KAPITEL III
NAMENSGEBUNG UND NAMEN
A) NAMENSGEBUNG (SEGRIKA)
1. DIE AHNEN-SEGRIKA
a) Eine Ahnen-segrika in Wiaga-Badomsa (Asik Yeri)
Die im folgenden beschriebene Namensgebung (segrika) konnte ich am 31. Dezember 1973 im Hause Leander Amoaks in Wiaga-Sinyansa-Badomsa beobachten. Fehlende Informationen (z.B. die Vorgeschichte) und Erklärungen wurden mir ausschließlich von L. Amoak, dem Vater des Kindes, gegeben.
Als der am 6. Februar 1973 geborene Sohn Amoaks und seiner Frau Afulanpok kränkelte, ging Leander zu dem Wahrsager (baano, Pl. baanoba) Asatek Awaalo in Sinyansa-Sichasa, um den Grund der Krankheit zu erfahren. Bei diesem Besuch zu Beginn des Monats Dezember 1973 fand der Wahrsager heraus, dass der Sohn, der bisher nur “Lucky” gerufen wurde, einen “offiziellen” Buli-Namen (yue mang) brauchte. Gleichzeitig erfuhr man in der Wahrsagersitzung, dass bei der Namensgebung das Kind dem bogluk von Amoaks verstorbenem Vater Asik dargebracht werden musste und dass L. Amoaks Schwester Aberok aus Kadema den Namen geben sollte. Den Zeitpunkt der Namensgebung durfte der Vater selbst bestimmen, und nach Absprache mit mir wurde er auf den 31. Dezember gelegt, d.h. Lucky war knapp elf Monate alt. Sofort nach der Festsetzung des Datums wurde Amoaks Schwester in Kadema informiert.
Am Morgen des 31. Dezember gegen acht Uhr fanden sich Leander, Lucky, Afulanpok und einige andere Kinder Leanders in seinem Haus in Wiaga-Badomsa ein, denn die Familie hielt sich meistens in einem {66} moderneren Haus im Ortszentrum Wiagas auf. Alle Riten mussten aber im angestammten Gehöft in Badomsa (Adeween Yeri oder Asik Yeri) ausgeführt werden. In Wiaga gab es vor der Abfahrt noch eine Diskussion, ob Afulanpok, Luckys leibliche Mutter, kommen sollte oder Leanders erste Frau Atigsidum, die auch für die Kinder der anderen Frauen in ritueller Hinsicht Mutterrechte hat. Außerdem war Afulanpok als doglie (vgl. Kap I,3, S. {41}) Atigsidums in das Haus Amoaks gekommen. Da die Namensgebung jedoch einige Kilometer vom Zentrum Wiagas entfernt stattfinden sollte und Afulanpok ihr Kind noch stillte, entschied man sich für die junge leibliche Mutter. In Badomsa war die Namensgeberin aus Kadema noch nicht eingetroffen. So konnte man in Ruhe alle Vorbereitungen treffen. Ayomo Atiim (der zweitjüngste Sohn von Leanders verstorbenem Bruder Atiim), der einige Funktionen des yeri-nyono wahrnahm, da für seinen Vater die Totengedenkfeier noch nicht abgehalten worden war, hatte schon am Vortage mit einer Hacke einige Wurzeln aus einem kankpiiling-Strauch geschlagen [Endnote 1]. Er entfernte nun die alten, vertrockneten kankpiiling-Wurzeln aus dem Namensgebungstopf (tibiik, Pl. tibiisa) vor Asiks bogluk. Die alten Wurzeln befanden sich seit der Namensgebung von Luckys älterem Bruder Akapami Adocta in dem Tontopf. Ayomo legte die frischen Wurzeln in den Topf, und Afulanpok holte aus dem Brunnen frisches Wasser in einem Zinkeimer und stellte es neben den bogluk Asiks. Ayomo schöpfte nun Wasser mit einer Kalebasse aus dem Eimer in den Tontopf, bis dieser fast voll war (s. Abb. 12).

Ayomo Atiim füllt den Namensgebungtopf (tibiik) neben dem wen-bogluk Asiks mit frischem Wasser. Hinter dem bogluk Asiks: der Schrein Adeweens. Die anderen Ahnenschreine sind zum Teil verdeckt (Abb. 12 der 1. Auflage).

Ayomo opfert dem wen Asiks einen schwarzen Hahn. Neben dem Schrein in hockender Gebetshaltung: L. Amoaks Schwester Aberok mit Lucky und (außerhalb des Bildes) L. Amoak (Abb. 13 der 1. Auflage).

Ayomo setzt Lucky in das noch feuchte Blut des geopferten Hahns; rechts: Aberok und Amoak; im Vordergrund die Opferkalebasse mit Hirsewasser. (Abbildung 14 der 1. Auflage).
Nach dem Eintreffen von Leanders Schwester begannen die Opferhandlungen. Dem wen Asiks wurde zuerst durch Ayomo Hirsewasser geopfert, dann wurde ein schwarzer Hahn [Endnote 2] getötet, und das Blut floss auf den wen-Stein Asiks (s. Abb. 13). Nachdem der aufflatternde Hahn nicht auf dem Bauch, sondern auf einer Seite Legend, langsam verendet war, wusste man, dass Asik das Opfer angenommen hatte, und die Schwester L. Amoaks setzte nun Lucky mit dem nackten Gesäß auf den blutigen wen-Stein des bogluk (s. Abb. 14). Lucky blieb dort einige Sekunden sitzen. Hiernach tranken alle Anwesenden von dem übriggebliebenen Hirsewasser. Auch Lucky sollte aus der Kalebasse trinken. Als er nicht wollte, tunkte seine Mutter ihren Finger in das Hirsewasser {67} und Lucky leckte ihn ab. Während der Hahn schon gerupft wurde, zog die ganze Gruppe ins Gehöft und Ayomo opferte Hirsewasser für die wena von zwei weiblichen Ahnen, die sich in oder über zwei puuk-Töpfen im kpilima-dok [Endnote 3] befanden und als ma-baga [Endnote 4] bezeichnet werden (vgl. Abb. 42). Man ging wieder hinaus vor das Gehöft, und Ayomo opferte dem bogluk von Leanders Mutter Adankunlie, zwei Steinen am Wege, Hirsewasser. Wäre Ayomos Vater Atiim nicht auch ein leiblicher Sohn Adankunlies gewesen, hätte Ayomo die Opfer an Adankunlie nicht darbringen können, sondern L. Amoak hätte selbst seiner Mutter opfern müssen. Diesmal tranken nur Ayomo, L. Amoak und seine Schwester. Wieder zog man ins Gehöft. Im Innenhof opferte Ayomo dem wen seines Ahnen Abonwari [Endnote 5] und Leander seinem eigenen wen und den wena von Afulanpok und Atigsidum (die beiden letzteren im kpilima-dok).
Nun holte man aus dem Namensgebungstopf vor Asiks bogluk eine Kalebasse voll Wasser, in dem sich die Wurzelsäfte gelöst hatten, und Amoaks Schwester flößte (tugli) den Inhalt der ganzen Kalebasse dem sich sträubenden Lucky ein (s Abb. 16). Auch an den folgenden Tagen musste Lucky von dem Wasser trinken, und selbst Monate später wurde es ihm noch gelegentlich eingeflößt.

Aberok flößt (tugli) Lucky den in Wasser gelösten Wurzelextrakt aus dem Namensgebungtopf ein. In der gleichen Weise erhalten Kinder nach der Entwöhnung auch andere flüssige Nahrung. Im Hintergrund (neben der Sonnenbrille) der wen-bogluk einer lebenden männlichen Person. (Abb. 16 der 1. Auflage).

Lucky trägt die Knochenschnur und das Namensgebungshorn; neben Aberok: Francis Afarinmonsa und Ayomo Atiim. (Abb. 17 der 1. Auflage).
Etwa gegen elf Uhr waren die Vormittagszeremonien beendet. Nach der Mittagspause gegen drei Uhr nachmittags wurde dem wen Asiks und den beiden Medizintöpfen vor dem bogluk eine Kalebasse klaren Wassers geopfert, damit Asik sich nach Leanders Angaben, genau wie es die Anwesenden etwas später taten, vor dem Essen die Hände waschen konnte [Endnote 6]. Danach opferte Ayomo ihm T.Z. und einige zarte Fleischstücke des zubereiteten Hahns. T.Z. und das Fleisch wurden sofort von dem wartenden Haushund verschlungen, ohne dass man ihn daran hinderte.
Die ganze Gruppe zog wieder ins Gehöft und man stellte Fleisch und T.Z. in den kpilima-dok für die Seelen (chiisa, Sing. chiik), von drei männlichen Ahnen, deren Totengedenkfeiern noch nicht abgehalten worden waren und deren Seelen sich noch bei ihren drei Schlafmatten im kpilima-dok befanden (vgl. Nr. 42 – 44 der Tabelle S. {181}, Kap. V, 3d). Man nimmt an, dass die Seelen der Ahnen die Speise essen, ohne dass sie weniger wird, da sie nur den eigentlichen Nährwert der Speise entnehmen. Wenn {68} sterbliche Menschen später die Speise äßen, würden sie kein Sättigungsgefühl verspüren.
Ein junger Nachbar (Achang Akasilik; Nr. 41 der Genealogie und Tabelle S. {174f}, Kap.V,3d) kam nachmittags in das Haus Adeween Yeri. Während er durch die übriggebliebenen hohlen Röhrenknochen des geopferten Hahns eines Schnur zog, wurde von den anderen Teilnehmern eine Pause eingelegt. Der Nachbar legte nun Lucky ein Ziegenhorn [Endnote 7], durch dessen spitzes Ende man eine Schnur gezogen hatte, um den Hals und die Schnur mit sieben Röhrenknochen um die Hüften. Diese letzte Handlung fand wieder neben dem bogluk Asiks statt. Das Ziegenhorn hatte vorher eine gewisse Zeit auf dem bogluk Asiks gelegen, um anzuzeigen, dass Asik Lucky gefordert hatte und – so Leander – um dem Horn eine “segensreiche” Kraft zu verleihen.
