… Where the funerals involve only deceased males, there is no vuusum during the funeral performance.
Azognab (Sandema-Abilyeri, Information aus Siniensi) beschreibt den Ablauf und die Bedeutung der ersten beiden Tage unterschiedlich von dem oben aufgestellten Schema:
On the number of days taken for the dry funeral, the following information was gathered in an interview [Endnote 70]. The period for each funeral ranges between three and four days but that of chiefs and yeri-nyam or kpaga (elders who are family lineage heads) may be longer. The first day of the ‘dry funeral’ celebration is the kalika dai (literally, ‘sitting day’) The kalika dai is applied to funeral celebrations of the traditional leaders such as chiefs, tengnyam and yerinyam (family heads). The second day is “kuub-guka dai” (literally; day of burial, the day in which the death mat which represents the deceased person is disposed). OrPreview (opens in a new window)dinary funerals start on this day, and in this case, the day is called yiili siaka dai (literally; the day of dirge). This is followed by the kpaata dai (literally; shea butter day). However, if the deceased was a female, a chief, tengnyona or a family head before his death, one day of rest described as vuusum dai is observed before “the shea butter day” [Endnote 71]. The fourth day is the gbanta dai (day of divination) [Endnote 72].

4.2.1: Erster Tag: Kalika oder kuub kpieng dai oder taasa yieka dai (Entfernen der Matten)

4.2.1.1 Information der Ahnen durch Opfer
4.2.1.2. Versammlung der Elders und Nachbarn
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,223a) 7.3.89: Gegen 10 Uhr (oder vorher?) finden erste Beratungen der Söhne Awuliimbas und der Abgeordneten aus der Nachbarsektion Bilinsa im kusung-dok statt. James Agalic erklärt ihnen, warum hier auch einige Weiße an den Riten teilnehmen wollen. Auch zwei Männer aus Bilinsa sind da (matrilineare Verwandtschaft und Mitveranstalter).
Anyenangdu Yeri 3.März 1991: Im kusung versammeln sich die Ältesten aus verschiedenen Häusern Badomsas: Angoong Yeri, Atinang Yeri, Atuiri Yeri, Akanming Yeri, Adaateng aus Adaateng Yeri, Asante aus Atengkadoa Yeri (= Asisapo Yeri), Akutinla (=Akutuila?) Yeri, Abui aus Anue (Aniok) Yeri, Akannyeba aus Ayoaliyuema (Ayualiyomo?) Yeri, Amanchinaab aus Amanchinaab Yeri; aus Kubelinsa: Akpiuk, Ayiruk, Adaanuruba, Aniyeng; aus Sichaasa: Ateng-yong aus Akan-nyevari Yeri und Akayeng und Brunu aus Akayeng-Yeri. Kubelinsa hat die Leitung bei den Diskussionen, aber Badomsa-Männer diskutieren immer mit. Die Ältesten im kusung bekräftigen nach einer Beratung die Entscheidung, dass es richtig war, das funeral von Anyenangdu vorzuziehen (siehe 4.1.4.5); zwei jüngere Männer (Asante und Abui) gehen zu Anamogsi, um ihn vom Einverständnis der Ältesten zu informieren. Nach der Bewirtung mit Hirsebier akzeptieren sie das Funeral.

Atinang Yeri, Wiaga-Badomsa (fn 06,6a), Daten durch Yaw: Mitte März 2005, 14.00-17.30 Uhr: Treffen der Nachbarn (Amoak Adum, Abuuk, Ansoateng, Akaayaabisa, Aleeti, der seinen Bruder Asuebisa vertrat, Ayuekanbe, Afelibiik Abuumi, Anyik, später auch ein Sohn Atupoaks; alle kamen aus Badomsa). Anamogsi war nur am 1. Tag im kusung, aber er musste alle Nahrungsmittel usw. stellen. Die Männer im kusung fragten ihn, ob alles bereit sei.
Aduedem 2019:14: When the kobisa and other people have gathered on that day, the sons or relatives prepare zo-nyiam: three calabashes; groundnuts: three calabashes and drinks (akpeteshi: three bottles). They give a calabash each of zo-nyiam and groundnuts and a bottle of the drink to the elders (both yie nyam and kobisa) in the kusung and the women inside the dabiak.

4.2.1.3 Vorzeigen des hergestellten Hirsebiers
Anyenangdu Yeri,  3. März 1991: Anamogsi zeigt den Ältesten 3 Töpfe Pito (1 für Anyenangdu, 2 für die anderen funerals), um zu zeigen, dass alle Vorbereitungen abgeschlossen sind;

Abb.: Anamogsi bereitet die Waffen im Ahnenhaus vor.

4.2.1.4. Waffen werden zum Speicher gebracht
Anyenangdu Yeri: 3. März 1991, gegen 9.00 Uhr: Anamogsi bereitet im kpilima dok die Waffen (Bögen und Köcher mit Medizin) seines Vaters Anyenangdu im dalong vor.
Später liegt auch eine Axt (liak) und eine Streitaxt (kpaani) am Speicher.
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa-Anuryeri (fn 88,223b): Nach dem Heraustragen der Matten in den Viehhof holt der älteste Sohn Awuliimbas Bogen und Köcher des Verstorbenen aus dem Ahnenraum und läuft mit ihnen zum zentralen Speicher im Viehhof, wo er sie an einer Seite befestigt.
Agbain Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 01,3a): Am Nachmittag des zweiten Tages liegen am Speicher: 1 Köcher, 1 Bogen, viele Kalebassen, 1 Metallkoffer, 1 Koffer mit Kleidung der Toten.

4.2.1.5 Bewirtung der Gäste im kusung mit Hirsebier

4.2.1.6 Anzeigen des Beginns der Feier durch einen Böllerschuss

4.2.1.7 Der zentrale Getreidespeicher wird geschlossen
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa (fn 94,87b 97,51a, 9763b*): Die obere Öffnung des zentralen Getreidespeicher wird am ersten Tag des Kumsa-funerals, nach dem ersten Lied (yiili) geschlossen (bui lika) und wird am Ende des 4. Tages (gbanta) wieder geöffnet (bui laka).
Information Danlardy (fn 01,22a): Die obere Öffnung des Speichers von Anyenangdu Yeri war nicht völlig geschlossen.

Abb.: Singende Elders ziehen zum Speicher (Guuta)

4.2.1.8 Zug der singenden Elders zum Speicher (kum yiila): an mehreren Tagen
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa: Die Elders ziehen zum Speicher (bui) des Verstorbenen und zurück in den kusung dok. Dabei singen sie Totenlieder (kum yiila). Danach beginnt ein zweiter Umzug.
Adiita Yeri, Wiaga-Yisobsa-Guuta An diesem Tag ziehen die Elders vier mal singend vom kusung dok zum bui (14.35 Uhr, 15.44 Uhr, 16.07 Uhr, 16.48 Uhr); ein Zug dauert etwa 5 Minuten. Der Vorsänger und musikalischer Leiter der Männergruppe ist Akanbong aus einem anderen Gehöft Guutas.
Asebkame Yeri, Wiaga-Chiok (fn 88,120b): Am gbanta Tag müssen die Totenlieder ausfallen, da nicht genug Sänger da sind (in Sandema ist am gleichen Tag die Agric-Show).
Information Yaw (fn 97,19b): Kum-yiila der Männer. Der Vorsänger wird bei der Planung (vor Beginn der Totenfeier) von den Männern im kusung-dok bestimmt. Meistens wählen sie den ältesten aus, der diese Amt an den besten Sänger der Gruppe abgibt. Ein zweiter nicht-benannter Sänger setzt spontan in den Gesang ein. Wenn keiner den ersten Vers wiederholt, wird der erste Sänger Probleme haben. Der erste und zweite Sänger singen denselben Satz, aber der erste Sänger singt lauter.

Information Danlardy Leander (fn 94,86*): Umzüge der Elders finden am 1., 2. und 4. Tag statt.
U. Blanc (2000: 138): Während die Männer ihre ersten vier kum-yiila singen, dürfen die Frauen weder klagen noch singen. Es sollten auch keine Musikinstrumente gespielt werden.
Aduedem 2019: 14: The male singer then intones the funeral song at the main entrance and all join in the chorus and they move to the mat, and back. He intones again and everyone joins and they enter the kraal again and back to outside. After the second singing, the sons bring a fowl saying: “we are giving this to our father.”
Azognab 2020: 43 (Information Anaab Anakansa, Sandema): The traditional status of the deceased before his or her death determines whether ginganna nakka (beating of cylindrical drums) should accompany the dirges of the men or not. It is the men who start singing the dirges first before the women.
p. 43f.: …dirges [are sung] around the house if the deceased persons are women, landlords or chiefs. For the funeral of ordinary men, the men’s dirges are sung from outside into the cattle yard and back up and down before the nang foba.

Abb.: Trommler auf dem Flachdach (Anyenangdu Yeri)

4.2.1.9 Zong-zuk cheka Trommelmusik auf dem Flachdach
Anyenangdu Yeri: 3.3.91 nach 14.30 Uhr: Auf dem Flachdach links neben dem Gehöfteingang spielen Musikanten auf Trommeln. Im Viehhof spielt man die dunduning-Trommel und die sinleng-Doppelglocke.
U. Blanc (2000: 136f und 145): Hierdurch (und durch Böllerschüsse) wird auch den umliegenden Sektionen der Beginn der Totenfeier angekündigt (darika, Verkündigung). Die Intonation dieser Rhythmen außerhalb der Totenfeier gilt als Tabu (kisuk).

Abb.: Naapierik ginggana in Anyenangdu Yeri 1991

4.2.1.10 Naapierik ginggana (kriegstanzähnlicher Tanz)
Anyenangdu Yeri, 3.3.91, nach 14.30 Uhr:: Männer aus Badomsa führen unverkleidet mit einfachen Stöcken einen kriegstanzähnlichen Tanz auf, indem sie auf den tampoi zu schreiten. Es sind Akansuenum (Asisapo Yeri), Aparik-moak (Aparik Yeri), Bawa (Akpeedem Yeri), Atupoakbil (Angoong Yeri), Abui (Aniok Yeri). Der erste einer jeden Tanzphase, der den tampoi erreicht hat, scheidet aus.
Information Godfrey Achaw (fn 73,47b): [F.K.: Ist der folgende Tanz identisch mit Naapierik ginggana?] Nagela Tanz am Abfallhaufen. Obwohl der nagela-Tanz gewöhnlich nicht von Frauen getanzt wird, tanzen hier Männer und Frauen gemischt in Zweiergruppen hintereinander. Im tampoi befindet sich ein Loch. Bevor jemand mit dem Tanz beginnt, legt er etwas Geld in dieses Loch. Es ist für die Musikanten bestimmt. Alle Verwandten des Toten müssen tanzen oder wenigstens etwas Geld geben. Die männlichen oder weiblichen chief mourners dürfen ein lebendes Huhn am Loch töten und dann hineinwerfen. Nach diesem Tanz beginnt die Geschenkeverteilung (siehe siinika).
U. Blanc (2000:137): Einige Informanten ordnen das naapierik ginggana Ritual gleich nach dem zong zuk cheka ein, andere nach der Zerstörung der Matten (tiak juka).

Abb.: Zwei Totenmatten werden aus Atinang Yeri geholt.

4.2.1.11 Weitere Totenmatten werden aus dem Nachbargehöften geholt
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa 3.3.91, 15.30 Uhr:
Aboali (Atinang Yeri) Asie und die Totengräber Adok und Akpeedem gehen zum benachbarten Atinang Yeri, um die Matten für zwei weitere funerals zu holen (ngari kumu ta jam): Ali Amuning (jüngerer Vollbruder Atinangs) und Awogmi, Angmarisis Sohn; Anyavoinbey aus Awala Yeri trägt Bogen und Köcher; Apintiiklie aus Aninama Yeri trägt 2-3 Kalebassen. Die beiden Toten aus Atinang Yeri werden in die Totenfeier Anyenangdus eingeschlossen.
Adiita Yeri, Wiaga-Yisobsa-Guuta. Um 14.48 Uhr zieht fast die ganze Festgesellschaft (außer den Elders im kusung-dok) zu dem ca. 1 km entfernten Gehöft Awusumkong Yeri (auch Guuta), um die Totenmatte eines verwandten männlichen Toten zu holen. Die Matte, zusammen mit zwei Bögen, einem Köcher, einer Tuchtasche mit dem Tuch für die Matte, wird von Totengräbern zum Trauerhaus Adiita Yeri getragen und dort am bui aufgestellt. Fünf weitere Matten wurden gleichzeitig aus Awusumkong Yeri geholt, es sind aber keine Totenmatten, sondern Geschenkmatten und wurden daher auch nicht von Totengräbern getragen.

4.2.1.12 Der älteste Sohn des Verstorbenen und die Imitatorin ziehen die Kleidung des Toten an
Anyenangdu Yeri (fn 94,22a), 3.3.91, 16.00 Uhr: Anamogsi, der älteste Sohn des Verstorbenen Anyenangdu, zieht dessen Kleidung an. Hiermit wird ein Tabu aufgehoben, das seit dem Tode Anyenangdus bestanden hatte [Endnote 73]. Sofort danach zieht die Imitatorin Agoalie diese Kleidung an.

4.2.1.13 Schießen eines Pfeils
Anyenangdu Yeri, 3.3.91, nach 16.00 Uhr: nach der Einkleidung von Anyenangdus ältestem Sohn und der Imitatorin wird ein Pfeil (pein) in den Busch [unbebautes Land?] geschossen.
F.K.: Von diesem Brauch habe ich an keiner anderen Stelle gehört. Auch konnte man mir keinen Grund hierfür geben.

4.2.1.14 Die Witwen ziehen zur Totenmatte am Speicher
Adiita Yeri, Wiaga-Guuta: (Nur in Guuta beobachtet, keine Fotos erlaubt) Die Witwen ziehen zur Totenmatte am Speicher. Ich sehe, dass eine Witwe dreimal die Matte (ihres verstorbenen Gatten?) berührt.

4.2.1.15 Sinsanguli-Gesänge (Frauen singen zur Begleitung von Korbrasseln)
Diese Gesänge finden am 1. und 2. Tag statt. Auch am vierten Tag werden sie zum Beispiel in Wiaga-Sinyangsa noch gespielt, in Wiaga Chiok nicht. U. Blanc schreibt, dass die sinsangula am 4. Tag nach einigen Informationen nicht mehr geschlagen werden.
Akadem Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 88,200a+b), 31.1.89: Auch am gbanta dai um 12 Uhr singen Frauen und schlagen sinsanguli-Rasseln am bekleideten Getreidespeicher (bui). Unter dem Frauen befinden sich auch Danlardys Mütter Maami und Atoalinpok.
Acha Yeri, Sandema-Chariba (fn 88,221b + 223b); 5.3.89 gbanta: Im Viehhof ist eine an den Seiten offene Hütte aus Hirsehalmen errichtet worden. Darunter sitzen Frauen aus Chana und rasseln vor den Strohmatten aus Chana. Ihre Leiterin und Vorsängerin (?) ist die in Badomsa verheiratete Kasena Frau Akututera (Frau Ayanaabs). Ein busik-Korb steht für Geldspenden u.a. bereit. Auf dem Strohdach liegen Hirsebündel (auch Geschenke).

Abb.: Sinsangula Frauen in Sandema-Choabisa

Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (fn 73,61): Im Viehhof liegt die Totenmatte und um sie herum sitzen singenden sinsangula-Frauen. In der Matte des Toten befinden sich sein zukpaglik (Nackenstütze) und sein Pferdeschwanz-Fliegenwedel. An einem Speicher hängt die Kleidung des Toten und eine rote Mütze, neben dem Speicher steht eine Holztruhe und darauf liegt der mit Kauris besetzte Kalebassenhelm des Toten.
Adiita Yeri, Wiaga-Guuta (fn 2008, 15b): Nachdem die Witwen zur Matte gezogen sind, platzieren sich Frauen mit kleinen, schwarzen sinsangula-Rasseln um die liegende Matte. Ihre Leiterin ist Ayomalies Mutter.
Awuliimba, Sandema Kalijiisa (fn 88,225b), 9.3.89: Am gbanta dai beschwert sich die Leiterin Akututera (Kasena Ehefrau in Kalijiisa), dass die ganzen Einnahmen [der sinsangula-Frauen] an die Bilinsa-Frauen gegangen sind. Sie wäre mit 1/4 der Einnahmen für die Kalijiisa Frauen einverstanden gewesen. Außerdem nahmen die Kalijiisa Frauen schon am fresh funeral teil.
Information Yaw (fn 97,19b): sinsangula yiila: Eine Vorsängerin beginnt (keri), eine zweite Frau übernimmt allein die nächste Zeile, dann fallen alle ein. Mitunter gibt es auch drei Vorsängerinnen oder eine Vorsängerin singt die erste Zeile allein zweimal. Die Vorsängerin wird zu Beginn der Totenfeier von den sinsangula-Frauen bestimmt. Meistens ist es die Älteste, die dann diese Aufgabe an eine andere weitergeben kann. Die zweite Sängerin wird nicht bestimmt.
U. Blanc (2000:138): Die Frauen beginnen ihre Totengesänge nach dem zong zuk cheka bei der Totenmatte im Viehhof. Die Lieder bestehen aus Wechselgesang einer oder zweier Vorsängerinnen und dem Chor. Sie werden ständig von sinsangula-Rasseln begleitet.
E. Atuick 2020: 72-73 (für den 4. Tag; nach dem kusung-Besuch [der Imitatorin mit den sinsangula-Frauen]): After spending time in the kusung, she rises and goes back into the compound amid singing and dancing by her and her entourage. As soon as they go inside the compound, they continue the singing of dirges, some of which contain insults and words of mockery directed at the men. In one of the songs I personally heard, while observing the ritual performance, the lyrics contain the following lines:

I am going to get a dog instead of giving birth to men who will not stay at home but run off with women while hunger kills us. If they are not running away with women, they are probably drunk and lying in a gutter somewhere along the road. Is it not better to have a dog as a puppy instead of giving birth to misfortunes as children?

Thus, through singing of songs, Bulsa women have the license to direct words of criticism, mockery, and vulgar insults at their men without getting into trouble as the men do not countenance such behavior in ordinary times. In fact, Bulsa culture frowns upon women talking back at men or openly criticizing them in public, but occasions such as funerals provide women opportunities to openly criticize or take on the men through music and other ways. It was, therefore, not surprising that I heard many songs in which the women were criticizing, mocking, or insulting the men during my observation of the rites.
While the singing is going on, the men, led by the kobiik in charge of the funeral, gather an animal, millet and sorghum, drinks (especially pito, a beer made from sorghum or millet), and millet flour mixed with plenty of water in a giant calabash, and present them to the women after casting a spell on any witch or wizard who might want to poison these things. The animal and foodstuffs are meant for the preparation of ritual food while the drinks and flour in water are for the refreshment of the women who sat throughout the night preparing funeral meals and mourning the deceased by singing dirges.

4.2.1.16 cherika, cheri deka (Imitation): Diese dramatischen Szenen können am 1, 2, und 4. Tag stattfinden. Ein männlicher Verstorbener wird gewöhnlich von der Frau eines seiner Söhne imitiert. Die Wahl dieser Frau hängt darüber hinaus nicht nur von ihrer genealogischen Stellung ab, sondern von den schauspielerischen Leistungen, die man ihr zutraut, denn sie muss kleine Stehgreif Episoden aus dem Leben des Toten aufführen.

Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa: Am Morgen des gbanta dai: cheri-deka:

Der blinde Anyenangdu wird von seiner Schwiegertochter Agoalie imitiert, die sich mit dem Eisenstock Anyenangdus einen Weg durch die Menschenmassen bahnt. Sie trägt Anyenangdus Kleidung und seinen Hut.
Die Imitatorin zieht mit den sinsanguli-Frauen durch das Gehöft zum kusung dok und setzt sich zu den Ältesten (Danlardy: Ba ta yeri-nyono a nyini a pa te kusung dema). Nach Danlardy begann das Gespräch mit der folgenden Frage an die Elders: “Warum seid ihr hier in diesem Gehöft?” Sie antworteten: “Anyenangdu starb und wir sind hier, um sein funeral abzuhalten”.

Nach weiteren Fragen und Antworten geht die Imitatorin mit ihren Begleiterinnen wieder in das Gehöft. Die Frauen und Agoalie setzen sich um den Speicher Anyenangdus, und Anamogsi gibt ihnen eine Flasche Akpeteshi, einen Topf Hirsebier und zwei große Kalebassen mit Hirsewasser.

Abb.: Agoalie imitiert ihren Schwiegervater Anyenangdu
Abb.: Agoalie (Anyenangdu) im kusung-dok bei den Elders
Abb.: Die Awuliimba Imitatorin tröstet eine weinende Frau

Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,225b), 9.3.89, vor der Tötung des Esels: Die Frau des ältesten Sohns Awuliimbas imitiert den Toten. Sie trägt einen Männersmock, legt sich in den kusung, verlangt Kolanüsse und gräbt sie in den Boden ein, damit sie kein anderer findet. Sie wird mit Awuliimba angeredet. Später kommt eine zweite Frau in Männertracht hinzu. Sie imitiert einen 1987 verstorbenen Sohn Awuliimbas, dessen Kumsa schon abgehalten wurde.

Eine andere Szene: Die Imitatorin Awuliimbas beschwichtigt eine schreiende Frau, die zu ihren Eltern zurückkehren will, weil ihr Mann sie geschlagen hat. Sie (Awuliimba) versucht sie zu trösten und im Haus zu halten. Außer dem Imitator tragen Awulimbas älteren Töchter und Bruders Töchter auch seine smocks (z.B. Clement´s Schwester).
Agaab Yeri (fn 15b) Wiaga-Yisobsa-Chantiinsa, 17.2.08: Die Imitatorin trägt Männerkleidung und einen Strohhut; gespielte Szenen um 9.19 Uhr, 11.53 Uhr und 11.58 Uhr. Sie verwickelt andere Männer und Frauen in Raufereien und verbalen Streit (der Verstorbene war sehr streitsüchtig)

Abb.: Agaab Yeri: Die Imitatorin rauft sich mit einem Widersacher des Verstorbenen.

Sichaasa, Wiaga (fn 88, 185b), 19.1.89: 2. Tag: Die Imitatorin war die älteste Frau des Hauses. Sie trug, wie die Verstorbene zu Lebzeiten nur Blätterkleidung und einen leeren busik-Korb auf dem Kopf.
Adiita Yeri, Wiaga-Yisobsa-Guuta (fn 08,15b), 22.2.08: Erst nach der Mattenverbrennung, gegen 18 Uhr, des ersten Tages besucht die Imitatorin den kusung dok und führt dort Gespräche mit den Elders. Sie dreht sich Zigaretten und raucht. Draußen hat sie eine (gespielte) erregte Diskussion mit einer anderen Frau.
Atinang Yeri, Wiaga-Badomsa: Atinangs Imitatorin war Atakabalie, die Frau seines Sohnes Anyik. Atinangs Bruder Angmarisi wurde von einer anderen Frau imitiert. Yaw kann sich nicht an ihren Namen erinnern. Agoalie wurde von Ajadoklie (Schwiegertochter von Agoalies co-wife Agbiera) imitiert. Der unverheiratete Kweku galt als biik (Kind) und wurde nicht imitiert.

Information  Robert Asekabta über den Begriff cheri: Cheri denotes simply the activities, behaviour and attitude of the person whose funeral is being performed. Cheri-deka is normally performed in the case of an elderly person. The person performing this function is normally the wife of the deceased’s son or his brother’s son’ s wife.
The Che-lie [Atuick: cheri-deiroa, impersonator of a deceased person] is normally reponsible for the following duties:
1) Taking the mat(s) to the bin (bui). Normally there are two. 2) Brewing the pito by the bin 3) Supervising the extraction of sheabutter from the sheanuts. 4) Boiling of the beans 5) She also boils the bitter pito (datuek). 6) The Che-lie also smears all the children and grandchildren of the deceased, his brothers and cousins etc. with red clay-paint. In other words the Che-lie acts as the manager of the funeral in the nangkpieng.

Information Margaret Arnheim, Gbedema (fn M28a und 34b): Aktionen der Imitatoren sind nicht an ein Geschlecht gebunden. Sie werden oft schon zu Lebzeiten festgelegt, wenn man sieht, dass jemand den Toten gut imitieren kann. Es braucht kein bestimmter Verwandter zu sein. Eine tote Frau wird meistens durch eine andere Frau dargestellt, ein toter Mann kann auch durch einen Mann imitiert werden.
(fn M37a): Die Imitatorin trägt des Toten rote Kappe, falls der Tote ein älterer Mann war, der eine solche Kappe trug. Man sagt: Wa vug wa zu-tok (Sie – die Imitatorin- trägt [wörtlich “covers”] seine rote Kappe). Wenn der Tote zum Beispiel zu Lebzeiten von einem kleinen Kind geführt wurde, führt das gleiche Kind den Imitator.

Information Leander Amoak (fn 81,28a): Sowohl bei der Totenfeier eines Mannes oder einer Frau ist die Imitatorin weiblich. Bei der Totenfeier eines Mannes ist es eine Schwiegertochter des Toten, bei der Feier einer Frau, eine Verwandte aus ihrem Elternhaus. Diese Frau ist auch verantwortlich für viele andere Tätigkeiten: Sie trägt die Körbe nach draußen und sie bemalt Verwandte mit rotem Ton. Bei Leanders Bruder Atiim wird es seine Schwiegertochter (Michael’s Frau) sein, bei Abonwari (Ahne des 19. Jahrhunderts) wird es Leanders erste Frau Atigsidum sein. Die Frau imitiert den Toten ohne Respekt. Wenn der Tote laut war, schreit sie ständig herum, wenn er viel trank, spielt sie den Betrunkenen. Buli Name für Imitatorin: che(ri) deeroa.
Information Danlardy (fn 94,91b*): che-lieba are those who imitate the dead person. No actual meaning of che.
Information Yaw (fn 01,2b): Imitation bei einem weltlichen Fest (tigi) ist tabu (kisuk).

U. Blanc (2000: 146): Sowohl am ersten wie am zweiten Tag findet die cherika statt. In der Regel ist die Imitatorin eine Schwiegertochter des männlichen oder der weiblichen Toten. Grundsätzlich kann jeder Verwandte diese Rolle übernehmen.

Aduedem 2019: 49 “Cheri deka” is meant to bring vivid memories of the lost soul. It also gives a gist of the kind of life lived by the dead person to people who never had the opportunity of knowing the deceased person in life. The mock play when done well especially of a spectacular person could attract much attention and [give] colour to the ceremony. In all of them people are reminded of the dead person’s life and how the person would be missed. Others too get to know how the dead person once lived life.
Adumpo Emile Akangoa, Facebook group Buluk Kaniak, March 29, 2019: Notwithstanding the fact that globalization has had a toll on the cohesion of our extended family system, funerals are still being communally performed in Buluk. Cheri-deka must not necessarily be done by daughters-in-law in the nuclear family. Whenever there is no daughter-in-law in the nuclear family to play that role, they get somebody from the extended family to do it.
Azognab 2020: 49 (Information Akaalie Aginteba, Sandema 2018): The name of the meal [cheri saab] is carved from the cheri-dierowa (a daughter-in-law of the deceased who imitates and acts like him or her during the funeral). The cheri-dierowa wears the dress of the deceased and acts like him or her when he or she was alive. She does this from the beginning of the kuub-kumsa to the end. Usually, the imitation brings out both the past good and bad character of the deceased. It is often claimed, the spirit of the deceased person in question could possess the ‘imitator’ (cheri-dierowa) to portray the exact character of the deceased during the funeral.
The significance of the cheri-deka (…imitating and acting out the lifestyle of the deceased…) is that it reminds the community about the deceased’s past character whether good or bad [Endnote 74]. The cheri-deka therefore, serves as a lesson for the living, who may endeavour to lead good lives so their cheri-deka will be praiseworthy.

Azognab 2020: 45: Every Bulsa funeral has personnel who are directly in charge of the whole ritual apart from the elders in the kusung dok …this personnel usually comprise yeri-lieba (literary; daughters of the house) if the deceased was a man, or che-lieba (married women in the family lineage, who hail from the same village or town where the deceased hailed from) if the deceased person was a woman.

E. Atuick 2020
Evans Atuick schrieb seine M.A. Thesis über Women, agency, and power relations in funeral rituals: A study of the Cheri-Deka ritual among the Bulsa of Northern Ghana. Es ist die bisher umfangreichste Darstellung des cheri-deka Rituals. Auch andere Riten werden von Atuick in der richtigen Reihenfolge eingefügt und beschrieben. Daher soll hier die Darstellung zur cheri-deka und der cheri-deiroa [cheri-dieroa] (Atuick, S. 67-99) in nur leicht gekürzter Form wiedergegeben werden. Kritisch angemerkt werden muss, dass es nicht immer ganz klar wird, an welchem Tag der ersten Totenfeier bestimmte Teilrituale vollzogen werden.

p. 65: Ideally, the wife of the first son of a Bulsa man or woman must play the role [of the cheri-deiroa]…
p. 67ff: …the cheri-deka ritual commences on the second day of the kuub-kumka when the tapili… is discarded [after the war-dances (leilika)]… the cheri-deiroa [che-dieroa] is told by the chilie [female master of ceremony for the funeral] to dress up in her father’s tankalung… if the deceased was a man… But if the deceased was female, she is told to put on leaves, pick her mother’s sapiri… and busik and go out. In the case of a deceased male she must join the men for the leilika [war-dance] around the compound three times, in the case of a deceased female, she must… dance along as they play the drums around the compound four times. When these ritual dances are over, the cheri-deiroa can disrobe… and go about her normal chores. …However … relations of the deceased persons will engage with her in the same way…
On Kpaata dai…the cheri-deiroa must be the first person to start the fire used for cooking the beans… She cracks the first shea nut… (Siehe kpaata dai, 4.3.4.1).f
…Meanwhile, when the men are sharing their share of the cheri-deka meat [F.K.: am 4. Tag der Kumsa-Feier], they will call the cheri-deiroa and give her the chest of the animal that is usually reserved for landlords. This symbolizes her status as a landlord during her performance as the living copy of the deceased, elderly male. After taking her share of the meat, she goes in search of sons-in-law of the deceased who have come to mourn their parent-in-law. She will play with or talk nicely to sons-in-law who were on good terms with the deceased person before their demise but will attack others who were never on good terms with him or her. She does similar things to friends and other relations of the deceased person; treating each as her deceased parent-in-law would have dealt with them in his or her lifetime. They, in return, understanding the game, play along and even give her money or other gifts they used to give to the deceased in his or her lifetime on earth, as a way of appeasing the soul of their parent-in-law, friend, or kinsman/woman.
Moreover, on this final day [of the Kumsa], the grave of the deceased is plastered as part of the funeral rites and the cheri-deiroa again has a role to play there. The male kobiik leading the funeral will send a message to the female chilie to send the cheri-deiroa to them to help put the grave in shape.
… a Bulsa family may perform the kuub-juka rites immediately after the end of the kuub-kumka celebration. In this case, the cheri-deiroa has no break in the performance of her impersonator role but will continue for the next four days throughout the juka rites until the end. However, where the juka rites are postponed to a future date, be it months or years, the cheri-deiroa can keep her role in abeyance until the family is ready before resuming her duties and responsibilities to make the funeral successful.
[F.K.: Der folgende Text bezieht sich auf den bogsika dai, oft vor dem ersten Tag oder am ersten Tag der Juka-Totenfeier] The kuub-juka rites normally start with a journey to the maternal uncle’s compound of a deceased man or the paternal compound of a deceased woman for two main reasons: to collect things for the performance of the final rites, and to inform them about the intention to dispatch the restless soul of the deceased to the land of the dead, where he or she will find lasting, peaceful rest among his or her forebears. The cheri-deiroa must dress up in the deceased’s clothing and animal skin, carry his walking stick, etc., if he was a man, or carry her basket and food stick if she was a woman, and follow the travelling team to the compound of the deceased. The travelling team to a deceased man’s maternal uncle’s compound usually includes children of the deceased, one or two of their kinsmen, the cheri-deiroa, and her female escort(s). The travelling team that goes to a deceased woman’s paternal compound includes her children, the san-yigma [her marriage intermediary], one or two kinsmen, the cheri-deiroa, and her female escort(s).
As soon as they arrive at the compound, the cheri-deiroa continues her role as impersonator of the deceased by reenacting the same kind of interaction that he or she had with his or her relatives when he or she was alive and used to visit them. She will play with those she knows the deceased had good relations with and attack others that he or she disliked while alive. Some of these people, who fully understand the game of cheri-deka, will straight away engage the cheri-deiroa in the same manner they dealt with the deceased as soon as she appears at the compound in the deceased’s apparel. She must respond to their acts or speeches in equal measure as if she is the deceased person who is still alive and interacting with them.
While this is going on, the delegation enters the compound and sends for the elders to inform them about their mission. The leader of the delegation, speaking on behalf of the rest, exchanges pleasantries with the elders and says to them, “Your son (or daughter) wants to go home and that is why I have come to inform you before giving him/her permission to go home and rest.” After this, the delegation is fed and refreshed by the family before rising up to start their compound-to-compound rounds within the lineage for the collection of foodstuffs, especially millet and sorghum, as well as guinea fowl and other domesticated fowl that they can catch or kill. During this compound-to-compound travel, the delegation will visit every compound on the maternal side of a deceased man’s lineage or the paternal side of the deceased woman’s lineage, for the collection of foodstuffs and birds. The cheri-deiroa, just like her late parent-in-law used to do, has license to play with any of her uncles by catching any livestock that belongs to him without any resistance. Hence, with the assistance of her team, she can catch and kill as many birds as she can, as long as the birds are found in any of the compounds in the paternal lineage of the parent-in-law she is impersonating. After they have covered every compound within the lineage, collecting everything they need to collect, they will return to the original compound the deceased is related to or hails from. By the time they arrive there, there is enough food and drink for them to feast, after which all households of men within that compound will contribute their own share of foodstuffs and birds for them to add to whatever they had already collected from neighboring homes before returning home.
(p. 81) …The final rites of a man’s funeral occur on the fourth day [of the Juka] when the louk [lok] is broken in the middle of the compound’s yard. The cheri-deiroa has a role to play here. She must be present when the birds collected from the deceased’s mother’s compound are dedicated to the spirit of a deceased man’s louk before it is broken and shattered in the main yard of the compound…Following the war dancing, the eldest son of the deceased performs the final sacrifice of the rites on the left wall of the main entrance of the compound. While standing there, he gathers all the live fowls brought from the earlier visit to his late father’s mother’s lineage and those donated by friends and sympathizers to help him complete his father’s funeral rites, and sacrifices them on the wall. He does this by hitting the fowl, one by one, against the wall to die. While their blood flows down the wall he says, “Ba ko parik! Ti kowa kumu yai nueri kama!” [“They have killed a wall! Our father’s funeral is now over!”]. This sacrifice literally marks the end of the funeral rites for the deceased man, and by extension, the role of the cheri-deiroa. The next thing is for all the dead birds to be plucked and cooked for all present, including the cheri-deiroa, to eat to their satisfaction before dispersing.
However, the juka rites of a woman are much more complex, with the cheri-deiroa playing a much more influential role. In this case, women from the paternal home of the deceased mother-in-law must arrive in the evening of the third day of the rites to sleep over. They usually come along with their own puuk (a ball-like object made from certain leaves [Endnote 75] that symbolizes the womb of a woman during funeral performances) to participate in the rites. The wives in the compound, as a group, must acquire a puuk for the rites to commence. The cheri-deiroa must also acquire a puuk for the rites. The next morning, on the fourth and final day of the rites, the visiting women will take their puuk to the san-yigma’s compound to hand it over to him and ask him to help them present it to the husbands of their sister. The san-yigma then leads them to the compound where the deceased lived, exchanges pleasantries with the elders, and hands over the puuk to them…
At the same time, women in the funeral compound are also preparing food that must remain on fire until those returning with the puuk and food from the san-yigma’s compound stand apart from the compound and send for the women inside to come and meet them. As soon as they get the message, the chilie will cause drinks, flour mixed with plenty of water, and saab to be made ready for them to take along for those waiting outside. On meeting them, the women from the funeral compound, together with the cheri-deiroa, will serve those waiting with the food and drinks they came with and collect the puuk and food brought from the san-yigma’s compound to take back inside the funeral compound.
The following day, all three puusa [plural of puuk] are taken back to the same spot where the women met the previous day and broken into pieces, except for the puuk provided by women of the deceased person’s compound, which is handed over to the cheri-deiroa for keeping. Thus, the puuk provided by the women from the deceased’s paternal home and the one provided by cheri-deiroa are both destroyed, but the one from the wives from the compound sponsoring the funeral is presented by the chilie to the cheri-deiroa as an inheritance from her deceased mother-in-law. Being the eldest son’s wife, the cheri-deiroa receives this puuk as the rightful inheritor of the deceased’s household and property, and she is expected to keep this until her own demise. The juka rites, and by extension, the role of the cheri-deiroa, are finally brought to an end when the compound elders kill and present an animal, usually a goat or sheep, to the deceased woman’s paternal relatives who brought the puuk, to take home with them.

4.2.1.17 Rituelle Behandlung der Angehörigen:
Handstrick, Tuch, rote Mütze, nabiin-soruk Halskette, Glocke, Anmalen mit daluk-Ton
Das Anlegen von Schnüren und Tüchern ist an allen Tagen und Uhrzeiten möglich. Es sollte hier unterschieden werden: einerseits zwischen kurzen Handstricken (boom/ buoom) oder Tüchern, die ein Freundschaftssymbol sind, und andererseits den langen Stricken, die nur nahen Verwandten des/der Toten angelegt werden (“um Selbstmord zu verhindern”).
Adiita Yeri, Wiaga-Guuta (fn 2008,15b), 21.2.08: Am 1. Tag um 17 Uhr erscheint ein Mann mit einem Bündel geflochtener Handstricke, die verteilt werden. Alle Kinder und andere ganz nahe Verwandte erhalten einen Strick für ihre linke Hand (danach erfolgt die Bemalung und das Anlegen der nabiin-soruk-Kette).
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,224a+b), 8.3.89: Am 2. Tag flechten die Frauen an der Matte boom-Schnüre. Ursprünglich wurde ein Tuch nur vom nong um die Hand seiner Freundin (ihres Freundes) gewickelt (zum boblik: Anlegen der Schnüre). Bei den deutschen Gästen Barbara Meier und Annette Schierwater wurde es aber auch von einer Frau (Akututera?) getan. Am gbanta-Tag geben die Empfänger das Tuch mit dem erhaltenen eingeknoteten Geld und einem Aufgeld an die Vergeberin zurück.
Asebkame Yeri, Wiaga-Chiok (fn 88,119b), gbanta-dai: 6.12.88, 13.15 Uhr: Einer voll bekleideten Frau legt man im Viehhof vor zwei Kisten mit den persönlichen Gegenständen des toten Mannes ein über 1m langes, geflochtenes buoom-Seil um die linke Hand, indem die beiden schon vorhandenen Handschlaufen über ihre Hände gezogen werden. Außerdem erhält sie eine nabiin-soruk-Kette und eine hohe rote Mütze. Ihre Arme, Beine und Gesicht werden mit rotem junung/daluk Ton beschmiert.
Eine Frau mit roter Mütze und schwarzem Kopftuch legt sich eine dünnere gedrehte Kordel dreimal um die Hüfte (diese Hüftschnur schnitt sie vorher auf der Unterlage eines großen Steins mit einem kleinen Stein von einer langen Schnur ab): Mehrere Frauen tragen eine gedrehte Kordel schärpenhaft über Brust und Schulter.
Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (fn 60b). 18.4.73: Frauen tragen einen Strick oder ein buntes Tuch um dem linken Handgelenk.
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,225b), 9.3.89: Die buoom-Schnüre werden nach dem Wahrsagen neben den Speicher gelegt, die Witwenschnüre über die nangaang-Mauer geworfen.

Information Danlardy Leander (fn 88,82a), 1995: In Badomsa werden die Witwenschnüre in den Schlafzimmern der Witwen aufbewahrt.
Information Ayarik Kisito (fn 73,311b): Wenn ein junger Mann ein kurzes Strick um die Hand hat, heißt es, dass er eine Freundin (nong) hat, die dieses gebunden hat. Eine Ehefrau bindet es nie bei ihrem Gatten. Bei verheirateten Frauen tut es die Mutter des Gatten, bei einem Mann die eigene Mutter. Bei einer nong-Freundschaft geht die Ehefrau nach dem Funeral mit Nahrung zur Freundin ihres Mannes und bedankt sich, dass sie mitgeholfen hat. Diese Freundin (nong) ist meistens verheiratet, aber auch wenn sie unverheiratet ist, kann der Mann sie nie heiraten.
Information Margaret Arnheim (April 1980, fn M24b): busum-boong: das Tuch für das Handgelenk bekommt ein männlicher Trauernder stets von seiner Freundin, es braucht aber nicht immer seine pok nong zu sein. Die Faserschnur wird oft auch im Haus von Verwandten von einer beliebigen Person angelegt.
Information Godfrey Achaw (fn 73,49a): Alle Kinder des oder der Toten erhalten ein langes Seil an der linken Hand zur Verhinderung eines Selbstmordes. Das Seil wird zusammen mit dem Abwaschen der Farbe entfernt. Die Seile werden neben die Eingangssäule des Haupteinganges gelegt und später verbrannt.
Information Yaw (fn 01,8b) Eine Frau nimmt ein Seil oder ein Kopftuch und bindet es zusammen mit etwas Geld um das Handgelenk eines Freundes oder einer Freundin. Auch mehr als 5 Seile oder Kopftücher sind möglich. Die Rückgabe ist wieder mit einem Geldgeschenk (nach Vermögensverhältnissen) verbunden, das nicht unbedingt höher sein muss, als das Gegebene. Bei der Rückgabe kann man sagen, dass das Geld für Seife verwendet werden kann, da das Tuch schmutzig geworden ist.

Abb.: Glocke (logi)

Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa: Anamogsi, dem jüngsten Sohn des verstorbenen Anyenangdu, wird eine Glocke angehängt. Sie kann um den Hals oder am Gürtel getragen werden.
Awuliimba (fn 88,223b); 5.3.89 gbanta: Akututera befestigt eine Glocke an der Gürtelschlaufe von Clement Agalics Hose und legt ein geflochtenes Band um Clements Hand. Clement ist der jüngste Sohn des Toten. Es wird allgemein angenommen, dass zwischen einem Vater und seinem jüngsten Sohn das engste Verhältnis besteht. Durch die Glocke soll der jüngste Sohn leicht zu finden sein und Selbstmordabsichten sollen vorgebeugt werden.
Asebkame Yeri, Wiaga-Chiok (fn 88,120b): Ein etwa siebenjähriger Junge trägt eine Glocke an seiner Hüftschnur (Gürtel?). Es ist angeblich der Sohn des Gehöftherrn (F.K.: Warum nicht des Verstorbenen?)
Information Godfrey Achaw (fn 73,49a): Dem Letztgeborenen des Toten wird eine Glocke an den Gürtel gehängt.

Abb.: Frau mit roter Mütze, Bemalung und nabiin-soruk Kette (Agbain Yeri)
Abb.: nabiin-soruk
Abb.: Rote Mützen und nabiin-soruk Ketten

Das Anlegen erfolgt wohl meistens am 1. Tag, ist aber an allen Tagen und zu allen Uhrzeiten möglich, auch am 2. Tag und Gbanta Tag. Das Aufsetzen der roten Mützen und das Anlegen der nabiin-soruk Ketten geschieht gewöhnlich direkt hintereinander. Wie unten noch dargelegt wird, kann auch der bekleidete Speicher im Viehhof eine rote Mütze auf einer langen Stange erhalten.
Asebkame Yeri, Wiaga-Chiok (fn 88,119b), gbanta-dai: 6.12.1988, 13.15 Uhr: Nach dem Anlegen eines geflochtenen buoom-Seils legt man einer Frau eine nabiin-soruk-Kette (mit gestreiften Rosetta-Perlen) an und setzt ihr eine hohe rote Mütze auf. Darüber bindet sie sich ein schwarzes Kopftuch.
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa, 1. Tag, 17.00 Uhr: Dem ältesten (jüngsten?) Sohn Anyenangdus (das Einzelkind Anamogsi ist beides) wird eine nabiin-soruk-Kette umgehängt und eine rote Mütze aufgesetzt. Die Kette besteht aus Rosetta-Perlen, die in der Kolonialzeit auch als Zahlungsmittel Verwendung fanden. Sie gehört dem Ahnen Aluechari, darf aber bei Totenfeiern von männlichen und weiblichen Verwandten Aluecharis benutzt werden.
Adiita Yeri, Wiaga-Guuta (fn 08,15b): Nach der Bemalung aller Kinder erhält der jüngste Sohn eine rote Mütze und die nabiin-soruk Kette.
Acha Yeri, Sandema-Chariba (fn 88,221b); 5.3.89, gbanta: Die älteste Tochter der Verstorbenen trägt eine Perlenkette und eine rote Mütze.
Information Margaret Arnheim 1978ff (fn M28a): zutok muning vukka: wearing the red cap of the deceased person.

Information Danlardy Leander: Frauen, deren ganzes Gesicht mit roten Streifen angemalt wird, tragen auch die rote Mütze.
Azognab 2020: 45f. (sein Informant: Afrafrarik Atenalim, Sandema Tankunsa 2018): Daughters from this family, where the ritual is being performed who married elsewhere, are expected to visit the funeral dressed in smocks, red hats (zutoak muina ), with ropes in [on] their left wrists if the deceased was their real father or mother or even uncle or aunt. If they fail to come with these dresses, they will be offered some by the funeral personnel for a small amount of money.

Anmalen naher Verwandter
Anmalen = daluk saka (sa = schmieren). Daluk darf bis nach der Wahrsagersitzung am gbanta dai nicht abgewaschen werden (er verschwindet aber oft durch Schweiß). Das Anmalen ist an allen Tagen und Uhrzeiten möglich.

Abb.: Anmalen in Anyenangdu Yeri 1991
Abb.: Anmalen in Longsa 2011

Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa, 1991: Bei der Totenmatte im Viehhof schmiert eine Frau rote daluk-Farbe auf die Gesichter und Körper naher Verwandter des Toten, zum Beispiel seiner Söhne, verheirateter und unverheirateter Töchter. Die Anmalerin stammt nicht aus dem Trauergehöft, aber sie kann aus der gleichen Sektion sein. Hier kommt sie aus Abapik Yeri (Badomsa). Die Malerin erhält Geld für ihre Tätigkeit.
Asebkame Yeri, Wiaga-Chiok (fn 88,119b): gbanta-dai: 6.12.88, 13.15 Uhr:
Nach dem Anlegen eines langen buoom-Seils und einer nabiin-soruk-Kette werden Arme, Beine und Gesicht einer voll bekleideten Frau mit rotem junung/daluk Ton beschmiert.
Adiita Yeri, Wiaga-Yisobsa-Guuta (fn 08,15b) 22.2.2008, 17.42 Uhr: (nach dem Anlegen der Handstricke, aber vor dem Anlegen der roten Mützen und der Kette): Eine Frau bemalt nahe Verwandte des Toten im Viehhof mit roter Lateritfarbe (auch noch am 2. Tag und am gbanta-Tag)
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa-Anuryeri (fn 88,224a); Video 3700, 8.3.89: Nach 11 Uhr, am 2. Tag, wird vor der Matte eine Frau in Blätterkleidung mit daluk angemalt. Die weißen Teilnehmer (einschließlich Prof. Schott) bekommen einen langen Strich auf die Stirn, Söhne und Töchter erhalten Striche wie Bulsa tribal marks.
Akadem Yeri, Wiaga-Yisobsa. Hinter dem Speicher steht ein Topf mit angerührtem rotem Ton für die Bemalung der nahen Angehörigen.
Acha Yeri, Sandema-Chariba (fn 88,221b); 5.3.89 gbanta: alle nahen Verwandten erhielten am 1. Tag Bemalung, die am gbanta Tag durch Schweiß verschwunden war.
Agbain Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 01,3a): 2. Tag nach 16 Uhr: Eine ältere Frau bemalt Gesicht und Körper der Töchter mit rotem daluk-Ton.
Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (1973): Nahe Verwandte sind am ganzen Körper mit roter Farbe beschmiert, weitläufigere tragen nur einen roten Strich auf der linken Wange (wie tribal mark).
Ataamkali Yeri, Wiaga-Longsa (2011); Afeliks Compound. Am 2. Tag (tika-dai) werden nahe Verwandte neben der Matte im Inneren des Compound angemalt.
Sichaasa, Wiaga (fn 185b), 19.1.89, Information durch Danlardy Leander: Verschiedene Stufen von Trauerbemalungen:
a) Nur ein Streifen roten daluk mit weißer Asche wird auf die linken Backe gemalt (auch Danlary hätte dieses eigentlich in Sichaasa haben müssen).
b) Das ganze Gesicht ist mit roten Streifen bedeckt. Die Frauen, die eine solche Bemalung bekommen, tragen auch eine rote Mütze. Hierzu gehört auch Dans Mutter Adaaminyini, die aus Abilyeri stammt.
c) Der ganze Körper ist rot bemalt. Die Frauen haben einen bloßen Oberkörper und tragen zum Teil nur vaata (Blätter oder Fasern) und ein buoom Band um die linke Hand. Viele Trauernde tragen nabiin-soruk-Kette um den Hals.

Information durch Margaret Arnheim aus Gbedema, (fn M24b): April 1980: Funeral Bemalung: Je näher der Trauernde dem Toten stand, desto mehr rote Lateritfarbe wird vermalt. Auf jedem Ober-, Mittel- und Unterarm werden je 3 fingerbreite, nicht regelmäßige, ca 10 cm lange Striche gemalt. Gesichtsnarben (siehe Zeichnung) können auch zu einer Fläche verschmiert sein
Information Yaw (fn 97,1b), ähnlich auch Danlardy (fn 97,50b): Die Bemalung soll verhindern, dass der/die Tote nahe Angehörige erkennt [und mit ins Totenreich nimmt]. Wenn man mit der Bemalung schläft, bringt es Segen.
Information Godfrey Achaw (fn 73,49a): Alle nahen Verwandten, besonders die Kinder des Toten erhalten Anstrich am ganzen Körper, andere Verwandte erhalten nur Strich (wie tribal mark) auf der Backe. Der oder die Letztgeborene erhält besonders viel Farbe. Die Erde wird am 3. oder 4. Tag nach Opferung des Ziegenfleisches entfernt. Vorher ist kein Vollbad erlaubt, wohl dürfen Hände und Gesicht gewaschen werden.
Information Ayarik Kisito (fn 73,311b): Am ersten Tag einer Totenfeier werden die Körper der Kinder des Verstorbenen rot bemalt. Wenn man mit dem Toten nur verwandt war, bekommt man ein “red mark on the left cheek”. – Die rote Farbe dient zur Identifizierung (Kennzeichnung) der Kinder und besagt “You are in danger”. Die Feinde wollen bei einer Totenfeier besonders die Kinder des Toten schädigen.
U. Blanc (2000:3): Die rote Farbe für Söhne und Töchter darf bis zum gbanta dai nicht abgewaschen werden. Auch die Schnüre müssen bis gbanta dai getragen werden.

Abb.: Umzug in Anyenangdu Yeri 1991

4.2.1.18 Umzüge um das Gehöft
An allen Tagen können Gruppen von Elders und Gästen tanzend und singend um das Trauergehöft ziehen. Sie werden von Musikgruppen begleitet. Beobachtet wurden sie in Awuliimba Yeri, Anyenangdu Yeri, Atekoba Yeri, Asebkame Yeri u.a.
Asebkame Yeri (fn 88,120), gbanta dai: Gastgruppen tanzen um das Haus:. Folgende zwei Tänze werden getanzt: duelinka (langsam) und na-gela (schneller). Sie werden oft im Wechsel getanzt, im Gänsemarsch oder in einer Reihe.
Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (fn 73,61a): Am ersten Tag (16.4.73) zieht man dreimal um das Gehöft. Nach jedem Umzug kommen Tänzer und Musikanten zur Matte und trommeln und tanzen dort.
(fn 73,63b), 19.4.73: Umzüge um das Gehöft. Nur am ersten Tag mussten es genau 3 Umzüge sein, danach ist die Zahl beliebig, ein einziger Umzug genügt. Als Musikinstrumente werden nur 3 ginggaung-Trommeln gespielt.

Abb.: Bekleideter Speicher in Anyenangdu Yeri 1991
Abb.: Waffen, Truhen und Kleidung des Toten in Asebkame Yeri

4.2.1.19 Bekleidung des Speichers und Hinterlassenschaften am Speicher
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa-Anuryeri, 1989: Die Totengräber stecken einen langen Ast in den Getreidespeicher (Fotografierverbot!). Darüber legen sie ein buntes Tuch und darüber einen weißen Männer-smock (garuk). Auf die Astspitze steckt man eine rote Mütze.
Anyenangdu Yeri (1991) Zur Bekleidung des Speichers wurde ein großes Tuch Anyenangdus verwandt, das der Verstorbene bei festlichen Gelegenheiten als Toga (ga-tiak) trug. Die neue Matte ist die letzte von Mattengeschenken der Töchter von Anyenangdu und Atinang Yeri. Der Ast (gaab) mit Blättern soll Schatten für die sinsangula-Frauen spenden. Rechts die Waffen (einschließlich Kriegshelm) und ein Foto Anyenangdus.
Asebkame Yeri, Wiaga-Chiok (fn 88,120b): Am bui stehen zwei Truhen mit Sachen des toten Mannes, darüber ein brauner smock (garuk) und ein blaues Tuch, außerdem drei Bögen, ein Kriegshelm und die Kalebasse mit rotem Ton zum Anmalen. Die Hinterlassenschaften der Frau stehen vor dem dabiak (Innenhof): ein sehr langer sa-piiri-Rührstock und zerstörte Töpfe.
Akadem Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 88,197a), 28.1.89: Notiz vom tika-dai: Der Getreidespeicher im Viehhof ist am Vortage bekleidet worden. Oben befindet sich eine rote Mütze. Hinter dem bui steht ein Topf mit angerührtem daluk-Ton; an mehreren Stellen liegen Gegenstände der Toten (siehe Foto).

Information Apusik: Eine Bekleidung des Speichers gibt es nur bei sehr alt gestorbenen Männern.
Azognab 2020: 43 (sein Informant: Anab Anankansa, Sandema): Some of the traditional belongings of the deceased, such as the smock, log-pak (the quiver), the bow and arrow, the calabash helmet, the kpaani or liak (axe), bunlok or foruk (travelling bag) and others if the deceased was a male, are placed by the ta-pili (‘death mat’). If the deceased was a female, some of her cloths, pots, bowls, her local ‘meat basket’ or yolung and other things which are considered [to contain] his or her ‘body dirt’ are all placed by the ‘death-mat’ as if he or she is in the process of packing to make a journey to a distance place. I observed, however, that in modern days, the number of the deceased’s belongings placed in the cattle yard during funerals is minimized.

Abb.: Abreiben der Matten, Anyenangdu Yeri 1991

4.2.1.20 Nang-foba Mattenriten mit Hühnern
Die folgenden Mattenriten werden von einigen Informanten als Vorbereitung für das nang-foba Ritual bezeichnet, nach anderen sind sie Teil dieses Rituals. Nach Danlardy Leander werden sie im ganzen Bulsagebiet als Teil des nang-foba Rituals betrachtet.
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa, 1. Tag, 3.3.91, 17.30 Uhr: Die Totenmatten werden aus dem Ahnenraum in den Haupt-Innenhof gebracht, und jede wird von den beiden Totengräbern mit einem anderen Huhn, einem Stück Stoff und dem Pferdeschwanz-Fliegenwedel Anyenangdus zweimal abgerieben. Für den wichtigsten Toten Anyenangdu wird hierfür ein Hahn gebraucht. Die Hühner werden durch Schlagen auf den Boden getötet und zum tampoi gebracht.
Dieses Mattenritual findet sonst im Viehhof statt (s. nang foba), an diesem Tag tragen jedoch Frauen der Nachbarschaft die Matten erst anschließend in den Viehhof (ta-pila yierika).
Atinang Yeri, Wiaga-Badomsa, Information Yaw (fn 06,6): Die Totengräbern Ayogsi (Aniok Yeri), Musa (? Achilim Yeri) und Atongka holen je eine Totenmatte (mit dem zukpaglik) aus dem kpilima dok von Anyenangdu Yeri. Jeder Matte folgt wenigstens eine Frau, z. B. Asiukpienlie aus Anyenangdu Yeri und eine “Tochter” aus Atinang Yeri. Die Matten werden im Ama-dok von Atinang Yeri aufgestellt (Das nang-foba Ritual hat Yaw nicht gesehen).
Awuliimba Yeri, Sandema-Kalijiisa-Anuryeri: Zwei Totengräber gehen in den dalong und lösen die Matte, die mit festen Stricken unter der Decke befestigt war. Danach gehen Frauen in den dalong. Die erste Matte wird im Innenhof halb aufgerollt, ein einfacher zukpaglik hineingelegt und dann wieder zugerollt. Um die Matte wird ein buntes Tuch gelegt. Die elders beraten sich im kusung-dok über das Heraustragen der Matte. Akututera (die Frau Ayanaabs, Yongsa), die die Leiterin der aktive Frauen ist und eine andere Frau tragen die Matte (ohne Stofftuch) unter das Schattendach im Viehhof. Es beginnt ein großes Weinen an der Matte. Anschließend werden die Tränen mit Wasser abgespült. Eine innere und ein äußere Matte und das bunte Tuch werden zusammengerollt.
Adiita Yeri, Wiaga-Yisobsa-Guuta (fn 08,15b), 14.45 Uhr: Der Totengräber Akanligpare holt mit bloßem Oberkörper die Matte aus dem dalong in den Hauptinnenhof. Ein Mann bringt Hühner von außen in den Viehhof. Um 15.31 Uhr bringen zwei Totengräbern mit bloßem Oberkörper die Totenmatte zum Viehhof und platzieren sie zwischen vier Getreidespeichern. In der Matte befindet sich ein zukpaglik (Nackenstütze). Ein Totengräber mit bloßem Oberkörper streicht dreimal mit dem Huhn (oder Hühnerbündel?) über die Matte(n), von der Breitseite zur Schmalseite. Dabei sagt er mehrmals “Lag!” (Öffne dich!) Danach schlägt er das Huhn auf der Erde tot. Ebenso geschieht es mit einem zweiten Huhn. Mit einem Fliegenwedel wird die Matte abgerieben. Die toten Hühner werden draußen auf den Aschenhaufen geworfen. Die Matte wird um 5.37 Uhr mit einem Tuch bedeckt.
Agaab Yeri, Wiaga-Yisobsa-Chantiinsa, 15.50 Uhr: Zwei Totengräber mit bloßem Oberkörper bestreichen die Matten mit einem Hühnerbündel und treten dann neben der Matte die Hühner mit bloßen Füßen tot. Um 16.02 Uhr werden wieder Matten mit Hühnerbündeln abgerieben und die Hühner totgetreten.

Information Danlardy Leander (fn 94,86b*): Während des Abreibens der Matten mit den Hühnern sagt man den Toten, dass man diese Hühner für sie am tampoi töten wird.
Information Ayomo Ayuali (fn 88, 226b). An Ayomos kpilima dok hängen außen einige Hühnerfüße. Sie stammen von Funerals in Sichaasa und Yisobsa, bei denen Ayomo als vayiak fungierte. Die Hühner wurden als nang-foba-Hühner getötet.
Aduedem 2019: 14: …two gravediggers go into the ancestral room and cut down the mat (which was hanged through the tapili yika ritual). Two women then bring it out and place it in the kraal by a bui (barn) [Endnote 76]. The sons bring a cloth and it is kept inside the mat, and they bring his (the deceased’s) logta-quiver [Endnote 77], picture, luggage etc. and place them by the bui and women then sit by the mat.
Azognab 2020: 42-43: The first day… the removal of the ta-pili or ‘death-mat’ is done first. The ‘death- mat’ is usually removed by the vayaasa (undertakers) from the sampok (a net made of ropes or strings and local rafters tied above in the local hall for storing mats) and placed in the court yard. From there, the ta-pili is carried and placed by a barn or a grain store in the nankpeeng (cattle yard) if the deceased was a male, or near the ginganngi (a wall with a ladder leaned against it, which serves as the entry to the court yard in the Bulsa home), if she was a female. The barn or the ginganngi (?) as the case may be, is where the focus of the visitors to the funeral will henceforth be.

4.2.1.21 Nang foba der Säugetiere
Die nang foba Säugetiere werden immer am Abfallhaufen (tampoi) unblutig getötet. Sie dienen den Verstorbenen der Totenfeier für ihr Leben im Totenreich. Sie können (in Wiaga und Sandema?) nur von Totengräbern gegessen werden, die vorher eine bestimmte Medizin eingenommen haben. Nach Yaw (fn 01,2b) dürfen in Fumbisi und Kanjaga auch andere von dem Fleisch der nang-foba Tiere essen.
Information Leander Amoak (fn 81,28a): Der Buli Ausdruck nang-foba wird nur für das Funeral-Ritual gebraucht. Das ähnliche Ritual nach einem Ehebruch heißt kabong kpiak, allerdings sagt man hierbei auch “ba fob kabong“. Das Fleisch der unblutig getöteten Tiere wurde früher nur von den Tallensi gegessen, heute auch von einigen Totengräbern, nachdem sie eine Medizin eingenommen haben.
Information Margaret Arnheim 1978ff (fn M30b): Beim nang-foba Ritual werden Tiere ohne Blutvergießen durch Erschlagen getötet (z.B. Esel, Kühe). Diese Tiere können dann nur von jemand gegessen werden, der vorher eine bestimmt Medizin gegessen hat. Die Medizin wird nur einmal im Leben gegessen. Wenn man ohne diese Medizin Fleisch der nang-foba Tiere isst, bekommt man ein geschwollenes Gesicht und einen geschwollenen Bauch. Der Name nangsa (legs) und fobka (beating) kann von Margaret nicht erklärt werden.

Abb.: Das Rind wird mit einem Knüppel unblutig getötet, Anyenangdu Yeri 1991

Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa 3.3.91, 18.10 Uhr: Die ausgesuchte Kuh wird von den Totengräbern mit einem Knüppel getötet und auf den tampoi geworfen. Die Hühner (siehe. 4.2.1.20), mit denen die Totenmatten abgerieben wurden, werden dort zwischen die Vorderläufe der Kuh gelegt, dazu die Kalebasse, mit der das Grab des Toten geschaufelt und in die das Blut der Opfertiere (Schaf oder Ziege) aufgefangen wurde. Der Verstorbene soll auf seinem Weg ins Ahnenreich aus dieser Kalebasse trinken. Die getötete Kuh wird später unter den Totengräbern aufgeteilt.
Sichaasa, Wiaga (kurzer Besuch am 19.1.89) Beobachtung am 2. Tag (tika): Auf dem tampoi liegen 4 Schafe, 4 Hühner und 4 große Kalebassen (z.T. mit kleineren Kalebassen darin). Die toten Tiere haben keine Verletzungen: Die Schafe wurden mit einem dicken Stock erschlagen, der auch auf dem tampoi liegt; ihre Bäuche sind aufgequollen und sie riechen schon.
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,223b), 7.3.89: Gegen 15 Uhr beraten die Elders im kusung-dok über die Tötung der Tiere. Aus dem kusung wird ein sehr großer guri (Holzhammer) geholt. Ein junger Totengräber schlägt im Viehhof mit dem guri auf den Kopf des Esels. Der tote Esel wird heraus zum tampoi geschleift. Ein Mann schlägt weiter auf Kopf, Rippen, Hoden usw. des toten Esels. Hier wird auch ein dunkles Huhn durch Schlagen auf die Erde getötet und unter den Kopf des Esels gelegt. Der Schwanz des Esels wird abgeschnitten und in den Mund des Esels gelegt. Auf diesem Esel soll Awuliimba ins Totenreich reiten (Für alles Fotografierverbot).

Abb.: Der mit einem Holzhammer (vorn) getötete Esel in Atekoba Yeri 1973
Abb.: Nang-foba Tiere in Abapik Yeri

Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (fn 60a) 17.4.73: Ein weißer Esel wurde morgens mit einem Holzhammer erschlagen (nicht beobachtet). Er liegt auf dem Abfallhaufen zusammen mit den Knochen von Tieren, die zu der Zeit geopfert wurden, als Atekoba Gehöftherr war oder vom Gehöftherrn auf der Jagd erlegt wurden (F.K. 1995: letzteres sehr unwahrscheinlich), außerdem die Kalebassen, mit denen das Grab geschaufelt wurde. In die Kalebassen kann man Münzen für den Toten werfen (werden sofort entleert). An den nächsten Tagen riecht der Esel schon; er kann nur von bestimmten Männern (Totengräbern) unter Zugabe von Medizin gegessen werden.
Agaab Yeri, Wiaga-Yisobsa-Chantiinsa 2008, 15.52 Uhr: Auf dem tampoi wird das erste Schaf (Ziege?) totgeschlagen, dann in Abständen weitere Schafe bis 16.05 Uhr. Die Schafe werden ordentlich in eine Reihe gelegt und die toten Hühner daneben erschlagen.
Akadem Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 88,197): Auf dem tampoi liegen am tika-Tag (28.1.89) mehrere tote Tiere: 4 Schafe, 1 Ziege?; daneben Knüppel (und oder dachoruk?) und Kalebassenschalen.
Sichaasa, Wiaga (fn 88,185a), 19.1.89: Am 2. Tag beobachtet: Bei diesem Funeral eines alten Mannes und einer alten Frau liegen 4 Schafe, 4 Hühner und 4 große Kalebassen auf dem tampoi (Tötung nicht gesehen). Die Tiere wurden mit einem dicken Stock, der auch auf dem tampoi liegt, erschlagen. Ihre Bäuche sind aufgequollen und sie riechen schon.
Atinang Yeri, Wiaga-Badomsa (fn 06,10a, nach Informationen durch Anamogsi am 3.2.2006 über nang-foba Tieropfer für den verstorbenen Atinang u.a):
für Atinang: naab (Kuh), für Angmarisi (Bruder Atinangs): padiak (Widder), Kweku, Awombiisi, Akansang, Agoalie und Adiki: je ein posuk (Schaf).
Ataamkali Yeri (Afelik), Wiaga Longsa (fn 11,7a): Am zweiten Tag (tika dai, 26.1.2011) sehen wir ein totes Schaf auf dem tampoi.
Abapik Yeri, Wiaga-Badomsa (fn 88, 305b): Danlardy Leander schickte mir Bilder mit Informationen vom Kumsa-Funeral in Abapik Yeri. Foto: Die getöteten nang-foba-Tiere liegen auf dem tampoi. Kalebassen, mit denen die Gräber geschaufelt wurden und die bis zur Totenfeier im kusung versteckt waren, liegen auf ihnen. Sie sollen das Blut der Tiere bedecken. Das funeral wurde für 8 Personen abgehalten. Dan: nang-foba-Tiere dürfen nur von vayaasa (Totengräbern) verzehrt werden.
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa und Sandema-Kalijiisa: Die alten Männer beraten sich im kusung über die Anzahl der Säugetiere, die im nang-foba Ritual getötet werden sollen.
Information Danlardy: Siehe Kostenaufstellung für Opfertiere der geplanten Totenfeier in Asik Yeri, 4.1.4.1

Evans Atuick (2013: 39f.): …the nangsa fobka is the act of killing one or more animals to symbolically cleanse and detach the deceased from all worldly possessions/things he or she left behind on earth. In this case, the animal(s) is/are usually beaten to death and left on top of the rubbish dump (tampoi) for a day or two and can only be eaten by the undertakers (vayaasa)…
U. Blanc (2000:145): Der Gesang der Elders muss dem nang-foba Ritual vorausgehen. In vielen Fällen endet der 1. Tag mit dem nang-foba Ritual. Es kann auf den nächsten Tag verschoben werden, wenn die vorhergehenden Riten zu viel Zeit in Anspruch genommen haben.
J. Agalic, MA-Arbeit, S. 26 und 31 (fn 88, 4a): nang-foba: killing an animal at the entrance by hitting its head with a cudgel. The carcass is put on the tampoi. Towards sunset it is removed by undertakers who eat it or throw it away to be eaten by vultures. For old men they kill a donkey for him to ride to the land of the dead.
Aduedem 2019: 14: They bring an animal (goat, sheep or cow) and … the animal is killed by strangling. The strangling is called nangsa fobika and this “symbolically detaches the dead from all worldly things” [Endnote 78].
p. 15: …holding a leg of the animal (nang-foba), it is pulled out onto the rubbish heap (tanpoi), and the fowl is placed in between the forelimbs of the animal. Those two calabashes that were left at the main entrance during the burial rites are now removed from the kusung and placed on the rubbish heap close to the dead animals (nang-foba).
Evans Atuick 2013: 39: Now let’s talk about killing animals during funerals… As a matter of fact, this practice is in two forms namely nangsa-fobka (literally ‘beating/slapping of legs’) and kpaglika (literally ‘leaning against’ [the nang-foba]). On the one hand, the nangsa-fobka is the act of killing one or more animals to symbolically cleanse and detach the deceased from all worldly possessions/things he or she left behind on earth. In this case, the animal(s) is/are usually beaten to death and left on top of the rubbish dump (tampoi) for a day or two and can only be eaten by undertakers (vayaasa) or persons who have taken the magical ‘medicine’ (vayaam) of undertakers; vayaam is believed to be potent enough to prevent ghostly spirits from haunting one who has eaten it.
Azognab 2020: 43: The climax of the kuub-kumsa ritual (‘the dry funeral’performance) is the rite of nangsa fobka (killing of fowls and animals for the deceased person by smashing them)…
These fowls are contributed by the sons and daughters of the deceased person, other relatives and/or members of the immediate family of the deceased person… The fowls together with the sheep and cattle as the case may be, are smashed after singing dirges around the house…
p. 44 (Information through Anaab Anankansa, Sandema): As the smasher receives the fowl or the animal, he smashes it and throws it on top of the tampoi (ash heap or compost heap) in front of the house.
These dead animals are left on the tampoi till the ta-pili is transposed. The vayaasa (undertakers) will then carry them (the nang foba) away for food. I was told the nang foba are eaten by only the vayasa and no any other persons.

4.2.1.22 Die Ohren der Witwe(n) werden verstopft
Nur von Aduedem 2019:16 erwähnt: Meanwhile, the widow is brought to the kraal by other women, and the woman presiding over the funeral (kali kuumu zuk) [Endnote 79] uses shea nut tree leaves (cham vaata) to block the widow’s ears [Endnote 80]… After blocking her ears with the cham vaata, a hut is erected in the kraal for her and she sits there with those women following her (ko lieba, women from her paternal place/town who got married to her marital place/town).