Dann setzte man sich auf einen Baumstamm unter einem Niim-Baum [Endnote 8], um über den neuen Namen zu beraten. Leander Amoak saß direkt neben seiner Schwester. Die Schwester schlug den Namen Akanbe als kürzeren Rufnamen für den Namen Akankalibe vor, d.h. “wenn wir (bei den Göttern) sitzen, werden wir nicht in die Irre gehen”. Leander war sofort mit dem Namen einverstanden. Er hatte mir jedoch vorher gesagt, dass er Einspruch erheben würde, wenn der Name zu vulgär wäre. Kurz vor der Namensgebung war noch der amtierende teng-nyono (Erdherr) von Sinyansa zu der Ritualgruppe gestoßen. Er hatte im Nachbarhaus einen Wahrsager aufgesucht und dort von der Namensgebung gehört. Sein Besuch, der durch einen Zufall zustande kam, wurde als gutes Zeichen gewertet. Zum Abschluss der Namensgebung dankte Leander seiner Schwester für ihr Kommen, und kurz vor dem Dunkelwerden begab man sich wieder in das Wohnhaus in Wiaga-Mitte.
Das wen Asiks übt seit der Namensgebung eine Funktion als Schutzgeist (segi, Pl. sega) über Akanbe aus. Er wird seinem Schützling “Gesundheit, Glück und Reichtum bringen und vor Schaden bewahren” (L. Amoak). Leanders Schwester Aberok hat seitdem ein starkes Mitspracherecht bei Entscheidungen über Akanbes späteres Leben.
Wie ich später erfahren habe, trug Lucky Akanbe das Horn und die Knochenschnur einige Wochen. Das Horn ist zur Zeit (1975) noch leer. Es liegt im Schlafraum von Akanbes Mutter Afulanpok. Lucky, wie Akanbe weiterhin genannt wird, trägt es, wenn er sich nicht wohl fühlt. Später jedoch kann es zusammen mit den Hörnern anderer Geschwister, die auch einen männlichen Ahnen des Hauses als Schutzgeist erhielten {69} etwas Erde aus dem tanggbain bzw. teng [Endnote 9], dem bei dieser Gelegenheit auch geopfert wird, aufnehmen. Hat ein Kind einen weiblichen Ahnen des Hauses als Schutzgeist, so kann die Erde für das Horn nach Auskunft L. Amoaks dem puuk-Topf (ma-bage) dieser Ahnin entnommen werden. Das Namensgebungshorn erhält dann auch den Namen ma-bage [Endnote 10].
Die Namensgebung eines Mädchens hätte sich nach L. Amoak in fast gleicher Weise wie die geschilderte, aber mit der Opferung eines Huhnes vollzogen.
Nach dem Todes des neuen Namensträgers und der Errichtung seines Ahnenschreins wird das mit Erde gefüllte Horn bei Opfern an den Ahnen auf dessen Schrein gelegt und mitbeopfert.
b) Eine Ahnen-segrika in Sandema-Kalijiisa (Achaw Yeri)
Die beiden Familienväter Anpan und Abang des Hauses Achaw-yeri in Sandema-Kalijiisa- Yongsa hatten mir schon früh zugesagt, dass ich an der segrika von einem der drei namenlosen Kinder des Hauses teilnehmen dürfte, wenn der Zeitpunkt gekommen sei. Am 26. August 1974 erfuhr ich, dass Akangaaba [Endnote 11], der ältere Bruder Abangs, zum Wahrsager in Kalijiisa-Choabisa gegangen war. Es hatte sich dort herausgestellt, dass Achinwan, der Urgroßvater (VaVaVa) der etwa drei Monate alten Tochter Abangs diese für sich forderte, nachdem ihm zuvor ein Opfer dargebracht worden war. Nach dem Opfer ging Akangaaba wieder zum Wahrsager, der diesmal anordnete, dass man mit der Namensgebung noch warten solle.
Etwa zur gleichen Zeit hatte auch der amtierende yeri-nyono [Endnote 12] Anpan in Sandema einen Wahrsager aufgesucht, der ihn jedoch an einen Kasena-Wahrsager überwiesen hatte. Die Kasena-Wahrsager werden von den Bulsa gerne aufgesucht, gelten sie doch als Experten in ihrer Kunst. So fuhren Anpan und ich am 3. September 1974 zu einem Wahrsager nach Pina bei Tumu. In der etwa einstündigen Wahrsager-Sitzung, die sich nicht wesentlich von den Sitzungen unterschied, wie sie mir aus dem Bulsaland bekannt waren, kam der Wahrsager zu folgendem Ergebnis: Anpans Vater Achaw fordert den zehn Monate alten Sohn von Anpans Frau Aviimi für sich und verlangt für den Tag der Namensgebung {70} zwei Hühner und ein Perlhuhn [Endnote 13]. Außerdem soll man den Wurf einer Ziege abwarten. Falls sie ein oder mehrere männliche und außerdem ein oder mehrere weibliche Junge wirft, soll ein männliches Jungtier Achaw geopfert werden. Sind alle Jungen gleichgeschlechtlich, soll die Ziege selbst geopfert werden. Nach Einbringen der letzten Späthirse soll Anpan außerdem einen Hund an Achaw opfern.
Nach der Rückfahrt kauften wir ein kleines, dunkles Huhn auf dem Markt von Sandema. Die beiden anderen Hühner hatte Anpan selbst im Haus. Noch am gleichen Nachmittag zogen Anpan, Abang und ich in den Busch, um Wurzeln für den Namensgebungstopf zu sammeln. Ein kawala oder waung so(b)luk (Pl. waung solisa oder waung soluta, lat. Annona senegalensis) war schnell gefunden, und man grub eine etwa 1 m lange Wurzel aus, die mit dem Haumesser in etwa 10 -20 cm lange Stückchen zerhackt wurde. Nun begann die Suche nach einem männlichen gaab-Baum (Diospyros mespiliformis). Ein sehr junger Baum ließ nicht erkennen, ob er später einmal Früchte tragen würde. Schließlich wurden die Wurzeln von einem gaab-Baum in Yongsa gewonnen. Die gesammelten Wurzeln legte Anpan sofort in einen großen Tontopf mit Wasser, den er jedoch im Haus, nicht vor dem bogluk aufbewahrte.

Anpan und Abang erwerben im Buschland die Wurzeln für den Namensgebungstopf (tibiik).
Am nächsten Morgen gegen sieben Uhr wurde dieser Wurzeltopf vor den bogluk Achaws gestellt. Die oben erwähnte Ziege band man in der Nähe des bogluk an. Dann opferte Anpan dem wen Achaws das dunkle Huhn, das Perlhuhn und ein kleines weißes Huhn. Das dunkle und das weiße Huhn ließ man flattern, um die Annahme des Opfers zu erkunden. An der Opferhandlung nahmen außer Anpan auch Angaaba (Akangaaba), Abang und alle acht Kinder des Hauses teil, aber keine Frauen. Das kleine, weiße Huhn wurde sofort draußen am offenen Feuer gebraten und etwas weiches Fleisch und Leber legte Anpan auf den bogluk Achaws, wobei er ein “Gebet” sprach. Alle Anwesenden teilten sich den Rest des weißen Huhnes. Vom Perlhuhn wurde nur der Magen am Feuer geröstet. Den Rest und das schwarze Huhn kochten die Frauen Anpans im Haus.
Gegen elf Uhr kam Anpans Frau Aviimi mit Wasser, Suppe, T.Z. und dem gekochten Hühnerfleisch zum bogluk Achaws. Anpan opferte in folgender Reihenfolge: 1. klares Wasser, 2. Hirsebrei (T.Z., saab), 3. Hühnerfleisch und -leber {71}, 4. T.Z., 5. Suppe, 6. klares Wasser. Alle Anwesenden, auch Aviimi und ich, aßen von der Opferspeise, und Anpan bedankte sich hiernach bei Achaw in einem kurzen Gebet. Nun band man die Ziege los, und der junge Sohn Aviimis musste sie anfassen.
Erst jetzt erfuhr ich, dass dieser schon bei der Geburt den Buli-Namen Agoalewon von Achaws noch lebendem Halbbruder Anueka, der noch eine Oberaufsicht über Achaw-yeri als kpagi (Ältester) ausübt, erhalten hat. Dieser Name wurde auch am 22. November 1973 im Health Centre von Sandema (Zweigstelle im Navrongo Registration District) in das neu eingeführte Geburtenregister eingetragen und befindet sich auch auf der Geburtsurkunde (Birth Certificate), die mir Anpan bei dieser Gelegenheit zeigte. Derselbe Name Agoalewon hätte auch noch einmal bei dieser segrika gegeben werden können, aber Anpan hatte Akanpowa, die Mutter seiner Halbbrüder Abang und Akangaaba, gebeten, einen neuen Namen zu suchen. Er versicherte mir, dass er jeden beliebigen, sogar einen Nicht-Bulsa oder mich mit dieser Aufgabe hätte betrauen können, denn ein Kind gehöre nicht dem Vater allein. Akanpowa arbeitete gerade im Haus. Sie rief den Namen Alimsiwen (Warten auf Gott) über die Mauer, ohne selbst herauszukommen. Der Name drückt aus, dass man Gott nicht drängen darf, sondern geduldig auf sein Schicksal warten soll.
Ich erwartete nun das Umhängen der Knochenschnur, denn Akangaaba schnitt bereits die hohlen Hühnerknochen des schwarzen Huhns zurecht und entfernte das Mark mit einem kleinen Stock. Die tiim-Zeremonie wurde aber auf den folgenden Tag verschoben, da die Wurzeln noch nicht genügend ausgelaugt waren.
Am Nachmittag des folgenden Tages legte Aviimi ihrem kleinen Sohn formlos im Innenhof des Hauses die fertige Knochenschnur um die Hüften, nachdem sie eine Stoffschnur abgenommen hatte. Dann entnahm sie dem segrika-Topf (tibiik) vor dem bogluk eine Tonschale (es war der Deckel des Topfes) voll Medizin-Wasser (tiim) und überschüttete hiermit zuerst den Kopf, dann den Körper des schreienden Kindes [Endnote 14]. Von einer kleinen Kalebasse schüttete sie Medizin-Wasser in ihre Hand und flößte es dem prustenden Alimsiwen ein. Dies geschah drei Tage hintereinander in der gleichen Weise. So lange stand auch der große Tontopf beim bogluk Achaws, um dann wieder im Hause zu verschwinden {72}.
Ein Horn hat Alimsiwen bei dieser segrika nicht erhalten, aber möglicherweise musste die später geopferte Ziege ein solches liefern. Dieses Opfer wurde jedoch erst nach meiner Abreise ausgeführt.
Vergleicht man die segrika-Riten im Hause Achaw-yeri mit denen in Badomsa, so fallen neben vielen Gemeinsamkeiten (das Kind wird von einem Ahnen gefordert; dieser erhält Opfer nach Anweisung des Wahrsagers; das Kind muss einen Wurzelextrakt trinken und erhält eine Knochenschnur) auch Unterschiede auf, z.B.:
l . Der Wahrsager bestimmt nur in Badomsa den Namensgeber.
2 .Die Person des Namensgebers scheint in Kalijiisa keine besondere Bedeutung für die segrika zu haben.
3. Das Geschlecht des Opfertieres hat in Kalijiisa keine Beziehung zum Geschlecht des Kindes.
4. Die Medizin entsteht an beiden Orten aus dem Extrakt unterschiedlicher Pflanzen.
5. Keine anderen “Hausgötter” (bogluta) erhalten in Kalijiisa ein Opfer.
6. Das Kind in Kalijiisa wird mit dem Medizin-Wasser gebadet.
7. Das Kind in Kalijiisa erhält möglicherweise kein Namensgebungshorn.
8. In Kalijiisa wurde das Kind nicht auf den blutigen Opferstein gesetzt.

Marys Tochter trinkt die Medizin aus einer sehr kleinen Kalebassenschale.
c) Eine Ahnen-segrika in Wiaga-Badomsa (Anyenangdu Yeri)
Nachdem Anamogsi die beiden Wahrsager (baanoba) Akai und Akanming aufgesucht und beide herausgefunden hatten, dass seine Enkelin (später Ajaakalie) von dem Ahnen Aluechari verlangt wird, fand am 21. September 1988 das segrika-Ritual an dem etwa einjährigen Mädchen statt. Die einzelnen sakralen Handlungen haben große Ähnlichkeit mit den für Asik Yeri (Badomsa) oben beschriebenen.
Gegen 7.15 Uhr legte Anamogsi Fasern aus der Rinde eines Kapok-Baumes (gong, Ceiba pentandra) in einen keramischen Topf (tibiik) neben dem Schrein Aluecharis, der darauf als Opfergaben Hirsewasser und ein dunkles Huhn erhielt. Das Blut floss auf Aluecharis wen-Stein und auf drei Stellen des tibiik. Nachmittags opferte Anamogsi Hirsebrei (saab) mit Sauce und Fleisch vom geopferten Huhn. Zum “Händewaschen” wurde klares Wasser über den Schrein und den tibiik geschüttet.
Am nächsten Tag (um 7.45 Uhr) setzten sich Mary (die Mutter) mit Kind an den Ahnenschrein Aluecharis. Aus einer sehr kleinen Kalebassenschale, die im tibiik aufbewahrt worden war, musste die Tochter das Medizinwasser trinken (es wurde hier nicht eingeflößt, tugli). Anschließend bekam sie Lebertran (eine Neuerung!). Das folgende Bad des kleinen Mädchen mit verdünntem Wasser des tibiik verlief ähnlich wie es oben im Gehöft Abasitemi beschrieben wurde. Wieder trank das Baby Medizin aus der sehr kleinen Kalebasse. Die formlose Namengebung wurde nicht in den rituellen Prozess eingefügt und auch nicht von mir beobachtet. Der Name Ajaakalie (‘ein Ding ist nicht da’) soll ausdrücken, dass Anamogsi keine großen Einkünfte mehr hat wie in früheren Jahren.
Keiner der beiden Wahrsager hatte ein Horn für das Kind verschrieben. Eine Schnur mit aufgereihten Röhrenknochen des geopferten Huhns wurde in den nächsten Tagen hergestellt und dem Kind um die Hüften gelegt, sobald die Knochen völlig ausgetrocknet waren.
2. DIE TANGGBAIN-SEGRIKA
a) Bericht über eine tanggbain-segrika in Wiaga-Zuedema (vor 1972)
Den folgenden Bericht einer tanggbain-segrika erhielt ich von Ayarik aus Tandem-Zuedema. Er hat an der Namensgebung seiner jüngeren Schwester Atenglie selbst teilgenommen.
Ajampana, so “hieß” Atenglie vor ihrer Namensgebung, sollte nach dem Rat des Wahrsagers einem bestimmten tanggbain dargebracht werden. Dieser tanggbain, ein Steinhaufen unter einem großen kanparuk-Baum, ist der zentrale tanggbain Zuedemas. Der Wahrsager hat auch schon den Namen des Mädchens gefunden (Atenglie) und bestimmt, dass eine Kuh geopfert werden soll. Nach Opferung der Kuh gibt die vom Wahrsager bestimmte Schwester des Vaters Ateng den Namen, indem sie ihre Nichte folgendermaßen anredet: “A nying jinla a cheng fi yueni ale Atenglie” (Von heute an ist dein Name Atenglie). Dann mischt man {81} Erde (tanta) mit Wasser zu einem lehmigen Brei und gibt ihn Atenglie in die Hand. Die Namensgeberin hält Atenglie nun die Augen zu und sagt ihr, sie solle die Erde fortwerfen, was Atenglie dann auch tut. Diese Zeremonie soll eine reinigende Wirkung haben. Alle schlechten Dinge (Ayarik: “sins”) werden mit der Erde vom Kind entfernt.
Das geopferte Rind wird zum gemeinsamen Opfermahl zubereitet. Nach den vorher gegebenen Anweisungen des Wahrsagers wird das Blut der Kuh gekocht und dann in eines der beiden Kuhhörner gefüllt. Das Horn wird mit einem Kalebassenstück geschlossen und Atenglie um den Hals gehängt. Am vierten Tag nach der Namensgebung (bei einem Jungen wäre es der dritte Tag) zieht man wieder mit Atenglie, dem Horn und Hirsewasser zum tanggbain, und das gefüllte Horn wird über dem tanggbain mit Hirsewasser übergossen. Nach den Anweisungen des Wahrsagers soll Atenglie das Kuhhorn ihr ganzes Leben lang tragen. Nachts soll sie es neben sich auf die Matte legen.
Mein Informant Ayarik bemerkt selbst, dass diese Namensgebungsform außergewöhnlich ist und dass man gewöhnlich dem bogluk eines Ahnen opfert. Nur sehr reiche und einflussreiche Familien können eine Kuh opfern, aber Ayariks Vater ist schließlich kpagi (Ältester) von Zuedema.
b) Eine tanggbain-segrika (ngiak-segrika) in Wiaga-Badomsa (Anyenangdu Yeri)
Die Wahrsager Akai und Akanming verschrieben für die Tochter von Anamogsis jüngsten Frau Ayabalie eine segrika mit der Darbringung des Kindes an das tanggbain Pung Muning, ca. 300 Meter von Gehöft Anyenangdu Yeri entfernt. Vorher, am 17. September 1988, opferte Anamogsi seinem Vatersvater Aluechari Hirsewasser und informierte ihn über das bevorstehende Ereignis. An dem Ritual sollten alle Hausbewohner teilnehmen, die das tanggbain Pung Muning auch als ihr segi in einer segrika erhalten hatten.
Dem tanggbain opferte Anamogsi gegen 11 Uhr ein dunkles Huhn und Hirsewasser. Diesmal wurde dem kleinen Mädchen nach Anweisung der beiden Wahrsager ein leeres (Ziegen?) Horn umgehängt, das später mit Erde vom tanggbain gefüllt werden kann.
Anamogsi gab seiner Tochter den Namen Ababeniba (wörtlich: ‘sie halten sie auf’). Er ersetzte mit Absicht das Pronomen ma (ich) durch ba (sie, Pl.). Er wollte mit dem Namen sagen, dass andere Leute von ihm das Amt des Erdherrn (teng-nyono) erstreben, aber so lange er lebt, ist ihr Bemühen nur Zeitverschwendung.
Nach den Aktivitäten auf dem Pung Muning Hügel nahm ein Sohn eine Kalebassenschale mit roter Erde vom tanggbain mit ins Gehöft. Unterwegs aß er schon von dieser und bot auch mir ein Stückchen an. Später wurde die Laterit-Erde mit Wasser verrührt, um Ababeniba damit zu waschen. Außerdem trank sie davon vier (weibliches Prinzip!) Tage lang morgens und abends. Die rote Erde entsprach also ungefähr der Medizin des tibiik-Gefäßes in der segrika Ajakalies in der Ahnen-segrika. Das Horn sollt das Mädchen vor Gefahren schützen, sie könnte sogar mit ihm sprechen. Opfer, das heißt Anteile eines anderen Opfers, erhielt das Horn nur am tanggbain.
Um das Horn später mit roter Erde vom Pung Muning zu füllen, ist wenigstens noch ein weiteres Huhnopfer notwendig [Endnote 15a].
Am Abend des 17. September gegen 17.00 Uhr wurde dem tanggbain Hirsebrei mit Sauce und Fleisch vom geopferten Huhn und danach klares Wasser geopfert. Diesmal begleiteten viele Kinder aus Anyenangdu Yeri die Opfergesellschaft. Sie legten ihre Hörner (zusammen waren es fünf) auf den Opferstein, um sie danach wieder mit den Opferspuren zu tragen.