4.2.1.23 Zug zum Markt
Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa: Man hatte wohl einen Zug zum Markt geplant, aber er fällt aus.
Danlardy Leander 17.4.96: Der Zug zum Markt ist auch in Badomsa bekannt, er ist allerdings reine Unterhaltung (entertainment).

4.2.1.24 Trauerbesuche
Nahe Verwandte kommen am 1. oder 2. Tag, die Schwiegersöhne am 4. Tag. Allgemeine Beschreibungen von Trauer und Trauerbesuchen befinden sich in Abschnitt 2,7.
Atinang Yeri, Wiaga-Badomsa, März 2005 (fn 06,6a): Zum Funeral von Atinang kommt Anyiks Tochter mit ihrem Mann am 2. Tag. Beide trauern vor der Matte getrennt. Atinangs Tochter Asie kommt mit einer ganzen Gruppe aus ihrer Pentecost Kirche.
Information Yaw (fn 06,6): Am ersten Tag trauern wohl nur Frauen, Trauergruppe von außen kommen am 2. Tag.

4.2.2 Zweiter Tag: tika dai oder leelik dai (“Versammlungstag” oder “Kriegstanztag”)

Wird die Kumsa Totenfeier nur für eine oder mehrere Frauen abgehalten, so fällt die Aufführung der Kriegstänze aus. Es kann auch der ganze zweite Tag ausgelassen werden. Das zweite wichtige Ereignis des 2. Tages, die Verbrennung der Totenmatte, wird dann auf den Abend des ersten Tages gelegt.
Atinang Yeri, Wiaga-Badomsa: Information durch Yaw 27.1.06: Mehrere christliche Frauen aus Anyenangdu Yeri (und Ablegergehöfte) erscheinen nicht, obwohl sie nicht verreist sind. Asuebisa, der im Süden ist, lässt sich durch seinen jüngeren Bruder Aleeti vertreten. Anamogsi war ab dem 2. Tag immer anwesend.

4.2.2.1 kpagluk-Opfer
Weder die sprachliche Bedeutung von kpagluk (Seniorität? E. Atuick 2012:39f: ‘leaning against.. the nang foba) i.e. die Korrektur vorhergehender  nang-foba Opfer?,  noch seine Funktion konnten ganz eindeutig geklärt werden. Nach mehrseitiger Information sollen in diesem Ritual Versäumnisse an in der Vergangenheit verstorbenen Personen nachgeholt werden, um so die lakori-Ordnung wieder herzustellen [Endnote 81]. Oft handelt es sich nicht um ein echtes Versäumnis, sondern man möchte auf der aktuellen Totenfeier (z.B. als Folge eines einsetzenden Reichtums) etwas einführen, das bei gleichartigen Feiern der jüngsten Vergangenheit nicht praktiziert wurde. Im kpagluk-Opfer muss die Anzahl und Art der geopferten Tiere für vergangene nang-foba Opfer angepasst bzw. nachgeholt werden. Die Ausführungen der kpagluk-Opfer entsprechen nicht immer diesen theoretischen Vorgaben, denn oft ist gar nicht zu erkennen, welcher Ahne zufriedengestellt werden soll.
Die Ehefrauen des Toten dürfen nicht vom Fleisch der kpagluk-Opfertiere essen, auch nicht andere Ehefrauen, deren Mann vor 3 (männliche Zahl) Jahren oder kürzerer Zeit verstorben ist.

Atinang Yeri, Wiaga-Badomsa, Information Anamogsi (fn 06,10a): Als kpagluk-Tiere für Verstobene der Kumsa (März 2005) wurden getötet: Atinang: padiak (Widder), Angmarisi: padiak und Hühner von den Kindern seines Bruders; Kweku: nichts; Agoalie: die Töchter aus Anyenangdu Yeri gaben für sie Hühner und Perlhühner, Adiki: nichts, Awenbiisi: nichts, Asuebisas Sohn Akansang: nichts.
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa 43.1991, 10.00 Uhr; kpagluk: Totengräber töten am Gehöfteingang mit dem Messer einen Esel und ein Rind (lalebiik). In den Mund und Anus des Esels stecken sie Tücher, denn wenn er schreit oder furzt, müsste ein weiterer Esel getötet werden. Der Schwanz der Kuh wird sofort abgeschnitten. Das in einem chari und kpalabik aufgefangene Blut der beiden Tiere wird ins Gehöft getragen.
Von den kpagluk-Tieren wurden die Nacken und die Hinterbeine den Onkeln (ngisingsa) gegeben. Die Kuh wird später unter den Kubelinsa-Leuten aufgeteilt, nur Kopf und Nacken erhält Anamogsis Familie, die Därme (bita fi-nyuok) gibt man den Hirtenjungen. Der Esel wird unter den Badomsa-Gehöften aufgeteilt (Kopf und Nacken an Anamogsi, Därme an Hirten).
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,224a); 8.3.89: Mittags, nach dem Zug zum tanggbain, werden ca. 45 Kühe zusammengetrieben und hieraus drei dunkle ausgesucht, zum Gehöftseingang gezerrt und mit dem Messer getötet (Fotos nicht erlaubt). Ihr Blut läuft in eine Kalebasse und eine chari-Schüssel. Dann schneidet ein Totengräber zuerst die Kehle, dann die Beinsehnen auf. Der abgeschnittene Schwanz wird schon an den Empfänger gegeben.

Abb.: Getötete Rinder in Atekoba Yeri

Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (fn 73,63): Am 3. Tag (19.4.73; kpaata dai auf den 4. Tag verschoben), morgens um 9.30 Uhr, wird eine Kuh und ein Stier mit einem besonderen Messer der Schmiede geschlachtet. Die Rinder sollen dem Toten im Jenseits neue Rinder zeugen. Diese Rinder sind aber auch für 3 Männer aus Choabisa, die vorher gestorben waren, und bei deren Totenfeiern man keine Kühe geopfert hatte. “So können sie sich nicht beschweren” (Frauen bekommen nie ein Kuhopfer). Den Rindern wird Fleisch von der Brust und den Hinterschenkeln abgeschnitten und den Ältesten im kusung gegeben; es wird nach dem Alter verteilt. Die Elders schicken das Fleisch in ihr Gehöft, die Schwänze bekommen die Elders von Yongsa und Nabonsa (?), da Bilinsa den Schwanz schon beim letzten Funeral bekommen hat. Bilinsa kann einen Schwanz bekommen, da Kalijisa und Bilinsa von einem Vater abstammen; Abilyeri könnte nie einen Schwanz bekommen. Am Abend wird angeblich Fleisch an andere Verwandte ausgegeben (nicht gesehen). Alle Frauen des Toten dürfen nicht vom Fleisch der Opfertiere essen, auch die Ehefrauen nicht, deren Mann vor drei Jahren oder kürzerer Zeit verstorben ist. Im kusung wird das Fleisch verteilt.

Information Danlardy Leander (fn 94,86*): Witwen dürfen nicht von kpagluk– und nang-foba Tieren essen, da an den Tieren der (rituelle) Schmutz (daung, Plural dangta) ihre Gatten klebt. Sonst kann jeder von den kpagluk-Tieren essen, von den nang-foba Tieren aber nur die Totengräber.
U. Blanc (2000:148f) Nach Blanc wird beim Töten der kpagluk-Tiere die -Doppelglocke (sinleng oder sinlengleng) und eine kleine Zylindertrommel (ginggaung diak) geschlagen. Sie bringt auch (S. 149) Notendarstellungen der Rhythmen der beiden Instrumente.
J. Agalic,  MA-Arbeit (fn 88,4a): kpagluk…carried out at the funeral of an old wealthy man, its meat (e.g. of cows) is shared among the kobisa.
Evans Atuick (2013: 39f) …kpaglika (literally ‘leaning against’ [the nang-foba]) …is the practice of killing an additional animal (kpagluk) or a number of animals (kpagluta) in addition to the nang-foba… in order to pacify other older ancestral spirits who were not given the same treatment during their final funeral rites. Thus, the kpaglika is only done in rare cases where an adult male who died and had the funeral rites performed long before the current funeral, was not given the type of animal(s) and the number of them used as nang-foba during the current kuub.
For instance, if a man’s deceased father was not given a cow as nang-foba during his final funeral rites, and he himself dies and the rites are to be performed; if his family are wealthy enough to use a cow for his nang-foba, then another cow must be killed (kpaglug or kpaglugta – if many) and added for their deceased grandfather, who is the older of the two, hence, according to Bulsa custom, he ought to be served/given anything before the younger one could be served or given his share of it. The kpaglug or kpaglugta is/are usually deposited at or close to the main entrance (nang-siuk) to the compound and can be eaten by any person regardless of his or her status (one does not need to be an undertaker or to have eaten vayaam to be able to eat the kpaglug/kpagluta).
Azognab 2020: 43: The climax of the kuub-kumsa ritual (‘the dry funeral’ performance) is the rite of nangsa fobka …and sometimes, kpa(g)lika or kpa(g)luk (killing of extra animals during the funeral by smashing them for other family members with high ranks who did not have the privilege of that honour during their funerals)… No dry funeral performance can be done among the Bulsa people without nang foba or nangsa fobka.
p. 44: In a certain sense, the deceased often also acts as a messenger to the next world, he receives ‘messages’ of kpa(g)lika animals from his family to certain family members in kpilung (the land of the living dead).

Abb.: Kinderkriegstänze am Ahnenhaus, 1973
Abb.: Zug zum Alogta-tanggbain, Atekoba Yeri 1973

4.2.2.2 Zug zum Ahnenhaus (guuk) und zum Erdheiligtum (tanggbain)
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa-Anuryeri (fn 88,224a): Kriegstänzer, die Imitatorin (in der Kriegstanzgruppe) und andere Personen aus Awuliimbas Haus ziehen zum etwa 500 m entfernten Nachbarhaus (guuk?). Die Gruppe schreitet einmal um ein kleines tanggbain und um den tampoi. Vor der Rückkehr zum Trauerhaus Awuliimbas finden Gespräche der elders im kusung statt.
Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa, nach 14 Uhr (fn 73,64a): Mit Kriegstänzern und Musikern zieht die ganze Besucherschar zum verfallenen Ahnenhaus (guuk) von Choabisa. Dort finden Kriegstänze (auch der Kinder-Kriegstänzer) statt. Der bogluk des ältesten Ahnen, ein großer Steinhaufen unter einem Baum, wird begrüßt. Später zieht ein Großteil der Festgesellschaft (mit Kindern und Frauen) zum Alogta-Tanggbain von Choabisa. Meine Helfer Godfrey Achaw,
Augustine Akanbe und ich bekommen keine Erlaubnis mitzugehen. Thomas Achaab aus Choabisa darf mitziehen. Er berichtet mir: Zuerst wurde das tanggbain am Rande des Hains begrüßt. Völlig nackend zogen die Elders zum tanggbain, einem Steinhaufen mit Tontopf und einem Seil auf dem Steinhaufen im Inneren des Haines. Die Frauen trugen Blätterbekleidung. Wenn keine Opferhandlung stattfindet, darf man mit voller Kleidung in den Hain gehen. Um 15.15 Uhr ist die Gruppe vom tanggbain zurück.
Information Danlardy Leander 17.4.96 (fn 94,86*): In Badomsa zieht man nur bei den Totenfeiern von sehr bedeutenden Männern zum guuk. Der Zug findet am ersten (kalika) oder zweiten Tag (tika dai) statt, bei der Juka-Totenfeier am senlengsa dai. In Badomsa wird bei Totenfeiern kein tanggbain besucht, aber der teng-nyono wird vor Beginn des Funerals informiert.

Abb.: Die Matten im Viehhof von Anyenangdu Yeri, 1991

4.2.2.3 Mattentragen (nach außen zu einem Schattenbaum und zurück zum Viehhof)
Die Bedeutung dieses Rituals konnte nicht ganz erklärt werden. Wichtig ist wohl die Betonung der verwandtschaftliche und gefühlsmäßige Bindung der eingeheirateten verstorbenen Frauen zu ihrem Elternhaus in einer anderen Sektion.
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa 16.40 Uhr: Die aufgerollten Totenmatten (außer der von Anyenangdu, die am Speicher bleibt) werden verkehrt herum in eine Ecke des Viehhofes an die Außenmauer gestellt. Ältere Frauen des Gehöftes (Agbiera und Asiukpienlie) identifizieren die Matten, damit sie in der richtigen Reihenfolge stehen. Ein Totengräber reißt ein Stück Kordel von jeder Matte und gibt es den älteren (lebenden) Ehefrauen.

Akadem Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn. 88,197a), 28.1.89: Über ein Dutzend Tote sind in die Feier eingeschlossen. Ein ganzer Haufen Matten liegt ca. 100 Meter entfernt vom Gehöft; darauf liegen busik-Körbe. Die Matten der verstorbenen Töchter des Gehöfts, deren Totenfeiern schon in der Sektion des Gatten abgehalten wurden, sind neu und ganz dünn. Bei den Matten singen Frauen. Die Matten ziehen, jeweils von zwei Frauen getragen, in Richtung auf das Gehöft, bleiben jedoch oft stehen. Auf mich kommt eine Matte zu und eine Trägerin fällt zu Boden. Ich gebe 50 Cedis und die Matte bewegt sich wieder. Die Matte einer aus Chiok eingeheirateten Frau geht zu den Chiok-Leuten und nur das Klagen und Singen der Yisobsa-Leute bringt sie schließlich in den Viehhof. Wenn alle Matten dort sind, kann man mit den Kriegstänzen beginnen.
Ataamkali Yeri,  Afeliks Gehöft in Wiaga-Longsa (fn 11,7a), 26.1.11: Frauen tragen die Matte der Toten vom Innenhof unter einen Schattenbaum. Sie sitzen auf Bänken und Stühlen um die Matte herum. Am Baum gelehnt steht ein Rührstock und eine (obligatorische) Kalebasse. Die Kalebasse (chin tuin) soll immer in der Nähe der Matte sein und später Wasser für die Reise der toten Seele ins Totenreich aufnehmen. Ohne diese Kalebasse bewegt sich die Matte nicht.
Die Männer ziehen singend viermal zur Matte (einmal mit Trommeln). Im Dunkeln wird die Matte zurück zum Innenhof gebracht, danach auf einem Feld verbrannt.

Abb.: Matte mit sinsanguli-Frauen unter einem Schattenbaum, Atamkaali Yeri 2011

Agbain Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 01,3a): Als wir um 16 Uhr ankommen sitzen die sangula-Frauen mit je einer Rassel schon um zwei Totenmatten unter einem Mangobaum außerhalb des Gehöfts. Die Männer sitzen in einem offenen kusung.
Zwischen 16 und 18 Uhr zieht eine Gruppe Männer singend zu den sinsangula-Frauen und sagt ihnen, sie sollten die Matten fertig zum Einzug [ins Gehöft] machen. Die Frauen wickeln die Matten auf, wobei auch mehrere Matten übereinander gewickelt werden. Je zwei Frauen nehmen eine Matte und ziehen tänzelnd los. Jede Matte will zu ihrem Elternhaus, eine Matte stürzt. Schließlich kommen alle Matten wieder im Viehhof an. Ein kleiner Junge (Enkel) wird dort mit weißer Asche eingerieben. Gegen 18 Uhr ziehen wir ab. Es folgen wohl noch Reden und die Verbrennung der Matten.
Sichaasa, Wiaga (fn 185a), 19.1.89: Funeral eines alten Mannes und einer alten Frau. Am Spätnachmittag tragen zwei Frauen, umgeben von Trommlern, die Matte der verstorbenen Frau, die zurück zum Haus ihres Vaters in Sandema-Abilyeri will. Die Trommler halten sie durch ihr Trommeln zurück, aber die Matte will noch nicht zurück ins Haus. Sie will noch herumgetragen werden. Als sie im Haus ist, setzen Kriegstänze ein.

Information Danlardy Leander (fn 94,86*): Totenmatten werden am 1. Tag zu den Bäumen vor dem Gehöft gebracht.
U. Blanc (2000: 183ff.) Matten der Toten müssen von den ko-lieba wieder in den Viehhof gebracht werden, wo sie sich von den Lebenden verabschieden. Sie werden von einer ginggana-Trommelgruppe begleitet. (S. 187) Es werden letzte kum-yiila gesungen.

4.2.2.4 Kriegstänze (leelisa, Sing. leelik)
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa, 4.3.91, 17.30 Uhr: Kriegstanzgruppen aus verschiedenen Sektionen erscheinen. Sie ziehen zuerst zur Matte Anyenangdus, die als einzige am Getreidespeicher (bui) im Viehhof liegengeblieben ist (siehe 4.2.2.3: Matten im Viehhof). Dann werden Kriegstänze aufgeführt.

Abb.: Kriegstänze in Anyenangdu Yeri 1991

Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,224a); 8.3.89: Nach 11 Uhr treffen Kriegstanzgruppen ein, z.B. eine Chariba-Gruppe. Eine Frau wischt den Schweiß der Krieger ab.
Akadem Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 88,197a), 18.15 Uhr: Sammeln der “Krieger” zu Aufführung der Kriegstänze. Wenn alle Matten wieder im Viehhof sind, kann man mit den Kriegstänzen beginnen.

Ataamkali Yeri,  Wiaga-Longsa, Afeliks Gehöft (fn 11,7): Da die Totenfeier einer eingeheirateten Frau abgehalten wird, fallen alle Kriegstänze aus.

Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (fn 73,61b): Ab Mittag treffen Abordnungen der Sektionen Tankunsa, Bilinsa und Choabisa mit Kriegstänzern zu verschiedenen Zeiten ein und gehen zuerst zum Viehhof, wo sie die Matte begrüßen. Danach werden Kriegstänze aufgeführt. Ein Kriegstänzer hat ein lebendes Huhn und eine Hacke am Körper baumeln.

Abb.: Vorn eine Kindertanzgruppe, Atekoba Yeri 1973

Auch kleine Jungen haben eine Kriegstanzgruppe gebildet, die durchaus ernst genommen wird. Man lässt sie auch an die Matte heran. Ihre Helme sind einfache Kalebassen mit zwei kleinen Stöcken als “Hörner”, ihre Kriegsäxte sind einfache Stöcke (fn 73,66b) .
(fn 73,64a) Am 3. Tag (gbanta?) um 14.00 Uhr werden wieder Kriegstänze aufgeführt, aber nur die Tanzgruppe aus Kalijiisa ist anwesend. Man zieht danach zum Ahnenhaus.

Information Godfrey Achaw (fn 73,49a): Kriegstänze beginnen im Haus, der Älteste [Sohn?] führt sie an.

Information Danlardy Leander:  Alle Nachbarsektionen sollen Kriegstanzgruppen schicken. Die eigene Sektion ist immer durch Kriegstänzer vertreten.
Information Yaw (fn 97,16b): Musikinstrumente zum Kriegstanz: dunduning: 1-2 (dunduning diak und dunduning chogsung) oder 2 ginggaung (ginggaung diak und ginggaung chogsung). Sie können nur auf weltlichen Festen (z.B. dem Fiok-Fest in Sandema) zusammen mit einer Sanduhrtrommel (gunggong-diak) gespielt werden, nie bei Totenfeiern. Weitere Begleitinstrumente: 2 senlengsa Doppelglocken (diak und chogsung), 1 chang-Kastagnette, kantain-Hörner, tagalik Flöten als Ersatz für tapiliok Flöten. Glocken (logni) sind nach Belieben am Köcher befestigt, ihr Klang wird nur durch Bewegung erzeugt. Das kantain Horn ist kleiner als namuning, es gibt nur eine Größe. Es ist tabu, ein kantain-Horn außerhalb eines Festes zu blasen.

Information Margaret Arnheim (fn M10+29b): Kriegstänze sind Nachahmungen von Stieren. Es gibt drei Tanzfiguren: 1. langsam vorwärtstrotten, 2. schnelles Rückwärtsschreiten, 3. rückschauendes Rumpfkreisen.

Abb.: Kriegstänzer von Sandema-Kalijiisa-Yongsa, 1973

Siehe auch Kröger in Buluk 11 (2018): Cultural Heritage and Tourism: Bulsa Dances, S. 45-48.
U. Blanc (2000: 87ff.): Kriegstänze (tugurik-yiila) werden an den beiden ersten Tagen, nie am kpaata dai und gbanta dai getanzt. In Badomsa begannen die Kriegstänze abends, nachdem Matten zum Verbrennen bereitgestellt waren. Die Kriegstanzgruppen treffen im Verlauf des Tages ein, grüßen zuerst die Matten der Verstorbenen und ziehen dann tanzend um das Gehöft. Musikinstrumente: ginggaung (Zylindertrommel) ist immer obligatorisch. (S. 97). In Sandema werden auch gurmansiak und tagalik gespielt.
(S.193-96): Sowohl die jeweils eigene Ausstattung der Krieger als auch bestimmte Bewegungen und Gesten beim Tanz gehören zu den Zeichen einer Art von ‘Geheimsprache’… um miteinander zu kommunizieren” (S. 193). Im Idealfall sollte jede an der Totengedenkfeier teilnehmende Sektion eine Kriegstanzgruppe mitbringen. Tatsächlich verfügen nicht mehr alle über die entsprechenden Instrumente, Tänzer und Utensilien (ibid.). Obwohl grundsätzlich nur Männer Kriegstänzer sein können, reihen sich mitunter Frauen in ihre Reihen ein ohne den vollen Status eines Kriegstänzers zu erhalten (S. 194). Wenn nach Ansicht vieler älterer Informanten Kriegstänze nur bei bedeutenden Persönlichkeiten aufgeführt werden können, gehören sie heute doch zum festen Bestandteil einer jeden Totengedenkfeier (S. 194).

Abb.: Atekoba Yeri: Ansprache des Elders (1973)

4.2.2.5 Ansprachen (moolinka)
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa 18.30 Uhr: Rede Anamogsis (als ältester Sohn und/oder Gehöftherr?), danach die kobisa (hier Gehöftherren der vier kobisa-Gehöfte): Atinang, Ansoateng und Atupoak vor dem Gehöft. Nach Danlardy Leander müssen in Badomsa wenigstens der yeri nyono und ein kobiik eine Rede halten.
Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa (fn 73,60 18.4.73, 15.45 Uhr: Rede des Elders von Choabisa in leiser Stimme, wobei ein anderer Mann respondiert, d.h. er wiederholt die Sätze in voller Lautstärke. Nach jedem Absatz erfolgt eine Pause mit einer Ululation der Frauen (wuuling oder weeling). Zwei Hornbläser auf einem Flachdach geben in Pausen Signale und Applaus. Inhalt der Rede des Elders von Choabisa:

a) Willkommen an alle Anwesenden und Dank für die, die bei der Vorbereitung zum Fest mitgeholfen haben.
b) Bei einer solchen Veranstaltung ist es leicht, jemandem durch Juju Schaden zuzufügen, aber alle sollen gewarnt sein, es auf diesem funeral zu tun. Alle Anwesenden ständen unter dem Schutz des tanggbains. Wenn jemand durch Juju Schaden zufügt, so wird das tanggbain ihn innerhalb der nächsten drei Tage töten. Wenn einer der Anwesenden innerhalb der nächsten drei Tage stirbt, so ist er als Übeltäter überführt. Der Redner wird in diesem Fall dem tanggbain ein “Tier” (dung) opfern. [Er nennt die Tierart nicht, da sonst der Übeltäter nachts das gleiche Tier vor dem tanggbain töten und dort liegenlassen könnte. Das tanggbain könnte ihm dann nicht schaden. Opfern darf der Übeltäter das Tier nicht, er würde sonst sterben].
c) Der Redner verkündet, dass von nun an auch begrenzt innerhalb von Kalijiisa geheiratet werden kann, d.h. zwischen Choabisa und anderen Kalijisa-Subsektionen [dies war schon vor drei Jahren bei einer Totenfeier eines anderen alten Mannes in Kalijiisa-Anyeri (Anuryeri?) verkündet worden. 1973 bestand erst eine solche Ehe].
d) Er hofft, dass auf diesem Fest alle Junggesellen eine Frau finden werden, so dass es beim nächsten Funeral keine Junggesellen mehr gibt.
e) Alle Teilnehmer sollen sich gut verstehen und sich lieben, dann wird es Regen und eine gute Ernte geben.

Sichaasa, Wiaga (kurzer Besuch am 19.1.89): Ein alter Mann hält eine Ansprache und ein jüngerer Mann respondiert. Er sagt auch, dass gestern Abend jemand eine Brille verloren hat, der Finder möge sie abgeben.

Information Godfrey Achaw (fn 73,19a): Der älteste Sohn, der für die Totenfeier seines Vaters verantwortlich ist, hält eine Rede am 1. Tag der Kumsa, wenn Geschenke an Freunde ausgeteilt werden oder auch (wenigstens in einigen Teilen des Bulsalandes) am 3. Tag [?].
Information James Agalic, M.A. thesis (fn 86,2b): Ein elder bittet um Schutz der Ahnen für die Menschenansammlungen.

Abb.: Aparimoak schlägt ein Loch in die Außenwand, Anyenangdu Yeri 1991

4.2.2.6 Bogen, Köcher und andere Waffen
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa 4.3.91, 19.15 Uhr: Anamogsi bringt drei Köcher des Toten zu den Elders im kusung-dok, die sich mit einem Lied von dem Toten verabschieden.
Anyenangdu Yeri (fn 94,22a): Am gbanta dai: logta nyinika (wörtlich: “Herauskommen der Köcher”): Der Totengräber Aparimoak schlägt ein Loch in die Außenmauer. Vor dem Loch (parika teng) wird ein Schaf (ram) getötet. Durch das Loch werden Pfeile und Bogen (Martin Striewisch: auch Köcher) dreimal nach außen gereicht, bevor sie von den Totengräbern in deer Juka-Feier zerstört werden. Vor dem Loch wurde ein Widder getötet. Das Loch wurde am letzten Tag (gbanta dai) wieder geschlossen (parik lika).
Information Anamogsi über Danlardy (fn 97,69*b), Januar 2000: Der Bogen wird nur am Ende der Kumsa-Feier durch die Mauer gereicht und dann sofort wieder zurückgereicht. Danach bringt man ihn zurück in den dalong, wo er bis zur Juka-Feier bleibt.
Atekoba Yeri, Sandema-Choabisa: Gegen 17 Uhr, vor der Mattenverbrennung, wird der Bogen des Toten vor dem Gehöfteingang zerbrochen.

Information Godfrey Achaw (fn 73,47b): Vor den Kriegstänzen muss der älteste Sohn den Bogen des Vaters so stark biegen, dass er zerbricht. Da dieses nicht so einfach ist, wird er vorher mit der Axt angeritzt

Azognab 2020: 46 (Information durch Afrafrarik Atnealim, Tankunsa 2018): During this ritual of the war dancing, at the third return from the grain store to the nansuing (the gate to the court yard), the eldest son breaks the tom (bow) of his late father or uncle as the case may be, and wails.

4.2.2.7 Nangfoba tabika (Tritt auf die toten nangfoba-Tiere)
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa: 43.91, 19.30 Uhr: Anamogsi geht in Kriegertracht zum tampoi und setzt einen Fuß auf die nangfoba-Tiere.
Agbain Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 01,3a): Nach 16 Uhr des 2. Tages tanzen 2 Männer zum tampoi, wo zwei Ziegen mit aufgeblähten Bäuchen liegen. Später kommt auch eine größere Gruppe mit wenig Verkleidung.

Sichaasa, Wiaga (fn 88,185a), 19.1.89: Alle ziehen zum tampoi, auf dem die toten Tiere (drei Schafe und drei Hühner) und Kalebassen liegen. Drei Trommler (Abiisi, ein Mann aus Ayomos Haus und ein anderer Musikant) spielen 15 Minuten lang den gleichen Rhythmus. Nachdem ca. 5 Böllerschüsse abgefeuert wurden, erscheinen die Tänzer ohne Kriegstanz-Kostüme: Die Reihe, voran ein sehr alter Mann, tanzt zum tampoi. Der alte Mann tritt auf ein totes Schaf und scheidet aus der Gruppe aus, dann der zweite (3., 4. und 5.?). Der Rest tanzt einmal gegen den Uhrzeigersinn um das Gehöft; auch Frauen mit Stöcken haben sich angeschlossen. Folgende Instrumente wurden gespielt: 3 ginggana (Zylindertrommeln), wiisa (Flöten), aber keine Hörner und keine Sanduhrtrommel.

Information Danlardy Leander (fn 94,86*), 17.4.96: Bei der nangfoba-tabika tanzt der älteste Sohn des Toten immer an erster Stelle und setzt auch als erster seinen Fuß auf das tote Tier…

Abb.: Mattenverbrennung in Anyenangdu Yeri, 1991

4.2.2.8 Tiak juka (Mattenverbrennung)
Anyenangdu Yeri,  Wiaga-Badomsa, 19.30-20.00 Uhr: Die Matten werden zu einem Feld hinter dem tampoi herausgebracht. Anyenangdus Matte wird vorher einmal um das Gehöft getragen, dann werden alle Matten gemeinsam verbrannt.
Sichaasa, Wiaga (fn 88,185a), 19.1.88: Gegen 18 Uhr wird die Matte aus dem Haus herausgetragen und sofort auf einem Feld angesteckt: Hiernach gehen die meisten Leute nach Hause.
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,224a), 8.3.89: Kurz vor 18 Uhr wird die Matte (2 Matten?) von 2 Totengräbern aus dem Viehhof herausgetragen. Frauen mit Schafsfleisch im Fell, auch Krieger und viele andere Leute folgen. Man zieht dreimal um das Gehöft, dann wird die Matte vor dem Haus (doning) angesteckt. Verbrannt werden zwei Matten (waren sie vorher ineinandergerollt??): Auf einer Matte ist Awuliimba gestorben, die andere Matte wurde neu nach dem Tode hinzugefügt. In einer Matte ist Awuliimbas zukpaglik (Nackenstütze).
Ein Mann (ältester Sohn? Totengräber?) nimmt von Müttern ca. einjährige Kinder und schwenkt sie dreimal durch das Feuer. Information Apusik: Dieses sind biakaasung-Kinder (Fehlgeburts-Kinder). Das Ritual verhindert, dass sie von bösen Geistern (chicheri-baasa) durch Anfälle (convulsions) heimgesucht werden. Dieser Ritus ist nach Danlardy Leander (17.4.96) in Wiaga unbekannt.
Akadem Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 88,197a-b), 28.1.89: Mattenverbrennungen: ca. 18.30:
Information durch einen Nachbarn: Die Matten werden im Westen vom Gehöft verbrannt, weil der Wind zur Zeit von Osten weht. So kann der Geruch der Matten (piisim) nicht zurückwehen. Durch den Brand wird piisim, der noch von der Krankheit des Toten an den Matten haftet, vernichtet. Reiche Leute kaufen sich auch Chemikalien oder Parfüm gegen den Geruch und besprengen Matten damit. Das Fotografieren der Mattenverbrennung ist nach Rückfrage bei den Elders im kusung ohne Probleme erlaubt (Sie hatten mir die Erlaubnis für alles gegeben, nur Frauen in Blättern sollte ich nicht fotografieren).
Atekoba Yeri,  Sandema-Choabisa: Gegen 17 Uhr wird das Schattendach im Viehhof abgerissen und die Matte herausgetragen. Nach dem Zerbrechen des Bogens vor dem Gehöfteingang (s.o.) laufen zwei Männer mit der Matte zweimal im Uhrzeigersinn um das Gehöft, das 3. Mal gegen die Uhrzeigerrichtung. Dann laufen sie mit der Matte zum Tal und wieder halbwegs zurück. Hier wird die Matte angezündet. Dabei gibt es keine Zuschauer: Während die Matte abbrennt, ziehen alle zum Gehöft. Ein Mann, und später auch Frauen sagen, dass es nicht richtig war, dass ich das Mattenritual gefilmt habe.
Adiita Yeri, Wiaga-Yisobsa-Guuta: Da hier der 2. Tag ausfiel (nur 3 Tage für männliche Tote), wurde die Matte am 1. Tag verbrannt: Um 18.12 Uhr bringen 2 Totengräber mit bloßem Oberkörper die Matte (zwei Matten?) zum Verbrennungsplatz. Sie tragen die Matte unter den Armen (anfangs auch vom ersten Mann auf der Schulter, aber nie auf dem Kopf). Es werden Grashalme um die Matte gelegt und angezündet (18.14 Uhr). Es gibt fast keine Zuschauer.
Ataamkali Yeri, Afeliks Gehöft in Wiaga-Longsa (fn 11,7a) 26.1.11: Die Matte wird aus dem Gehöft herausgetragen und abseits des Gehöft im Dunkelwerden verbrannt. Die beiden Mattenträger sagen uns, wir hätten vorher um Erlaubnis zum Fotografieren bitten sollen.
Information Godfrey Achaw (fn 73,47b): Männer und Frauen ziehen singend um das Gehöft. Beim letzten Umzug wird die Totenmatte von Totengräbern im Laufschritt getragen. Kinder des Toten werfen Geld auf die Matte und andere Leute folgen um Geld aufzuheben und zu behalten. Die Matte wird, gefolgt von allen Leuten und Trommlern, zu einem Tal gebracht und dort angesteckt. Zurück beim Gehöft wird ein Tanz am tampoi veranstaltet.

R. Schott: Kalibisa: 18.30 wird die Matte um das Haus getragen, dann verbrannt.
U. Blanc (2000:183f.): Das Ritual wird gewöhnlich kurz vor Sonnenuntergang durchgeführt. Alle Schlafmatten der Verstorbenen müssen im Viehhof zusammengetragen werden.
Aduedem 2019: 16 [Am Abend des 1. Tages:] Toward evening/dust, the widow is sent inside and the gravediggers come to pick the mat for burning (juka). While they take the mat, the singer intones the third time the funeral song, and if the dead person was a yeri-nyono, all those he called his sons (bisa) perform a war dance (lielik) with his logta as the mat is being taken away. Moving a bit far from the house, the gravediggers remove the cloth that was kept inside and set the mat ablaze – it is forbidden for anyone to get into contact with the heat of that fire. By burning the ta-pili, the soul of the deceased is released, but it does not enter the land of the dead…

4.2.3 Dritter Tag: kpaata dai oder kpaam-tue dai
Am 3. Tag werden Bohnen- und Hirsegerichte zubereitet, deren Reste am gbanta dai der Gehöftmauer geopfert werden (siehe 4.2.4.6: parik kaabka).
Die ausführlichste Beschreibung und Analyse des kpaata-dai findet sich bei U. Blanc (2000: 197-207). Auszüge aus ihren Ergebnissen werden im folgenden verkürzt zusammengefasst:
U. Blanc 2000: 197f: Oft dauern die Speisezubereitungen den ganzen Tag. Mitunter reichen sie auch bis in die Nacht hinein, bis das Essen am nächsten Morgen an die Verwandten verteilt werden kann. Die weiblichen Mitglieder des Hauses, in dem die Totenfeier stattfindet, liefern Bohnen und Hirse für den Hirsebrei (kpaata-saab). …Die Schwiegertöchter des Toten sind für die Zubereitung des kpaam-tue zuständig, d.h. die gleichen Frauen, die auch die Imitation (cherika) am 1. und 4. Tag als cheri-lieba durchführen.
(S. 198) Die musikalische Gestaltung übernehmen am Abend ausschließlich die älteren Musiker, während bis dahin vor allem Kinder und Jugendliche zur Unterhaltung beigetragen haben. Ein Ensemble einer ko-bisa Sektion spielt zwei Kalebassentrommeln (gora), zwei Flöten (wiisa), und zwei Achselhöhlentrommeln (gunggona).
(S. 199) Am Abend wird das Bohnengericht verteilt. Zunächst nehmen sich die Frauen und Kinder, Sängerinnen, andere Helferinnen und Kinder ihren Anteil, dann servieren die Frauen den vor dem kusung-dok wartenden Männern das Essen [Endnote 82]. Danach stimmen die Elders die kum-yiila oder die kpaam-tue-yiila an, bei deren Beginn alle Mahlzeiten beendet sein müssen, sonst droht den Essenden der Tod [Endnote 83]. Die Reste der Mahlzeit werden vergraben.
(S. 200) Das kpaam-tue Mahl wird von Blanc als ein rituelles Mahl beschrieben, an dem auch die Ahnen und die Seelen der Verstorbenen teilnehmen.
(S. 205) Die Gesänge der Frauen (kpaata yiila) gleichen den Liedern der sinsangula-Frauen.
(S. 203) Sie können auch auf Missstände hinweisen oder die Männer im kusung-dok kritisieren.