Am nächsten Tag badete Ayabalie ihre Tochter und flößte (tugli) ihr die in Wasser aufgelöste Erde ein.
c) Eine weitere tanggbain-segrika in Wiaga-Badomsa (Ayoling Yeri)
Am 5. Januar 1989 kam Anurka, der Gehöftherr von Ayoling Yeri zu Anamogsi, um mit ihm die tanggbain-segrika eines seiner Enkelkinder zu besprechen. Früh am nächsten Tag ging Anamogsi zum Wahrsager Akanming, um Auskünfte über weitere Einzelheiten in der Ausführung des Rituals zu bekommen. Zur segrika kamen nur ein junger Mann, die Mutter und das Kind. Vor dem Ahnenraum informierte Anamogsi verbal seinen Vater Anyenangdu, der noch eigentlicher Gehöftherr war, von dem Ereignis. Wir gingen mit einer kleinen Gruppe, der sich auch meine Besucher, Herr Prof. R. Schott und (heute Dr.) Sabine Dinslage von der Universität Münster angeschlossen hatten, zum tanggbain.

Das Kind wird auf den blutigen Opferstein des Pung Muning tanggbain gesetzt; links der Opferer Akanpaabadai, rechts der Erdherr Anamogsi.
Die rituellen Handlungen glichen fast vollkommen der oben (unter d) beschriebenen, nur wurde diesmal schon jetzt das Horn des Kindes mit Erde vom tanggbain gefüllt und erhielt auch einen Anteil der Opfergaben. Die Gruppe aus Ayoling Yeri nahm auch eine Kalebasse voll roter Erde zur weiteren rituellen Verwendung (s.o.) mit in ihr Gehöft.
Eine Besonderheit erhielt diese segrika durch den Besuch der zwei deutschen Gäste, denen Anamogsi sofort die Erlaubnis zur Teilnahme und Dokumentation des Rituals gab. Er schien sogar erfreut über diesen Besuch zu sein und gestattete allen, ihre Oberbekleidung und Schuhe anzulassen. Eine solche Erlaubnis ist nicht selbstverständlich. Einige Erdherren erlauben Fremden nicht einmal das Betreten eines tanggbain. Als während einer Totenfeier in Sandema-Kalijiisa die ganze Festgesellschaft einen Zug zum nahegelegenen tanggbain machte, wurden ich und meine beiden Bulsa Assistenten (von denen einer sogar Trommler in der begleitenden Musikgruppe war) vom Betreten ausgeschlossen, obwohl keine Opfer am tanggbain stattfanden. Anamogsi hatte eine ganz andere Auffassung von seinem Erdheiligtum. “Pung Muning liebt alle Menschen und ist über jeden Besucher erfreut”, sagte er mir.
d) Eine weitere tanggbain-segrika in Wiaga-Badomsa (Anyenangdu Yeri)
Am 18. Januar 2005 wurde die Tochter von Anamogsis Sohn Akaayaabisa und dessen Ehefrau Achiiklie dem tanggbain Pung Muning in einer segrika dargebracht. Das Besondere an dieser
Feier war, dass kein Anlass für sie vorlag. Auch ein neuer Name wurde hierbei nicht gegeben, denn das Kind hatte bereits nach seiner Geburt im Krankenhaus von Sandema einen Buli Namen erhalten.
Die hier durchgeführte segrika unterschied sich kaum von ähnlichen Ritualen an Pung Muning. Es wurde nur ein dunkles Huhn geopfert und ein Horn mit der roten Erde von Pung Muning gefüllt. Im Nachmittagsopfer wurde dem Schrein gekochtes Hühnerfleisch, Hirsebrei mit Sauce und klares Wasser geopfert.
3. DIE JUIK-SEGRIKA
Am 13. August 1981 konnte ich an einer juik segrika in Akanwari Yeri (Gbedema-Gbinaansa) teilnehmen. Meine erfassten Daten sind nicht so vollständig und inhaltlich nicht so abgesichert wie die bei Teilnahmen an Riten in Badomsa. Bei einigen Teilriten in Gbedema wurde mir auch das Zuschauen verwehrt.
Der juik-Kult hat sich erst in den letzten Jahrzehnten über weite Teile des Bulsalandes verbreitet, zuerst wurde er nur in wenigen Gehöften der Südbulsa praktiziert. Juik ist eine Mungo Species (Herpestes sanguinis), der als lebendes Tier (ein berüchtigter Hühnerdieb!) und als übernatürliches Wesen eine gewissen Boshaftigkeit und Gefährlichkeit nachgesagt wird (cf. Kröger 2013). Verehrt werden in den Gehöften das ausgestopfte Fell, das aber keine Opfer erhält, und die Schreine, die in Wiaga durch aufrecht stehende Steine an den Fußwegen, in Gbedema durch keramische Medizintöpfe repräsentiert sind.
In Akanwari Yeri sollte ein kleiner, sechs Monate alter Junge, der Sohn des etwa zwanzigjährigen Vaters und Opferers, einen juik-Schrein als segi bekommen, obwohl er vorher nicht krank gewesen war. Ein Wahrsager hatte einfach herausgefunden, dass das juik des Gehöfts (?) ihn als Schützling forderte. Der Ausführende der Rituale (hier der Vater des Kindes) übte diese Tätigkeit nur für einen verstorbenen Gehöftherren aus, dessen Totenfeier noch nicht abgehalten worden war.
Folgende Ereignisse konnte ich durch Feldnotizen (ohne Fotos!) dokumentieren:
• Der junge Vater des Kindes opferte dem Schrein des Gehöftgründers (Akanwari) vor dem Gehöft ein Huhn ohne Hirsewasser, um ihn über die bevorstehende segrika zu informieren. Das Gebet sprach der amtierende Gehöftherr Bawa.
• Den drei Topf-Schreinen von juisa (Pl.) im Inneren eines Rundhauses opferte der Vater des Kindes ein dunkles Huhn und klebte weiche Brustfedern auf die blutigen Opferstellen. Das Gebet an die juisa sprach Bawa.
• Das Huhn flatterte auf und zeigte durch sein Sterben in der Seitenlage an, dass das Opfer angenommen worden war.
• Der Opferer setzte den kleinen Jungen auf die blutige Opferstelle des mittleren Medizintopfes (d.h. dem eigentlichen segi des Jungen?)
• Das Huhn wurde gebraten und Fleisch und Leberstücke vom Opferer auf die drei Tongefäße gelegt. Diesmal sprach er selbst ein kurzes Gebet (Ngoa… Empfange…). Bawa war gar nicht anwesend.
• Nachmittags hatte man Hirsebrei mit einer Hirsemehl-Sauce und Fleisch zubereitet. Ein Junge zerrieb auf einer Topfscherbe mit einem runden Quarz-Stein einige Stückchen einer medizinischen Holzkohle zu einem schwarzen Pulver (Über diese Medizin konnte ich nichts Weiteres erfahren).
• Ein Teil des Hirsebreis wurde mit dem schwarzen Medizinpulver paniert.
• Hiernach erhielten die drei Medizintöpfe des juik klares Wasser, Hirsebrei (ohne schwarzes Medizinpulver) mit Sauce und Fleisch und danach Hirsebrei mit schwarzer Medizin.
• Der kleine Junge musste sowohl flüssige Medizin trinken, von dem Brei mit Medizin essen und fünf Tage lang mit der verdünnten Medizin baden.
Die Opferriten hatten hiermit ein Ende gefunden. Im Innenhof fand ein allgemeines Essen statt, zu dem auch einige Nachbarn erschienen waren. Es entstand eine Diskussion darüber, wer dem Kind einen Namen geben sollte. Auch ich wurde (scherzhaft?) vorgeschlagen. Bawa hatte mir aber schon vorher erklärt, dass er der Namensgeber wäre. Er nannte nun folgenden Namen: Atinvari: ‘[Sie sollen] einfach [alles] in Beschlag nehmen.’ In letzter Zeit waren viele Leute in seinem Gehöft gestorben und das Haus wurde immer kleiner. Wenn es so weiterginge, würden andere Leute kommen und den Rest in Beschlag nehmen. Er hat dem nur zu entgegnen: “Sollen sie doch kommen!”
Die Knochenschnur und das Horn wurden dem Jungen erst am nächsten Morgen umgehängt (von mir nicht beobachtet). Die Schnur enthielt nur zwei Knochen: einen vom Flügel (kingkang), den anderen von der Hüfte (chiak) des Huhns. In Gbedema wird eine solche Schnur einem Kind um den Hals (nicht wie in Wiaga um die Hüften) gehängt. In das Schafshorn füllte man einen Teil der schwarzen Medizin (s.o.).
4. EINE TONGNAAB-SEGRIKA IN WIAGA-YISOBSA-NAPULINSA (AKANGULI-YERI)
Am 26. und 29. März 1989 konnte ich an Riten einer Tallensi-Gruppe aus Tongo-Siik in Akanguli Yeri (Wiaga-Napulinsa) teilnehmen. Am Ende der Trockenzeit zogen Abgeordnete eines Tallensi Schreins (Tongnaab) nicht nur in ihrem eigenen ethnischen Territorium, sondern auch in denen mehrerer Nachbarethnien umher, um dort den “Ablegern” (secondary shrines) ihres Tongnaab zu opfern. Wie immer hatten sie auch 1989 im Gehöft Akanguli Yeri Quartier für einige Tage bezogen und besuchten von hier aus andere Bulsa Gehöfte mit einem Tongnaab-Schrein. Zur “Abschlussfeier” ihres Aufenthaltes in Wiaga kamen zahlreiche Nachbarn mit Opfergaben usw. nach Akanguli Yeri.
Im Verlauf der zahlreichen Riten und Opfer, die sich auf den Tongnaab bezogen, merkten mein Assistent Yaw und ich erst sehr spät, wann das eigentliche segrika-Ritual begann, und auch dann war es mitunter schwer zu unterscheiden, welche Riten und Opfer exklusiver Teil der segrika waren.
Am Morgen des 29. März (vor 8 Uhr) ging ein Gehöftbewohner in den Busch, um folgende Pflanzenteile für die segrika zu besorgen.
1. Wurzeln des Schibutterbaums (cham, Butyrospermum parkii)
2. Wurzeln des gaab-Baumes (Diospyros mespiliformis)
3. Teile von cham-bakurik, einer Schlingpflanze, die als Schmarotzer in Bäumen, vor allem in Schibutterbäumen wächst.
Nach der Ausführung eines kleinen Mädchens (geboren 1988) opferte der yeri-nyono allen Ahnen vor dem Gehöft, und die Frau, die das Mädchen ausgeführt hatte, setzte sich mit dem Kind hintereinander kurz auf jeden dieser Schreine

Die Frau mit den Mädchen setzt sich hintereinander auf alle Ahnenschreine.
Auch bei der Information des verstorbenen vorhergehenden Gehöftsherrn im “Ahnenraum” ist vielleicht die bevorstehende segrika nur am Rande erwähnt worden. Nach weiteren Opfern von wenigstens neun Hühnern/Hähnen und einem Hund) folgte die segrika.
Zu diesem Zweck opferte der Gehöftherr ein dunkles Huhn an den von den Tallensi mitgebrachten Tongnaab-Schrein, einer geschlossenen Kalebasse mit Erde vom Tongnaab-Schrein in Tongo. Er wurde zusammen mit einem Hackenblatt und einem tibiik-Topf mit der oben erwähnten pflanzlichen Medizin in die Mitte eines großen Innenhofs gestellt. Alle Anwesenden die diesen Schrein auch als ihr segi (Schutzgeist) hatten, legten ein mit Erde gefülltes Horn neben den Medizintopf. Nach dem Huhnopfer setzte der Gehöftherr das Kind mit dem nackten Gesäß auf die blutige Opferstelle des Tongnaab. Alle sakralen Objekte neben dem Schrein erhielten ihren Anteil an den Opfergaben.
In den nächsten vier Tagen musste das kleine Mädchen von dem tibiik-Wasser trinken und wurde damit abgewaschen. Auch wenn es später krank wird, flößt (tugli) man ihm die flüssige Medizin ein.
An einem der folgenden Tage wurde Erde vom Tongnaab-Schrein in das vorher leere Horn des Mädchens gefüllt und ihm umgehängt (nicht beobachtet!). Man wird dieses Horn bei allen späteren Opfern an den Tongnaab neben den Schrein legen.
Bei der Gelegenheit der Hornverleihung wurde dem Kind auch ein Buli Name gegeben.
5. DIE TIIM-SEGRIKA
Ein namenloses Kind kann auch einem tiim-bogluk dargebracht werden. Dieser wird dann die Rolle eines Schutzgeistes übernehmen. Die Häufigkeit des Namens Atiim lässt vermuten, dass solche Darbringungen keineswegs selten sind.
Als tiim-bogluta kommen in Betracht:
1. Nipok-tiim [Endnote 16]
Name des Kindes: Atiim oder nach dem Herkunftsort des “fremden” bogluk, z.B. Amoak.
2. Tibiik: ein glatter Tontopf mit Deckel, gefüllt mit Wasser, Blättern und Wurzeln [Endnote 17].
Name des Kindes: Atiim oder Atibiik {82}.
3. Nabiuk.
Dieser besteht aus einem glatten Tontopf mit Deckel (kpalabik). Es ist ein “fremder” bogluk, der in einem mir bekannten Fall aus Koluk kam. Es ist auch ein. In dem Wasser liegt wenigstens eine Kolanuss. Bei der Darbringung und Namensgebung eines Kindes wird eine Kolanuss gekaut und in eine Kalebasse gespuckt. Etwas von dieser Masse wird auf den Medizintopf gelegt, der Rest wird in dem Wasser verteilt, von dem das Kind trinken muss und mit dem es auch einige Tage lang gewaschen wird.
6. DIE JADOK-SEGRIKA
Auch jadoksa (Sing. jadok) [Endnote 18], die in dem betreffenden Haus verehrt werden, können ein Kind des Hauses für sich fordern. Ein Informant aus der Familie des Häuptlings von Siniensi berichtet, dass er und seine acht männlichen und weiblichen Geschwister der gleichen Mutter alle einem der beiden starken jadoksa des Hauses, einem Leoparden-jadok und einem Stein-jadok mit roter Mütze, dargebracht wurden.
7. DIE KAYAK-SEGRIKA
Auch die Kalebassenrassel des Wahrsagers (baan-kayak, Pl. baan-kayaksa) kann Schutzgeist bei einer Namensgebung werden. Die Rassel wird mit den Tieren Schlange (waab) und Krokodil (ngauk) in Verbindung gebracht, wenn ich auch nicht erfahren konnte, in welchem Zusammenhang sie mit diesen Tieren steht. Die Namen der Schützlinge lauten jedenfalls meistens Awaab (Awaabil, Awaalie) oder Angmao (Angmaolie) {83}.
Nach Leander Amoak (1982) ist die Wahrsagerrassel kein eigenständiger Schrein. Ihr kann nur zusammen mit dem jadok (dem ‘Wahrsagergeist’) geopfert werden.
8. DIE NAGMARUK-SEGRIKA
Ein junger Mann aus Kadema berichtet, dass viele Bewohner seines Hauses einem Gewitter-bogluk mit Namen ngmaruk dargebracht wurden, der vor längerer Zeit von den Tallensi für das Haus in Kadema erworben wurde. Personen mit einem solchen Schutzgeist heißen oft Angiak (männlich) oder Angiaklie (weiblich). Opfer, Bad und das Einflößen von Medizinwasser bei einer Namensgebung vollziehen sich ähnlich wie oben bereits beschrieben. Auch ein Horn wird dem Kind gewöhnlich umgehängt; eine Knochenschnur wird nach Angabe meines Informanten in Kadema nur dann angelegt, wenn der Wahrsager dies ausdrücklich fordert.
9. WEITERE INFORMATIONEN ÜBER SEGRIKA-RITUALE
In der Beschreibung keiner anderen Übergangsriten weichen die Auskünfte der Bulsa-Informanten in einem so starken Maße voneinander ab wie bei Informationen über segrika-Rituale. Hierfür mögen drei verschiedene Gründe verantwortlich sein:
1. Mehrere jüngere Informanten verwechseln Einzelriten der wen piirika (Kapitel V dieser Arbeit) mit Riten der Namensgebung, so dass oft ein falsche Bild entsteht.
2. Lokale Unterschiede scheinen gerade bei der segrika besonders stark zu sein, wie auch schon die beiden zuerst beobachteten Ahnen-segrika-Rituale (1a und 1b) {73} gezeigt haben. Bei Vergleichen tritt nicht nur der auch in anderen Kultursektoren auftretende Unterschied zwischen Nord-Bulsa (Atugabisa) und Süd-Bulsa (Fumbisi, Kanjaga etc.) zutage. Ein Informant aus Wiaga-Kubelinsa behauptet, dass bei der segrika rituelle Unterschiede von Haus zu Haus innerhalb der gleichen Klansektion auftreten können.
3. Im Gegensatz zu der Errichtung eines wen-bogluk oder der Mädchenbeschneidung ist die segrika in akkulturierten Familien in besonders starkem Maße der Modernisierung und rituellen Vereinfachung ausgesetzt, ohne dass man sie ganz auslässt. So behauptete ein polygam verheirateter, etwa dreißigjähriger Mann aus Kanjaga mir gegenüber, dass die Bulsa ihren Kindern Namen ohne jedes zeremonielle Beiwerk geben.
Im folgenden sollen Äußerungen von Informanten aus verschiedenen Teilen des Bulsalandes verglichen und den eigenen Beobachtungen entgegengestellt werden, um so zu allgemeingültigeren Aussagen zu kommen.
a) Der Anlass
Fast alle Informanten sagen, dass der Anlass der Namensgebung gewöhnlich Kränklichkeit des Kindes ist, oder das Kind ist unruhig, bereitet Schwierigkeiten in der Erziehung, schreit viel usw. Dieses Motiv spielt aber nicht eine gleich große Rolle wie bei der später zu beschreibenden wen-piirika, denn in einem gewissen Alter hält man oft einen Namen für notwendig, auch wenn das Kind keine außergewöhnlich großen Schwierigkeiten bereitet. Gerade im Hause Achaw-yeri hatte ich den Eindruck, dass der eigentliche Anlass für die recht frühe Namensgebung mein Wunsch war, an einer segrika teilzunehmen. Mitunter wird auch einfach der Wunsch einer überirdischen Macht, einen bestimmten Schützling zu übernehmen, respektiert.
b) Das Alter des Kindes
Angaben über das Alter schwanken beträchtlich. Es scheint jedoch sicher zu sein, dass die traditionelle segrika-Zeremonie nie in den ersten Lebenstagen des Kindes ausgeführt wird, und auch in den ersten beiden Lebenswochen scheint sie gewöhnlich nicht vorgenommen zu werden. Häufig begegnete ich in den Gehöften jungen Kindern, die auf allen vieren durch den Hof krochen, die aber noch keinen “offiziellen” Buli Namen hatten. Auch bei der Aufnahme von Genealogien wurde mir oft das Alter von namenlosen Kindern mit “einigen Monaten” angegeben. Andrerseits scheint auch nach dem zweiten Lebensjahr die Namensgebung recht selten zu sein, da – wie ein Informant {74} aus Wiaga-Tandem sagte – sie mit zunehmendem Alter immer gefährlicher wird. Allerdings berichtete mir ein junger Mann aus Sandema-Kalijiisa, dass ein Verwandter von ihm erst mit etwa 12 Jahren seinen offiziellen Namen erhielt, nachdem er seinen Eltern große Schwierigkeiten bereitete. Da die segrika-Riten niemals außerhalb des Bulsalandes vollzogen werden, kann es heute jedoch vorkommen, dass selbst erwachsene Bulsa in Südghana noch keinen segrika-Namen haben.
Ein junger Mann aus Sandema-Longsa, der angeblich mehrere Namensgebungen miterlebt hat, berichtet, dass es zwei Arten von Namensgebungen gebe:
1. Eine formelle Namensgebung (segrika) findet statt, wenn das Kind gerade kriechen kann. Eine verheiratete Frau aus der Patrilinie des Hauses (meistens als yeri-lie, “Tochter des Hauses”, bezeichnet) wird in ihr Elternhaus zurückgeholt, und sie gibt dem Kind einen Namen, nachdem man etwa ein Huhn oder einen Hahn einem bestimmten bogluk geopfert hat. Danach wird das Kind auf diesen Schreine gesetzt.