Atekoba Yeri,  Sandema-Choabisa (fn 73,65b): Morgens finden wieder Tänze und Umzüge statt. Die Bohnen- und Ölriten sollen erst gegen Mitternacht stattfinden. Ich (F.K.) kann (wegen einer Malaria) nicht teilnehmen.
Sichaasa (fn 88,185b), 21.1.18: Die öligen Bohnen werden abends zwischen 20 und 21 Uhr gegessen. Auch Gästen (Danlardy) bietet man solche an. Sonst finden tagsüber keine bedeutenden Ereignisse statt.
Ataamkali Yeri, Wiaga-Longsa, Afeliks Compound (fn 11,7b): Zubereitung von Pito (siehe 4.2.3.1), von Schibutter (4.2.3.2) und des Bohnengerichts: (4.2.3.3)
Die Frauen kochen nur für Schwiegerverwandte des Gehöfts. Sie selbst nehmen nicht am Essen teil (?).

Aduedem 2019: 17: At dawn the sons send millet to the presiding woman’s (kuumu zuk kaldowa) house. She receives the millet and dismisses them. Then she goes to the bush and gets some leaves of sheanut trees (cham vaata) and mwanyak (a kind of grass) and brings them to the funeral house by the early hours of the day. On getting close, she sits (down) on the way – at a reasonable distance. Then the sons, preparing zo-nyiam, go to meet her there. They will thank her and bring her to the back of the house (nan-gaang) with the items. Over there, she mixes the leaves and the grass in a clay pot containing water. The widow is led out there, with women forming a wall covering her as she goes. Untwisted fibre (bok) or strings (miik), depending on the family/section of Buluk, is used to tie around her waist, chest and head and then she sits (down). The untwisted fibre or strings identify the widow as such and also emphasize her still close connection to the dead spouse and therefore, they should not be removed until the widow’s remarriage. The presiding woman baths her with the mixture she prepared with the leaves and the mwanyak. Afterwards, zo-nyiam is prepared and given to her (widow). She sips some of the zo-nyiam into her mouth and spits it at her left, front and right. She does that four times. Then the presiding woman fetches some of the zom into her palm. She puts it in her mouth and does like she did to the zo-nyiam (zom powedered millet, nyiam water) [Endnote 84]. Then she is led inside again, where the presiding woman prepares another zo-nyiam for her and this time she drinks the water and eats the zom if she likes. The woman prepares T.Z also with bogta soup and mud fish for her (the widow) and she eats that too if she likes.

E. Atuick 2020: 86: On kpaata-dai, the cheri-deiroa must be the first person to start the fire used for cooking the beans and the shea butter oil before other women can take over. She cracks the first shea nut before any other woman can help with cracking and pounding the nuts for processing of the oil.
She must also enter the ancestral room with fire on a bunch of straws for the men to see and bind the louk [quiver] three times with a rope. Usually, an animal is killed to pacify the louk before tying it on the left, middle, and right parts, respectively. After this, they will carry the louk and the dead animal up to the roof top. While up there, they lift the animal and hold it upside down, together with the louk, make three loud cries, and drop the animal at the back of the compound. As soon as this is done, both the men and the cheri-deiroa must jump after the animal over the wall to the back of the compound where the men will skin the animal and give the cheri-deiroa the thigh of the animal as her share.
In the early hours of day when the kpaam-tue is ready, the cheri-deiroa must be the first person to serve herself before any other person can touch the food. When she is ready to serve herself, she enters the place where the food is with a clay bowl and uses a ladle to fetch the food three times or four times depending on the sex of the deceased person she is impersonating…
At dawn, when the drums are played to herald the end of the eating of the kpaam-tue, the cheri-deiroa, dressed as the deceased, goes to stand near the main entrance of the compound and makes a waliing [prolonged, melodious, shrill cry] three or four times depending on the sex of the deceased whose funeral is being performed. While making the series of waliingsa, she will say after each one [cry] so that the men in the kusung can hear, “I need a cow but not a sheep or goat.” Once the men hear the waliing and the demand for an animal, they know the cheri-deiroa is preparing to join them in the kusung. (Fortetzung s. 4. Tag, 4.2.4.1)

Abb.: Brauen von Hirsebier in Longsa, 2011

4.2.3.1 Hirsebrei und Hirsebier-Zubereitung
Ataamkali Yeri,  Afeliks Gehöft in Wiaga-Longsa: 28.1.11. (fn 11,7b): am Vormittag wird Pito (daam) zubereitet. Um 16.30 Uhr ist das Hirsebier fertig.
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa: In den Felsmörsern beim neuen Gehöft wird Hirse gestampft, die für die Beköstigung der Besucher vorgesehen ist. Gleichzeitig braut Agoalie Pito für den nächsten Tag (gbanta dai daam).
Margaret Arnheim 1979: Daam dika – The Brewing of Millet Beer. [unveröffentlichtes Manuskript]: Beschreibung der Zubereitung in allen Einzelheiten.

4.2.3.2 Schibutterherstellung
(Ein ausführlicher Bericht über die Herstellung der Schibutter bei den Bulsa findet sich in Kröger 2001: 217-218)
Anyenangdu Yeri,  Wiaga-Badomsa (5.3.91): Abends wird Schibutter vor dem kusung von Akumlie, Agbiera und Achibilie hergestellt: Sie bringen zwei große chari-Schüsseln mit gerösteten Schinüssen zum Mörser, wo sie zerstampft und dann zwischen zwei Steinen zu einer dunklen Paste zerrieben werden. Die Tätigkeit hält bis zum Anbruch der Dunkelheit an.
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,225a), 9.3.89: Als ich um 18.30 Uhr ankomme, sind fast keine Gäste dort. Im Norden des Gehöftes stampfen drei Frauen im großen Mörser die zerkleinerten Schinusskerne im Rhythmus: kom manika: ‘xxx ‘xxx (3/4 Takt). Dieser Rhythmus kann auch von 4 arbeitenden Frauen geschlagen werden. Der gewöhnliche Rhythmus einer einzigen Frau ist: ‘x ‘x ‘x.
Um 19.00 Uhr werden Reibsteine zum kusung gebracht. Daneben graben Frauen ein Loch mit der Hacke und streuen groben Sand (tan-buusum) in die Grube, damit sich später das Fett besser trennen lässt.

Abb.: Auf dem Weg zur Nika-nika Mühle, Ataamkali Yeri 2011
Abb.: Eine kleine Menge Schibutter wird getrennt hergestellt, Ataamkali Yeri 2011

Ataamkali Yeri,  Afeliks Gehöft in Wiaga-Longsa: 28.1.11. (fn 11,7b): Die Frauen des Hauses gehen in die vier Nachbargehöfte der ko-bisa und erhalten dort Schinüsse, Okro und Dawadawa. Unter dem “Mattenbaum” des Vortages erhitzen zwei Frauen in einem großen Metalltopf Schinüsse. Während früher die dunkle Masse (kpaama) zwischen zwei Steinen gerieben wurde, bringt man sie hier in Aluminium-Schüsseln zur Motor-betriebenen Nika-nika Mühle.
Am Gehöftseingang haben Frauen (Schwiegertöchter?) dunkle Schibutter auf den Reibsteinen erstellt. Sie wird gekocht. Solange sie noch sehr heiß ist, wird sie mit einem Stock gerührt, später mit den Händen geknetet und geschlagen.
Aduedem 2019:18: Meanwhile, women from the neighbourhood bring Bambara beans (suma), beans (tue), sheanuts (jigsa), saab-zom (flour for TZ) etc. to the funeral house for the evening ceremonies. These stuffs are collected together and preparations on them start straight away. The sheanuts are processed (pounded, fried, milled, processed and boiled) to obtain shea butter (kpaam).

4.2.3.3 Bohnen (suma und tue)
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa: Nach Einbrechen der Dunkelheit, während draußen noch die Schinüsse gemahlen werden, kocht man Bohnen (suma und tue) und fügt später Schibutter hinzu.
Verteilung und Verzehr des Bohnengerichtes: a) Frauen im Innenhof Agbieras (Sängerinnen und Helferinnen), b) Elders im kusung-dok, c) Allgemeinheit (bimbaasa tue ne poi) im kusung: Es entsteht ein hektisches Gerangel (viel fällt auf den Boden)
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,225a), 9.3.89: Bei meiner Ankunft (18.30 Uhr) kochen die Rundbohnen (suma) schon. Es dürfen keine Gewürze hinzu gegeben werden. Wenn die Rundbohnen etwa halb gar sind, werden die Bohnen (tue), die eine kürzere Kochzeit haben, hinzugegeben. Gewöhnlich ist es verboten, Rundbohnen und Bohnen zusammen zu kochen (kisuk). Das aus beiden Bohnenarten zusammengesetzte Gericht wird kpaam-tue genannt.
Awuliimba, Information durch Martin Striewisch: Um 3 Uhr (10.3.89) wird das Bohnengericht in Awuliimba Yeri verteilt. Nach dem Mahl beginnen Funeral Songs. Wer dann mit dem Essen nicht fertig ist, wird sterben. Martin geht um 5 Uhr.
Information Apusik (fn 88,226b): Die Bohnen gelten als Nahrung für den Toten.
Ataamkali Yeri, Afeliks Gehöft in Wiaga-Longsa (fn 11,7b), 28.1.11: Auf einem Topf über dem Feuer kochen Bohnen (keine Rundbohnen!) für die Schwiegerverwandten.
Information Godfrey Achaw, Sandema-Kalijiisa (fn 73,48a): Bohnen und Rundbohnen dürfen sonst nicht zusammen gegessen werden. Die von Frauen mit viel Öl gekochte Nahrung wird nachts den Männern gebracht. Die Männer stürzen sich darauf, bevor die Frauen es den Männern geben. Nach dem Essen singen die Männer ein Lied und gehen dreimal (bei einem männlichen Toten) bzw. viermal ins Haus. Wenn ihr Lied anfängt, muss das Essen aufhören. Die restliche Nahrung muss weggeworfen werden und darf von keinem gegessen werden.
Information Danlardy Leander (17.4.96): Es dürfen dem Bohnengericht kein Salz und keine anderen Gewürze beigefügt werden. Nachts zwischen 2 und 3 Uhr werden die nahen Verwandten ins Haus gerufen, um das Bohnengericht zu probieren. Die öligen Bohnen werden zwischen 20 und 21 Uhr gegessen und auch an Gäste verteilt.
Information Danlardy Leander 5.9.96: Ein Teil der Bohnen bleibt im Kochtopf (gewöhnlich samoaning). Diese werden am folgenden Tag der Mauer geopfert (Umkehrung der Bräuche in der Reihenfolge)
Information Margaret, Gbedema (fn M34b): Den Bohnengerichten darf kein Salz und kein Pfeffer zugefügt werden. Margaret hat heimlich für sich Gewürze zugefügt.
Aduedem 2019, p. 18: siehe 4.2.3.2
Azognab 2020: 47 (several informants): On the third day (second day for funerals of ordinary men) which is the kpaata dai (literary; shea butter day), raw beans are prepared and served with shea butter in large quantities. These beans are termed kpaamteui [kpaam-tue] (Shea butter beans or oil beans)… Both the living and the dead share this meal as a symbol of their union and communion as a family and community.
The meal is normally ready after midnight and it is assumed that the living dead eaten [eat] first, after that the living can also partake of it… The deceased person must enjoy this for the last time in this life with the living relatives before going to the next world. But because he or she is now in the spirit form, he or she does not eat pepper and salt and so that is why the beans prepared should be without salt and pepper. The beans will be served to the elders in the kusung first. The custom here is that the elders must ask for more shea butter on three occasions if it is a man’s funeral or on four occasions if it is a woman’s funeral. This is done through delegates from the nisom (elders). Each time they ask for shea butter from the women in the court yard, they must be given more. The meal is shared both to the women in the dabiak (court yard) and to the men and children outside. Everyone, including a visitor, is allowed to take part in eating… After the meal, the men sing dirges to and from the cattle yard three times for a man’s funeral and four times for a woman’s funeral. The women on the other hand, sing their dirges in the court yard since the ta-pili (‘death mat’) is now absent in the cattle yard, having been disposed the previous day.

4.2.3.4 Zubereitung und Verzehr
Aduedem 2019: 18: By late evening, the Bambara beans and the beans are also set on fire in the same pot – which is forbidden in ordinary daily life – and in the night, TZ too is prepared. When the varieties of the foods are done, say by late night, the women serve [are served] first, the deceased [then the deceased’s] sons (bisa) [are served] the kpaam tue (literally, oily beans, a mixture of Bambara beans and beans with plenty oil-shea butter inside), then the daughters and [then] the food is distributed to everyone. The serving of the TZ also follows the same pattern. The kpaam tue ngobika (eating of kpaam tue) continues till towards dawn, mostly accompanied by the youth amidst drumming and dancing in some cases. Towards dawn, the women serve the kpaam tue in an earthenware bowl (kpalabik), put the oil in a chimbili (small calabash for serving oil or sowing) and put it on top of the kpaam tue and then with some TZ, they send it out to the kusung [Endnote 85]. Two “courageous” youth pour the oil into the kpaam tue and send the chimbili inside saying: kpaam ka kpaam ka”-literally translated as “no oil no oil”! The women inside will collect and give oil to them and when they get out, they pour the oil out, go back and repeat the same procedure. When they do it the third time, they stop and eat everything that was brought out [Endnote 86].

4.2.3.5 Schreittänze und Gesang
Anyenangdu Yeri,  Wiaga-Badomsa: Die Elders singen Bohnen-Lieder (kpaam-tue-yiila): Zug zum Speicher des Toten und einmal um das Gehöft
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa-Anuryeri: Nach dem Mahl beginnen funeral songs.
U. Blanc (2000: 16) Kpaam-tue-yiila der Männer und sinsangula Gesänge der Frauen (sinsangula: s. gbanta dai); S. 17: Witwen, die bisher in ihren Räumen verweilen und klagen, werden, fest gestützt auf ko-lieba, hinausbegleitet und nehmen am Gesang teil. Es findet kein abschließendes Ritual statt. Der Übergang zum gbanta dai ist fließend.
Aduedem 2019: 18: By cock crow when everything might have been eaten, those outside (the youth) sing the kpaam tue yiili [Endnote 87]. The women also come to the bui (barn) and sing their version of the kpaam tue yiili.

4.2.4 Vierter Tag: gbanta-dai

Die Imitationen (siehe 1. Tag, 4.2.1.15) und in einigen Sektionen auch die sinsangula-Gesänge (siehe 1. Tag 4.2.1.14) werden am 4. Tag fortgesetzt, nicht aber die Kriegstänze.
U. Blanc (2000: 208-219): Musikalische Handlungen beim funeral eines Mannes sind Angelegenheiten der Schwiegersöhne. In Bezug auf musikalische Praxis kann der Tag [gbanta] als “Tag der affinalen Verwandtschaft” bezeichnet werden. Beim Funeral einer Frau spielen musikalisch ihre patrilinearen Verwandten die größte Rolle. Es ist zwischen den sinsangula-yiila der Ehefrauen der Funeralsektion und den kum-yiila der verheirateten Töchter zu unterscheiden. Instrumentale Ensembles bestehen aus Gruppen der Funeralsektion, Gruppen der Nachbarsektionen und Gruppen der Schwiegersöhne.

4.2.4.1 Zug der sinsanguli-Frauen und der Imitatorin(nen) zum kusung-dok der Elders
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa: Anamogsi gibt den sinsangula-Frauen durch die Imitatorin/Anyenangdu ein lebendes Schaf und Geld (siehe auch 1. Tag, 4.2.1.15, Imitation). Auch andere Festteilnehmer geben Geld. Diese Geschenke gehören schon zum siinika-Ritual. Mit Trommelmusik zieht die Imitatorin zum Besuch der Elders zum kusuk dok.
Asebkame Yeri, Wiaga-Chiok, fn 88,120b: In Chiok werden, anders als in Sinyangsa, am gbanta dai keine sinsangula mehr geschlagen.
U. Blanc (2000: 211): Beim Morgengrauen geht eine Abordnung der sinsangula-Frauen zum kusung der Ältesten, um ein lebendes Schaf oder eine Ziege zu empfangen (cheri-goat). Eine Schwiegertochter trägt noch die Kleidung des Toten. Sie stellen ihre Forderung 3x (männliches Prinzip) oder 4x (weibliches Prinzip). Der Gehöftherr (Atengkadoa) dankt den sinsangula-Frauen, dass sie ihm geholfen haben, den Schmutz (daung) aus seinem Hause zu entfernen. Er spendiert 1 Flasche Akpeteshi, 3 Bündel Hirse, 1 lebende Ziege und Geld. Hiermit sind die sinsanguli-Darbietungen für die gesamte Totenfeier beendet.
E. Atuick 2020 (Kontinuierliche Fortsetzung von Kpaata dai, 4.2.3.1) Once the men hear the waliing and the demand for an animal, they know the cheri-deiroa is preparing to join them in the kusung.
While this is going on, the women are singing dirges in the compound in readiness to lead the cheri-deiroa out to the kusung to join the men. Eventually, amid singing and dancing, she goes out of the compound in the company of the chilie and other women to the kusung where she sits [down] while the chilie and her team exchange pleasantries with the men. The chilie, speaking on behalf of the cheri-deiroa, tells the men that their father or mother wants to go “home” to the land of the dead and craves their indulgence before commencing the journey. After this, the women resume the singing of dirges and the men, moved by their singing and the presence of the deceased in the form of the cheri-deiroa, drop money on the cheri-deiroa and some of the singing women.
While the singing and dropping of money is going on, the men engage the cheri-deiroa in conversations they used to have with the deceased when he or she was with them. If the deceased was a male, the cheri-deiroa automatically becomes a yeri-nyono [landlord] as soon as she enters the kusung. Hence, the kobisa must recount whatever issues were before them for decision-making and listen to the wise counsel of their “landlord”, the cheri-deiroa. She also has the license to verbally and physically abuse anyone she knows the deceased did not like or see eye to eye with, including ordering people to get up and give her space to sit in the kusung.

4.2.4.2 siinika (wörtlich ‘piling up’): Verteilen von Geschenken
Das siinika Ritual wird heute mitunter schon am 1. oder 2. Tag ausgeführt.
Eine siinika kann auch außerhalb einer Totenfeier veranstaltet werden, zum Beispiel bei einer Abschlussfeier an der Sandema Boarding School, wie ich sie 1973 erlebte.

Abb.: Hackenblätter und Geldscheine als siinika Geschenke (Awuliimba 1989)

Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,224b); 8.3.89: Die siinika wird bereits am 2. Tag nach dem Verbrennen der Matte ausgeführt. Im Dunkelwerden werden Tiere und Hacken verteilt. James Agalic, Clement Agalic, Oldman u.a. stehen auf dem Flachdach am Eingang. Sie werfen sowohl die Hackenblätter als auch die toten, zusammengeknoteten Schafe von dort in den Innenhof [Endnote 88].
Ein Mann beschwert sich, dass er nicht auf das Dach zum Verteilen der Geschenke eingeladen wurde. James Agalic entschuldigt sich.
Zuerst werden Kühe vergeben: 1 Kuh an Yongsa; 1 Kuh an Kobdem; 1 Kuh an Bilinsa; dann Schafe (Barbara schreibt die Empfänger auf): 1 Schaf für Prof. Schott und bisanga (B. Meier, M. Striewisch, F. Kröger u.a.). Die Hacken werden einzeln heruntergeworfen. Wegen der eintretenden Dunkelheit wird die Weiterverteilung auf den gbanta-Tag verschoben.

Anyenangdu Yeri,  Wiaga-Badomsa: Adumoak gibt vom Flachdach aus bekannt, wer die Geschenke erhalten soll. Jeder kann Geld und Hackenblätter an seine Freunde verschenken.
Es wurden unter anderem folgende Geschenke verteilt:
von Anamogsi: 15 Hackenblätter und 1500 Cedis
von Atinang: 10 Hackenblätter und 1000 Cedis
von Anyig (Atinangs Sohn): 5 Hackenblätter und 500 Cedis
von Akabre (Atinangs Sohn): 10 Hackenblätter und 1000 Cedis (M11)
von 2 weiteren Männern wurden einige Hackenblätter und etwa 1000 Cedis gegeben
Wichtige Empfänger sind die sinsangula-Frauen sowie (Schwieger)-Verwandte von Atinang, Anyik, Akabre und Anamogsi
Anamogsi und Atinang geben je einen Ziegenbock (Dan: je 1 Schaf) für die Imitation Anyenangdus.
Anyik und Ansoateng töten und enthäuten diese Tiere. Anschließend werden sie vor dem Haus von Frauen aus Anamogsis, Atinangs und Angoongs Haus gekocht.
Gegen 10 Uhr ist die siinika abgeschlossen; danach werden keine Tiere mehr verschenkt.
Abanarimi Yeri,  Wiaga-Chiok (fn 88,233a), 16.3.89: Im Viehhof werden Geschenke, zum Beispiel Hackenblätter mit 50 Cedi-Scheinen, verteilt. Die sinsangula nyam (owners of rattles) erhalten eine Ziege.
Adiita Yeri, Wiaga-Yisobsa-Guuta: siinika fällt ganz aus.

Abb.: Siinika in Agaab Yeri, Chantiinsa

Agaab Yeri,  Wiaga-Yisobsa-Chantiinsa: ab 9.42 Uhr: Zwei junge Männer vergeben Geschenke in der Runde der Frauen im Viehhof (nicht vom Dach). Die Geschenke werden sofort überreicht bzw. von den Empfängern abgeholt. Beispiele: 1 Flasche Akpeteshi, 1 Flasche Akpeteshi + 1 Hackenblatt, 1 Münze, 1 Geldschein, Hackenblatt, eine Flasche Akpeteshi mit einem Geldschein.
Atinang Yeri,  Wiaga-Badomsa: (nicht gesehen, Information durch Atefelik und Kojo 9.3.06): Die siinika bei Atinangs Funeral war, wie immer, am gbanta-dai. Die sinsangula-Frauen gingen (aus Protest?) vom Viehhof aus unter einen Baum am Fußpfad (Richtung NW). Andere alte Frauen gingen zu ihnen und baten sie zum Viehhof zurückzukommen, sodass man ihnen danken könne. Sie versammelten sich wieder am Getreidespeicher (bui) und erhielten ein Tier. Zur siinika gehören auch drinks, die man am frühen Morgen an Freunde spendiert hat. Traditionelle siinika-Geschenke sind Hackenblätter und Geldscheine für Freunde.
Agaab Yeri,  Wiaga-Yisobsa-Chantiinsa: 9.28 Uhr, auch 10.10 Uhr? und 11.23 Uhr: Bewirtung der Frauen im Viehhof

Information Godfrey Achaw (fn 73,48a): Von einem Flachdach oder vor dem Gehöft gebenVerwandte Geschenke an Freunde des Hauses, besonders Hackenblätter.
Information Leander Amoak (fn 79,1a): Am letzten funeral-Tag, morgens um 7 Uhr steigen Kinder und nahe Verwandte des Toten auf das Flachdach [am Eingang] und geben Geschenke an Freunde des Toten und an eigene Freunde/Freundinnen. Tiere dürfen nur in getöteter Form gegeben werden (Widerspruch zu anderen Informanten).

Information Leander Amoak:  Geschenke Leanders beim Funeral seiner Mutter: 1. an Akabandoa: 1 Hacke, 1 tote Ziege mit 3 £ (= 6 Cedis); 2. an seine pok-nong in Sichaasa (Perpetuas Mutter) Apaajaab in Akpewen-Yeri: 2 £ und eine Hacke (Atigsidum fügte 1 £ hinzu); 3. an zweite pok nong Apoglik (chief’s brother’s wife): 1 £ und 1 Hackenblatt.
Geschenke von Leanders ersten Frau Atigsidum: 1. an einen Mann aus Kadema, dessen Frau ihre beste Freundin ist (diese hatte auch Nahrung für die Totenfeier mitgebracht): 3 £ und 2 Hacken (Adaaminyini fügte 1 £ hinzu); 2. an Awiag (ihr nong): 1 £ und 1 Hacke.
Geschenke von Leanders Bruder Atiim: 1. 2 £ und 1 Hacke an seine pok nong, die eine nahe Verwandte seiner Frau war, 2. an seinen inzwischen verstorbenen Freund Akanyueta (Anueri Yeri): 2 £ und 1 Hacke.
Es wurden noch viele andere Geschenke verteilt. Wenn (pok) nongta keine Geschenke erhalten, sind sie betroffen und das Verhältnis könnte leicht enden. Die öffentliche Vergabe von Geschenken ist auch eine Veröffentlichung eines Freundschaftsverhältnisses.
Information Danlardy Leander (fn 01,8): Siinika gibt es nicht nur bei Totenfeiern, sondern auch bei Hochzeiten, Tänzen und Beerdigungen (zum Beispiel bei der Bestattung von Danlardys Stiefmutter Maami Atigsidum). Auch das Geldgeschenk, das man Musikern oder Tänzern auf die Stirn drückt, ist siinika. Bei Anyenangdus Totenfeier gab Danlardy an Abawomba ein Hackenblatt und Geld. Man beschenkt immer seine persönlichen Freunde. Sie brauchen nicht aus dem Trauerhaus zu sein, müssen aber anwesend sein.

Information Danlardy Leander (17.4.96): Siinika ist traditionell am gbanta dai, aber einige veranstalten sie am 2. Tag (tika). Vor der siinika muss das Töten der kpagluk-Tiere liegen (meistens sehr früh am Morgen). Siinika-Tiere werden immer lebend verschenkt [Die letzte Aussage widerspricht meinen Beobachtungen, z.B. wurden in Awuliimba Yeri, Sandema-Kalijiisa, nur tote Tiere verschenkt].

Information Yaw (fn 01,8b; FB 22-23): Siinika bezeichnet die Vergabe von Geschenken (Geld, Hirsemehl) bei einer Totenfeier. Auch das Geld, das eine Frau in einem Kopftuch einem Freund um das Handgelenk bindet, ist siinika siehe 4.2.1.16).
Bei einer Totenfeier beschenken Hausbewohner Gäste und umgekehrt. Man kann mit dem Gegengeschenk auch warten, bis man eine Totenfeier im eigenen Gehöft hat. Wenn beim Funeral von Yaws Schwiegervater seine Frau Tenni schwanger ist, darf Yaw keine Geschenke machen, wohl aber Geschenke annehmen.
Siinika gibt es auch bei der chichambiri–Farmarbeit. Der Gehöftherr kann ein neues Hackenblatt (kunku-paali) an den ältesten Arbeiter geben und es mit einem Geschenk verbinden, das er an einen bestimmten anderen weiterreichen soll. Wenn er dieses auch für sich behält, kann er dieses ungestraft tun, muss aber den vorgesehenen Empfänger informieren. Andere Geschenke sind: Nahrungsmittel, Geld, einen Strohhut, sogar ein Mädchen als Ehefrau. Später kommen Leute aus dem Gehöft des Arbeitgebers in das Gehöft des Schwiegersohns. Dieser sagt ihnen: Ti jam te nya ni paarika (Wir kommen und wollen sehen wie ihr angekommen seid) oder Ti jam te nya ni jienta (Wir kommen und wollen eure Müdigkeit sehen) oder Ti jam te nya ni yitika (Wir kommen und wollen euer Aufwachen sehen, d.h. ob ihr morgens gut wieder aufgestanden seid).
R. Schott: Sandema-Kalibisa: Die siinika fand um 16 Uhr des 2. Tages (tika) vor dem Verbrennen der Matte statt.

U. Blanc (2000: 210-12): Handelnde sind die Frauen. Sinsangula-Frauen fordern am kusung ein Schaf oder eine Ziege. die als cheri-goat bezeichnet wird..
J. Agalic,  MA thesis, S. 32, (fn 88,4a): ‘enticing”. As many sheep and goats as possible are given to close friends by the close relatives of the deceased. Receivers must “reciprocate”.

4.2.4.3 Unblutiges Töten des Schafes/der Ziege durch die sinsanguli-Frauen
(ngmetika = pinching)
Nach Danlardy Leander ist dieses Töten kein selbständiges Ritual. Nach Atefelik aus Sandema-Yongsa ist es ein Teil des siinika-Rituals, das Töten vielleicht ein Teil des cheri dungsa (so wurde das Töten in Akadem Yeri genannt).
Anyenangdu Yeri,  Wiaga-Badomsa: Frauen versuchen, das Schaf zu erwürgen (eine Frau stellt sich auf den Hals); Aparimoak tötet es mit dem Messer. Das Fleisch wird unter den Frauen verteilt, ein besonders Entgelt wird für die nächtliche Arbeit des dritten Tages (kpaata) bezahlt.
Awuliimba,  Sandema-Kalijiisa (fn 88,225b), 9.3.89: Im Viehhof werden 2 Schafe aus dem zong (Viehstall) geholt; das erste wird von Frauen durch Erwürgen getötet; das zweite wird als Geschenk für die Frauen geschlachtet.
(fn 88,226a, Awuliimba): Nach Tötung und Zerlegen des ersten Schafes wird Fleisch gekocht und Hirsebrei zubereitet.
Akadem Yeri,  Wiaga-Yisobsa (fn 88,200b), 31.1.89: Eine Frau im Viehhof versucht, eine Ziege blutlos zu töten. Die Frau tritt der liegenden Ziege auf den Hals bis Blut aus Mund und Nase kommt, aber die Ziege steht danach wieder auf. Ein junger Mann schneidet ihr mit dem Messer den Hals auf und fängt das Blut in einer Kalebasse (?) auf. Töten der Tiere: cheri dungsa
Agaab Yeri,  Wiaga-Yisobsa-Chantiinsa: Das Töten durch Erwürgen wurde nicht gesehen. Vom Schaf und dessen Aufteilung wurden Fotos aufgenommen.
Adiita Yeri,  Wiaga-Yisobsa-Guuta: Das Töten durch Erwürgen wurde nicht gesehen. Um 7.47 Uhr liegt eine totes Schaf im Viehhof.

Abb.: Versuch einer Frau, die Ziege zu erwürgen, Abanarimi Yeri

Abanarimi Yeri, Wiaga-Chiok (fn 88,233a), 16.3.18, nach 9.30 Uhr: Die Ziege, die die sinsangula-Frauen bei der siinika erhalten haben, wird von einer Frau “symbolisch” erwürgt (eine Frau fasst sie am Hals) und dann von zwei Männern mit dem Messer im Viehhof geschlachtet. Ihr Blut fließt in eine Kalebasse. Die Tötung muss im Viehhof geschehen, da es eine Angelegenheit der Frauen ist (s. Video Film: 5530ff.).

Information Ayomo Ayuali:  Die boosuk joroa genannte Frau, die auch das cherika ausführt (Imitiation?) erwürgt die Tiere mit den Händen oder tritt darauf.

U. Blanc (2000: 213): Verteilung der Ziege/des Schafs der Frauen: Fleischstücke von Hals, Vorderbein und Magen werden herausgenommen und geröstet. Die Leiterin nimmt von jedem Stück etwas, der Rest wird unter den anderen Frauen verteilt. Frauen in der “Lernphase” dürfen von dem Tier nichts essen.
E. Atuick  2020:87: After the presentation, the chilie will ask young men she trusts to kill and skin the animal for them to use for the preparation of the cheri-saab.

4.2.4.4 Bad der Witwen
Awuliimba,  Sandema-Kalijiisa (fn 88,225a+b), 9.3.89: Ausnahmsweise wurde hier in Kalijiisa das rituelle Bad der Witwen schon in der Frühe des kpaata dai durchgeführt. Am gbanta dai tragen die Witwen Blätter und drei weiße, aus busum boong geflochtene ca. 2 cm breite Bänder (pokogi oder pokongta) um ihre Stirn, Brust und Hüfte [Endnote 89]. Die Bänder werden nach der Feier über den naangaang rituell weggeworfen.
Agaab Yeri, Wiaga-Yisobsa-Chantiinsa: 10.27 Uhr: Frauen in Vollkleidung ziehen nach der siinika aus ihrem dok durch den Viehhof “hinter das Haus”. Einige tragen ein Stirnband, einige (eine?) einen Stab (Hirsehalm?). Bei dem Bad tragen sie Blätterkleidung und sind durch andere Frauen abgeschirmt. Fotos, auch der ganzen Gruppe sind überall streng verboten.
Um 12 Uhr ziehen die Witwen in Vollkleidung zur Verabschiedung zum kusung-dok. Viele tragen schwarze Kopftücher. Eine Frau trägt einen Kalebassenhut. Nach einer unbestätigten Information handelt es sich hier um eine Frau, die schon einen anderen Mann geheiratet hat. Einige Frauen betreten den Raum, andere hocken am Eingang, während noch sinsanguli-Gesänge ertönen. Hiernach gehen viele Nachbarinnen nach Hause.
Beobachtung nach dem Bad: An der Außenmauer steht der chari, aus dem sie gewaschen wurden und die Blätterkleidung. Darüber liegt Astwerk als Schutz, denn wenn man die Blätter anfasst, ist es genau so als ob man eine Witwe anfasst, d.h. man muss sie heiraten oder die Witwe heiratet stellvertretend einen kleinen Jungen. Die Blätter sollen bis zur Juka im Raume der Witwe sein, aber da sie schnell zerfallen, nimmt man nur wenige Blätter, wirft die anderen fort und ersetzt sie bei der Juka durch frische Blätter. Die Blätter stammen meistens vom Schibutterbaum, nur seltener vom Nim-Baum.
Adiita Yeri,  Wiaga-Guuta (fn 2008,15b): Am gbanta dai um 9.45 ziehen die Witwen aus ihrem Innenhof hinter das Gehöft. Mehrere tragen helle Stirnbänder oder einen Hirsestab. Nim-Blätter (für die Kleidung) tragen einige in ihrer Hand. Um 9.45 folgt ein alte Frau mit einem kleinen liik-Topf und Wasser. Um 10 Uhr kommen die Witwen zurück, eine trägt den (leeren?) liik-Topf auf dem Kopf.

Information Godfrey Achaw (fn 73,4a): Bei den Totenfeiern gibt es kleinere Unterschiede innerhalb von Kalijiisa. In Yongsa u.a. werden die Witwen nur gebadet, in anderen lineages (dok) werden sie auch mit Dornzweigen geschlagen.
Information Danlardy Leander (fn 94,86b*): Danlardys Aussage, dass die Witwen nur in der Juka-Totenfeier gebadet werden, wird durch eigene Beobachtungen (s.o.) widerlegt.

4.2.4.5  Cheri dungsa: ‘Töten von Tieren’; cheri (‘to shed [blood]) oder cheri deka
Cheri-dungsa Tiere werden vor oder hinter dem compound mit dem Messer getötet (nicht über einem Schrein). Nang-foba Tiere werden ohne Blutvergießen erschlagen oder erstickt. Bei rituell getöteten Tieren darf das Fell (mit Ausnahme von Eseln und Hunden) nicht abgeschröggelt werden, um dann die Haut mit zu verzehren, sondern sie müssen enthäutet werden.
Anyenangdu Yeri,  Wiaga-Badomsa Es werden vier Schafe und 1 Ziege getötet. Sie werden folgendermaßen aufgeteilt:
Ziege: an Aparik-moak, weil er cham-viok geholt hat
Schafe: Hinterbeine an die Frauen, die das Ritual ausführten (s.o.)
Hälse und Hüften: an “Töchter”, die beim Kochen halfen
Vorderbeine: in Stücke zerschnitten, an “Onkel” (ngesingsa), die halfen
Köpfe und Rest der Vorderbeine: gekocht und an die Kinder des Hauses und andere verteilt

Abb.: Eine der beiden Ziegen wird getötet, Abanarimi Yeri
Abb.: Zerlegung und Aufteilung der Ziegen, Abanarimi Yeri

Abanarimi Yeri,  Wiaga-Chiok (fn 88,233a), 16.3.88: Um 11.30 Uhr werden hinter dem Haus zwei Ziegen getötet (für 2 ältere, eingeheiratete Frauen), fast gleichzeitig vor dem Haus 2 Perlhühner. Die Perlhühner sind für einen kleinen verstorbenen Jungen und für eine Frau, die mit einem Kind zurück in ihr Elternhaus kam. Sie erhält hier die Totenfeier eines Jungen. Die Ziegen müssen von dem ältesten Sohn (eines der beiden Toten?) zerhackt werden. Bei der Aufteilung der Ziegen darf sich Danlardy als Neffe (FMM, stammt aus Chiok) aussuchen, welchen Teil er möchte. Eigentlich steht ihm ein Vorderbein zu, er wählt aber den Hals. Je ein Hinterbein mit einem Teil der Leber und einem Teil der Eingeweide (Lunge) ist für die Elders im kusung-dok bestimmt. Sie können ihr Fleisch grillen, kochen oder mit nach Hause nehmen. Zwei Vorderbeine gibt man dem boosuk juiroa, zwei “Hüften” (waists, chiak) mit jiu-kuk (‘lowest part of backbone’) den Männern, die die Tiere zerlegt haben. Die Hirtenjungen, die Ziegen gehütet haben, erhalten die Därme (nyueta), die Schwänze, die Milz (pimpeluk) und Hoden der männlichen Ziege. Alles wird sofort von den Hirten geröstet. Bei der weiblichen Ziege findet man einen Embryo, der sofort begraben wird. Der Rest des Fleisches mit den beiden Köpfen wird in zwei Haufen geteilt (entsprechend den beiden eingeheirateten Frauen).
Asebkame Yeri,  Wiaga-Chiok (fn 88,119a), 6.12.88: Da die Totenfeier für einen vor vielen Jahren verstorbenen Mann, eine Frau und zwei Kindern (mit jüngeren Geschwistern) abgehalten wird, werden am Eingang für den Mann eine große Ziege, für die Frau hinter dem Gehöft eine kleinere Ziege und für die beiden verstorbenen ‘Kinder’ (kinderlose Frauen) je ein Perlhuhn getötet (nicht über einem Schrein). Das Blut der großen Ziege fließt in einen bimbili-Topf, ihr Fleisch wird sofort auf einer Strohunterlage mit einem Messer (gebik) und einer Axt (liak) zerteilt (siehe Fotos von Abanarimi Yeri). Währenddessen werden die zwei Hühner getötet und sofort von Kindern gerupft, aber erst später von Männern aufgeteilt und gekocht. Eine Frau bekommt ein Hinterbein der Ziege, Ako, der gerade anwesende älteste Schmied der Sektion, erhält einige Eingeweide, der Rest wird für das Nachmittagsessen benötigt.
Hinter dem Haus wird die kleinere Ziege für die verstorbene Frau getötet und sofort aufgeteilt. Ihr Fleisch wird gekocht und später zum Hirsebrei gegessen. Diese Tötungen waren keine Opfer, sie wurden den Toten zur Ehre dargebracht, jeder hätte die Tiere töten können.
(fn 88,120a) Hinter dem Haus bereiten Frauen den Hirsebrei der verstorbenen Frau. Frauen bilden einen menschlichen Schutzwall, um sich vor den (rituell) stehlenden Kindern zu schützen (s. 4.2.4.7, “snatching”). Atoalinpoks ältere Schwester imitiert mit einer Trommel die Tote, aber sie läuft nur ansatzweise um das Gehöft. Das Essen wird zuerst an die Kinder, dann an die Männer ausgeteilt. Sie werden nach Sektionen der Schwiegersöhne (?) aufgerufen. Zum Schluss erhalten auch doglieba und andere ihren Teil.
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,225b), 9.3.89: Ein Schaf wird am Gehöfteingang durch Halsschnitt getötet. Sofort wird die Strosse (loeluk) aus dem Hals geschnitten und in den Topf mit Blut gelegt. Das Schaf wird von zwei Männern zerteilt.
Akadem Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 88,200a+b), 31.1.89: Vor 8.30 Uhr (meiner Ankunft) werden mehrere Tiere (Ziegen, Hühner…) am vorderen Eingang für die verstorben Männer, hinter dem Haus für die verstorbenen Frauen getötet und aufgeteilt.
Adiita Yeri,  Wiaga-Yisobsa-Guuta, 7.47: 1 Schaf?
Agaab Yeri, Wiaga-Yisobsa-Chantiinsa: 10.39: Die erste Ziege wird geschächtet. Ihr Blut fließt in einen cheng-Topf, ihr Kopf wird ganz abgeschnitten. Zusammen werden etwa 6 (7?) Ziegen für die 2 Männer (in der Nähe des Gehöfteinganges) und 5 Frauen (etwa 20 Meter daneben) getötet. Auf einer Lage Hirsehalme werden sie ausgenommen, zerteilt (nicht auf einem Blech!) und über ein offenes Feuer gehalten
Atinang Yeri,  Wiaga-Badomsa: Atinangs Funeral (fn 06,10): cheri-Tiere: für Atinang: posuk (Schaf); Angmarisi (Bruder Atinangs): buuk (Ziege); Kweku, Awonbiisi, Akansang, Agoalie und Adiki erhalten je eine Ziege (die letzten 4 Personen sind aus Anyenangdu Yeri).
Ataamkali Yeri  (Afeliks Gehöft in Wiaga-Longsa) 29.1.11: cheri-Opfer (Abbruch der Beobachtungen).
Agbain Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 01,3a): Am 16.2.01 (auch am 15.2.01 war gbanta dai) um 9.50 Uhr werden zwei Ziegen an einem vorderen Eingang geschlachtet (es ist nicht der Haupteingang). Anschließend werden sie auf einer Lage guinea-corn Halme von 4 Jungen zerlegt. Ihr Fleisch ist für die cheri-lieba, d.h. die Töchter des Hauses bestimmt. Sie kochen es selbst, ebenso wie den Hirsebrei und opfern dann der Gehöftwand (siehe parik-kaabka)
Acha Yeri, Sandema-Chariba (fn 88,222a); 5.3.89 gbanta: Als ich um 10 Uhr eintreffe, sind die Tiere bereits getötet.
Information Danlardy Leander (fn 94,86*): cheri saab: Er wird am gbanta-dai aus Hirse bereitet, die die Verwandten des Sohnes und Nachbarn der toten Person geschenkt haben. Jeder kann hiervon essen.
Aduedem 2019: 19: On this day [Gbanta Dai] at dawn [Endnote 90] by which time the elders would have come and seated in the kusung dok, the daughter in-law of the deceased dresses up in the deceased’s clothes, comes to the main entrance (nan suung) and cries out “maa yaa ka naab” 3x, thus, I want a cow, I want a cow, I want a cow. Then the sons (by day break), give an animal to the elders that it be given to the deceased. The daughter in-law brings a pot to the parik and the animal is killed, the blood collected in the pot. The animal is skinned right there and a forelimb and the waist are given to the daughter in-law. TZ is prepared on that spot with the rest of the meat and that is the cheri saab. The sons are served the saab first, then daughters and everyone else eat. The chest of the animal plus a leg, water and TZ are served to the elders in the kusung dok. Then as usual, the rest of the TZ is distributed, snatched and eaten.
E. Atuick  2020: 87: [cheri-saab] Saab is the staple food of the Bulsa and is usually eaten with various vegetable soups, but during the funeral the soup is prepared with dry okra or powdered peanut with the meat of the animal. The cheri-saab is usually ready by 2 or 3 p.m. when all lineage members gather for the grand celebration of the funeral.
The cheri-deiroa must be the first person to serve herself the food before others can be served. She starts by making the waliing cry three times if the deceased was a man or four times if the deceased was a woman before fetching some of the food into a bowl to eat before otherscan be served. After she has finished eating, she picks up the food stirring stick (sapiri) with remnants of saab on it and smears oil on it while the chilie and other women distribute the rest of the food to people in order of seniority, starting with the kobiik in charge of the funeral down to the children. While the sharing is ongoing, young men or children will come and snatch the boiled head of the animal and run away with it as part of the normal joking they use to do with their deceased parent (Nach Austeilen und Verzehr der Speisen: Wandopfer, 4.2.4.6).

4.2.4.6 Parika kaabka (= cheri kaabka?): Opfer an die Gehöftmauer durch Frauen
Wie auch bei anderen Gelegenheiten gilt die Westseite des Gehöfts (mit Eingang nansiung und Vorplatz pielim) als die Männerseite, die Bereiche hinter dem Gehöft (nangaang, Osten) als die Frauenseite. Die hier beschriebenen Opfer an der Westseite gelten daher verstorbenen Männern, die an der Ostseite werden verstorbenen Frauen dargebracht. Es ist außergewöhnlich, dass das Beschmieren der Mauer (vor und hinter dem Gehöft) durch Frauen als Opfer (kaabka) bezeichnet wird.
In Wiaga-Guuta erlebte ich, dass auch die Männer später die Wand mit einem Huhn beopferten. Auch Aduedem erwähnt dieses Opfer durch Männer (s.u.)

Anyenangdu Yeri,  Wiaga-Badomsa, nach 12 Uhr:
Hauptakteure sind Ayoglie (Abapik Yeri), Asiukpienlie Anyenangdu Yeri), Apoktiak (Atinang Yeri) und “Töchter” aus Anyenangdu Yeri, Atinang Yeri und Angoong Yeri. Am Haupteingang (nansiung) schmieren Ayoglie und Asiukpienlie das Bohnengericht (Dan: kpaan-tue: tue-sobluk, suma + Öl) an die Wand. Ayoglie läuft mit der ginggoung-Trommel um das Gebäude.

Abb.: Frauen hinter dem Gehöft Abanarimi Yeri

Abanarimi Yeri,  Wiaga-Chiok (fn 88,233a), 16.3.18; 14.10 Uhr: Am Eingang wird TZ gekocht, am naangaang Fleisch. Dort läuft eine Frau mit einer Zylindertrommel 2x nach links und 2x nach rechts und jeweils wieder zurück (hiermit wird das Umlaufen des Compounds angedeutet). Nach dem ersten Lauf nimmt eine Frau Hirsebrei vom Rührstab ab und legt ihn in die beiden geöffneten Hände der Frau, die das “Opfer” durchführt. Sie schmiert beides zusammen mit beiden Händen von unten nach oben an die Wand. Eine andere Frau hält der Opfernden die Augen zu. Dieses wird mehrmals wiederholt. Jedes Mal wird ein Stückchen Hirsebrei in das Feuer des Herds geworfen.
Asebkame Yeri,  Wiaga-Chiok (fn 88,119b): Am Gehöfteingang wird nach 13 Uhr von Frauen Hirsebrei zubereitet. Eine junge Frau, die angeblich auch den Toten imitieren soll, läuft dreimal unter dem Gelächter der Anwesenden mit einer Trommel um das Gehöft. Der Hirsebrei ist fertig, die Frauen stehen im Kreis um den Kochtopf. Man nimmt mehrmals kleine Portionen aus dem großen Topf und gibt sie mit der Hand einer Frau, die sie in einen kleineren Tontopf legt. Die Frauen essen zuerst. Frauen bestimmen weiterhin alle Handlungen, während die Männer im kusung sitzen.
14 Uhr (?): Alle ziehen hinter das Gehöft, wo der Hirsebrei für die verstorbene Ehefrau zubereitet wurde. Vor dem Austeilen imitiert (?) Afulanpoks ältere Schwester aus Guuta mit einer Trommel die Toten. Sie soll 4x um das Haus laufen, tut es aber nur 1x und läuft dann 3x hin und her. Auch die Frau mit dem Rührstock läuft mit. Einer Frau hält man die Augen zu, und sie schmiert das Bohnengericht an die Wand (Video 3820). Der Hirsebrei wird zuerst an die Kinder, dann an die Männer verteilt. Für die Schwiegersöhne wird der Brei in Töpfen nach ihren Sektionen aufgeteilt, die dann aufgerufen werden. Zum Schluss erhalten auch doglieba und andere Gäste ihre Mahlzeit.
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,226a), 10.3.89: Fleisch wird gekocht und mit Hirsebrei zubereitet. Eine Frau knetet den Brei an einen Rührstab. Bohnen und Hirsebrei werden beim Eingang an eine Ecke des Eingangs geschmiert. Nachdem die Imitatorin mit der Trommel um das Haus gelaufen ist, wird wieder Nahrung an die Wand geschmiert. Im dritten Lauf läuft die Frau nur 50m nach links und zurück, es ist nur die Andeutung einer Gehöftumrundung. Das Anschmieren wird als kaabka bezeichnet.
Akadem Yeri,  Wiaga-Yisobsa (fn 88,200a+b), 31.1.89: Am Eingang und am nanggaang (hinter dem Gehöft) kochen Frauen Hirsebrei und füllen ihn in Schüsseln. Vor dem Gehöft knetet eine Frau eine Schicht Hirsebrei an den Rührstock sapiri fest, der dann mit heißem Öl frisch gehalten wird (die Frau verzieht das Gesicht). Die Trommlerin kommt hinzu und läuft 2x (?) nach rechts und wieder zurück; dann 3x (?) um das Haus. Mit ihr laufen auch andere Frauen (auch die Frau mit dem Hirsebrei-Stab?). Hirsewasser wird von einer Frau, der die Augen zugehalten werden, an die Wand geschüttet. Dann werden einer jungen Frau die Augen zugehalten und sie reibt TZ vom Rührstab an die Hauswand rechts vom rechten zamonguni (Eingangspfeiler). Danach werden auch Bohnen vom Vortage 3x von unten nach oben an die gleiche Stelle gerieben.
(s. auch 4.2.4.7, snatching in Akadem Yeri).
Acha Yeri, Sandema-Chariba: hinter dem Trauerhaus wird Hirsebrei an einem Rührstab weich gehalten. Das Beschmieren der Wände, Grabschen der Kinder nach Fleisch, Umlaufen des Gehöftes durch eine Frau mit großer Zylindertrommel usw. geschieht genau so wie für Wiaga beschrieben.

Abb.: Parik kaabka in Agaab Yeri

Agaab Yeri,  Wiaga-Yisobsa-Chantiinsa: Ab 12.57 Uhr wird am Gehöfteingang ein temporärer Dreisteineherd aufgebaut. Frauen kochen dort das Fleisch der cheri dungsa. TZ und Bohnen werden aus dem Hausinneren herausgebracht (Reste vom kpaata dai). 14.35: Eine Frau bestreicht den Rührstab mit TZ und knetet es ständig, eine andere Frau geht mit einer Zylindertrommel nur ein Stück bis zum Eingang und zurück.
14.40 Uhr: Eine Frau nimmt Hirsebrei in ihre Hand. Bohnen kommen hinzu. Während eine andere Frau ihr die Augen zuhält, streicht sie die Nahrung in einer Ecke von unten nach oben (wie beim Verputzen von Mauern). Ab 14.43 Uhr praktiziert man ein ähnliches Opfer an der Frauenseite (Osten). 14.51 Uhr: Flüssigkeit (klares Wasser?) wird über die Opferstelle gegossen, danach wäscht sich die Frau ihre die Hände und reinigt den Rührstock.
13.30 Uhr: Das Fleisch für die toten Männer wird auf ein Flachdach im Gehöft gebracht, das Fleisch für die Frauen auf das Flachdach des Hauses, in dem sich die Witwen befinden.
Adiita Yeri, Wiaga-Yisobsa-Guuta: Morgens zeigen die Frauen den Männern im kusung-dok das Fleisch für die Opferung der Wand und auch eine große Kalebasse Hirse zur Herstellung von Hirsebrei. Die Speisenzubereitung beginnt um 10.30 Uhr. Der fertige Hirsebrei wird in viele Tonschalen gefüllt. Ab 10.52 Uhr: Eine Frau knetet Hirsebrei an einen Rührstab. Um 11.02 Uhr geht eine Frau einmal mit dem Rührstab zum Eingang und zurück.
11.03 Uhr: Opferung wie in Chantiinsa. Das Bohnengericht schmiert die Frau aber in einem zweiten und dritten Arbeitsgang getrennt an die gleiche Stelle der Wand. Danach wäscht sie ihre Hände und den Rührstocks.
Um 12.18 Uhr opfert ein Mann (mit Hemd) an der Stelle des Frauenopfers der Wand ein Huhn. Er spricht ein Gebet und drückt dessen Federn auf die Opferstelle. Es findet aber kein Huhn-Orakel statt. Wasser (?) wird auf die Opferstelle geschüttet. Der Opferer trinkt zuerst.
Da das Funeral nur für 2 Männer abgehalten wird, finden keine Opfer hinter dem Gehöft statt.

Abb.: Opferstelle (parik kaabka) in Agbain Yeri

Agbain Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 01,3b): Die cheri-lieba opfern Hirsebrei und Fleisch , das sie selbst zubereitet haben. Sie achten genau darauf, dass kein Teil fehlt, denn sonst müsste eine weitere Ziege geschlachtet werden. Den (einen?) Ziegenkopf legen sie auf ein cheng-Gefäß. Gleich nach dem Opfer kann ein Mann ihnen den Kopf “wegnehmen” (chiagi ‘snatch’). Über die Verteilung des anderen Ziegenfleisches gehen die Meinungen meiner Informanten auseinander. Die Verteilung von Totenfeier-Fleisch ist anders als die normale Verteilung.

Information Yaw (fn 08,17a): Frauen gebrauchen für das Opfern an die Wand das Verb taari (verputzen), Männer gebrauchen das Wort kaabi (opfern), für die Wand sogar das Wort bogluk (Schrein).
Information Danlardy Leander (fn 94,86*): Letzte Empfänger des Bohnenopfers sind die Ahnen, nicht die Wand. Die Bohnen werden immer am kpaata-dai zubereitet. Menschen dürfen davon vor dem Opfer verzehren.
Information Danlardy Leander (17.4.96): Sauce und Hirsebrei werden nicht geopfert (widerspricht meinen Beobachtungen). Das Laufen mit der Trommel ist Teil des cheri-kaabika-Rituals. Die Nahrung wird aus der Hirse zubereitet, die von Verwandten und Nachbarn für den Toten geschenkt wurden.
Information Leander Amoak (fn 73,334a): Die Riten werden an der zamonguuna-Eingangssäule vollzogen, weil dieses auch “storage barns” sind. Die linken Säule wird beopfert.
Information Godfrey Achaw (fn 73,47b): Frauen opfern Ziegenfleisch und Suppe an der Außenmauer des Raums, wo der Tote starb [F.K.: trifft wohl nicht für männliche Tote zu]. Die Ziege muss außerhalb des Gehöfts vor Eintritt der Dunkelheit zubereitet sein.

U. Blanc (2000: 215f.): Töchter [F.K. Schwiegertöchter?] der Toten schmieren Bohnengericht, Hirsewasser (zom) und Hirsebrei an die äußere Gehöftmauer nahe dem Eingang. Eine mögliche Deutung dieses Rituals ist die symbolische Instandsetzung des Gebäudes. Eine Frau (die Imitatorin) lief vor der Opferung mit der Zylindertrommel einmal um das Gehöft.
Aduedem 2019 :19: … the rest of the [cheri saab] TZ is distributed, snatched and eaten. When the cheri saab is over, a woman uses part of it to smear the parik or nang-gaang (if it is a woman’s funeral) like it was done to the kpaam tue.
p. 21: After that [the Gbanta] the sons/relatives bring a fowl (a small one this time) to the elders and they give it to the kobisa. They take it and go to the parik, the wall joining the main entrance, and slaughter it, use the blood to smear the wall and then throw it into ashes where the cheri saab was prepared. Children pick it up [F.K. snatch it?] and roast it and technically, this stage of the funeral is over.
Azognab 2020: 49 (sein Informant: Atombil Andoagelik, Sandema 2018): Throwing the cheri saab (millet porridge) prepared with a goat or a sheep and soup for sacrificing one of the front or back walls of the house… is done by the funeral personnel, usually, the women or sometimes men. The rest of the meal is shared among the family members.
E. Atuick 2020: 74 (nach cheri-saab): After serving the women, the kobiik in charge of the funeral, the kobisa in the kusung, and the children of the deceased, the chilie takes the liver of the animal, adds it to the remnants of saab scraped off from the sapiri and the left-over kpaam-tue from the dawn’s activities, and performs the cheri sacrifice on the left wall of the main entrance to the compound if the deceased was a man, or on the wall with the drainage at the back of the compound if the deceased was a woman. Her eyes are usually closed while she is smearing the mixture of liver, saab, and beans on the wall while saying, “When you go, tell them there is nobody left. Take this sacrifice and know that there is nobody again.” What is intriguing about this sacrifice performed by the chilie, is the fact that the performance of sacrifices in Bulsa compounds is the preserve of men, but on this occasion, it is a woman who does it while the men watch as spectators. By saying this, she is praying against further painful deaths in the same compound to which the deceased belonged. The men, led by the kobiik in charge of the funeral performance, however, perform the sacrifice of fowls on the same wall after the women are done with theirs, allowing the blood and some feathers of the fowl to remain on the wall, just like the items used by the women for their sacrifice.

Abb.: “Snatching” in Guuta. Einige Jungen balgen sich um das erbeutete Fleisch

4.2.4.7 Snatching (chiaka, Infinitiv chiagi)
Dieser in Szene gesetzte institutionalisierte Diebstahl durch Kinder (z.T. auch älteren Personen) geschieht vor und während des Beopferns der Gehöftmauer (parik kaabka).
Asebkame Yeri, Wiaga-Chiok (fn 88,119b): 14 Uhr (?): Während der Hirsebrei für die verstorbene Ehefrau zubereitet wird, ziehen alle hinter das Gehöft (s. 4.6). Viele Kinder (nur männliche?) stehen bereit. Wenn sie ein Stück Fleisch entreißen können, dürfen sie es ungestraft nehmen, aber die Frauen bilden einen Schutzwall.
Adiita Yeri,  Wiaga-Yisobsa-Guuta: Rituell erlaubtes Stehlen (snatching): Um 9.19 Uhr wurde von mir ein Junge gefilmt, der sich ein Stück Fleisch nimmt, als das Handy der bewachenden Frau klingelt. Er flieht mit dem Stück Fleisch, und balgt sich mit anderen Jungen darum, aber es wird wohl später aufgeteilt. Danach gibt es noch spätere Versuche. Ein Junge verletzt sich schwer am Blechdach und muss ins Krankenhaus gebracht werden
Agaab Yeri,  Wiaga-Yisobsa-Chantiinsa (s. 4.6): … Um 13.30 Uhr: erfolgreiches “snatching” (Grapschen) durch Jungen. Später schlägt eine Frau einen Jungen, der versuchte, Fleisch zu stehlen. Auch die Männer im kusung-dok versuchen Fleisch (vor den Frauen) zu verstecken.
Akadem Yeri, Wiaga-Yisobsa (fn 88,200b), 31.1.89: Während hinter dem Gehöft Hirsebrei an den Rührstab geknetet wird und Hirsewasser und Bohnen der Wand geopfert werden, mischt sich ein Mann im gelben Mantel unter die Frauen, hebt den Deckel des Fleischtopfes und verschwindet unter dem Geschrei und den Beschimpfungen der Frauen mit einem Stück Fleisch. Danlardy (mein Begleiter) hätte dies auch tun können. Man sieht auch kleine Jungen, die mit einer Kalebasse oder einem Tontopf Hirsebrei davonlaufen (Video 1365).
Awuliimba,  Sandema-Kalijiisa (fn 226a): Nach Tötung und Zerlegen des ersten Schafes wird Fleisch gekocht und Hirsebrei zubereitet. Ein Mann geht zu den Elders und erklärt ihnen, dass es diesmal nur wenig Fleisch geben wird, weil die Kinder alles “gestohlen” hätten. Der älteste Sohn Awuliimbas versucht Kinder mit großem Stock einzuschüchtern.
F.K.:  Vergleiche hierzu auch die Verteilung des zubereiteten Essens bei der Juka-Feier in Wiaga-Mutuensa (fn 88,272a), bei der sich einige Empfänger das Fleisch von anderen Töpfen nehmen.
Agbain Yeri,  Wiaga-Yisobsa (fn 01,3b): Die cheri-lieba opfern Hirsebrei und Fleisch (s.o.), das sie selbst zubereitet haben… Den (einen?) Ziegenkopf legen sie auf ein cheng-Gefäß. Gleich nach dem Opfer kann ein Mann ihnen den Kopf “wegnehmen” (chiagi ‘snatch’).

Aduedem, 2019:25: …Then they give one bowl of TZ to the siblings (if any) of the deceased, after that they ask all to snatch (chiak) the rest of the food.
Nach Aduedems Informanten hat das “snatching” in Sandema nicht den Charakter eines Ritualdiebstahls.
Atuick 2020: 88: While the sharing is ongoing, young men or children will come and snatch the boiled head of the animal and run away with it as part of the normal joking they use to do with their deceased parent.

Abb.: Divination in Abanarima Yeri (Chiok)
Abb.: Awuliimba: Die beiden “Wahrsager” mit dem dunklen Huhn

4.2.4.8 Gbanta (divination)
Anyenangdu Yeri,  Wiaga-Badomsa: Drei Männer werden zum Wahrsager Akai geschickt. Nach ihrer Rückkehr (gegen 15 Uhr) warten sie hinter dem Haus, bis sie von den kusung-dok-dema mit Hirsewasser begrüßt werden. Sie erklären, dass die Totenfeier korrekt ausgeführt wurde.
Abanarimi Yeri,  Wiaga-Chiok (fn 88,233a), 16.3.18: Zwei ca. 50 Jahre alte Männer werden zum Wahrsagen bestimmt. Die Wahrsagersitzung findet unter einem Nim-Baum statt. Alle Leute gehen achtlos vorbei. Als baan-doari wird ein Stock vom Nim-tree abgebrochen, der Erdboden wird gereinigt, aber man hat keine Fell-Unterlage. Statt der beiden Steine hat man nur einen Quarzstein, auf den der Stock schlägt. Beide Männer halten den Stock, der zum Beispiel nach oben zeigt oder über dem Boden kreist. Alles dauert nur einige Minuten. Keiner der beiden Männer ist ein professioneller Wahrsager. Eine Frau hat einen busik-Korb voll Hirse zum Haus der Wahrsager gebracht (Bezahlung?). Sie kommt nach der Wahrsagersitzung mit dem leeren Korb zu ihnen.
Awuliimba,  Sandema-Kalijiisa (fn 88,225b), 9.3.89: Ein Totengräber weist zwei ca. 12jährige Jungen an, die Divination durchzuführen. Sie setzen sich in eine Ecke an der nördlichen Außenwand des Gehöftes und unterhalten sich nur. Es wird nicht einmal eine angedeutete Wahrsagersitzung durchgeführt. Nach einigen Minuten gehen sie zurück in den kusung-dok und erhalten ein kleines dunkles Huhn. Mit diesem gehen sie zum Gehöfteingang, schneiden die Kehle auf und “beopfern” am Eingang die Hausecke, an der auch Hirsebrei und das Bohnengericht klebt. Einige Federn kleben sie an die Gehöftwand; danach dürfen sie sich das Hühnchen selbst zubereiten.
Akadem Yeri,  Wiaga-Yisobsa (fn 88,200a+b), 31.1.89: Drei Männer (alle yie-nyam, Gehöftherren) ziehen zum Wahrsager Akannagayiri (Wabilinsa), und ich begleite sie. Sie tragen ein weißes Hühnchen und einen Korb voller Rispen- und Kolbenhirse. Unterwegs fallen einige Hirsekolben vom Korb, die man nicht wieder aufhebt, da dieses Herunterfallen vom Verstorbenen oder einem Geist verursacht worden ist. Der Tote (Akadem) war zu Lebzeiten sehr geizig, und will nicht, dass der Wahrsager zu reichlich bezahlt wird. Danach hebt jedoch der zweite Mann herunterfallende Kolben auf. Kurze Zeit später fällt eine Kalebasse mit gekeimter Hirse herunter, die man sofort aufsammelt.
Der Wahrsager Akannagayiri sitzt schon unter einem Mango-Baum, ca. 50 m von seinem Gehöft entfernt. Er trägt eine rote Mütze und ein großes Horn auf der Brust. Als Scheiben sucht man sich zwei einfache Steine aus der näheren Umgebung; es sind Zementbrocken, die nach der Sitzung fast völlig zerbröckelt sind. Akannagayiri hält nur eine stark verkürzte Sitzung ab: Anfangs ein Rasseln, eine Hantierung mit dem weißen Hühnchen, dann nur das Schlagen nach der binären Methode auf die beiden Steine. Obwohl der Wahrsagerbeutel vorhanden ist, werden keine Symbolobjekte gebraucht. Als man dem zweiten yeri-nyono, einem ex-serviceman, der gerade aus dem Süden zurückgekehrt ist, anbietet, als Klient Fragen zu stellen, sagt er “N ze” (Ich weiß nicht), d.h. er kennt die Praktiken nicht. Die ganze Sitzung hat etwa 10 Minuten gedauert. Anschließend trinkt man eine halbe Flasche akpeteshi.

Abb.: Abgeordnete aus Akadem Yeri beim Wahrsager Akannagayiri

Adiita Yeri,  Wiaga-Yisobsa-Guuta: Um 11.24 Uhr steigt ein junger Mann in den zentralen Speicher und holt einen halben Korb Hirse heraus. Um 11.39 Uhr ziehen zwei junge Männer mit einem Huhn und dem Korb mit zamonta-Hirse los in Richtung Stauteich. Nach einigen 100 m lassen sie sich unter einem Nimtree nieder.

Abb.: Die “Wahrsager” von Adiita Yeri

Es folgt keine echte Wahrsagersitzung, das Huhn wird mehrere Sekunden lang auf den Boden gehalten, dann durch Schlagen auf den Boden getötet, sofort gerupft und am offenen Feuer geröstet. Die beiden Männer teilen das Huhn und die Hirse unter sich auf (auch mir wird etwas angeboten). Das Ergebnis der Sitzung, es stand schon vorher fest, ist, dass noch ein Huhn von den Männern an der Wand geopfert werden muss. Eine Frau macht einen Fehler, da sie das Huhn schon vor Verkündigung des Wahrsager-Ergebnisses bereitgestellt hatte. Es muss neues Hirsewasser angerührt werden. Anschließend opfert ein Mann, dem die Augen zugehalten werden, der Wand ein Huhn. Von dessen Fleisch dürfen nur Männer essen, wenn für ihren Vater schon die Totenfeier ganz abgehalten wurde.
Acha Yeri,  Information aus Sandema-Chariba: In Sandema geht man am gbanta-Tag nicht zum Wahrsager, sondern zwei Jungen imitieren Wahrsager mit einem einfachen Stock hinter dem Compound. Dann gehen sie zu den elders und bekommen dafür ein Huhn, das sie sich über demselben Feuer braten, auf dem die Frauen Hirsebrei gekocht haben. In Chuchuliga kommt der Wahrsager in das Gehöft des Verstorbenen.

Information Alateng  (teng-nyono von Kalijiisa): Da eine Frau in Acha Yeri an (mit?) einem Durchfall gestorben ist, kann die gbanta erst durchgeführt werden, wenn ein neuer Mond geboren ist.
Information Akanming  (Wahrsager) zum gbanta-Tag (4.2.89): Das Hühnchen muss nicht unbedingt weiß sein. Der Wahrsager hält es am Anfang längere Zeit in der Hand, damit der jadok weiß, dass die Gruppe zum Funeral-Wahrsagen gekommen ist. Die Gruppe bringt folgende Dinge mit: 2 Arten Hirse, kpaama (gekeimte Rispenhirse), tabi (Tabak), 1 kpiak (Huhn): Das Hühnchen wird später dem jadok geopfert. Aus der kleinen Menge kpaama wird Pito gebraut, aus der Hirse Hirsebrei bereitet. Alles wird in dieser kleinen Menge dem jadok geopfert, es darf nichts hinzugefügt werden.
U. Blanc (2000: 214f) Die Divination findet stets nach dem cheri dungsa des Abends statt. Die Antwort auf die Befragung nach den Ursachen des Todes ist meistens: Naawen tuima (Es war ein Werk Gottes). Es wird auch gefragt, ob bei der Totenfeier alles ordnungsgemäß ausgeführt wurde.
Aduedem 2019: 21 …two young men are sent to go and sit behind the house. When they are gone, the TZ is sent to the tomb and the gravediggers use it to sacrifice the tomb (kaab buosuk), and the two young men are never supposed to see those going to the grave. When they return, the women enter inside while the gravediggers inform the elders they are back. The presiding woman brings the small [amount of] pito (gbanta daam) to the entrance of the kusung dok and the two young men are called and questioned separately where they went and what they got. One of them comes and answers that they went for soothsaying/divination (gbanta) [Endnote 91] and he would mention the name of a diviner that is late (no more) as the person they went to. “Okay what happened”? The elders would ask, and he would respond that the soothsaying indicated that the death was the work of God – ka Wenni nyei. They would give him the pito and he spits it out left, front and right. He does that three times and is allowed to go [F.K. Dieses ist wohl ein gaasika Ritual]. The other youth comes and the same questions, answers and the pito-spitting is repeated.
Azognab 2020: 48 (seine Informantin: Akaalie Aginteba 2018): Actual divination (gbanta bokka) is done on this day by a delegation dispatched by the elders in charge of the funeral to the house of the diviner to find out whether every ritual has been rightly performed and whether the ancestors (koba ale maba) are satisfied.

4.2.4.9 Da-tuek (bitter pito)
Rituale mit dem bitter pito habe ich (F.K.) nie bewusst gesehen. Ich besitze auch nur die Information von Robert Asekabta.
Information Robert Asekabta  (August/September 2018 durch Facebook Messenger): …[The che-lie] also prepares the bitter pito (datuek). The malt is given her on the first day of Kumsa. It is not boilt like ordinary pito, it is just mixed in a small pot (cheng) [F.K. with cold water?]. Nothing is added. This is ready on the last day (gbanta). Nobody drinks it, it is forbidden (ku a kisi kama). Some women will go to the grave of the deceased with the drink. It is more or less for the deceased. Then it is handed over to the old men in the kusung [dok] who will pour it away. Before the drink has not been thrown away, the inlaws will not start greeting.
The ritual of da-tuek is performed in the whole of Sandema, but I (Robert) do not know if it’s performed in the whole Bulsaland. The bitter Pito is not bitter in taste, but in a virtual (religious) sense.
Aduedem 2019: 131: Towards evening, TZ and pito (the pito is called gbanta daam, literally, divination drink) is prepared by the presiding woman (both in small quantities). F.K.: Is this the bitter Pito?