2. Wenn man die Namensgebung im jungen Alter versäumt hat und das Kind schon laufen kann, so gibt man den Namen in einer sehr formlosen Art, für die nicht die Bezeichnung segrika sondern yue-teka gebraucht wird. An einem frühen Morgen mahlt die Mutter des Kindes etwas Hirsemehl und gibt es dem yeri-nyono. Am nächsten Morgen begrüßt der yeri-nyono die Mutter und ruft das Kind bei dem von ihm gefundenen Namen. Dies ist der neue Name des Kindes, das vorher nur Ajampan (Baby) gerufen wurde. Opferhandlungen sind mit dieser informellen Art der Namensgebung nicht verbunden.
Der wohl etwas lückenhafte und nicht ganz exakte erste Bericht (1.) stimmt in seinen wesentlichen Zügen mit den von mir beobachteten und oben beschriebenen segrika-Ritualen überein. Ob es sich bei der letzten Beschreibung (2.) um eine moderne Vereinfachung handelt, ob diese informelle Namensgebung schon seit altersher neben der zuerst beschriebenen bestanden hat oder ob es sich um eine örtliche Variante handelt, ist heute nicht leicht zu entscheiden. Auffallend ist, dass in der letzten Form die wichtige Darbringung an einen Schutzgeist (segi) völlig fehlt.
c) Die Namensgeber
Eine häufige Antwort auf die Frage, wer dem Kind einen Namen gibt, ist: “Es kann jede beliebige Person sein, die der Wahrsager herausfindet”. Fragt man jedoch nach, ob es auch ein Verwandter der Mutter sein kann, so wehrt der Informant meistens entrüstet {75} ab. Falls die Mutter mit ihren sehr jungen Kindern wieder zu ihren Eltern zieht, kann es jedoch durchaus sein, dass ein Verwandter der Mutter dort den Namen gibt. Ein Informant aus Sandema-Balansa behauptet, dass auch die Geburtshelferin (poi-yigro) einen Namen geben kann, besonders wenn es sich um eine schwere Geburt gehandelt hat. Andere sagen sofort, dass stets ein Verwandter oder eine Verwandte aus der Linie des Vaters einen Namen gibt, während wieder andere darauf bestehen, dass nur der yeri-nyono oder der Vater selbst den Namen gibt. Wenn die Großeltern des Kindes noch leben, wird einer von ihnen gewöhnlich den Namen finden (Information aus Sandema und Wiaga). Auch wenn ein anderer Verwandter den Namen gibt, so kann doch meistens der Vater oder yeri-nyono einen starken Einfluss auf den Namen ausüben. Er kann Einspruch erheben oder versuchen, den von ihm gewünschten Namen durchzusetzen. Wenigstens einige Informanten betonen aber, dass das letzte Wort in diesem Falle stets die eigentlichen Namensgeber aus der Patrilinie haben. Dass der Vater eine entscheidende Rolle bei der Namensgebung spielt, zeigt sich auch darin, dass die Namen oft Gefühle oder Meinungen des Vaters ausdrücken, auch wenn eine andere Person den Namen gibt.
Ein Informant aus Fumbisi berichtet, dass der Name immer von der ältesten im Haus lebenden Person gegeben wird. Wenn z.B. noch eine Frau des verstorbenen yeri-nyono im Hause wohnt, wird sie den Namen geben. Wenn der Name nicht gefällt, kann der Hauseigentümer ihn durch einen anderen ersetzen oder ihn verkürzen. Dritte Instanz mit einem Mitspracherecht ist die “Besitzerin eines Innenhofes” (dok-nyono, immer eine verheiratete Frau), in deren Hof man sich berät. Diese Information erinnert stark an die Beobachtungen in Achaw-yeri, denn Akanpowa war eine Frau Achaws und ist außerdem die älteste Person des Gehöfts, gehört aber nicht zur Patrilinie des Kindes. Falls das Kind wiedergeboren wurde, kann der Wahrsager eine Person aus einer anderen Lineage als Namensgeber bestimmen.
Die gesammelten Aussagen und Beobachtungen über Namensgeber lassen sich vielleicht in zwei Gruppen zusammenfassen:
1. Der Namensgeber (die Namensgeberin) wird vom Vater oder yeri nyono beauftragt, hat aber durch diese Funktion später keine besonderen Rechte über das Kind. Fast jeder kann so zum Namensgeber werden. Es war mir nicht möglich zu erfahren, ob diese Form auf moderne Einflüsse zurückgeht {76}.
2. Der Namensgeber wird vom Wahrsager bestimmt, man misst der Wahl eine große Bedeutung zu, und die Person steht auch im späteren Leben zum Kind in einer bestimmten Beziehung. In diesem Fall nimmt man gewöhnlich eine Frau oder (seltener?) einen Mann aus der Patrilinie des Vater des Kindes als Namensgeber(in).
Die hier geäußerten Thesen müssten noch eingehender überprüft werden. Auch eine Aufteilung der beiden Typen auf bestimmte Gebiete des Bulsalandes lässt sich nach meinen Forschungen nicht durchführen, behauptet doch ein leiblicher Bruder Anpans, dass die Namensgebung stets von einer Frau aus der Patrilinie des Vaters durchgeführt wird.
Als Beispiel für Namensgeber und für die Behauptung, dass die Namen meistens Gefühle und Meinungen des Vaters und nicht des Namensgebers widerspiegeln, sollen zunächst die Namensgebungen der Kinder Leander Amoaks (Wiaga-Badomsa) untersucht werden. Da die Namensgebung hier eine Angelegenheit der Patrilinie ist, spielt es keine Rolle, dass die zehn Kinder von vier verschiedenen Frauen geboren wurden.
1. Akanyaba, geboren 10.6.1957. (Übersetzung: Keiner liebt mich, wörtlich: keiner liebt sie, Rufname: Tenni). Leander glaubte damals, dass er bei allen Leuten unbeliebt ist. Namensgeber sollte nach Findung des Wahrsagers Amanyeba, Leanders Vaters Schwesters Sohn sein. Da dieser jedoch zu alt war, tat es für ihn stellvertretend sein Sohn.
2. Anamboro (Leben ist Leiden, Rufname: Danlardy), geb. 29.6.1958. Der Name ist eine Schlussfolgerung aus dem ersten Namen. Wenn mich keiner mag, ist es eine Last zu leben. Namensgeber: wie 1.
3. Awenawie (Gottes Taten), geb. 6.6.1961. Das Kind starb bald nach der Namensgebung. Namensgeber: wie 1-2.
4. Asuakomi (Zorn wird mich umbringen, Rufname: Bibiana), geb. 21.7.1962. Leander Amoak hatte damals viel Ärger. Der Namensgeber wurde gewechselt, da der Tod des Kindes Awenawie auf eine nicht sehr erfolgreiche Namensgebung schließen ließ. Namensgeberin Asuakomi: Leanders Schwester Aberok.
5. Adaanlie (Pitos Tochter, Rufname: Mary), geb. 24.3.1964. Die Mutter des Mädchens ist Pito-Verkäuferin. Namensgeberin: Aberok {77}
6. Afarinmonsa (nach Farinmonsa, der Sektion der Mutter, benannt; Rufname: Francis), geb. 3.5.1965. Da Asuakumi und ihr jüngerer Bruder Afarinmonsa ohne Komplikationen in Farinmonsa im Elternhaus der Mutter geboren wurden, glaubte Leander diesen Namen seinen Schwiegereltern schuldig zu sein. Namensgeber: wieder wie 1-3.
7. Akapami, (Rufname: Adocta) geb. 3.4.1967; Namensgeberin: Leanders Schwester Aberok (wie 4-5).
8. Akanue (wird nicht untergehen, Rufname: Oldman), geb. 12.5.1967. Namensgeber: wie 1-3 und 6.
9. Akanchaldi (Ich fürchte dies nicht), geb. 1969 (Leander vergaß, das Geburtsdatum aufzuschreiben), gestorben am 14.5.1971.
10. Akanbe (Wir werden nicht in die Irre gehen, Rufname: Lucky), 6.2.1973. Namensgeberin: Leanders Schwester Aberok (wie 4,5 und 7).
11. Azaanbe (Wo werden wir bleiben? Rufname: Bawa)
Robert Atong Asekabta, dessen pobsika oben bereits beschrieben wurde, gibt Auskunft über die Namensgeber seiner männlichen Geschwister und Halbgeschwister:
1. Azongbil. Der erstgeborene Sohn Asekabtas starb schon als Kind. Der Informant weiß nicht genau, ob sein Vater Asekabta oder der damalige yeri-nyono Atunwie Namensgeber war.
2.Atong (Informant). Er wurde nach Tongo im Tallensiland genannt, weil dort ein Schrein Schutzgeistfunktionen über ihn ausübt. Namensgeber: Atongs Vater Asekabta.
3. Akpaziimako. Namensgeber: Atunwie, der ältere Bruder Asekabtas und damalige yeri-nyono.
4. Akankoalim. Namensgeber: Asekabta {78}.
5. Adoalikum. Der Wahrsager fand heraus, dass die gleiche Person, die dem Kleinkind einst die Hüftschnur umgelegt hatte, auch den Namen geben soll. Dies war eine weibliche Verwandte der Mutter.
6. Akansuok. Namensgeber: Asekabta.
7. Adueweling. Namensgeber: Asekabta.
8. Ein weiterer Sohn Asekabtas starb, bevor er einen Namen erhalten hatte. Die Tochter Atongs und ein Sohn Akpaziimakos hatten zur Zeit der Information ebenfalls noch keinen Namen
9. Akanmob. Amama, ein älterer Bruder Asekabtas und yeri nyono des Häuptlingshauses gab den Namen Akanmob (nicht öffnen), weil man das Herz eines Menschen nicht öffnen kann, um seine Gesinnung zu erfahren. Akanmob wurde nicht einem Ahnen, sondern dem tanggbain Baglesiuk dargebracht.