4.2.4.10 Besuch der Schwiegersöhne (chichambisa) [Endnote 92] und Festbinden eines Tiers an einen Pfahl (bob-zangi)
Anyenangdu Yeri  (fn 01,3b): Eine Gruppe (“Schwiegersöhne”) aus Anyenangdu Yeri bereitet sich für den gbanta-Besuch des Funeral-Hauses von Azumas Vater in Kubelinsa vor. Um 17 Uhr treffen Musiker ein (aus Anyenangdu ist nur noch Angmanya dabei). Sie spielen: 3 ginggaung Trommeln und 6 namunsa-Hörner. Vor dem Gehöft bilden sie einen Ring und spielen, während sie im Kreis gehen. Im kusung sitzen auch einige ältere Personen, die mitziehen wollen. Auch eine Gruppe der Restauration Power Chapel mit weißen Kopftüchern (Symbol der Freude) und auch schwarzer Kleidung erscheint mit ihrem Pfarrer (Bruder von Robert Asekabta), denn Azuma ist Mitglied dieser Kirche. Vor dem Abzug schlägt eine Trommel laute Einzelschläge. Es ist das Signal zum Abzug. Nach 18 Uhr in der Dämmerung ziehen sie los. Nachts kommen sie zurück und spielen wieder im Kreis (s.o.). Gegen 8 Uhr morgens versammeln sie sich im Innenhof von Akumlie (Schwiegermutter Azumas). Nach Danlardy Leander besuchen Schwiegersöhne nicht nur das Trauergehöft, sondern auch Nachbargehöfte (ko-bisa), wo sie für ihre Musik Geschenke erhalten.
Anyenangdu Yeri, Wiaga-Badomsa: Anyenangdus Funeral: ab 16 Uhr treffen Schwiegerverwandte (chichambisa) ein. Aus Bachinsa wird ein Schaf, aus Kubelinsa eine Ziege als zaanga-dung mitgebracht.
Ferner sind In-Law-Gruppen aus Wiaga-Guuta, Wiaga-Longsa, Bachinsa, Kubelinsa, Sandema-Abilyeri, Sandema-Kori, Sandema-Tankunsa, Kanjaga und Uwasi anwesend.

Schwiegersöhne aus Sandema-Tankunsa treffen in Anyenangdu Yeri ein (1991)

Abanarimi Yeri,  Wiaga-Chiok (fn 88,233a), 16.3.18: Schon vor dem parika kaabka Ritual waren Gruppen von Schwiegersöhnen gekommen, sie dürfen aber vor der parika kaabka die Elders nicht begrüßen. Es erscheinen Gruppen aus: 1. Zamsa, 2. Siniensi, 3. Wabilinsa 4. (später, um16.40 Uhr) Kadema. Bei jeder neuen Ankunft zündet man 4 Böllerschüsse.
Asebkame Yeri,  Wiaga-Chiok (fn 88,120a): Schon mittags hatte ein Gast ein Loch in den Boden direkt vor dem Eingang gehackt. In ihrem Zug zur Matte schreiten die Töchter des Hauses darüber. Später sollen ihre Gatten (die Schwiegersöhne) Geld hineinlegen, das nur für die Kinder des Hauses bestimmt ist. Um 14.50 Uhr kommen die Schwiegersöhne. Die Töchter des Hauses (ihre Ehefrauen) sind schon seit dem ersten Tag da. Die Schwiegersöhne kommen auch, um ihre Frauen wieder abzuholen. Wenn einer ausbleibt, bleibt die Frau im elterlichen Gehöft, bis ihr Mann kommt.
Ein wehklagender Schwiegersohn wird gestützt. In der Gruppe aus Sichaasa muss ein trauernder Mann beim Klagen immer lachen (Danlardy: Es sind Freunde des Schwiegersohns, die nur wegen des Essens und wegen des Geldes für ihre Musik kommen). Etwas später erscheint ein alter Mann aus Sichaasa mit dem jungen Schwiegersohn. Den Schwiegersöhnen gibt man eine Kalebasse, um hierdurch die Mühen des Grabschaufelns anzudeuten.
Die Gruppen spielen nur ginggaung-Trommeln und namunsa.
Awuliimba,  Sandema-Kalijiisa-Anuryeri: Nach 21 Uhr des kpaata dai: Abgeordnete der Sektionen der Ehefrauen Awuliimbas sitzen in den Innenhöfen dieser Frauen. Söhne Awuliimbas begrüßen sie: 1. im Innenhof “Wiaga”; 2. im Innenhof “Balansa”. Dort sitzen Awulimbas wife´s brothers´ wives und andere; sie geben den Gästen 2 Stück Tabak zum Pfeiferauchen; 3. Begrüßung im Bilinsa-Hof (Bilinmonsa?).
(fn 88,226a), 10.3.89: [gbanta dai] Eintreffen der Schwiegersöhne: Sie klagen und setzen sich dann in Gruppen unter einen Schattenbaum (danach beginnt der gesellige Teil).
Akadem Yeri,  Wiaga-Yisobsa (fn 88,200b), 31.1.89, nach dem Maueropfer: Bei unserer Heimfahrt kommen uns noch viele Schwiegersöhne entgegen, die 3-5 Hackenklingen in der Hand haben.
Abapik Yeri,  Wiaga-Badomsa: Information Danlardy Leander (88,305b): Die Schwiegersöhne erhalten im Trauerhaus zwei Kalebassen Hirsewasser und 1 Korb Erdnüsse.
Atinang Yeri, Wiaga-Badomsa: Zum Funeral von Atinang (fn 06,6a) kommt seine Tochter Asie schon mit ihrem Mann am 2. Tag. Beide trauern vor der Matte getrennt

Bob zangi

Anyenangdu Yeri 1991: Das von Schwiegersöhnen geschenkte Schaf wurde an einem Pfahl (zangi) angebunden.

Acha Yeri,  Sandema-Chariba: Eine starke Abordnung aus dem Elternhaus erscheint aus Abuluks Geburtssektion in Chana. Ihre Begrüßung vollzieht sich durch die Elders von Kalijiisa: 1. nur Begrüßung, 2. (eine halbe Stunde später): Anbieten von Sitzbänken 3. Begrüßung mit Reden; Alateng (Erdherr) gibt dem elder der Chana Sektion 2 kleine Stückchen Tabak (für die Pfeife).
Information Leander Amoak (fn 81,24b): Wenn der Vater oder die Mutter einer verheirateten Frau gestorben ist, muss ihr Gatte beim Besuch der Totenfeier eine Ziege oder ein Schaf an einen Pfahl (zangi) binden. Sonst können Schwiegereltern ihre Tochter zurückfordern. Das Tier wird immer verkauft, um die Auslagen der Feier zu decken (nansiung-Schaf wird immer getötet).
Information Yaw (fn 97,19b?) Es müssen nicht nur die Schwiegersöhne des eigentlichen Trauerhauses mit Trommeln kommen, sondern auch die der ko-bisa (Atuiri, Atinang, Angoong). Schwiegersöhne aus Anyenangdu Yeri gingen auch mit Trommeln nach Atinang Yeri.
(fn 08,17a): Ohne Durchführung der parik-kaabka dürfen Schwiegersöhne nicht kommen. Sie sollen die Geheimnisse nicht kennen, die etwa bei der Wahrsagerbefragung herauskommen. Daher weist man ihnen Plätze in einer gewissen Entfernung vom Gehöft zu.
Information Yaw (fn 01,2b): Wenn eine eingeheiratete Frau des Hauses schwanger ist, dürfen ihre Verwandten das bob-zanga Ritual nicht ausführen.
Information Danlardy Leander (fn 88,310b): Alten und angesehenen Schwiegerverwandten kann eine Kuhhaut angeboten werden (auch zur kuub-kpiema kumsa).
U. Blanc 2000: 216ff: Für Schwiegersöhne besteht eine strenge Verpflichtung, den Veranstaltern Hackenblätter und eine Ziege (bob-zangi Tier), die zeremoniell an einen Pfahl gebunden wird, zu schenken. Eine Auslassung kann zur Scheidung führen. Zusätzliche Gaben sind Schnaps, Kolanüsse und Geld. Die singenden Schwiegersöhne werden eigentlich nur mit einer ginggaung diak begleitet. Jede Gruppe bekommt einen Platz unter einem Baum oder in einem freien kusung. Sie dürfen erst nach der parika kaabka in Aktion treten. Als erstes grüßen die Schwiegersöhne die Elders im kusung dok und überreichen ihre Geschenke. Dann ziehen sie singend mit der ginggaung diak in den Viehhof.
Aduedem 2019 ;20: … the sons in-law come to perform the funeral – nye kuumu – (except in the case where the son in-law’s wife is pregnant. In that case it is strictly forbidden). When a son in-law is coming, he and his entourage (with their own set of ngan-nangta)… mourn by wailing/crying and enter the house. The women among them enter the dabiak (courtyard) while the men upon entering the nankpieng, return and sit down (usually the youth from the area send logs to them to sit on) under the nearest shade (but not the kusung). When they stop mourning, women from the house bring water for them to wash their faces. They would wash and return the calabashes with money inside as a token of appreciation for the water.
Through their link man (san yigmoa), they send word to the kusung dok that they want to greet. When they get to the kusung dok, they squat before the elders and greet them (the elders). Then they give goora (cola nuts), taba (tobacco), three hoe blades, one for cold (ngoota kui) [Endnote 93], another for covering the ear (turi ligka kui) and the last for covering the tomb (vorub ligka kui) [Endnote 94], drinks (mostly akpeteshi, but a crate of beer, too, is allowed), millet in a basin with smoked guinea fowl on top and a goat or sheep “for the ‘tying of the pole’ (zangni bobka)” [Endnote 95]. These animals are usually sold after the funeral rites to defray some of the costs incurred by the family during the funeral rites [Endnote 96] or they just “find a way of getting rid of them because it is strictly forbidden for the widow to eat anything from them, she cannot even step on their excreta.” Then they enter inside the court yard, greet the women and give them also cola nuts, tobacco, drinks, money, etc. …sons in-law are encouraged to prepare food and drinks, in order to refresh those that would come with him [them?] to help mourn his in-law.
Azognab 2020: 46 (Sein Informant: Aboro Atengkanya, Abilyeri 2018): On the final day of the dry funeral celebration when a lot of visitors, especially, chichambisa (sons-in-law) troop in to console with the bereaved family and offer drinks and money, it is the yeri-lieba or the che-lieba (as the case may be) who sit in the dalong (local hall) to respond to the greetings and receive the gifts.

4.2.4.11 Abwaschen der Erdbemalung
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa (fn 88,225b), 9.3.89: Die daluk-Farbe darf bis zum gbanta dai nicht abgewaschen werden, sonst treten Sanktionen ein.
U. Blanc (2000. 219) Während Schwiegersöhne ihren Verpflichtungen nachkommen, waschen sich Angehörige die rote Lateriterde im Viehhof als finale Handlung ab. Danach beginnen die Verabschiedungen.

4.2.4.12 Weitere Geschenke an Teilnehmer und Gäste
Anyenangdu Yeri,  Wiaga-Badomsa: Die Schwiegerverwandten aus Bachinsa (Sektion von Anamogsis ersten Frau) werden bewirtet und erhalten ein Schaf, das in Anyenangdu Yeri getötet, aber nicht enthäutet wird. Anamogsi begründet dieses Geschenk damit, dass er zur Verwandtschaft seiner ersten Frau immer ein gutes Verhältnis hatte.
Abanarimi Yeri,  Wiaga-Chiok-Ayaribisa: Um 16.50 Uhr bringt man einen busik voll zamonta und zapiela in den kusung-dok (die ehemalige Schmiede). Eine Kalebasse voll hiervon ist für die Rasselfrauen bestimmt. Eine Frau bringt einen busik-Korb voller Hirse in ihr Wohngehöft in der unmittelbaren Nachbarschaft.
Awuliimba,  Sandema-Kalijiisa-Anuryeri: Zum kusung-dok werden Kalebassen mit Sorghum und anderen Hirsearten gebracht: Geschenk für die Elders (Video 5082)
Information Danlardy Leander, September 1996 und Januar 1997 (Briefe): Die Frauen der Söhne des Verstorbenen bringen als Geschenk eine Matte oder, wenn sie es nicht können, eine Kalebasse. Die Matten werden am gbanta-dai an die che lieba (Imitatorinnen) verteilt. Wenn einige übrig bleiben, gibt man sie auch an Töchter des Toten.

4.2.4.13 Bogen und Köcher

(siehe 2. Tag des Kumsa-funerals: 4.2.2.6: Bogen, Köcher und andere Waffen
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa-Anuryeri: Bogen und Köcher des Toten werden zurück in den kpilima-dok gebracht.

4.2.4.14 Essen für die Gäste
Abanarimi Yeri (Wiaga-Chiok-Ayaribisa): Nach 17.30 Uhr starten das Essen und danach die Vergnügungen (diinta).
Agaab Yeri,  Wiaga- und Adiita Yeri, Wiaga Guuta: Nach 15 Uhr beginnt das Essen für die Gäste. In Guuta war schon am frühen Morgen ein Schaf für die Gäste getötet worden. Dass es kein rituell getötetes “Opfer” war, sah man daran, dass seine Haut am offenen Feuer abgeschröggelt wurde. Als man auch mir nachmittags ein warmes Essen bringt, erklärt man mir, dass ich dieses nicht ablehnen könne, da die Bewirtung von Gästen “zum Ritual einer Totenfeier” gehöre.

4.2.4.15 Pobsika der Witwe am Haupteingang
Aduedem 2019: 22: The presiding woman of the funeral also brings the widow to the main entrance and she (the widow) blows some ashes to the presiding woman (pomsi tuntuem/buntuem). With the tuetuem/buntuem pomsika over, the widow can now associate and move freely among the people until the juka rites again – where she resumes her life of isolation. The funeral at this stage is over…

4.2.4.16 Öffnung des Speichers (bui)
Anyenangdu Yeri,  Wiaga-Badomsa (fn 94,87b; 97,51a; 9763b*): Der zentrale Getreidespeicher, der am ersten Tag des Kumsa-funerals, nach dem ersten Lied (yiili) geschlossen wurde (bui lika), wird am Ende des 4. Tages (gbanta) wieder geöffnet (bui laka)
Information Danlardy (fn 01,22a): Die obere Öffnung des Speichers von Anyenangdu Yeri war nicht völlig mit Lehmballen geschlossen worden.

 

5 DIE (KUUB-) JUKA ODER NGOMSIKA TOTENFEIER

5.1. Einleitung zur Juka-Totenfeier
5.1.1 Besuchte Juka-Feiern des Autors
Vom Autor (F.K.) wurden vor allem zwei Juka-Feiern besucht und durch Nachfragen ausgiebiger dokumentiert (Asiuk und Mutuensa), über eine weitere Feier in Chiok (Mai 1990) konnten nur einige Informationen durch meine Helfer gesammelt werden. Eine wichtige zusätzliche Informationsquelle ist daher die Beschreibung von Joseph Aduedem (ausführlich 2019 und gekürzt 2020: 54-61), die er aufgrund einer Befragung seines Großvaters Alanjo Aduedem (Sandema-Bilinsa) angefertigt hat.
• Juka Funeral in Wiaga-Mutuensa (Ajusong or Ajuyong Yeri) für einen verstorbenen Wahrsager: 24.-27.4.1989; Teilnahme: 24.4. (cheesika/bogsika, fn 88,270), 27.4. (lokta juka dai, fn 88.270+272)
• Die Juka Totenfeier für den verstorbenen Wiaga Häuptling Asiuk (im folgenden abgekürzt durch “Asiuk”): 6.7. – 12.7. 1994; Teilnahme: 9.7. (sira manika dai, fn 94,14+15a). Am 10.7. (lokta juka dai) fotografierte Danlardy in meinem Auftrag Riten und sammelte Informationen.
• Chiok, Mai 1990 (fn 88,305b): senlengsa dai in Wiaga Chiok. Meine Helfer Danlardy und Adama machten Fotos und sammelten Informationen.

5.1.2 Allgemeine Informationen über die Juka
Namen: Juka = Verbrennen (der Köcher usw.); J. Agalic u.a.: kuub juka = burning the funeral; ngomsika = Kratzen. Eine einleuchtende Erklärung für diesen Namen konnte ich nicht erhalten. Wenn nur das Kumsa-funeral abgeschlossen wurde, sagt man, dass nur eine Hälfte zelebriert wurde (nye kuub zaani).
Zeitpunkt und Bedeutung: Obwohl erst die Juka-Feier den Einzug des Verstorbenen in das Totenreich (kpilung) ermöglicht, scheint man mit ihrer Abhaltung im Vergleich zur Kumsa keine große Eile zu haben. Oft liegen viele Jahre zwischen Kumsa und Juka. Ein Grund mag sein, dass die in der Stellung des Verstorbenen amtierenden Nachfolger ihre soziale Position und den verwalteten Besitz (Länderein, Vieh) des nach der Juka Ahnenstatus erlangten Mannes an den nach der Genealogie wahren Nachfolger abgeben müssen (siehe Kröger 1982 und 2003). Ein großer Nachteil einer langen Verschiebung der Juka wäre es, dass auch gebärfähige Frauen lange auf eine Wiederverheiratung warten müssten. Heutzutage erlaubt man ihnen jedoch eine neue Beziehung, die dann am 3. Tag der Juka (siehe 5.2.4.7) durch die Wahl der Witwe einen ganz offiziellen Status erhält.
Die Aussagen verschiedener Informanten und Autoren weisen untereinander Widersprüche auf, die hier nicht weiter untersucht oder berichtigt werden konnten
Information Margaret Arnheim (fn M28a): Erst durch die Juka/Ngomsika Feier wird man Ahne. Für den/die letztgeborene(n) Sohn oder Tochter wird die Juka nicht ausgeführt, aber er (sie) wird doch Ahne.
U. Blanc (2000:221): Insgesamt wird die Vielfalt von musikalischen Darbietungen der Kumsa-Totenfeier nicht erreicht.
Aduedem 2020:54: This part of the funeral celebration takes four days… In the case of a man of status (kpagi), who was also a yeri nyono and had sacrificed to great ancestral gods, it takes six days.

5.2. Chronologische Auflistung der rituellen Ereignisse
Vorbemerkung: Die Namen der Festtage und der Verteilung der Ereignisse auf die verschiedenen Tage scheinen nicht völlig fest zu liegen. So wurden im Gehöft des Häuptlings Asiuk nicht am 3. Tag, der dort auch Lok tuilika (Wenden des Köchers) oder Sira manika genannt wird, die wichtigen Riten der Verbrennung der Köcher und Zerstörung der Töpfe ausgeführt, sondern am 4. Tag, der dann Lokta juka genannt wird. In Mutuensa wurden Köcher und Töpfe am 3. Tag zerstört, der hier auch Sira manika oder Lokta juka genannt wird. Wenn am 3. Tag die Waffen verbrannt werden, heißt der 4. Tag Senlengsa dai.

Abb.: Cheesika: Eine Mutuensa-Gruppe hat in Chiok Nahrungsmittel gesammelt
Abb.: Cheesika in Chiok: Die Mutuensa Imitatorin

5.2.0 Vortag: Cheesika (Einsammeln) oder (Lehnwort Twi) Bogsika
Ajuizong Yeri Mutuensa, Wiaga, (fn 88,270a), 24.4.89: Gleichzeitig oder überschneidend mit Aktionen im Haus des Verstorbenen sammelt eine vorwiegend aus Frauen einschließlich der Witwe bestehende Gruppe aus diesem Haus Nahrungsmittel für die Feier in allen Gehöften der Sektion der Mutter des Verstorbenen, aber auch in anderen Häuseern der Sektion (hier: Chiok). Begleitet wird die Gruppe von der Imitatorin mit langem Mantel und tangkalung-Schurz und einem Mann, der den Bogen und Köcher mit Pfeilen des Toten trägt (siehe Foto). Das Foto zeigt Körbe und Schüsseln mit Kolbenhirse und geschenkte Hühner.
Information Yaw (fn 08,112b): Gesammelt werden zum Beispiel Hirse oder gekeimte Hirse (für kpaam ngabika des folgenden Tages). Nur Frauen geben direkt Spenden. Ein Mann kann etwas durch seine Frau geben lassen.
Aduedem 2019: 23 (revised): [Nach Aduedem finden diese Bettel-Besuche in Sandema am 1. Tag, Kpaama ngabika, statt].
Then they call the widow and ask her to go and beg for resources to perform the final funeral rites of her husband. This begging symbolises the dependence of the widow on the generosity of society.
She could go to one house in the morning, one in the afternoon and one in late afternoon. In any of these three rounds, when she gets to a house the men will give her zaa (millet) while the women could give her ingredients, shea nuts, etc. When she has taken enough rest after the third round, she goes to her san-yigma (link man’s) house. He takes her to a diviner (baanoa) and divines for her. They will both return to the san-yigma’s house and the san-yigma’s wife prepares TZ (millet porridge, Buli saab) for her to eat. The san-yigma then brings her back in the night, by which time they would have ground the kpaama (pito malt) waiting for her to come before they put the malt-flour (kpaam-zom) into water.
Azognab 2020: 50, Information durch Atombil Andoagelik, Sandema 2018, [Nach Azognab finden diese Bettelgänge am 1. Tag, Kpaama ngabika, statt]. This [the first funeral day] is also the day the pikogi (widow) is made to go round the community to beg for food items such as millet, beans, groundnuts and others if the deceased person was a married man.
Ajuick 2020: 89: (am ersten Tag): The kuub-juka rites normally start with a journey to the maternal uncle’s compound of a deceased man or the paternal compound of a deceased woman for two main reasons: to collect things for the performance of the final rites… The cheri-deiroa [cheri-dieroa, Imitatorin] must dress up in the deceased’s clothing and animal skin, carry his walking stick, etc., if he was a man, or carry her basket and food stick if she was a woman, and follow the travelling team to the compound of the deceased. The travelling team to a deceased man’s maternal uncle’s compound usually includes children of the deceased, one or two of their kinsmen, the cheri-deiroa, and her female escort(s). The travelling team that goes to a deceased woman’s paternal compound includes her children, the san-yigma [her marriage intermediary], one or two kinsmen, the cheri-deiroa, and her female escort(s). As soon as they arrive at the compound, the cheri-deiroa continues her role as impersonator of the deceased…
While this is going on, the delegation enters the compound and sends for the elders to inform them about their mission. The leader of the delegation, speaking on behalf of the rest, exchanges pleasantries with the elders and says to them, “Your son (or daughter) wants to go home and that is why I have come to inform you before giving him/her permission to go home and rest.” After this, the delegation is fed and refreshed by the family before rising up to start their compound-to-compound rounds within the lineage for the collection of foodstuffs, especially millet and sorghum, as well as guinea fowl and other domesticated fowl that they can catch or kill. During this compound-to-compound travel, the delegation will visit every compound on the maternal side of a deceased man’s lineage or the paternal side of the deceased woman’s lineage, for the collection of foodstuffs and birds. The cheri-deiroa, just like her late parent-in-law used to do, has license to play with any of her uncles by catching any livestock that belongs to him without any resistance. Hence, with the assistance of her team, she can catch and kill as many birds as she can, as long as the birds are found in any of the compounds in the paternal lineage of the parent-in-law she is impersonating. After they have covered every compound within the lineage, collecting everything they need to collect, they will return to the original compound the deceased is related to or hails from…

5.2.1 Erster Tag: Kpaama ngabika dai (preparing malt)

Ajuzong Yeri, Wiaga-Mutuensa (fn 88,270-73, Teilnahme F.K.) Das Funeral wird abgehalten für:
1. einen verstorbenen Wahrsager, der mit einer anwesenden Aschanti-Frau verheiratet war
2. für die in Mutuensa verheiratete Akandetuire, eineTochter aus Abasitemi Yeri (Badomsa)
3. eine Frau aus Atana Yeri (Chiok)
4. eine Frau aus Wiaga-Yisobsa
5. eine “Tochter des Hauses” (yeri lie), die nicht im Hause ihres Ehemannes gestorben war.
Leanders pok nong kam aus diesem Haus, daher ist seine Frau Afulanpok anwesend.

5.2.1.1 Elders im kusung
Aduedem 2019: 22f: On the first day, every nisomoa and yeri nyono comes to the house with millet (zaa) and the woman who ‘sat on the funeral’ (presiding woman) comes to sit with the widow (jam kali wa ngaang – literally, comes to sit behind her). When the elders arrive, they sit in the kusung dok as usual with their zaa (millet). The zaa are mixed together (from the various sources) and put into two traditional baskets (busiksa). The sons/relatives provide tobacco (tabi), a fowl and an animal… which are taken together with some of the millets from the two baskets to the grave by the gravediggers for the vorup chiesika rituals [Aduedem: chiesi =to collect; it refers to the kobisa bringing millet; zu den Ritualen am Grab siehe 5.2.3.17 und 5.3].
After that they come to the house and the elders thank them. The elders will then call the presiding woman [chelie or kuum zuk kaliba] to the kusung and give her some of the millet and kpaama – pito malt; germinated guinea corn grains (first stage of brewing pito [Endnote 97]) – provided also by the sons/relatives to grind for them (symbolically it means to prepare pito for them). When she takes the zaa and the kpaama inside, the sons/relatives now add a good quantity of pito malt that will be enough for the funeral celebration. However, after she has entered, the elders share the rest of the zaa in the two baskets among themselves.

5.2.1.2 Brauen des Hirsebiers und Eröffnung (announcement) der Feier
Frauen brauen Pito, der am letzten Tag getrunken wird. Nicht viele Leute sind anwesend
Aduedem 2019: 23f: The san-yigma then brings her [the widow] in the night, by which time they would have ground the kpaama (pito malt) waiting for her to come before they put the flour (kpaam-zom,  [Endnote 98] into water.
When the kpaam-zom is kept in water, they announce [the funeral] by shouting: “ba pa baan yuni yooo” (i.e. they have taken the diviner’s bag). This announcement is proclaimed from one house to the other. Then every relative (especially the sons) will now start preparing their pitos for the fourth day.
E. Atuick 2020: 90: Following their return, they must buy or make fermented millet malt for the brewing of the kpaam-tiok [pito brewed especially for Juka purposes] to be used for the commencement of the Juka rites. After the malt is ground in readiness for the brewing of the kpaam-tiok and the date is set for the start of the final rites, a messenger, usually any male kinsman or a san-yigma, is sent to the paternal compound of the deceased man’s mother or that of the deceased woman to invite them to come and join them. Where the deceased was a man, men from the maternal uncle’s compound may choose to arrive the next day to participate in the drinking of the kpaam-tiok or wait until the third day of the rites to join them.

5.2.1.3 Gäste schlafen bis zum Ende der Juka-Feier im Funeral-Haus
Aduedem 2019: 24: People start to sleep at the funeral house from that day (gua kusung).
Azognab 2020: 48: It must be stated that during both the burial and the dry funeral rituals, the men of the community are expected to sleep outside by the funeral house each night as a custom.

5.2.2 Zweiter Tag: Nyaata soka dai oder jueta soka dai (‘Tag des Bades’) oder (nach Azognab) auch Juem soka dai (the day of the ritual bathing of the widows)

5.2.2.1 Nachmittags werden Gäste begrüßt und Reden gehalten.

5.2.2.2 Vorbereitung der Witwen
Ajuzong Yeri, Wiaga-Mutuensa: Es gibt 10 Witwen (8 aus Ajuzong Yeri, 2 aus einem Nachbarhaus, Akabere Yeri?). Sie tragen entweder vorne und hinten Blätter (oft vom Nim-tree) oder vorne Blätter und hinten einen roten Faserschurz (vaata, siehe Foto).
Abends wird am tampoi Wasser in samoansa-Töpfen gekocht. Es werden auch ein liik (für kaltes Wasser?), chengsa und kpalabsa gebraucht.
(Nicht beobachtet:) Die Körper der Witwen werden zum Schutz vor dem heißen Wasser von der jom-suiroa-Frau dick mit Schibutter eingerieben. Wenn eine Witwe Verbrennungen bekommt, bedeutet das, dass sie ihrem verstorbenem Gatten nicht treu war.

Abb.: Ajuzong Yeri: Der Badeplatz nach dem Bad

5.2.2.3 Kopfschur und Bad der Witwen (nicht beobachtet)
Ajuzong Yeri, Mutuensa (fn 88,270): Die Witwen in Blätterkleidung werden nacheinander nach dem Alter mit heißem Wasser aus Kalebassen übergossen: zuerst der Kopf, dann der Körper. Zuschauende Frauen äußern Beifall durch Ululation (wuuling oder weeling). Am folgenden Tag stehen noch große Töpfe (samoansa), aber auch chengsa, kpalabsa und ein liik am tampoi. Sie wurden zum Bad der Witwen verwendet (siehe Foto).
Asiuk (fn 94,15a): nach Informationen durch Danlardy Leander: Am Abend des 8.7.94 wird Wasser gekocht. Die 8 Witwen Asiuks erscheinen in Blättertracht. Ihre Körper werden ganz dick mit fester Schibutter eingerieben. Danach hockt sich die älteste Witwe am tampoi und man schüttet ihr mit einer Kalebasse heißes Wasser über den Kopf und dann über den Körper. Einige Frauen machen wuliing. Nachdem alle 8 Witwen hintereinander gebadet wurden, werden sie wieder in ihre Wohnhöfe geführt.
Anyenangdu Yeri (fn 06,Bf 1a), Information durch Agoabe (Brief 24.5.07): Das Bad der Witwen fand am tampoi statt. Die Organisation hatten Afulang aus Atuiri Yeri und Akanpigma aus Adum Yeri. Vor dem Bad wurde eine gaasika ausgeführt.
Aduedem 2019 :24 (vgl. 2020: 55): Towards late evening, a woman sets water in a clay pot on fire on/by the rubbish heap (tanpoi) outside the house. The widow, surrounded by women is brought out to sit also by the tanpoi. Any widower (whose wife’s final funeral rites have been performed) is called upon and he comes to shave the widow. When the water (now called juom) starts boiling by night time then, the women ululate (nag weliing) in jubilation for the water boiling. There is joy because the boiling water shows there is no issue, for when there is a problem, the water will never boil until the issue is found out (through divination) and solved. When the water is boiling, the juem suoroa  [Endnote 99] suoroa (a woman traditionally “trained” for that ritual) fetches some of it into a chari  [Endnote 100], pours some quantity of cold water into it and baths the widow surrounded by women to form a wall. The widow is smeared with shea butter and daluk – “red clay paint (laterite; use for ritual painting of the body, e.g. at a funeral… [Endnote 101]) – before bathing her with the hot water. This ritual bathing is what is called nyaata soka or juem soka (water bathing) by which the second day celebration derives its name (nyaata soka dai). It is believed that “if the woman is innocent about the death of the husband, the hot water will never burn her”
(F.K.) Eine zweite Kopfrasur findet gegen Ende des Juka-funerals statt. Siehe 52.4.8.
E. Atuick 2020: 90f: The next day of the rites is reserved for the widowhood rites during which wives of the deceased are made to undergo a ritual cleansing bath. From the onset of the funeral rites, wives of the deceased are confined to a room where only a juenseiroa [Aduedem: juem-suoroa; woman appointed to care for widows and oversee the performance of their widowhood rites during funerals] has access to them. Only old widows living in a different compound who have not slept with a man since their deceased husband’s funeral rites were completed are qualified to play the role of juenseiroa. The widows cannot eat or touch anything associated with the performance of their husbands’ funerals until they undergo the ritual bath in the evening of the penultimate day of the juka rites. As a result, only the juenseiroa provides food and water for the widows pending the completion of the ritual to prove that they have not betrayed their late husband by having sex with another man. One of the juenseiroa’s key roles is to prevent men of the compound from getting close enough to be able to touch the widows, which would result in forcing such “contaminated” widows to choose the men who touched them as husbands after the rites.
Early in the morning, the san-yigma who performed the marriage rites of each wife must go into the bush with the juenseiroa to harvest leaves for the widows to cover their nakedness before undergoing the ritual bath. After putting on the leaves with ropes around their waists, solid sheabutter is smeared all over the bodies of the widows, after which boiling hot water is poured on each of them three times. It is believed that the hot water will only burn women who have not maintained their purity after the death of their husbands. From my observation, the thick sheabutter protects widows from any serious burns from the hot water because sheabutter is impervious to water. Thus, as soon as the hot water is poured on the bodies of widows, it runs down quickly due to the sheabutter smeared on their bodies, and so does not cause any serious burns.
Azognab 2020: 51-53:…As part of the widowhood rites, during the kuub-juka (wet funeral/burial) the widow is led through the main gate to the back of the house by other women where she will have the first ritual bath known as the gmanyaksoka [ngmanyak soka]… The gmanyak is identified among the Bulsa for purification purposes. In the juka celebration of the funeral, further purification rites for the widow are the zukponika (shaving of the hairs) and nyaata soka or jiuam soka (ritual bathing) explained earlier. I observed that both the shaving and the bathing is done in the night of the nyaata soka dai. The rituals take place outside, in front of the house at the family’s tampoi (ash heap or compost heap) where all the refuse of the household are dumped. In the early part of the evening the widow is brought out through the main gate of the house, again, with only the vata (leaves of the shea butter tree or other trees tied together) round the waist with a string tied around her head for the shaving and bathing on the ash heap or compost heap. She is seated at the ash heap or compost heap and is surrounded by a group of women and while the shaving and the bathing is going on, these women ululate. The ululating by the kolieba (married women in the community who hail from the same area of the widow to marry there), is to encourage the widow to bear the heat of the boiled water and also to praise her for her fidelity. This is because the Bulsa hold the beliefs that if the widow stayed morally pure during the widowhood, the water will boil easily and that, no matter how hot the water is, the widow will not feel the heat. In other words, the Bulsa believe that if the widow had been faithful to her husband, the water will not burn her, but if not she would feel the pain from the hot water. So the ritual bathing is also a test of the widow’s fidelity. In the ritual process, the widow’s hair is shaved first, then she baths with warm water boiled in the herbs, in fact, the boiled water is poured on her. This is done in the full glare of everybody. The women only form a queue around her. Formerly, the widow used to bath completely naked but these days, they are often permitted to bath with their under pants on. She baths with really boiling water…
According to the traditional beliefs of the people of Buluk, under no circumstance should a spouse refuse to go through the ritual during the funeral of her spouse. Unless the widow goes through the ritual, she is considered unclean. In the olden days, a spouse was banished from her husband’s home if she refused to go through the widowhood rites. The widowhood rites among the Bulsa can be very humiliating. Despite the fact that they are meant for spiritual separation of the widow from the deceased husband and incorporation into the society, it calls for modification to make it more humane and acceptable in contemporary times.

5.2.2.4 Mahlzeit der Witwe(n) am tampoi
Aduedem 2019: 25: After bathing, the juem suoroa prepares TZ and bogta soup with mud fish for the widow, still by the tanpoi. She eats that food alone, but any woman whose husband is late and the final funeral rites have been performed can eat that food too.

5.2.2.5 Die Witwen werden in ihre Wohnquartiere geführt
Aduedem 2019: 25: When she has finished eating, the rituals for that day come to end and the widow is led inside. She will rub her back against the dalong before she enters inside the room to lie down.
Nach einigen Informationen kann die Gattenwahl der Witwen auch gleich nach dem Bad stattfinden.

5.2.2.6 Biisa lika (Schließen der weiblichen Brüste)
Information Anyiini (unverheiratete Frau aus Anyenangdu Yeri) 1997: Falls eine ältere verheiratete Frau verstorben ist, bringen ihre Töchter im gebärfähigen Alter einen samoaning zum Trauerhaus. Bei Auslassung dieses Rituals würde die Milch in den Brüsten der gebärfähigen Tochter “auslaufen” oder die Brüste würden mit Beulen besetzt werden.

5.2.2.7 Der poali-Lederarmring mit Medizin
Information Anyiini (Anyenangdu Yeri): Am 2. Tag der Juka legen viele Teilnehmer einen poali-Lederarmring mit Medizin an. Einige betrachten ihn als juju, andere “just for fun”. Dieser Brauch besteht im ganzen Bulsaland.

5.2.2.8 Vei [vie] cheesika
Azognab 2020: 50 (Information durch Atombil Andoagelik, Sandema 2018): In addition [to the widows’ bath], on this [second] day, every household in the community is expected to bring a basket of millet or sorghum to the funeral house to be shared. This is called vei cheesika (literary, contributing to the grave). Although these millet and sorghum are shared among the elders and the undertakers, it is believed they are for the deceased person as part of preparing him or her for the journey to kpilung (the land of the living dead).

5.2.3 Dritter Tag: Sira manika dai (Tag der Hirsebreizubereitung), lok tulimka dai oder lokta juka dai (Tag des Umdrehens oder Verbrennens der Köcher) oder (beim Funeral einer Frau) puuta-dai (Tag der puuk-Töpfe)

Besuchte Feiern (F.K.): In Ajuzong Yeri, Mutuensa, kam ich mit meinem Assistenten Danlardy Leander morgens am 27.4.89 um 5.45 Uhr am Gehöft an.
Das Gehöft des verstorbenen Chiefs Asiuk konnten Danlardy und ich am 9.7.94 erst gegen 16 Uhr besuchen.

5.2.3.1 Kpagluk-Opfer (Vgl. kpagluk der Kumsa-Feier, 4.2.2.1)
Ajuzong Yeri,  Wiaga-Mutuensa, (fn 88,270b): Morgens um 4 Uhr wurden etwa 40 Hühner und 2 Widder (rams) getötet und ihnen die Köpfe ganz abgeschnitten. Ihr Blut floss auf Bogen, Pfeile und Köcher (nicht gesehen).
Hühner, die eintreffende Gäste als Geschenke für den verstorbenen Mann mitbringen, werden sofort an der linken Seite des Gehöfteingangs getötet, die Federn an die Wand geklebt und die Hühner sofort über dem Feuer geröstet. Der verstorbenen Frau bringt man hinter dem Haus Opfer dar.

5.2.3.2 Fellbeutel Orakel
Ajuzong Yeri, Wiaga-Mutuensa (fn 88,270b):
Gegen 8 Uhr morgens wird ein Fellbeutel (bunlok) geöffnet, in den man am Vortage Hirsekörner und flüssiges Schi-Öl gegossen hatte. Wenn das Öl hart geworden ist, ist es ein schlechtes Zeichen: man hat zum Beispiel einen Fehler bei der Totenfeier gemacht oder einer der Teilnehmer wird bald sterben. In dem aktuellen Fall ist das Öl noch flüssig.

5.2.3.3 zong-zuk-cheka: Musikanten auf dem Flachdach (vgl. 4.2.1.10 am Kumsa dai)
Asiuk, Auf dem Flachdach spielen Musikanten 3 ginggaung (Zylinder-Trommeln), 1 namuning (Horntrompete), 1 sinleng (Doppelglocke), 1 wiik (Flöte).
U. Blanc (2000-223): Das Trommeln auf dem Flachdach bei Anbruch des Tages signalisiert den Beginn des [Juka] Rituals. S. 221: Die kobisa des Verstorbenen sind für die musikalische Darbietung verantwortlich.

Abb.: Ajuzong Yeri: Der zubereitete Hirsebrei

5.2.3.4 Zubereitung der Mahlzeit und Verteilung (auch für Opfer an den Köcher)
Ajuzong Yeri, Mutuensa, (fn 88,272a): Noch im Dunkeln des frühen Morgens bereiten die Witwen den Hirsebrei, der dem Köcher geopfert werden soll. Auch Nachbarinnen haben Hirsebrei mit Fisch (jum-goalik) und Yams zubereitet und bringen diese um 9 Uhr in einer Prozession in das Trauerhaus.
Später stehen hinter dem Speicher (bui) im Viehhof etwa 20 kpalabsa mit weißem oder rötlichem Hirsebrei (aus zamonta), darunter ca. 20 chengsa mit Sauce (siehe Foto) und viele Kalebassen mit Fisch, Yams, bumbota (essbare Knolle aus dem Buschland), koosa (Bohnenkuchen und suma (Rundbohnen).
Das für Besucher aus anderen Sektionen zubereitete Essen wird verteilt. Aus der eigenen Sektion dürfen nur Halb- und Vollwaisen davon essen. Es werden Namen der Sektionen hintereinander aufgerufen und der aufgerufene Vertreter diese Sektion kann sich ein Gedeck aussuchen. Eine gefüllte schwarze Kalebasse ist jedoch nur für die Opfer an den Bogen und Köcher und für die Elders reserviert. Einige “unverschämte” Gäste nehmen sich neben ihrem Gedeck noch den Fisch oder das Fleisch von einem anderen Gedeck. Sie können getadelt werden, aber man darf sie nicht daran hindern. – Auch uns wird Essen im Dabiak angeboten.
Asiuk (fn 94,14b): Über 20 Schalen mit Hirsebrei (zum großen Teil in chari-Schüsseln) und über 15 Kalebassen mit Huhn-, Perlhuhnfleisch oder Fisch sind bereit zum Verzehr. Auf dem Hirsebrei liegen zum Teil kamsa-Bohnenkuchen. Yams muss immer unter den Speisen sein, es darf aber nur von nahen Verwandten (Töchtern oder Witwen des Verstorbenen) zubereitet werden. Alles wird in das Quartier der Häuptlingsmutter gebracht und dort in den Zimmereingang gestellt.
Im kusung des Häuptlingsgehöft werden Reden gehalten. Hirsebreigerichte stehen im Quartier Agoldems (des ältesten lebenden Bruders Asiuks) und in fast allen anderen Innenhöfen. Sie sind aus anderen Gehöften gebracht worden. Auf einer Schüssel liegt eine rote Masse (= kamsa).
Viele Leute kommen noch mit Geschenken (z.B. Hühnern, Perlhühnern usw.). Sie müssen alles Agoldem, dem Bruder Asiuks, übergegeben. Auch eine Abordnung des Sandemnaab ist erschienen.

Information Godfrey Achaw,  fn 73,48b: Die Nahrungsmittel werden im Raum des Toten bereitgestellt und im Innenhof ausgebreitet: Hirsebrei, Perlhuhnfleisch, Hühnerfleisch, Fleisch von Buschtieren, Trockenfleisch, Bohnenkuchen… Nachbarsfrauen helfen bei der Zubereitung, da viel gebraucht wird. Der chief mourner sagt den Frauen, wem sie die Nahrung geben sollen, indem er auf diese zeigt.
Information Yaw  27.1.06 (fn 06,6b): Hirsebrei wird auch lokta sira (Hirsebrei des Köchers) genannt.

Aduedem 2019: 25: On this day, they cook Bambara beans, yam, cakes (kamsa), jollof rice, bumbota (Tacca Leontopetaloides [Endnote 102]), and an animal may be killed for preparing TZ. When the kobisa are coming back on this day, each comes with TZ. By evening time, the TZ they prepared in the house is served in several earthenware bowls including one very big one. TZ in a big earthen ware bowl with a cake on top of the TZ is sent to the kusung dok for the elders, and another TZ and cake is given to the san-yigma of the widow for his toils. The yam is arranged around the TZ in a big chari [which will be given to the kobiik kpieng, the head of the kobisa], and the rice put on top of the TZ, the same with the bumbota. Now taking a chin sobli  [Endnote 103], they put a number of mud fish, the Bambara beans, and the rice, inside it. Then all the TZs are arranged in the courtyard (dabiak) with the TZ in the big chari together with pots of pito. Then the elders in the kusung are called in and told that these are the TZs, they should use them to perform their funeral. The elders pick four bowls of the TZ with some pots of the pito and give them out to be kept in the kitchen (gbalong/gbanlong). Then they give one bowl of TZ to the siblings (if any) of the deceased. After that they ask all to snatch (chiak) the rest of the food.
Information Danlardy Leander: 17.4.96 (fn 94,87b*): Auch kamsa-Bohnenkuchen werden (einzeln?) an Verwandte, Nachbarn und Freunde verteilt.
Azognab 2020: 50 (Information durch Akaalie Aginteby, Sandema 2018): Every household among the kobisa (family lineage) in the community is expected to bring at least one kpalabk (a local ceramic bowl) of saab (millet porridge), with soup and either fish or guinea fowl meat in the evening of the sira manika dai to the funeral house. All this food together with the one prepared in the funeral house are presented and kept open in the court yard where the funeral takes place. This is described as sira zaaka (placing of millet porridge). After a speech has been delivered by the kpagi (lineage head), the food is shared among the community members.
J. Agalic,  Magisterarbeit (fn 88,4a): Cooked food is brought to the house of the deceased by the kobisa. It is placed in the yard of the deceased. Nobody may enter this yard, because the ancestors eat there from the food. After the lok-cheka the food is shared. The arrows are distributed among the sons of the deceaseds.

5.2.3.5 Parik kaabka, Beopferung der Gehöftmauer durch Männer
Aduedem 2019: 25f: When the chiaka is over, the nisomba [elders] take their four bowls of TZ (kept in the gbanlong) and go to put them by the bui (barn) in the kraal (nank pieng) without uttering a word. Then they take the four bowls of TZ again outside and put them by the parik. Then they call the kobisa to perform their sacrifice for them. Two of them get up and wash their hands with water. Then fetching all the food items brought out plus bogta soup (prepared by the widow) into their left hands in the form of a mixture, they smear that on the parik while mentioning the name of the deceased saying: “Fi ngandiinta ni nna, nuru bi mwan ka” (literally, this is your food, be aware there is no one again). This ritual is done three times. Taking some pito, they pour it on the smeared food on the parik saying: “This is your drink, there is no one [person] again”, and after that they wash their hands. The rest of the food is eaten.
(p. 30): The sons also provide a fowl (chick) to the elders, and those responsible for sacrificing the wall use it to sacrifice the wall again. As they smear the blood on the wall, they say: “That is all, there is no funeral in this house again [any longer]”, and children take it [the chicken] and roast [it].

5.2.3.6 Beopferung des Köchers
Asiuk (fn 94,15a): Gegen 4 Uhr nachts wird der Köcher Asiuks aus dem Raum seiner Mutter in den dabiak gebracht, darüber wird zuerst ein Huhn, dann ein Schaf getötet. Das tote Schaf wird über die Gehöftmauer nach außen geworfen. Die Totengräber (vayaasa) gehen heraus und häuten das Schaf. Das Schaf ist für die Totengräber bestimmt, aber alle können davon essen.
Ajuzong Yeri,  Mutuensa: gegen 4 Uhr werden ca 40 Hühner und 2 Schafe über Bogen, Köcher und Pfeile des Toten getötet. Den Hühnern schneidet man die Köpfe ganz ab. Das tote Schaf wird über die Außenmauer geworfen. Die Totengräber gehen hinaus und zerteilen das Schaf. Es ist für sie selbst bestimmt, aber alle können davon essen.
Aduedem 2019: 26: In the dabiak, the sons/relatives provide a cock and a male animal (either a billy goat or a ram), and the log and tom (quiver and bow) of the deceased are brought. White untwisted fibre (bok pieluk) is used to tie the quiver and the bow together. The cock and the animal are sacrificed on the quiver. While sacrificing, mention is made “Your sons are giving you these.” Only those whose fathers are late and their final funeral rites performed can eat these meats (that is sacrificed on the log). The cock is roasted outside but only the liver and a piece of meat from the forelimb (bogi) of the ram/billy goat (after skinning it) is roasted with the fowl. The presiding woman grinds salt and adds shea butter to it in a chin-sobili [black calabash]. The roasted meat is kept in the chin-sobili with its salt and shea butter. The roasted meet is used to sacrifice to the log again (anytime they are sacrificing to the log, they say “ngua fi nganta, nuri bi mwang ka” – ‘receive, and be aware there is no one’ [Endnote 104]). After that they use some pito and pour libation on the log. They can then go and chop their roasted meat while the skinned meat is kept in the skin of the animal. When they have finished, they hang a danburing [branch] on the gbong – a “flat roof of house, raised platform (on top of a house [Endnote 105]).” The log is then carried by the two gravediggers (each holding one side of the log) and hanged on [with?] the danburing on the gbong and then [they] leave for the kusung (outside).

Abb.: Die weiße Faser und der dambuuring Ast
Abb.: Ngmiena-Halme in Ajzong Yeri

5.2.3.7 Vorbereitungen zum Verbrennen der Köcher und anderer Waffen
Asiuk (fn 94,15a, 10.7.94, d.h. im Häuptlingsgehöft werden diese und folgende Riten, z.B. das Verbrennen des Köchers, am 4. Tag ausgeführt): Der Köcher wird aus dem dabiak von zwei Totengräbern, wie eine Matte getragen, auf ein Flachdachhaus im Innenhof gebracht und dort aufgehängt.
(fn 94,15a): Zwei Totengräber holen den Köcher vom Dach und bringen ihn in das Zimmer der Mutter des Häuptlings. Die Totengräber, die später den Köcher verbrennen, diskutieren in dem Zimmer. Außer diesen dürfen nur Vollwaisen den Raum betreten (Danlardy nicht, da seine Mutter noch lebt; ich hätte ihn betreten dürfen).
Ajuzong Yeri,  Mutuensa, (88,272a+b), 27.4.89: In der Mitte des dabiak liegt ein dambuuring-Ast mit einer hellen Faser. Mit dem Holz werden Bogen und Köcher verbrannt. Daneben, am Grab, liegt ein Bündel loser Mattenhalme (siehe Foto). Im dalong bereiten Männer (Totengräber?) ein Bündel mit Köcher und Bogen vor. Alle Kinder werden vertrieben. Jemand holt ein sehr kleines Huhn, das unblutig getötet über die nanggaang-Mauer geworfen wird.
Information Danlardy Leander, 18.3.96: An dem Köcher befinden sich Äste des dambuuring-Baumes (Gardenia erubescens?).
Information Godfrey Achaw (fn 73,49b): Bogen und Pfeile werden nachts in viele kleine Teile zerhackt. Kinder, alte Frauen und Leute, die keine Geheimnisse bewahren können, dürfen nicht dabei sein (Auch Godfrey wurde es immer verboten). Eine Ziege wird von dem Ältesten, der den Bogen zerhackt hat, geopfert. Alle Personen, von denen beide oder ein Elternteil noch leben, dürfen von dem Fleisch nicht essen.

5.2.3.8 Opfer an den Köcher im dalong
Aduedem 2019: 27: …those two gravediggers who performed the log ritual enter [the compound] again, and removing the log from the gbong, they send it inside the dalong [ancestors’ room]. In there, they collect mwiena (straws of elephant grass), spread them and put the log on them, and the mwiena [ngmiena] are rolled around the log and tied with bog pielung [white fibre]. Another man comes into the dalong, sits [down] by the entrance and blows whistles while the daughter in-law (if her father is dead and his final funeral rites were performed, otherwise a different woman steps in for her at this time) uses mwiena again, lights fire and that fire brightens the room for the rituals in the dalong. The TZ, yam, rice, cake (kuosa, koosa), bumbota, etc. that are prepared (the second time) are used to sacrifice on the log in the dalong. Let it be noted that no one whose father is alive or dead but the final funeral rites are not yet performed is allowed to see the log kaabka (sacrifice on the log). Again, as the food is cut and put on the log, the nuri mwan [ngman] ka nuri mwan ka [the man is no longer there…] is repeated.

Abb.: Ajuzong Yeri: Bogen und Köcher werden hinausgetragen
Abb.: Ajuzong Yeri: Zerhacken eines Bogens

5.2.3.9 Heraustragen der Waffen
Asiuk (fn 94,15b, unter 4. Tag): Asiuks Köcher wird aus dem Zimmer von zwei Männern wie eine Bahre getragen und vor das Gehöft gebracht. Männer tanzen in Alltagskleidung eine Art Kriegstanz mit Stöcken. Die Frauen weinen, denn dieses ist der letzte Abschied von dem Toten.
Ajuzong Yeri,  Mutuensa, (fn 88,272b): Nach 9 Uhr morgens tragen zwei Männer ein mit einer hellen kazagsa-Faser umwickeltes Bündel mit etwa 10 Köchern mit Pfeilen und 10 Bögen wie eine Bahre heraus. Das Bündel ist mit einer hellen kazagsa-Faser umwickelt. Einige weinende Frauen folgen dem Köcher (siehe Foto). Dies ist der letzte Abschied vom Toten.
Aduedem 2019: 27: When the sacrifice is finished, two people carry the log out while someone remains in the dalong watching the leftover food. As the two people move out with the log, the relatives of the deceased follow, mourning and wailing.

5.2.3.10 Zerhacken und Verbrennen der Waffen (lokta juka)
Mit dem Verbrennen der Waffen zieht die Seele der Toten in ein fest lokalisiertes Totenreich. Für die Atuga-bisa, den größten Teil der Bulsa, wird es Ajiroa genannt. Es liegt in der Nähe von Chana (siehe Anhang 6.4). Nach U. Blanc werden die Dinge (Waffen und Töpfe) durch ihre Zerstörung den Toten zurückgegeben.
Asiuk: Der Köcher, der beim bui des Häuptlings im Viehhof mit der Axt (liak) in kleine Stücke zerhackt wurde (lok cheka), wird verbrannt. Danach finden Begrüßungen im kusung statt,
Ajuzong Yeri,  Mutuensa (fn 88,272a+b): Die Totengräber tragen Köcher und Bögen, die zum Teil Blutspuren aufweisen, hinter den tampoi, wo sie die kazagsa-Schnur lösen und die Köcher mit der Rückseite eines “Hackenbeils” zerschlagen. Die Bögen halbieren sie mit der Beilklinge auf einer Holzunterlage (siehe Foto). Alle Teile werden restlos verbrannt. Als Entlöhnung für ihre Tätigkeit haben sie von den Witwen je eine Kalebasse mit Fisch bekommen.

Abb.: Ajuzong Yeri: Bögen und Köcher werden verbrannt
Abb.: Ajuzong Yeri: Topfzerstörungen vor dem Gehöft

Information Ayomo Ayuali  (fn 1994,50): Sein Großvater hatte zwei Köcher. Der beim Juka-funeral verbrannte Köcher wurde außer bei Kriegstänzen nie gebraucht; er wurde schon für das spätere funeral hergestellt. Der zweite Köcher wird heute noch von Ayomo bei Kriegstänzen benutzt. Der Bogen von Ayomos VaVa ist nicht im Gehöft, nur der des Vaters (Gründe?).
Information Danlardy, 17.4.96 (fn 94,87*): Auch Anyenangdu hatte zwei Köcher, nur einer wird bei der Juka verbrannt.
Information Yaw (fn 97,38b): Der Köcher wird vor dem Verbrennen einmal umgedreht (tulim). Daher wird der Tag auch lok-tulimka dai genannt. Das Verbrennen findet immer am na-vuuk (Viehdrift) vor dem Gehöft statt. Vor der Zerstörung wird über Köcher und Keramiktöpfe zusammen ein Huhn und ein Perlhuhn getötet. Zwei Männer halten das Huhn und ein dritter schneidet es in der Mitte (nicht am Hals!) mit dem Messer durch. Viele ekeln sich über diese grausame (wicked) Art ein Huhn zu töten. Sie laufen fort oder schauen weg. Wer zuschaut wird blind. Der Name des Rituals ist bantika (Abschied nehmen). Vgl. kpiak gebika: 3.4.1.2 und 3.7.2.1 (ngarika).
Aduedem 2019: 27f: When they get to the kraal, they put the log by the bui and cut it (the log) together with the dambuuring into pieces, and the woman who set the fire in the dalong brings that fire and it is used to set the pieces of the log on fire [Endnote 106]. It is only at this point of burning the quiver (log) and bow (tom) or in the case of a woman, the destruction of the puuk that the soul of the dead is released and can now properly enter the land of the dead [Endnote 107]. These rituals of destruction evoke strong emotional outbursts of close relatives because only then have they finally lost their relatives [Endnote 108].
When the fire is about dying down, the two gravediggers tell the sons of the deceased to put out the fire burning their father’s quiver. The sons bring a pot of pito and a hoe blade and these are put aside. The daughter in law (or the woman who stepped in for her depending on whether her father is alive or not) who set the fire in the dalong also brings another pot of pito and water. The two gravediggers taking her pito and the water, pour them into a calabash. All those present in the kraal using their left hands, fetch the content (pito and water) in the calabash and wash their faces (to wipe aware the tears from the crying) while moving around the burning quiver. The rest of that pito is poured on the fire and the hoe blade is thrown into it (the fire or perhaps ashes by then), saying they are quenching the fire burning their father’s quiver.
J. Agalic, Magisterarbeit (fn 88,4a): The eldest son performs the lok-cheka. After that the food is shared. The arrows are distributed among the sons of the deceased.
U. Blanc (2000: 222): Beim Juka für einen Mann werden Köcher, Bogen sowie Pfeile zerbrochen und verbrannt.

5.2.3.11 Topfzerstörungen vor dem Gehöft
Mutuensa, Ajuzong Yeri, (fn 88,272b): Frauen bringen einen bimbili-Topf und eine (zwei?) Kalebasse(n) an eine Stelle hinter den an den Köchern arbeitenden Totengräbern. Alle Gefäße werden auf dem Boden zerschlagen. Dies Ritual wird für die Frauen, die als “daughters of the house” (yeri lieba) nicht in einem fremden Gehöft starben, auf der Männerseite des Gehöfts ausgeübt (siehe Foto).

5.2.3.12 Kriegstanz in Alltagskleidung und “Erstürumung” des tampoi
Asiuk (nach Informationen von Danlardy Leander): Schon während des Heraustragens der Köcher aus dem Gehöft tanzen junge Männer in Alltagskleidung einen Kriegstanz mit einfachen Stöcken. Nach dem Heraustragen erstürmen alle dreimal den Abfallhaufen (tampoi) [Aussage unsicher].
Ajuzong Yeri,  Mutuensa (fn 88,272b): Noch vor Abschluss der Waffenverbrennung läuft ein ca. 15jähriger Junge mit einem zangi-Gabelpfosten um das Gehöft. Ihm folgen Jungen und Mädchen in wildem Geschrei. Sie tragen Stöcke, zanga (Gabelpfosten) und dalta (Dachsparren). Dann läuft ein Junge auf den hohen tampoi und alle anderen ihm nach. So wird der tampoi mehrmals “erstürmt”. Auch Mädchen formieren sich in Kriegstanzgruppen, die alle mehrmals um das Haus ziehen. Gästen gegenüber (auch F.K.) zeigen die Gruppen eine rituell vorgespielte, aggressive Haltung, indem sie drohend auf diese zulaufen und dann wieder abziehen.

Abb.: “Erstürmung” des tampoi in Wiaga-Mutuensa

Aduedem 2019: 28: As the fire is burning, the sons of the deceased continue wailing and performing a war dance (lielik) since [while the?] fire is burning their father’s quiver. This fire burning is also viewed in the form of natural fire disaster and that is why they perform the war dance as sign of their readiness to rescue their father’s quiver.
E. Atuick 2020: 91: …(Atuick: Fourth day) This is followed by war dancing over the remains of the louk by all who consider themselves children of the deceased man, including the cheri-deiroa.

5.2.3.13 Verbrennen der Mattenhalme
Ajuzong Yeri, Mutuensa, (fn 88,272a+b): Man holt mich in das Haus. Im Dalong brennt noch ein kleines Feuer. Es werden dort die Mattenhalme verbrannt, die schon am ganzen Morgen lose im Innenhof neben dem Grab des Toten lagen (siehe auch 5.2.3.8).

5.2.3.14 Puuta-mobika oder puuta cheka (Zerstören der puuk-Töpfe)
Ajuzong Yeri, Mutuensa, (fn 88,273a), gegen 11 Uhr: Am Hauptweg, der nach Yisobsa, Chiok und Badomsa führt, finden die Zerstörungsrituale für die Gefäße der Frauen statt, die in dem Trauerhaus als Ehefrauen gestorben sind.

Abb.: Mutuensa: Zerstörung der Kalebassen und Tontöpfe der verstorbenen Ehefrauen

11 Uhr: Drei Frauen (aus Yisobsa, Chiok und Badomsa) bringen zwei mit weißen kazagsa-Fasern verschnürte Doppelkalebassen (Basiskalebasse und Deckel) für die verstorbene Frau aus Yisobsa zum Weg. Vor dem Öffnen der Verschnürung klopft die Frau aus Yisobsa viermal an die oberer Kalebasse. In den Kalebassen befindet sich ein kpaam-kabook (Tongefäß für Schibutter, hier mit viereckigem Deckel, siehe Fotos. Das Gefäß wird auch von einigen Informanten puuk genannt, während man meistens unter puuk einen Noppentopf versteht). Die Frauen zerbrechen die unteren Kalebassen (zum Teil mit den Füßen) am Wege und bringen die heilen Deckel mit den Tontöpfen wieder in das Gehöft.

11.35 Uhr: Dieselben Frauen zerstören die Gefäße für die verstorbene Frau aus Atana Yeri (Chiok), etwas hinter der ersten Zerstörungsstelle. In dem kpaam-kabook befindet sich getrocknetes Hühnerfleisch, getrockneter Fisch u.a. Der leere Tontopf wird aus ca. 1/2 m Höhe mit Schwung auf die Erde geworfen und zerbricht. Die heile, kleinere Kalebasse wird mit den Nahrungsmitteln zurück ins Haus getragen.

Abb.: Verschiedene Formen des kpaam-kabook (puuk)

12.00 Uhr (fn 88,273b): Dasselbe Ritual wird für die Frau aus Badomsa ausgeführt: Auch hier wird vor dem Öffnen des Kalebassenbündels viermal an die Kalebasse geklopft. Der Tontopf hat keinen Inhalt. Diesmal schlägt eine Frau ihn auf den Boden. Ebenso geschieht es mit der größeren Kalebasse, aus der nur ein Stück herausbricht. Um 12.20 Uhr sind die Topf-Rituale (puuta mobika) beendet.
Ayoling Yeri, Wiaga-Badomsa (fn 88,197b), nur von Asik Yeri aus am 28.1.89 beobachtet: Anurkas jüngerer Bruder Abarimi starb genau 5 Tage nach Leander: Puuta mobika: Eine Frau trägt puuk-Topf fort. Zwischen den beiden kusungta stehen mehrere große Töpfe.
Eigene Beobachtung und Information Baba aus Sandema-Kobdem (fn 1984,27a+b): An der Hinterseite von Awaribe Yeri (Regengott-Haus, Kobdem) stehen 2 x 5 Tontöpfe gestapelt. Für beide Stapel trifft die folgende Reihenfolge von unten nach oben zu: samoaning – bimbili – kpalabik – kaam-soluk – cheng. Vom linken Stapel sind die beiden oberen Töpfe herabgefallen, aber keiner darf die Töpfe berühren außer Totengräber (vayaasa) oder ein Witwer, wenn das Funeral seiner Frau schon abgehalten wurde. Die Töpfe gehören Atinpilie (Frau meines watchman), deren funeral von dem nah verwandten Nachbarhaus geholt wurde. Die zweite Frau ist Apoaliba, die Mutter des yeri nyono. Nur sie hat in dem dok (Zimmer, Quartier) gewohnt, an dessen Außenmauer die Töpfe stehen. Die Töpfe sind nur ein Teil des Hausrates der Frauen, die anderen Töpfe werden weiter im Haus benutzt. Auch Kalebassen werden am Wege mit Händen oder Füßen zerstört. Im puuk-Ritual des Juka-funerals werden die Töpfe von vier Frauen gehalten und zu dem Weg gebracht, der zum Elternhaus der jeweiligen Frau führt (hier Kandem und Wiaga). Sie lassen (jeweils einen?) Topf zur gleichen Zeit los. Wenn er auf dem Weg nicht zerbricht, ist es ein schlechtes Zeichen, d.h. es wurde etwas falsch gemacht oder die Tote ist verärgert, weil man etwas vergessen hat. Die Scherben werden beiseite geschoben, sie haben keine Bedeutung mehr.
Information Atoaling Anueka  und eigene Beobachtung (fn 84,0b, auch 84,23a): In Anueka-Yeri (Sandema-Yongsa) stehen drei übereinander gestapelte samoaning Töpfe von Abiako’s Frau (Anuekas Mutter) im Viehhof an der Außenmauer. Sie sollten eigentlich außerhalb des Gehöfts an der Außenmauer stehen, aber diese ist eingebrochen. Die Töpfe werden beim Juka-funeral der Frau zerstört. Anders als in Kobdem besteht kein Berührverbot.
Information Margaret Arnheim  (Gbedema) 1978ff (fn M5b+34a): Mehrere Töpfe werden auf dem Fußpfad zum elterlichen Gehöft der verstorbenen Frau zerbrochen. Es sind keine typischen Kochtöpfe. Auf den Scherben tanzen nur Leute aus der eigenen Sektion (?). Margaret hätte bei diesem Ritual im Gehöft des Gbedema Chiefs tanzen können. – Beim Topftanz ist auch die imitierende Frau anwesend.
Information Agoabe  (Anamogsis Sohn) zur Juka (wessen?) in Anyenangdu Yeri: Zerstörungen fanden am 7. Tag statt (Zählung wohl einschließlich der Ruhetage). Esi und Achiilie (eingeheiratete Ehefrauen von Anamogsis Söhnen) zerbrachen die Kalebassen und Töpfe, die die toten Frauen zu Lebzeiten gebraucht hatten. Einige der Gefäße waren ihnen von Schwiegertöchtern gegeben worden. Die Kalebassen und Tontöpfe werden sanlengsa genannt.
Information Yaw (fn 97,38b): Nach Yaw wird ein Noppentopf (puuk) zerstört. Hiernach ist die Verstorbene eine echte Ahnin.
Information Danlardy  (fn 97,61b*): Man zerstört nur die Töpfer älterer verheirateter Frauen, nicht die von jungen Frauen.
Information Sandford  aus Kadema-Kpikpoluk (fn 73,161b): Bei dem Funeral einer Frau, die Kinder geboren hat, wird an der Kreuzung von wichtigen Fußpfaden ein Noppentopf zerbrochen. Die Scherben bleiben dort liegen. Ein neuer Noppentopf wird mit Blättern und Wurzeln bereitgestellt. Diesem wird später geopfert.
U. Blanc (2000: 222): Frauen aus der Herkunftssektion der toten Frau zerbrechen ihre Töpfe auf dem Weg zum elterlichen Gehöft.
E. Atuick 2020: 91: However, the juka rites of a woman are much more complex, with the cheri-deiroa playing a much more influential role. In this case, women from the paternal home of the deceased mother-in-law must arrive in the evening of the third day of the rites to sleep over. They usually come along with their own puuk [a ball-like ceramic vessel with a lid  that symbolizes the womb of a woman during funeral performances] to participate in the rites. The wives in the compound, as a group, must acquire a puuk for the rites to commence. The cheri-deiroa must also acquire a puuk for the rites. The next morning, on the fourth and final day of the rites, the visiting women will take their puuk to the san-yigma’s compound to hand it over to him and ask him to help them present it to the husbands of their sister(s). The san-yigma then leads them to the compound where the deceased lived, exchanges pleasantries with the elders, and hands over the puuk to them after making the following statement: “As our daughter is preparing to go home, this is something that belongs to her that we have brought for her to take along with her.” The family collects it, after which some women from the compound sponsoring the funeral go to the compound of the san-yigma with their own puuk, flour, and meat from both the animal killed and a guinea fowl, for the preparation of the saab for the performance of the rites. They prepare the saab there and place it in clay bowls before carrying the food and the puuk towards the funeral house. Before they get to the funeral house, they wait at a distance from the compound.
(p. 92) The following day, all three puusa [plural of puuk] are taken back to the same spot where the women met the previous day and broken into pieces, except for the puuk provided by women of the deceased person’s compound, which is handed over to the cheri-deiroa for keeping. Thus, the puuk provided by the women from the deceased’s paternal home and the one provided by the cheri-deiroa are both destroyed, but the one from the wives from the compound sponsoring the funeral is presented by the chilie to the cheri-deiroa as an inheritance from her deceased mother-in-law. Being the eldest son’s wife, the cheri-deiroa receives this puuk as the rightful inheritor of the deceased’s household and property, and she is expected to keep this until her own demise.

5.2.3.15 Tanz auf den Topfscherben
Information Margaret (Gbedema): Auf den Topfscherben wird getanzt, aber nur von Personen der eigenen Sektion; beim Topftanz ist auch die imitierende Frau anwesend.

5.2.3.16 Herstellung eines feinen, hellen Pulvers
Ajuzong Yeri,  Mutuensa, (fn 88,273a), 11.30 Uhr: Etwas abseits vom Wege reibt eine Frau auf einem Schibutter-Reibstein einen weichen hellen Stein zu einem feinen Pulver (die Bedeutung ist unbekannt).

Abb.: Ajuzong Yeri: Das Grab wird verputzt

5.2.3.17 Das Grab
Während der Juka-Feier (meistens wohl am 3. Tag, nach Aduedem am ersten Tag) erhält der Grabdeckel des/der Verstorbenen durch Frauen einen endgültigen Verputz, heute meistens mit Zement-Beimischung. Am oder um das Grab werden Hirsekörner gestreut und zum Beispiel ein Huhn und ein Säugetier getötet (Diese Aktivität findet sich mitunter schon während der Kumsa-Feier, zum Beispiel bei Awuliimbas Kumsa). Die Tiere sind für den Verstorbenen gedacht, es sind aber keine echten Opfer.
Eine Zusammenfassung über alle Rituale und andere Aktivitäten am Grab nach der Bestattung findet sich im Teil 5.3.

5.2.3.18 Imitation des Verstorbenen durch eine Frau
Asiuk (fn 94,14a), eigen Beobachtung, 16.00 Uhr: Eine Frau (Akantoganyas Gattin; Schwiegertochter des Toten) in einem langen weißen Gewand, unter dem sich viele Amulette und Zaubermittel befinden, imitiert den verstorbenen Häuptling Asiuk (siehe Foto). Sie trägt Asiuks echte Sonnenbrille und seinen Stock. Solange sie die Zaubermittel trägt, darf sie kein Wort sprechen. Sie spielt den leicht Betrunkenen (Asiuk trank bei Festen viel) und den Störrischen (Asiuk wollte manchmal ein Haus nicht betreten). Sie wird stets begleitet von einer Frau in blauem smock mit blauer Mütze. Es ist der ngaang-viroa, der den Häuptling immer begleitet. Auch er ist verstorben, aber sein funeral wird hier nicht mit abgehalten.
Auch Awaab, ein Mann in europäischer Männerkleidung, begleitet die beiden Frauen. Er ist der chief messenger.
(fn 94,14b) 18.00 Uhr: Die Imitatorin hat ihr inneres Gewand ausgezogen und sie darf nun wieder sprechen.