Genealogische Beziehungen der erwähnten Personen:

Abschließend folgt eine Liste der sieben Kinder und ihrer Namensgeber aus einer polygamen Familie in Wiaga-Tandem-Zuedema. Die Information gab der 25jährige Ayarik.
1. Ayarik. Er hat mit 25 Jahren immer noch keinen offiziellen Namen, da er die längste Zeit seines Lebens im Süden gewohnt hat. Ayarik nannte man ihn nach seinem Großvater {79}
2. Akagiera. Namensgeber: Abiro (Vaters Schwesters Sohn).
3. Atenglie. Namensgeber: Wahrsager und die Schwester des Vaters (vgl. den Bericht über die tanggbain-segrika).
4. Awiag. Namensgeber: Der Sohn einer anderen Schwester des Vaters. Der Namensgeber lebte in Fumbisi im Hause des Wahrsagers, den man aufgesucht hatte.
6. Assibi (Der offizielle Name ist dem Informanten entfallen). Namensgeber: ein älterer klassifikatorischer Bruder des Vaters aus dem eigenen Haus.
7. Abalukmi. Namensgeber: Ayarik, der Vater des Vaters.
d) Der Schutzgeist (segi)
Bisher wurde meistens auf Ahnen verwiesen, die ein Kind in einer Namensgebung für sich fordern und die bei der segrika Opfergaben erhalten. Alle bogluta eines Hauses und darüber hinaus Naturheiligtümer (tanggbana) der näheren und weiteren Nachbarschaft können jedoch Kinder für sich fordern. Nachdem dieser Forderung stattgegeben wurde, übt der im bogluk wohnende “Geist” (tanggbain, jadok, tiim usw.) eine gewisse Schützerfunktion über das Kind aus. Wenn jemandem z.B. ein vergifteter Trank angeboten wird, so lässt der Schutzgeist (segi) die Hand seines Schützlings erzittern, sodass die Kalebasse zu Boden fällt [Endnote 15]. Ein Schutzgeist hält auch seinen Schützling davon ab, zum Ort des Totenreiches seiner Familie zu gehen. Darum braucht man den Ort gar nicht zu kennen, um ihn zu meiden (Information aus Gbedema). Erwachsene Bulsa, die noch keinen segrika-Namen haben, glauben trotzdem, einen Schutzgeist zu besitzen, auch wenn sie nicht wissen, wer diese Funktion übernommen hat.
Im folgenden soll an den Kindern des Hauses Adeween-yeri, d.h. an den Kindern Leander Amoaks und seines verstorbenen Bruders Atiim ein Beispiel für die Verteilung von Schutzgeistern (sega) gegeben werden {80}.
(Anmerkung: In der ersten Kolumne steht jeweils der Name des Kindes, in der zweiten der Name des Schutzgeistes)
1. Kinder Leander Amoaks:
Akanyaba: Asik (Leanders Vater)
Anamboro: Asik
Awenawie: Adeween (Asiks Vater)
Asuakumi: Adankunlie (Leanders und Atiims Mutter)
Adanlie: Adankunlie
Afarinmonsa: Asik
Akapami: Asik
Akanue: Asik
Akanchaldi: Adeween
Akanbe: Asik
Azanbe: Adeween
2. Kinder Atiims:
Adeweenlie: Adeween
Abaala: Asik
Assibi: Adankunlie
Ayomo: Nipok-tiim des Hauses
Anyongbiik: Adeween
Leander Amoak selbst und sein verstorbener Bruder Atiim haben den nipok-tiim des Hauses als Schutzgeist. Der Name Amoak wurde gegeben, weil der nipok-tiim von einem Mossi (Moak) erworben wurde.
B) NAMEN
Personennamen (Anthroponyme, Buli yue, Sing. yuein) haben bei den Bulsa ebenso wie in anderen Kulturen in erster Linie einen identifizierenden Charakter. Eine bestimmte Person wird, oft in Verbindung mit einem anderen Namen, eindeutig als solche festgelegt. Darüber hinaus hat der Personenname noch andere Funktionen und Eigenschaften. Er ist, wie B. Saladin d’Auglure (2002: 390) es in Anschluss and das grundlegende Werke „Savage mind” von C. Lévi-Strauss (1962) formuliert hat, eine „intersection between the social and religious”. Schon die Namensgebung ist bei den Bulsa in einen religiösen Kontext (segrika) gebettet und während andere Namen (Spitznamen, christliche und fremdethnische Namen) gerne von Bulsa Zeit ihres Lebens ausgetauscht werden, bleibt der offizielle Buli-Name gewöhnlich ein Leben lang erhalten. Nur wenn sich ein bestimmter Name als unheilbringend erwiesen hat, kann er mit Hilfe eines Wahrsagers und im Zusammenhang anderer religiöser Aktivitäten durch einen anderen ersetzt werden.
Andererseits ist der klassifizierende Charakter bei den Buli-Namen wenig ausgeprägt. Aus einem Namen kann man gewöhnlich nicht das Geschlecht ablesen, wenn nicht zusätzlich die Silben pok (Frau) oder lie (Mädchen) angehängt werden. Auch lässt sich durch einem Namen allein nicht auf den Rang einer Familie schließen.
Wie in vielen anderen Kulturen auch, ist ein Name bei den Bulsa mit seinem Charakter und seinem Ansehen verknüpft. Ein guter Name (yue) bedeutet so viel wie ein hohes Ansehen, das durch asoziales Verhalten beschmutzt werden kann. Dies drückt sich auch in zahlreichen Buli-Namen aus, z.B.:
Ayuekanbe: Ein guter Name kann nicht verloren gehen.
Akanjogyue: Ich verliere (man verliert) seinen guten Namen nicht. Trotz Armut und Misserfolgen wird man wegen eines guten Namens respektiert.
Akantuyue: Einen guten Namen kann man nicht zerstören.
1. METHODISCHE VORBEMERKUNGEN
Um genügend Demonstrationsmaterial zur Hand zu haben und um wenigstens mit Sicherheit alle Namenstypen der Bulsa zu erfassen, wurden etwa 1600 verschiedene Buli-Namen gesammelt. Diese stellen nur einen kleinen Teil der von den Bulsa z.Z. getragenen Namen dar. Auch als sich meine Sammlung ihrem Abschluss näherte, konnten etwa von 150 Buli-Namen einer Genealogie stets noch über 100 als Neuaufnahmen katalogisiert werden, d.h. es traten erst sehr wenige Dubletten auf. Daher ist es auch vollkommen ausgeschlossen, eine nahezu erschöpfende Sammlung von Buli-Namen anzulegen, da bei neuen Geburten auch Namen gegeben werden, die nie zuvor ein Bulo getragen hat.
Als Quellen für die Namenssammlung dienten mir einmal 24 Genealogien, die mir meistens jüngere Informanten in Südghana oder im Bulsaland gegeben hatten. Zum anderen wurden die Namen schulentlassener Mittelschüler aus den offiziellen Schullisten untersucht. Die Übersetzung der Namen macht etwa einem Schulabsolventen keine große Schwierigkeiten, wenn der Name nicht in “deep Buli” [Endnote 19] gegeben wurde.
Da die meisten Namen jedoch eine leichte Verkürzung erhalten haben (vgl. Akankalibe – Akanbe) und auch in der Langform die eigentliche Idee schon verkürzt wiedergegeben wird (vgl. wenn wir bei den Göttern sitzen, können wir nicht in die Irre gehen), kann eine vollständige Deutung des Namens meistens nur dann gegeben werden, wenn die Absicht des Namensgebers selbst bekannt ist. Daher wurde etwa bei den Namen, die Genealogien entnommen wurden, der Informant der Genealogie selbst nach der Deutung des Namens gefragt, aber auch hier konnte er meistens nicht über seine Orientierung- und Abstammungsfamilie hinaus Auskunft geben. Bei den Listen der Schulentlassenen wurde möglichst ein Informant des gleichen Jahrgangs und der gleichen Schule zur Deutung aufgefordert, da Schüler einer Klasse sich wenigstens bei ihren Freunden oft nach der Bedeutung ihres Namens erkundigen {84}.
2. FORMALE UND STRUKTURELLE BETRACHTUNG DER BULI-NAMEN
a) Präfixe und Suffixe
Wie schon bei einem oberflächlichen Blick auffällt, beginnen alle Buli-Namen mit A-, ein Kennzeichen, dass es sich hier um Personen handelt, z.B.:
keri = das (Erd-)Hörnchen (Tier)
Akeri = Name eines Mannes oder einer Frau [Endnote 20]
Spezifische Buli-Namen für Männer oder Frauen gibt es weder vom inhaltlichen Gesichtspunkt noch in formaler Hinsicht, wenn auch häufig bei weiblichen Namen die Silbe –lie (=Tochter) oder –pok (=Frau; besonders für Neubenennungen von Frauen, die in eine andere Klansektion einheiraten) angehängt wird. Männernamen können durch die Silben – bil [Endnote 21] , -biik, -bisa, -diak, -diok gekennzeichnet werden, wenn es auch nicht immer ganz klar ist, ob das Suffix (z.B. -diak) Teil des Namens ist oder das Geschlecht des Namensträgers kennzeichnen soll.
Manchmal wird anstelle der Endung -biik die Endung -bisa (Pl. von biik) verwandt, besonders wenn es sich um das erste männliche Kind handelt. Durch den Singular –biik würde zu sehr die Situation heraufbeschworen, dass das Kind das einzige bleibt, während die Endung –bisa schon andeuten soll, dass noch mehrere Kinder kommen.
Die Endung –na(a)b weist oft, aber nicht immer, wie das folgende Beispiel zeigt, auf eine Begebenheit mit einem Häuptling hin. Eine schwangere Frau aus Tandem ging zum Markt von Wiaga und gebar dort einen Sohn. Man wollte den außergewöhnlichen Geburtsort im Namen kennzeichnen, allerdings hielt man es für unschicklich, den Sohn Awiag zu nennen, da der Sohn Atugas und Gründer Wiagas diesen Namen trug. So nannte man den Sohn einfach Awiagnab.