5.2.3.19 Marktbesuch
Asiuk (fn 94,14a): Zwischen 17 und 18 Uhr: Eine Gruppe der Funeral-Teilnehmer zieht zum Markt: vorne 2 Sanduhrtrommeln, 2 Kalebassentrommeln und 3 Flöten; hinten 4 Zylindertrommeln und 6 namuning-Hörner. Die zwei Imitatorinnen, der amtierende Wiaga Chief von Accra, Ayabalie, die jüngste Tochter des Verstorbenen, Afulanpok, die jüngste Frau Asiuks, und zahlreiche Kinder ziehen mit (siehe Foto).

Abb.: Asiuk: Zug zum Markt. In der Mitte die Imitatorin Asiuks
Abb.: Marktstände wurden mit blauen Planen zugedeckt

Auf dem Markt dürfen alle Kinder ungestraft die Marktstände mit essbaren Waren plündern. Einige Verkäufer haben alle Waren mit blauen Plastikplanen verdeckt (siehe Foto), eine Gemischtwaren-Verkäuferin präsentiert ihre Waren unverdeckt, aber sie zeigt mir einen dicken Stock als Abschreckung für die Kinder [Endnote 109]. Unter dem Nimtree wird zum Spiel von Zylindertrommeln und Horntrompeten getanzt. Auf dem Rückweg zum Gehöft spielen zum Teil andere Hornbläser, denn bei einer Ermüdung der Spieler können sie ausgewechselt werden. Ein neues Musikstück beginnt zuerst mit Schlägen der Sanduhrtrommel, dann setzt die Kalebassentrommel ein, bis alle zusammenspielen.

5.2.3.20 Vergütungen der Dienstleistungen und Geschenke
Aduedem 2019: 28: The pito the sons brought earlier together with money (any amount, but the money is not compulsory, it is only a way of showing your social status/generosity/appreciation) is given to the gravediggers to use them and put out the fire. The rest walk out and the two men go inside the dalong to eat their food they left there. Some of the food is given to the one that blew the whistle, some to the woman who set the fire and some TZ is put into the ‘black’ calabash (chin sobli) and given to the woman to be given to the orphans (the biological children of the deceased) the following morning. That TZ is called kpingsa saab (orphans’ TZ).

5.2.4 Vierter Tag: Senlengsa dai (Doppelglocken-Tag) oder Daata nyuka dai (Tag des Pito-Trinkens), nach Azognab auch Kusung-puusika dai (day of greeting the elders)

Der letzte Tag der Juka ist der Tag von Menschenansammlungen, Tänzen und Musik, aber er ist arm an Ritualen (so auch U.Blanc).
Ich (F.K.) konnte an keinem Senlengsa dai das Geschehen des Tages selbst beobachten.

5.2.4.1 Hirsebrei (saab) für die Waisen
Aduedem 2019: 29: In the morning of this day, the [presiding] woman [chelie] takes the TZ (in the chin-sobli) she kept aside the previous night and sits [down] at the entrance of the dalong. Calling each of the biological children (from the oldest to the youngest), she cuts small of the TZ, scolds [Endnote 110] him/her and gives it to him/her to eat. She does that three times each for all the children. The scolding takes this form: “Nwua [ngoa], fi a kping ka nna, fi puom bagaa nya ka nna yeg-yega. Ka wana tim pa wa nganta a te fi a kping ka nna?” Thus, “take this, you [are] the orphans, you are even looking too much. Who will give food to orphans like you?”

5.2.4.2 Abschluss der Hirsebierbereitung (die am 1. Tag begonnen, und Verteilung)
Aduedem 2019: 29: Afterwards, the elders in the kusung dok sent two men inside to the presiding woman, to find out whether there is pito from the pito malt (kpaama) they gave her, in reference to the first day of the juka rites. The woman then calls the first son of the deceased and shows him the pito in the pots. The woman takes a pot of pito and the son takes calabashes (daam china – pito calabashes) and they sent them out to the elders saying: this is dirt of the deceased. Out of courtesy the elders would ask that some of the pito be given to the mothers-in-law (nga niima) of the deceased who have come to witness the funeral rites. However, the sons would opt to provide different pito for them (mothers-in-law). More pito may even be supplied and everyone drinks hence the DAATA NYUKA DAI (literally, drinks/pito drinking day) for this day. Thus, it is this day the pito (daam – meaning a [an alcoholic] drink) is drunk.
Azognab 2020: 51 (Information von Akaalie Aginteba, Sandema 2018): Damonung (‘Pito’) whose preparation would have started from day one of the juka ritual is provided for the elders. If the deceased person in question is a female or unmarried, the funeral ends with the greetings of the elders and the ‘pito’ party among them. On the other hand if the deceased person was a married man with a surviving wife or wives, this last day will also mark the day the widows or widow chooses a new husband…

5.2.4.3 Marktbesuch (scheitert für das Gehöft des Chiefs)
Asiuk (Information durch Danlardy), 12.7.94 (Montag): Zur Zeit des Höhepunktes der Feier wollten die Töchter des verstorbenen Häuptlings zum Markt ziehen, um anzuzeigen, dass das Funeral erfolgreich abgehalten wurde. Vorher wurde der ganze Markt jedoch von aggressiven Bienenvölkern leergefegt, was so gedeutet wurde: Asiuk wollte den Markt für sich alleine haben. Der Verkauf wird danach an die Kreuzung (Goansa) verlegt. Vor Danlardys Haus (er ist ein Verwandter von Asiuk) werden Tänze aufgeführt. Dan spendiert 1 Flasche Akpeteshi und 1 Kalebasse Hirsewasser.

5.2.4.4 “Beopferung” der Gehöftmauer
(Vergleiche 4.2.4.6: Parika kaabka bei Kumsa)
Aduedem 2019: 30: The sons also provide a fowl (chick) for the elders. And those [who were] responsible for sacrificing the wall [on the Kumsa, gbanta dai] use it to sacrifice the wall again. As they smear the blood on the wall, the say: “That is all, there is no funeral in this house again [any longer]”. And children may take the fowl and roast it.
E. Atuick 2020: 91: Following the war dancing, the eldest son of the deceased performs the final sacrifice of the rites on the left wall of the main entrance of the compound. While standing there, he gathers all the live fowls brought from the earlier visit to his late father’s mother’s lineage and those donated by friends and sympathizers to help him complete his father’s funeral rites, and sacrifices them on the wall. He does this by hitting the fowl, one by one, against the wall to die. While their blood flows down the wall he says, “Bak ko parik! Ti kowa kumu yai nueri kama!” [“They have killed a wall! Our father’s funeral is now over!”]. This sacrifice literally marks the end of the funeral rites for the deceased man, and by extension, the role of the cheri-deiroa. The next thing is for all the dead birds to be plucked and cooked for all present, including the cheri-deiroa, to eat to their satisfaction before dispersing.
Information Danlardy Leander (fn 1994,60b): Am letzten Tag der Juka werden kamsa-Kuchen an die Hauswand geschmiert (keine weiteren Bestätigungen!)

Abb.: Adama tanzt den senlengsa-Tanz

5.2.4.5 Bemerkungen zum senlengsa-Tanz
Information Adama (Chiok) via Danlardy (fn 88,305b): Der senlengsa-Tanz fiel bei Asiuks funeral aus, da dieser Tanz nur für weibliche Tote stattfindet. Das Ritual existiert wahrscheinlich im ganzen Bulsaland. Danlardy hat Belege für: Chiok, Guuta, Yimonsa, Longsa, Wabilinsa, Kori, Kom, Siniensi, Fumbisi, Sandema, Wiesi, Kanjaga, Doninga, Chuchuliga.
Bei einer Juka-Feier in Chiok gab Adamas Schwester ihrem Bruder eine Scherbe von den zerstörten Kalebassen der Toten. Adama legte sie beim Tanz auf den Kopf.
Der Tanz drückt die Freude darüber aus “dass die Toten vertrieben wurden” Als Musikinstrumente werden dazu gespielt: ginggana (Zylindertrommeln),  namunsa (Horntrompeten), gori (Kalebassentrommel), gunggong (Sanduhrtrommel), wiisa (Flöten). In Chiok hatte man gerade keine senleng-Doppelglocke zur Hand; daher nahm man eine Glasflasche und schlug mit einem Stock dagegen.
Information Yaw (fn 97, 38b): Wenn ein matrilinearer Verwandter teilnimmt, nimmt er sich eine Topfscherbe oder einen Splitter des Köchers, legt diese auf den Kopf und tanzt damit. Danach wirft er sie fort.
U. Blanc (2000:229-32, hier verkürzte Auszüge aus S. 229-30): Der Doppelglockentanz (senlengsa gokta) in Reihenformation wird nur von Frauen [für verstorbene Frauen] getanzt. Als Begleitung gibt es nur die Doppelglocke und Händeklatschen. Der Gesang ist reiner Chorgesang (ohne Vorsängerin). Meistens führt eine Tochter der Verstorbenen den Tanz an. Es können auch Jungen und Männer hinzutreten, wenn ihre Schwestern tanzen. Sie tanzen auf den Scherben der zerstörten Töpfe und balancieren Scherben der Töpfe auf dem Kopf, während sie auf das Elternhaus der Toten zu tanzen.
Der Tanz ist eine Ehrenbezeugung für ältere Ehefrauen, die lange im Gehöft gelebt und viele Kinder geboren haben. Senlengsa yiila gehören zu den kum-yiila (Totenliedern).

5.2.4.6 Naapierik ginggana (Tanz zum Aschenhaufen)
U. Blanc (2000: 221): Die kobisa des Toten sind für diesen Tanz verantwortlich. S. 223: Der Tanz… der Männer zum Aschehaufen beendet diese abschließende Phase der Juka.
(S. 227) Er entspricht dem sinlengsa-Tanz für eine tote Frau und ist eine Art Abschiedsgruß.
(S. 228:) Im Idealfall spielen 3-4 ginggana, aber keine anderen Instrumente. Nur erfahrene Männer (gute Sänger) dürfen in den reinen Chorgesang einstimmen. Der Reihentanz in langsamen, bedächtigen Schritten soll vom ältesten Sohn des Verstorbenen angeführt werden (evtl. Ersatz).

5.2.4.7 Zug zum Guuk des Gehöftes

Information Danlardy Leander 5.9.96: Am senlengsa dai zieht man bei der Feier von bedeutenden Männern zum Guuk des Gehöftes.

5.2.4.8 Wiederverheiratung der Witwen (nicht beobachtet)
Nach mehreren Sandema Informanten (Godfrey Achaw, Aduedem, Azognab…) findet die Wiederverheiratung erst am vierten Tag statt, in Wiaga mitunter jedoch auch schon am dritten Tag. Siehe auch Kröger 1978: 291-94
Asiuk (fn 94,15b, Information durch Danlardy): Alle Witwen versammeln sich [am vierten Tag] im Raum der Häuptlingsmutter, und sie werden nacheinander gefragt, wen sie heiraten wollen. Fünf von ihnen heiraten das Grab des Häuptlings (ba yali naawa boosuku), d.h. sie leben weiter als Ehefrauen des Häuptlings. Später können sie trotzdem einen anderen Mann heiraten, ihre Kinder gehören dann auch dem neuen Gatten.
Anoalisikame (jüngste Witwe) heiratet den verstorbenen Albert Agoldem (dessen funeral noch nicht abgehalten wurde), Akanngarayuk (zweitjüngste Witwe) heiratet Owen Agoldem; Asebalanye (Clement´s Mutter, drittjüngste Witwe) heiratet Peter Anang, den ehemaligen katholischen Priester. Bis zur Bekanntgabe ihrer Heiratsentscheidungen müssen die Witwen Blätter tragen, danach können sie Stoffkleidung anlegen.
Ajuzong Yeri, Mutuensa, (88,273b), abends: Die Witwen tragen Blätterkleidung. Eigentlich dürften sie mit keinem Mann sprechen oder von keinem Mann berührt werden, denn dies gilt als Zustimmung zur Heirat, aber als ich mich unwissend bei einer Witwe für das Mittagessen mit Handschlag bedankte, gab es kein besonderes Aufsehen, nur etwas Gelächter.
Wenn eine Witwe zum 1. Mal zur Wahl aufgefordert wird, antwortet sie: “Nyiam diem tuila kama!” (Das Wasser ist noch nicht heiß; d.h. man möchte noch etwas warten). Dann wählt sie einen Mann, der ihr daraufhin ein Perlhuhn oder Geld gibt. Zwei (klassifikatorische) Schwestern (aus dem gleichen Gehöft) können (müssen?) denselben Mann heiraten, zwei in der Geburtenreihenfolge aufeinander folgende Schwestern (derselben Mutter?) dürfen dieses allerdings nicht.
Information Godfrey Achaw (fn 73,19b) Die Frauen des Vaters können von den Söhnen geheiratet werden, soweit es sich nicht um die leibliche Mutter handelt oder die Frau aus der gleichen Sektion wie die leibliche Mutter kommt.
(fn 73,33a): Eine Wiederverheiratung [F.K. Vollzug der Ehe?] kann erst am Tag nach der Beendigung der Totenfeier stattfinden. Eine Frau soll ihren neuen Gatten unter den Männern des Gehöfts ihres verstorbenen Mannes aussuchen oder in den vier verwandten Compounds [F.K. kobisa]. Wenn sie in die Sektion ihres Mannes heiraten will, verlässt sie nachts heimlich das Haus und geht sofort in das Haus ihres neuen Gatten (nicht zuerst in ihr Elternhaus). Das Haus wird nicht als Feind des alten Hauses angesehen. Der neue Gatte zahlt nichts an das alte Haus oder das Elternhaus der Frau, sondern informiert nur letzteres und die Verwandten des ersten Gatten. Es gibt keine erneuten Heiratsrituale. Wenn der erste Gatte das “gate” noch nicht geschlossen hat (nansiung lika), muss es der zweite Gatte tun (s. Kröger 1978: 374-76). Will die Witwe nicht in die Sektion ihres verstorbenen Mannes heiraten ohne schon eine neue Wahl getroffen zu haben, geht sie zuerst in ihr Elternhaus und der Bewerber kommt zu diesem Haus. Es finden alle Rituale und Zahlungen wie bei einer Erstheirat statt. Der neue Gatte wird ein Feind der Verwandten des ersten Gatten. die auch nicht informiert werden.
Information Leander Amoak (fn 79,2b + 8a): Nach dem Tod eines Gatten haben die Kinder der anderen Frauen einen ersten Anspruch auf die Ehefrauen ihres Vaters, da die neue Nachkommenschaft dem wen des Toten (Großvaters) opfern werden. Wenn ein Bruder des Verstorbenen die Witwe heiratet, werden die Kinder später dem wen des neuen Gatten (des Bruders) opfern. Leander hat Anspruch auf die Witwe seines verstorbenen Bruders Atiim, weil keine Kinder anderer Frauen da sind.
Information Agoabe (Sohn Anamogsis; E-mail 12.3.09, fn 08,B19): Die Wahl der Witwen Akanpaabadais (Anamogsis Sohn) wurde mit dem Bad der Witwen am tampoi verbunden. Vor dem Bad wurde eine gaasika (s.o.) durchgeführt. Die Leitung der Rituale hatten die Nachbarinnen Afulang aus Atuiri Yeri und Akansagba aus Adum Yeri (Badomsa). Während der Wahl saßen die Männer im kusung. Die Witwe nannte den Namen des Mannes, mit dem sie baden wollte.
Zur Juka (Akaayaabisas) wurden auch die Frauen des Verstorbenen eingeladen, die vor seinem Tode nicht mehr bei ihm wohnten oder einen anderen Mann geheiratet hatten. Ohne eine solche Einladung würden auch die Kinder dieser Frauen nicht mehr als Kinder des Verstorbenen angesehen.
E-mail 24.3.09 (fn 08,B19b): Eine Frau, die schon zweimal in einem Gehöft verheiratet war, darf nicht ein drittes Mal jemanden aus diesem Gehöft heiratet. Wohl darf sie weiterhin im Gehöft wohnen oder einen Mann aus einer fremden Lineage heiraten. Keiner aus dem Gehöft ihres verstorbenen Gatten ist offiziell verantwortlich für sie. Später werden wohl ihre Kinder für sie sorgen (ähnliche Information auch durch Yaw).
Information Yaw 2002 (ähnlich Danlardy 2004): Eine junge Witwe könnte sich einige Zeit nach dem Tode ihres Mannes schon mit einem neuen Partner verbinden, “da man ihr nicht zumuten kann oft mehrere Jahre bis zur Juka zu warten”. Bei der Juka wird sie dann diesen Partner als den gewählten Gatten angeben.
(fn 02,21b): Abiisis Totenfeier könnte jetzt (2002) vor oder nach der Juka Anyenangdus abgehalten werden. Sobald der Säugling Abiisis entwöhnt ist, könnte sich seine junge Frau schon wiederverheiraten, da man ihr nicht zumuten kann, bis zur Juka Abiisis zu warten. Man erwartete dann von ihr, dass sie sich einen Bruder ihres verstorbenen Mannes als neuen Gatten aussucht. Falls sie einen Mann aus einer anderen Sektion heiraten will, wird sie das Gehöft Anyenangdu Yeri verlassen.
2008: Bei der Wahl des Gatten können die Witwen auch sagen, dass sie einen bestimmten kleinen Jungen heiraten möchten. Eine solche Verbindung ist oder wird keine richtige Ehe, d.h. sie wohnen nicht zusammen. Ein Gehöftherr war sehr verärgert, dass viele jüngere, noch gebärfähige Ehefrauen ein Kind “geheiratet” hatten.
Wenn eine Witwe ein Kind von einem anderen Mann nach dem Tode ihre Mannes, aber vor der rituellen Wiederverheiratung geboren hat, so nennt man diese Geburt zukuusa. Wenn eine zukuusa-Frau, vor allem zwischen Kumsa und Juka, einen Kranken besucht, so wird dieser geheilt.
(2011, fn 1b): Nach dem Tod Anamogsis bemühten sich seine Söhne um ihre jüngeren Stiefmütter. Christliche Witwen lehnten es ab, die Frau eines verheirateten Mann zu werden.
Information Danlardy Leander (fn 02/04, 54*): Abiisis Brüder können seine Witwe nicht offiziell vor Abiisis Juka heiraten, aber doch mit ihr zusammenleben. Sie könnten sogar Kinder haben. Beim Juka-Funeral würde der Bruder sie dann offiziell als Ehefrau fordern.
Aduedem 2019: 29 …the elders send two men again to the presiding woman, telling her to ask the widow who she wants to get married to, since the funeral rites of the husband are over. The two men will do that four times. She can marry anyone from the extended family, and in the case of a polygamous marriage, she can even marry any of the sons of the co-wife (but never her own son), or she decides to remain unmarried by marrying the grave of the late husband [Endnote 111]. After the fourth round, the presiding woman comes to the elders and announces to the elders the name of the person she (the widow) wants to marry. This remarriage is a “ritual proper for the reintegration” of the widow into society and after this remarriage, the widow starts wearing her normal clothes again [Endnote 112].
The person she mentioned is called by the elders and he is asked to provide a basket of millet, a guinea fowl, pito and tobacco. When he has provided them, the elders call the presiding woman and give the items to her. Those items are for the presiding woman because the understanding is that, the widow is her daughter and she has just handed her daughter’s hand in marriage to the said husband.
Azognab 2020: 51-53 (Information von Akaalie Aginteba, Akanvarilami Ataasapo, Atgenglie Awurung, Adoruk Achumwari, alle Sandema 2018)
The Bulsa concept is that the widow or widower who shared [his/her life] with the deceased person in a very intimate way during their life time may want to take the spouse along for the companionship which they shared on earth and hence, it is only the widowhood rites that separate them. Connected to this is also the belief that their union in marriage is not broken by death but by the funeral celebration of the deceased person…
At this stage, the Bulsa believe the widow can then remarry on the final day of the juka ritual described earlier. The widow is usually subjected to pressure to choose her new husband from her husband’s family. Again the Bulsa believe the widowhood rites are necessary to purify the surviving spouse of the daung or daunta (mystical dirt) of the deceased person. This is necessary for re-integration.
p. 52-53: The widowhood ritual begins from day one when a spouse dies. As soon as he dies and the corpse is bathed and laid in the dalong, the widow is separated and sent to another room where other elderly women as consolers and supporters stay with her to guide her and provide her needs. She remains in that room till burial takes place. This separation continues until the final funeral rites are performed and the widow is re-integrated. If the final funeral rites are waited for long, the widow may be free after some period of time to go about her usual duties, but she is forbidden to marry until the final funeral rituals are completed. A widower, on the other hand, sits outside and is surrounded by his friends from the community who make sure they give him the support that he needs…
Throughout the dry funeral celebration of her husband, the widow wears only vaata (literally, leaves) and sits on Shea nut leaves in a confined room. A widower on the other hand sits on the skin of a cow.

Abb.: Asiuks Witwe mit einer Witwen-Halsschnur

5.2.4.9 Ablegen der Körperschnüre (miisa folika) und 2. Kopfrasur
Ajuzong Yeri, Mutuensa  (fn 88,270b): Viele Frauen tragen 2 oder 3 gedrehte Kordeln schärpenhaft über die Schultern. Diese sind nahe Verwandte des Toten, die bei der Kumsa mit Daluk beschmiert waren. Viele tragen sie nach einer Information als Hüftschnüre (von außen unsichtbar). Die Schnüre werden am Ende der Juka-Feier mit einem Stein auf einem Fußpfad in kleine Stücke zerhackt.

Information Danlardy Leander (fn 1994,80*): Die jom-suiroa (su: to put on, anlegen, Verbalnomen: jom-suka) entfernt und zerschneidet die Witwenschnüre ohne begleitende Riten und Tabus. Nach dessen miisa folika genannten Ritual können Witwen heiraten (Ehe mit dem gewählten Gatten ausüben?).
Die jom-suiroa-Frau wird sogleich nach dem Tod eines Mannes (Gatten) bestimmt und hat danach mehrere Aufgaben zu erfüllen. Gleich nach dem Tod hat sie den Witwen die Schnüre angelegt (Handlung: jom-sugka) und hat die Witwen gebadet (s.o.; fn 1994,82).
Die Schnüre werden (heutzutage) vor dem miisa folika Ritual nicht immer getragen, sondern, zum Beispiel von Danlardys Müttern in ihren Schlafzimmern unter Deckenbalken aufbewahrt. Die Halsschnur muss wenigstens einen Knoten haben, die andere Knoten dienen der Anpassung [der Länge?].
Information Asiuks Witwe, Clements Mutter (fn 94,74b): Sie trägt wie alle Witwen, eine aus kazagsa-Fasern gedrehte Schnur (miik) um den Hals, um die linke Hand und um den linken Fuß. Alle Schnüre enden in einer Doppelschnur mit 3-4 Knoten.
Aduedem 2019: 30f: One week later [after the Juka Funeral], the widow cooks Bambara beans (suma) and makes cakes (kamsa), and the man who shaved her (on the nyaata soka dai) is invited. He comes and shaves her again and after that, he removes the ropes she wore as beads [necklace?] during the whole funeral rites performance. No one is supposed to see those ropes, so he buries them in the tampoi (rubbish heap). The widow then serves the man some of the Bambara beans and the cake (kamsa). After eating, the man thanks the widow and tells her that the man she chose is duly her husband thereafter and he goes to his house. Everything has therefore come to an end.
p. 32: [The widow is shaved] on the jueta soka dai and a week after the kusung puusika dai. All these [rites] are to cleanse her of the old life as a wife to the deceased. Thus, when the final funeral rites have been performed, the surviving spouse no longer belongs to the deceased, she/he starts a new beginning altogether, and that is why in the case of a widow, she can marry again.

5.2.4.10 Kaolin [koalin] tika (das Geben von Gütern, Erbschaft)
Nach Abschluss der Juka werden Hinterlassenschaften des/der Toten zusammengestellt und an die Erben verteilt.
Information Yaw und Aleeti (fn 01,2b): Der nächstälteste Bruder des Verstorbenen erbt sofort nach dem Tod alle wichtigen und wertvollen Dinge, da er die Mittel braucht um die Totenfeier zu finanzieren. Falls er sich weigert, die Feier auszuführen, erbt er gar nichts. Persönliche Dinge des Verstorbenen (zum Beispiel Bücher) gehen an die Kinder des Verstorbenen, persönliche Dinge einer verstorbenen Frau, zum Beispiel eine Nähmaschine, erhält eine ihrer Töchter. Anamogsis ältester Sohn Asuebisa erbt nichts, da er [als Christ?] die Totenfeier nicht ausführen will.
Siehe auch Kröger 1982: 64-77 (Ancestor Worship…)
Information Asage aus Adum Yeri, Badomsa (fn 81,16b,) Verhinderte Erbschaft und Nachfolge: Als Ajogyam, ein Enkel von Abadomgbana, Erdherr (teng nyono) von Badomsa war, wollte er die Totenfeiern von zwei Ahnen abhalten, durch die er wohl auch Elder (kpagi) von ganz Badomsa geworden wäre. Eine Gruppe von Elders verhinderte diese Funerals, um eine zu starke Machtkonzentration in einer Hand zu verhindern. Auch heute noch können die Nachkommen von Abadomgbana nie (ohne die Abhaltung der genannten Funerals) das wen des Sektionsgründers Abadomings erwerben, während das Amt des Erdherren nur unter den Nachkommen von Abadomgbana rotiert.
Information Godfrey Achaw (fn 73,19b): Erbschaft eines Mannes: Das Land, das vor dem Gehöft liegt, d.h. das er von seinem Großvater ererbt hat, geht ebenso wie das ganze Gehöft an den ältesten Bruder des verstorbenen Gehöftherrn, alles andere Land bekommt der älteste Sohn [F.K.: Aussage ungenau und unwahrscheinlich]. Vieh, das er ererbt hat, geht an den ältesten Bruder. Das zu seinen Lebzeiten erworbene Vieh geht an seinen ältesten Sohn. Wenn der älteste Sohn von dem ererbten Gut etwas verkauft, muss er den Erlös mit seinen Brüdern teilen.
Aduedem 2019: 30: If the deceased was a landlord, the elders will call all those concerned (from the house) to the kusung dok and tell the sons that their father is no longer there, therefore, the next landlord is Mr “A”, “B” or “C”.

Abb.: Agaab Yeri, Chantiinsa

5.3 Exkurs (Zusammenfassung): Das Grab und die Grabschale
Das Grab des oder der Verstorbenen spielt bei den Kumsa und Juka Feiern keine so große Rolle wie etwa die Totenmatte in der Kumsa oder Bogen und Köcher in der Juka Feier. Die Art der Aktivitäten am Grab und ihre zeitliche Einordnung scheinen im Bulsaland zu variieren. Tieropfer, bei denen das Blut über die Grabschale geschüttete wird, gibt es wohl nirgendwo, wenn auch mitunter (s. Awuliimba) ein Huhn am Grab des Verstorbenen unblutig getötet wird. Am verbreitetsten ist wohl das Niederlegen von einigen Hirsekörnern am Grab (Sollen sie als Saatgut einen neu beginnenden Ackerbau im Totenreich ermöglichen?). Die Grabgaben (Hirsekörner, Bohnenkuchen, Bohnenspeise) entsprechen auch nicht den Opferspeisen an einen wen-Schrein, sondern ähneln eher den Nahrungsmitteln, die man vor den Totenfeiern der Seele (in der Totenmatte) schenkt.
Wenn auch von mir beobachtet wurde, dass die Grabschale schon in der Kumsa-Feier ganz grob (und vorläufig?) mit nassen Lehmballen verputzt wurde, so erhält sie doch erst in der Juka-Feier ihren dauerhaften und endgültigen Verputz (in neuerer Zeit sogar durch eine Zement-Sand Mischung). Das “Luftloch” in der Schale kann jetzt auch durch feuchten Putz verschlossen wurde, denn die Seele erhält ja nun einen neuen Aufenthaltsort im Totenreich.
Awuliimba, Sandema-Kalijiisa, Kumsa (fn 88,226a), 10.3.89: Am Grab Awulimbas wird ein Huhn von einem Totengräber durch Schlagen auf den Boden getötet. Auf das Grab wird etwas Hirse gelegt.
Acha Yeri, Sandema-Chariba, Kumsa: Im Innenhof sitzen die Totengräber neben dem Grab. Leute geben den Totengräbern (dem Grab?) Geld. Es liegt dort ein Bündel mit 100 und 200 Cedi Scheinen.
Adiita Yeri, Wiaga-Yisobsa-Guuta, Kumsa, 12.51 Uhr (nach der parik kaabka): Zwei Frauen verputzen das Grab des Toten hinter dem Gehöft in einer groben Weise, indem sie nasse Tonballen über die Schale legen und leicht verstreichen.
Agaab Yeri, Wiaga-Yisobsa-Chantiinsa, Kumsa, 14.28 Uhr: Zwei Gräber abseits des Gehöfts (ca. 50 m) werden von ca. 8 Frauen verputzt.
Asebkame Yeri, Wiaga-Chiok (fn 88, 120b): Der Zug zum Grab muss ausfallen.
Ajuzong Yeri, Mutuensa, (lokta juka dai) Um 8.30 Uhr geht eine Frau mit einer großen Kalebasse voller Hirsekolben zum Mörser. Daraus wird Hirsebrei für die Frauen gekocht, die das Grab verputzen.
(fn 88,273b): 12.20 Uhr: Im “Chiok-Innenhof” ist schon ein Grab ganz verputzt und trocknet inzwischen. Das andere Grab ist verputzt und eine Frau bemalt es mit daluk (Foto siehe unter 5.2.3.17).
Information Godfrey Achaw, fn 73,48b: Am dritten Tag der Juka-Feier opfern [?] die Frauen Hirsebrei und Bohnenkuchen über dem Grab des Toten (auch die Bohnenspeise mit viel Öl wurde bei der Kumsa von Frauen am Grab geopfert).
Information Danlardy Leander (17.4.96): In Wiaga werden Gräber nie beopfert.
Information durch R. Schott (Juka): Töchter des Hauses bringen saab + zom dem Grab dar. Für Männer ist die Teilnahme streng verboten.
E. Atuick 2020: 88f: (Ausgeführt am Gbanta dai der Kumsa): Moreover, on this final day, the grave of the deceased is plastered as part of the funeral rites and the cheri-deiroa again has a role to play there. The male kobiik leading the funeral will send a message to the female chilie to send the cheri-deiroa to them to help put the grave in shape. Subsequently, the chilie, with the support of her assistants, must take water and sand to the grave side for the plastering. Before plastering, sand is fetched and thrown on the grave of a man three times or that of a woman four times and each time that is done, the cheri-deiroa must clear the sand from the grave as a sign of her readiness to protect her parent-in-law from harm. This segment of the cheri-deka ritual is done for every family member whose funeral is being performed regardless of the age at which they died.
Aduedem 2019: 22f: (Vergleiche hierzu 5.2.1.1: Elders in the kusung am 1. Tag der Juka):The sons/relatives provide tobacco (tabi), a fowl and an animal… which are taken together with some of the millets from the two baskets to the grave by the gravediggers for the vorup chiesika rituals. At the grave, they thrash (piag) some of the millet and use the grains to put all round the grave. Then the fowl and the animal are sacrificed similarly to what was done during the burial rituals. These are gifts given to the deceased as he goes to kpilung – home of the dead.

Abb.: Die abgesunkene Grabschale von Leanders Grab. Der grüne Pfeil weist auf das Luftloch.

Die Grabschale nach den Totenfeiern
Leanders Grabdeckel ist abgesunken 1994 (fn 94,6b): Asaaluk und ein Bruder Akais, der aus Kumasi zurückgekehrt war, waren Leanders Totengräber. Gewöhnlich zeigt man einem Freund des Toten dessen Grab nicht (Nach Leander, fn 94,35b, darf er es erst 4 Jahre nach dem Tode sehen). Bevor wir zum Grab gehen, müssen wir uns die Schuhe ausziehen. Asaaluk kratzt mit der Hacke den Boden frei, obwohl es hier überhaupt keine Unkräuter gibt. Die Tonschale (boosuk) ist nur halb sichtbar, sie ist in den Boden gesunken. Daneben liegt ein sehr alter Grabstock ohne Klinge und ein sehr alter Hackengriff. Wir müssten eigentlich noch eine Libation gießen, aber Ayomo kann keinen Akpeteshi in Badomsa kaufen. Die Hebung des Grabdeckels soll später erfolgen, man diskutiert aber auch noch die Umbettung des Toten in das Innere des Gehöfts.
Anamogsi u.a. verputzen Grab Anyenangdus (fn 08,11b): Er formt aus angerührtem Lehm lose Ballen und klatscht sie in kreisförmigen Lagen auf die Tonschale, von der man den alten Verputz entfernt hatte. Dann wird der Putz der Schale verstrichen. Inzwischen rühren Ajadoklie und Abasi Zement an, der mit grobem und feinem Sand vermischt wird. Zuerst werden einige persönliche wen-bogluta verputzt, aber nicht solche, die frische Opferspuren tragen. Dann wird der Zementputz von Frauen auf den nassen Lehmputz aufgetragen und mit einer Topfscherbe und einem Kieselstein poliert. Abasi soll mit einer Spiralfeder ein Muster eindrücken, aber sie macht es mehrmals falsch, denn es soll ein Fischgrätenmuster werden. Achioklie greift ein. Später schreibt Yaw noch ANYENANGDU in den nassen Zementputz.
Information Margaret Arnheim 1978ff (fn M30a): Die Grabschalen werden nur im Innenhof mit Lehm verschmiert, vor dem Gehöft sieht man die unverputzte Tonschale. Gräber sinken oft ab. Im Innenhof schlafen Menschen zwischen den Gräbern, vor einem Friedhof habe aber fast alle Angst.
(fn M34a): Nach Auskunft des inzwischen verstorbenen Adizuak aus Gbedema-Gbinaansa und Informanten aus Gbedema Kunkoak hört man mitunter den Satz: “N dan kan yuen ale kpi n boosuk ale na”. – ‘If I do not speak (= confess) and die, my boosuk will crack’.
Wenn zum Beispiel die Mattenbefragung (noai-boka) ergab, dass der Tote selbst an seinem Tode schuldig war, ohne dass erkannt wurde, dass er kabong [Ehebruch] begangen hatte, dann hätte er eigentlich mit diesen “Problemen” (mit dieser Schuld) nicht begraben werden dürfen. Dies geschieht oft in Eile, wenn die Leiche schon anfängt zu riechen. In einem solchen Fall kann die Grabschale zerbrechen.
Ein Loch wurde vor der Bestattung in die Grabschale gebrochen oder gekratzt, damit die Seele in der Ngomsika (Juka) Feier entweichen kann, um in das Totenreich zu ziehen. Danach kann die Schale verputzt werden und das Loch verschlossen werden.
Information Ansoateng (Wiaga-Badomsa) Wenn ein keramischer Grabdeckel (boosuk) zerbricht, steigt piisim auf. Ein Totengräber muss dann eine neue Schale aufsetzen. Durch Einatmen von piisim schwillt der Körper an.

Information Leander Amoak (fn 81,31a): Wenn ein Grabdeckel zerstört ist oder einen Sprung hat, muss ein “Tier” (dung) geschlachtet werden. Dieses ist kein Opfer. Das Fleisch wird unter den anwesenden Gästen verteilt.

Endnoten zur Kumsa und Juka: siehe “Anhang Totenfeiern”

 

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