Einige Namensträger versuchen, ihren Namen selbst später zu “modernisieren”. Als “modern” gilt für viele Bulsa das Suffix -a, das manche jüngere Bulsa an ihren konsonantisch endenden Namen anhängen (vgl. auch Sandem – Sandema, Wiag – Wiaga, kambon-naab – kambon-naaba). Andererseits wird das anlautende A- mitunter durch einen anderen Vokal ersetzt, z.B. Adanur – Idanur, da der so veränderte Name angeblich {85} eher einen “kosmopolitischen” Klang hat. Mitunter wird auch das anlautende A- ausgelassen: Sampana statt Asampan, Kalasanab statt Akalasanab.
b) Übersetzungshilfen
Um dem Leser die Übersetzung der auf den folgenden Seiten als Beispiele angegebenen Namen zu erleichtern, sollen einige häufig wiederkehrende Wörter und Partikel hier übersetzt werden:
ale = und, mit
ate, te = für
ba = sie, ihr (engl. they, them, their)
be = wo
boa = was
boro, bo, boka = sein, anwesend sein, leben, wohnen
-dek = selbst (badek = sie selbst, ndek ich selbst)
dem(a) = Leute, Volk
di, de, du = dies, das
felik(a) = Weißer, Europäer
jam = kommen
kan, ka, an, n = nicht
kama, kame = Partikel der Emphase
ko = töten
kum = Tod
mi, n = ich, mich, mein
moaning, moanung = rot, braun
na(a)b = Häuptling
nipok = Mädchen
nya = sehen
nye = machen, tun
pieluk = weiß, hell
paari, paa = erreichen
pari, pa = nehmen
po = in
pok = Frau
ta = haben, halten
wari – (Pl. wie) = Wort, Ding, Tat
wen, won = “Gott”; persönliches Schicksal (vgl. S. 146 ff.)
wom = hören
ze = nicht wissen
zeri = verweigern {86}
c) Syntaktische Struktur der Namen
Für die syntaktische Untersuchung der Buli-Namen wurden alle Namen, die sich von geographischen Eigennamen ableiten (Awiaglie), ausgelassen, da fast jede verheiratete Frau auch nach ihrer Heimatsektion benannt werden kann, und in genealogischen Untersuchungen diese Namen einen sehr breiten Raum einnehmen, wenn der Informant den wirklichen Namen vergessen hat. Ausgelassen wurden natürlich auch alle Namen, die sich in ihrer Syntax oder Semantik nicht vollständig deuten ließen (ca. 150 Namen). Es bleiben hiernach noch 1322 verschiedene Namen. Auch hier ergaben sich bei der syntaktischen Analyse noch zwei Hauptschwierigkeiten:
1. Viele Namen sind in ihrer bekannten Form gekürzt, und oft ist eine Syntax nur sehr schwer zu erkennen, falls man nicht die Langform erfahren kann.
Die Langformen können mitunter eine beträchtliche Länge erhalten. Aus Gbedema wurde mir folgender Name genannt: Aginganagokbaliisi (= Die Trommeln schlagen [zum Tanz, aber] sie weigern sich [zu tanzen]).
2. Die Wortart vieler Buli-Wörter ist heute noch nicht einwandfrei geklärt. So lassen sich manche Wörter sowohl als Substantive als auch als Präpositionen verwenden (nying = 1. Körper, 2. wegen; zuk = 1. Kopf, 2. auf), einige Verben haben adverbialen Charakter (z.B. gum = 1. addieren, hinzufügen; 2. außerdem, obendrein), einige Wörter und Partikel lassen sich gar nicht oder nur schlecht in unser Kategorienschema eingliedern (-ya, kama). Hier erhebt sich nun die Frage, ob es überhaupt erlaubt ist, grammatikalische Begriffe (z.B. Substantiv, Prädikat, Adverb usw.), die vorzugsweise an europäischen Sprachen erarbeitet wurden, auf afrikanischen Sprachen anzuwenden.
Trotz der aufgeführten Schwierigkeiten soll hier der Versuch unternommen werden, die Namen in syntaktische Strukturelemente zu zerlegen. Dabei sind die Kategorien (S, P, Av, E) nicht nach einer strengen, grammatikalischen Systematik aufgestellt, sondern die sinnvolle Verwendbarkeit in der Fragestellung dieser ethnographischen Arbeit wurde mitberücksichtigt. So wurden etwa Interrogativpronomen als selbständige Einheit aufgeführt und nicht etwa in die syntaktischen Kategorien von Subjekt und Objekt eingegliedert. Die Endungen –lie und –pok, die an jeden Namen angehängt werden können, bleiben in dieser Untersuchung unberücksichtigt {87}.
In der unten folgenden Aufstellung haben die Abkürzungen folgende Bedeutung:
S: ein Substantiv, Gerundium oder Pronomen, das allein steht oder das in einem Satzgefüge das Subjekt bezeichnet. In Einzelstellung kann natürlich keine Aussage über die syntaktische Funktion gemacht werden. Wie aus Deutungen durch Informanten zu erschließen ist, kann es dann gedanklich durchaus als Prädikatsnomen oder sogar Objekt fungieren, z.B. wird Atuima (Arbeit) so von einem Informanten gedeutet: Ich (der Namensgeber) habe z.Z. sehr viel Arbeit.
P: ein Verb, das in einem syntaktischen Zusammenhang eine prädikative Funktion hat.
O: ein Substantiv, Pronomen, substantiviertes Adjektiv oder Gerundium in der Funktion eines direkten, indirekten oder präpositionalen Objektes.
N: die Partikel kan, an und da(a), die eine Aussage verneinen (deutsch ‘nicht’).
Nicht hierzu aufgenommen wurden Verben mit negativem Inhalt (z. B. karo, Kurzform ka = nicht haben, ze = nicht wissen).
A: ein Adjektiv allein stehend oder attributiv (selten prädikativ oder adverbial).
Av: ein nicht von einem Adjektiv abgeleitetes Adverb (z.B. kinla vergebens, jinla = heute, tin = gerade usw.).
E: die emphatische Partikel kama
I: Interrogativpronomen.
Pr: Präpositionen bei einem alleinstehenden Nomen. Bei präpositionalem Objekt wurden Präpositionen nicht gesondert aufgeführt.
deep: deep Buli,- eine Sprachform, die vor allem von alten Leuten in feststehenden Redewendungen gebraucht wird. Die hier angeführten Namen in deep Buli konnten übersetzt, aber nicht eindeutig syntaktisch analysiert werden. Auch die zahlreichen Namen, die meinen Informanten völlig unerklärlich waren, mögen zum Teil in deep Buli verfasst worden sein {88}.
Übersicht über die syntaktische Struktur der Buli-Namen
n = 1322
Syntaktische Anzahl der Namen % Beispiel
Struktur
PO 234 17,7 Akonab = tötet Häuptling
S 219 16,6 Abosuk = Grab
NPO 139 10,5 Akangariba = nicht trennt sie
PP 82 6,2 Agazeri = gehen (und) verweigern
SA 78 5,9 Ayi(e)kasung = Häuser verdorbene
SP 74 5,6 Amaboro = ich lebe
P 62 4,7 Achim = wachsen
SS [Endn. 22] 56 4,3 Atuinab = Baobab-Häuptling
NP 50 3,8 Akanse = nicht bauen
SPO 38 2,9 Abolimjumi = Feuer verbrennt mich
PI 37 2,8 Anagbe = schlagen wo?
A 24 1,8 Agelik = kurz
NS 19 1,4 Adaasagi = nicht Busch
NPP 17 1,3 Akandako = nicht kaufen (und) töten
SPr 13 1,0 Awuutapo = Gras in
PPO 11 0,8 Apusiwenba = grüßen, erzählen ihnen
PE 11 0,8 Asebkame = wissen!
AvP 9 0,7 Angmanwom= wiederhören
deep, dark 14 1,0 Asaprinya = bete für mich (?)
4 Elemente 12 0.9 Akannyemidu = es nicht tun mir das
z.B. NPOO
Sonstige 123 9,3
Sa.: 1322 100 %
Unter Einschuss der unter “Sonstige” aufgeführten Namen ergibt sich, dass 256 Namen (19,5 %) einen Verneinungspartikel enthalten. 72 Namen (5,5 %) haben eine Frageform. Bei 407 Namen (30,7%) ist deutlich eine syntaktische Struktur mit Prädikat(en) und Objekt(en) feststellbar (PO, NPO, PPO, POI, NPOO usw.), das Subjekt fehlt jedoch. Wie ich erfahren konnte, handelt es sich hier gewöhnlich nicht um Kürzungen, sondern als Subjekt muss oft mit großer Selbstverständlichkeit der Namensgeber eingesetzt werden, in einigen Fällen kann man sinngemäß ba (= sie, d.h. die Leute, die anderen oder die Feinde) ergänzen {89}.
Exkurs: Verbindungen zwischen den Namen von Kindern
Zwischen den Namen der Kinder innerhalb einer einzigen Familie (meistens derselben Frau) kann es verschiedene formale Verbindungen geben
1. Der Gedanke oder der Wunsch, der im Namen eines Kindes ausgedrückt wird, kann im Namen des folgenden Kindes fortgesetzt werden. L. Amoak gab seinem ersten Kind den Namen Akanyaba (keiner liebt mich) und als Schlussfolgerung aus dieser Tatsache nannte er sein zweites Kind Anamboro (Leben ist Leiden).
2. Alle Kindernamen einer Familie werden von einer anderen Familie übernommen. Als in Gbedema eine verheiratete Frau einem unverheirateten Mann eine Frau beschaffte, gab er all seinen danach geborenen Kindern die Namen der Kinder aus der erstgenannten Familie.
3. Alle Kinder einer Familie tragen Namen, die in etwa das Gleiche ausdrücken. In Sandema Abilyeri nannte ein Mann seine Söhne: 1. Awielewie (ein Ding ist ein Ding), 2. Angainingai (Dinge sind Dinge), 3. Adiiledii (ein Ding ist ein Ding). Die Bedeutung ist etwa: Alle Dinge sind gleich und müssen getan werden.
4. Mitunter beschränkt sich auch die Ähnlichkeit nur auf